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ZUR EINFÜHRUNG Konzert C-Dur für Orchester von Herbert Collum geb. iS. Juli 1914 in Leipzig Gestatten Sie mir ein wenig Humor? viel leicht hört sich die Musik darauf leichter an. Es geht schon los! Achtung — Auftakt — Eins! C-Dur. So einfach wie am Anfang der Welt? Ist hier denn auch ein Thema? Da im Streichorchester, gekrönt durch das Blech, läuft es ja. Es sind die Töne C — Unter quarte G — C — Obersekunde D — Ober quinte G — zurück zu D und C, also vier gleiche Achtel C—C—G—C und drei Trio- len-Achtel D—G—D. Wir hören beim Da capo den 1. Teil noch einmal. Stürmisch haben die Streicher das Wort. Der Mittelteil wird von der Flöte eröffnet; fanfarenartig das dem Hauptthema verwandte Seiten motiv intoniert. Es wandert durch die ver schiedenen Instrumente und -gruppen, be kommt Akzente durch ein paar „Blech klänge“, wie der Fachmann zu dieser ge waltigen Instrumentengruppe sagt. Aber schon sprudelt es in den Anfang des ersten Teiles zurück. Hier hängt uns, sozusagen, der Himmel voller Geigen; sie glühen förm lich. Halt, was für interessante Klänge, wo soll das hinführen? Eine vielversprechende Wendung; auf zur Coda! Eine Verdichtung der Thematik, und schon ist der erste Satz aus! Im 2. Satz stimmt uns eine eigene ausdrucks voll choralartige Melodie ernst und feierlich. Vielleicht auch sehnsüchtig. Wir werden dieser Erde entrückt, auf der wir so fest und sicher zu stehen glaubten, aber für nur kurze Zeit. Und oben in den Höhen spüren wir eine befreiende Kräftigung unseres Seins. Jedoch im 2. Teil des Satzes — die Flöte macht den Anfangston wirksamer und ver ändert den Melodiebogen ein wenig rhyth misch — greift die Bedrängnis nach uns und wir müssen ringen um aus dem Schatten wieder ans Licht zu gelangen, zur Sonne, zum Urquell des Lebens. In der Begleitung zu den Soloinstrumenten klingt stets die Anfangsmelodie unverändert auf. Die Vio line spricht im Soloteil ihr gewichtiges Wort. Danach zum Hauptthema des 2. Satzes ein Canon zwischen Flöte und Englisch Horn. Die Stimmen verflechten und verdichten sich zu großer klanglicher Steigerung. Schlichter Ausklang. 3. Satz. Klingt er nicht nach Fuge? ist aber genau genommen ein Fugato, also die ver kleinerte Form der Fuge. Verhältnismäßig tonal und flüssig entwickelt es sich zu grö ßerer Dynamik. Wie überhaupt die Musik recht tonal klingt, gegenüber der Atonalität, worunter wir völlige Auflösung von harmo nischen Zusammenklängen und Bindungen, „schönen Klängen“ verstehen. Also, wir bleiben tonal. Werfen wir uns einmal in den Strudel dieses Satzes. Übrigens besteht auch hier eine Verwandt schaft zum Hauptthema des 1. Satzes, wenn auch rhythmisch verändert und durch die prickelnden Sechzehntelnoten aufgelöst. Eben das soll es sein, die Auflösung. Denken wir an etwas Sprudelndes im Glas?wie kleine Perlen sollen sie dahinhuschen. Es gibt we nig Füllstimmen, fast jeder Ton ist thema tisch gebunden und darf nicht fehlen. Der Wirbel bekommt sein General-Halt! und nun werden gleich die Stühle unter den Hörern anfangen, sich im 3 / 4 Takt zu bewe gen. In den Bässen steht man auf festen Füßen im 4 / 4 Takt. Kritisch hinhörend wird da und dort festgestellt: „hast Du das nicht schon irgendwo und irgendwie einmal gehört — mal abwarten — nein wirklich, das ist doch“ — er sucht, probiert und findet den Schlüssel zu Weisheits letztem Schluß — „Ravel!“ -— triumphieren seine Gedanken. Ja und nein. Wurde der Komponist nicht erst kürzlich namhaften zeitgenössischen Komponisten zugeordnet? Man sprach von Fortner, Strawinsky, ja man legte ihn zwi schen Burckhardt und Drießler; und sprach man nicht auch von seinem eigenen Stil? Aber lassen wir die Überlegungen beiseite, es wäre schade um den Walzer, der aller dings kein „Bolero“ ist. Das Triangel zeichen setzt ihm ohnehin schon den. Schluß; noch einmal tanzt der Wirbel, aber, bitte im 2 / 4 Takt, aus einem Nichts heraus sich entwickelnd, die einzelnen Instrumenten gruppen zusammenraffend bis zum endgül tigen durch zwei markante Achtelnoten ge setzten Schluß, natürlich mit einem „gro- ßen-Trommel-Schlag“! Ritornelle von Willy Kehrer geb. 26. April 1902 in Dresden Ritornell — eine sprachliche Umformung aus dem Volksgut für Wiederholung eines Liedes, eines Kehrreims — bezieht sich in vorliegendem Werk auf die bewußte Ver wendung der breiter ausgesponnenen Lied form, im Gegensatz zur Durchführung von Motiven oder kleiner Themen, wie sie in der