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Johannes Paul Thiimann schrieb seine 4. Sinfonie in den Monaten November 1953 bis Januar 1954. Mit Ihr setzte er sich mit der klassischen deutschen Musik auseinander, jedoch nicht im Sinne einer Überwindung oder Verneinung dieses Erbes in Form einer experimentellen Zersetzung. Thilmanns 4. Sinfonie ist viel eher ein Bekenntnis zu diesem Erbe, das die heute Lebenden eigentlich dazu ver pflichten müfjte, es zu hüten und im Sinne der humanistischen Tradition weiter zuführen. Im einzelnen sagte der Dresdner Komponist zu seiner „Vierten“, die seit Ihrer Uraufführung durch die Dresdner Philharmonie unter Ffeinz Bongartz rund 25 Aufführungen erlebte, u. a. in Polen, in der CSR und in Rumänien: „Ob das, was ich persönlich empfand, auch volkstümlich ist, war ein schwieriges Problem. Vielleicht spürt man im ersten Satz, daß ich sehr darum gerungen habe und manchmal zu trotzigen und beinahe wütenden Ausrufen hingerissen wurde, weil es so schwer war, das Problem zu bewältigen. Das Anknüpfen an das deutsche klassische Erbe geschah nicht nur formal durch die Übernahme des klassischen Sinfonieschemas, sondern vor allem auch inhaltlich durch ein Hinneigen zu beethovenscher und brahmsischer Aussage, weiterhin in einer Vorliebe für Konflikte, die in der Sinfonie ihre Lösung erfahren. So ist der zweite Satz mit seinem pochenden Grundrhythmus und einer breiten melodischen Entfaltung ein schwerblütiges Seelengemälde, der dritte Satz, das Scherzo, mit seiner rhythmischen Ausgelassenheit das Abbild eines noch etwas schwerfällig, aber doch schon lustig Tanzenden. Auch der vierte Satz malt in seiner langsamen Einleitung in dunklen Farben und befreit sich inseinem lebhaften Teil erst zum Schluß von den vorwiegend kämpferischen und dialektisch durchgeführten Inhalten. Befreiende Augenblicke gibt es an den Schlüssen des ersten und vierten Satzes, wo das schicksalhafte d-moll zum Dur gewendet wird. Im ganzen Werk istdemnadi das Ringen um eine symphonische Aussage spürbar, schwerwiegende Fragen heischen Antwort, kraftvolles Zupacken hilft entwirren und klären. Meine Vorliebe für knappe und gedrungene Formen kommt darin zur Geltung, dafs das ganze Werk ziemlich kurzistund in präzisenWorten nur das Wichtigste zu sagen beabsichtigt“. Max Reger wurde 1911 als Leiter der Hofkapelle nach Meiningen berufen. Die intensive Arbeit mit dem Orchester regte ihn zu der „Romantischen Suite“ und den „Vier Tondichtungen nach Böcklin“ an. Als man Reger, dem Verfechter der „absoluten“ Musik, seinen Ausflug in die Gefilde der Programmusik vorwarf und übel vermerkte, erwiderte er: „Jede Musik, ob absolut oder sinfonisch, ist mir höchst willkommen, wenn sie eben Musik ist“. Damit stellte Reger eindeutig klar, daß es ihm in den Tondichtungen nach Böcklin nicht um ein bloßes Abmalen ging, um ein „musikalisches Bildfotografieren“, sondern um stimmungsfähige Anregungen, die musikalisch-thematisch umgedeutet wurden, durchaus strenggeformt im Sinne des Klassizistischen (die vier Sätze erinnern an die klassische Sinfonieform!), während Reger klanglich eine Art Impressionismus deutscher Prägung vertrilt. Diese Gegensätze wurden durch Regers bedeutende Sdiöpferkraft durchaus persönlich und nahtlos ver schmolzen. Einige illustrativ-dekorative Wirkungen der Musik (besonders ausgeprägt im letzten Satz) sind wohl bedingt durch die naturalistisch-symbolischen Bild vorwürfe Arnold Böcklins (1827 - 1901) mit der spürbaren Tendenz zu einem romantisch-idealistisch überhöhten Stimmungsgehalt. Zwei Streicherchöre Intonieren einen choralähnlichen Gesang, darüber verdichten sich die Lied weisen des geigenden Eremiten zu einem zarten „Ave Maria“, weihevoll