Volltext Seite (XML)
Nun, Mozart hat zwar keine Zugeständnisse an den billigen Geschmack des oberflächlichen und übersättigten Publikums gemacht, doch hat er sich vom wahrhaft Echten und Gesunden der Volkskunst gern und willig anregen lassen. So schrieb er u. a. ein Adagio und Rondo für Harmonika, Flöte, Oboe, Bratsche und Cello für die blinde Harmonikaspielerin Mari anne Kirchgäßner, ein neues, „überaus schönes Konzertantquintett mit blasenden Instrumenten“, wie es damals angekündigt wurde. Auch die Fantasie für eine Orgelwalze (KV 608) gehört zu jenen Werken, die heute meistens nur noch in Bearbeitungen erklingen. Es war ein Stück, geschrieben für ein Orgelwerk in einer Uhr. Diese Spieluhren waren zu Mozarts Zeiten überaus beliebt. Sie gehörten im Grunde zu den Drehorgeln, die bei uns als Leierkasten bekannt geworden sind. Oft sprach man auch von den kleinen tragbaren Bettler-Orgeln, bei denen (zitiert nach Moser) „durch Kurbeldrehung sowohl der Blasebalg betätigt als auch das Musikstück in Gestalt einer Stiftwalze oder geloch ten Scheibe an den Pfeifenventilen vorbeigeführt wird“. Das Jahr 1791 wird überschattet vom nahen Tod des Meisters. Im Mai richtet Mozart ein Gesuch an den Magistrat von Wien, ihn als 2. Kapell meister am Stephansdom anzustellen. Er will unentgeltlich neben dem bisherigen Kapellmeister arbeiten, nur dessen Nachfolge einmal antreten. Der Magistrat gab Mozart die Zusage, doch der bisherige Kapellmeister, immer schon sehr kränklich gewesen, überlebte Mozart um zwei Jahre. Von der Oper „Titus“ (La Clamenza di Tito) erklingt heute fast nur noch die Ouvertüre. Das Werk wurde, etwas übereilt, im Aufträge des böhmischen Königs Leopold geschrieben. Es fand nur mäßigen Widerhall. Die Gründe, diesen Auftrag so schnell und zum Teil flüchtig auszuführen, waren wohl allein äußerer Art. Im Grunde hatte Mozart keine Lust, in der Art der alten „opera seria“ zu komponieren, ihn bewegten ganz andere Probleme, denken wir nur an die Komposition der „Zauberflöte“, an deren Text Mozart bekanntlich maßgeblich beteiligt war. Mozart hatte keine Zeit, die Rezitative für die Erstaufführung des „Titus“ auszuschreiben, das sollte sein Schüler Süßmayr nachholen. Die Ouvertüre gehört zu den bedeutendsten Stücken der Oper: Festlich, weihevoll und gewichtig er klingt die Einleitungsmusik. Formal erkennen wir den Sonatensatz mit einer regelrechten Durchführung, mit einer Umstellung der Themen inner halb der Reprise und mit einer Wiederholung des Hauptthemas in der Schlußgruppe. Konzert, Sinfonie, Ouvertüre, drei Formen, geschrieben von einem Meister. Wie kaum bei einem anderen Komponisten können wir bei Mozart von einer Einheit innerhalb der Vielfältigkeit sprechen, von einer gleichsam unendlichen Verwandlung des einen Themas, das Mozart heißt. G. Sch. Textliche Mitarbeit: Gottfried Schmiedel Literaturhinweis: Schurig, W. A. Mozart • Haas, W. A. Mozart 6598 Ra 111-9-5 1055 1.3 It G 009/55