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Johannes Pani Thilman 4. Sinfonie d-moll, op. 64 Der Komponist Johannes Paul Thilman schreibt über sein Werk: Die Auseinandersetzung mit den Forderungen an die Musik, die A. A. Shdanow 1948 in seiner großen Rede vor den sowjetischen Komponisten aufstellte, kann für einen schöpferischen Menschen endgültig und maßgeblich nur durch seine Werke geschehen. Die Stellungnahme dazu, was der sozialistische Realismus an Schönheit im musikalisch eh Schaffen vom einzelnen fordert, der gewillt ist, den sozialistischen Realismus anzuerkennen, haben bedeutende sowjetische Kompo nisten, darunter jüngst Schostakowitsch durch seine 10. Sinfonie, in ihren Werken gezeigt. Auch ich bin von Shdanows Worten berührt worden und habe mich be müht, in meinen drei Sinfonien (der 2., 3. und 4.), die ich in den drei letzten Jahren komponierte, die Forderung Shdanows auf meine Art und Weise zu ver wirklichen. Die 4. Slinfonie, in den Monaten November 1953 bis Januar 1954 ge schrieben, ist eine rein persönliche Auseinandersetzung und Stellungnahme zu den Fragen, die Shdanow in seiner Rede aufgeworfen hat. Wenn nämlich seine Forderungen auch ganz natürlich klangen und darin gipfelten, daß die neuen Werke volkslümlich verständlich und f-chön, daß in ihnen deutlich die Anknüp fungspunkte ans klassische Erbe zu sehen sein sollten und daß durch sie ein spürbarer Optimismus hindurchströmen rollte, so waren diese Forderungen doch nicht leicht zu verwirklichen. Ob das, was ich persönlich empfand, auch volks tümlich war, war ein schwieriges Problem. Vielleicht spürt man im ersten Satz, daß ich sehr darum gerungen habe und manchmal zu trotzigen und beinahe wüten den Aufrufen hingerissen wurde, weil es so schwer war, das Problem zu be wältigen. Das Anknüpfen an das deutsche klassische Erbe geschah nicht nur formal durch die Übernahme des klassischen Sinfonieschemas, sondern vor allem auch inhaltlich durch ein Hinneigen zu beiethovenscher oder brahmsischer Aus sage, weiterhin in einer Vorliebe für Konflikte, die in der Sinfonie ihre Lösung erfahren. So ist der zweite Satz mit seinem pochenden Grundrhythmus und seiner breiten melodischen Entfaltung ein schwerblütiges Seelengemälde, der dritte Satz, das Scherzo, mit seiner rhythmischen Ausgelassenheit das Abbild eines noch etwas schwerfällig,, aber doch schon lustig Tanzenden. Audi der vierte Satz malt in seiner langsamen Einleitung in dunklen Farben und befreit sidi in seinem leb haften Teil erst zum Schluß von den vorwiegend kämpferischen und dialektisch durchgeführten Inhalten. Befreiende Augenblicke gibt es an den Schlüssen des 1. und 4. Satzes, wo das schicksalhafte d-moll zum Dur gewendet wird. Im ganzen Werk ist demnach das Ringen um eine sinfonische Aussage spürbar, schwer wiegende Fragen heischen Antwort, kraftvolles Zupacken hilft entwirren und klären. Meine Vorliebe für knappe und gedrungene Formen kommt darin zur Geltung, daß das ganze Werk ziemlich kurz ist und präzise nur das Wichtigste zu sagen beabsichtigt.