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ZUR EINFÜHRUNG Die Leonoren-Ouvertüre Nr. 3, op. 72, hat Beethoven im Jahre 1806 verfaßt, sie war für die zweite Bearbeitung der Oper „Fidelio“ (die bekanntlich bei ihrer Uraufführung durchfiel!) gedacht. Sie unterscheidet sich wenig von der so oft gespielten Nr. 2, sie benutzt dasselbe the matische Material, sie spricht denselben Ideen gehalt aus wie ihre große Schwester Nr. 2 und ist ebenso wie diese ein Musikdrama im kleinen. Romain Rolland weist in einer Analyse nach, worin die Unterschiede zwischen den beiden Leo- noren-Ouvertüren Nr. 2 und Nr. 3 bestehen. Es sind nur Unterschiede formaler Art, die er nennt. Lassen wir ihn selbst sprechen: „In der Ouvertüre Nr. 3 ist der Grundriß rein licher gezogen, das Gleichgewicht der Massen streng gewahrt, die Reprise wieder aufgenom men und das Ganze von der Vorherrschaft des poetischen Gedankens befreit, der in der zweiten die Zügel der Musik geführt hatte. Damit war die klassische Sonatenform wiederhergestellt, aber in einer Straffheit und königlichen Fülle, wie nur Beethoven sie wiederherstellen konnte. Wer dächte nicht an das große Crescendo zum Schluß, das wie ein Bergstrom, vom Gewitter- regen geschwellt, zu Tal stürzt und das ganze Gefilde überschwemmt! Und nun mag unter den beiden Meisterwerken auswählen wer will!“ Joseph Haydn (1732—1809) hat in seinem reichen Schaffen auch mehrere Konzerte für Violoncello geschrieben, von denen das Konzert in D-Dur am bekanntesten ist. Haydn hatte die Möglichkeit, seine Werke immer sofort selbst mit dem von ihm geleiteten fürstlich Ester- hazyschen Orchester durchzuspielen. Er be herrschte selbst fast alle wichtigen Instrumente und konnte infolgedessen ein Werk schaffen, das allen Ansprüchen gerecht wird. Das Werk ist im Aufträge geschaffen und verrät höchste hand werkliche Vollkommenheit, die für jenen Hörer, der dies zu verstehen weiß, den Genuß an diesem Werke ungemein vertieft. Es ist in der für Kon zerte üblichen Dreisätzigkeit abgefaßt. Der erste Satz beginnt mit einer sinfonischen Ein leitung, die die beiden Themen des klassischen Sonatenschemas enthält, die das Cello auf nimmt, aber sofort mit dem Reichtum seiner solistischen Figurationsmöglichkeiten übergießt. Es ist erstaunlich, wie Haydn das virtuose Ele ment in die Ausgewogenheit der klassischen Formung einbaut, ohne daß das Gleichgewicht jemals gestört wird. Der langsame Satz bringt die symmetrische dreiteilige Liedform mit schö nen gesanglichen Themen, während der Schluß satz ein heiter ablaufendes Rondo darstellt, in dessen Zwischenspielen das Soloinstrument seine Geläufigkeit zeigen kann. Haydn hatte eine ursprüngliche Heiterkeit, also ein Wesen, das ausgeglichen war und zum Optimismus neigte. Jeder Ton gibt diese wohltuende Haltung wie der — und gerade von dem Violoncellokonzert geht dieses Fluidum einer glücklichen Genüg samkeit, die die Ausgeglichenheit liebte, aus. Antonin Dvorak (1841—1904) hat sich mehr mals mit der Sinfonie auseinandergesetzt. Mid der fünften Sinfonie (Aus der neuen Welt) har er einen Treffer gemacht. Die vorhergehenden vier Sinfonien stehen zu Unrecht im Schatten dieses Werkes, weil auch sie so musikantisch und voller Einfälle sind. Die vierte Sinfonie in G-Dur, op. 88, ist in der verhältnismäßig kurzen Zeit vom 26. August bis 8. November 1888 komponiert worden. Dvorak behandelt die strenge Form der Sinfonie ziemlich frei, er hält sich nicht an die Zweizahl der Themen im ersten Satz, sondern bringt eine Fülle von Themen, die einen volkstümlichen Charakter haben. Dvorak hatte sich gerade in diesen Jahren sehr mit dem tschechischen Volkslied befaßt — eine Folge war die Lockerung der sonst so gebundenen Form der Sinfonie. Er führte seine Themen nicht im akademischen Sinne durch, sondern war gera de von der Buntheit und Farbigkeit dieses Werkes überzeugt. Der slawische Charakter ist unüberhörbar. Im Scherzo zitiert Dvorak eine Melodie aus seiner komischen Oper-„Die Dick schädel“. Er ist damit Mozart ähnlich, der in seiner Linzer Sinfonie im Menuett gleiches tut. Dvorak konnte seine 4. Sinfonie nicht bei sei nem Verleger Simrock anbringen, der den Kauf zu den üblichen „Sinfoniehandelspreisen“ ab^ lehnte. Simrock wollte nur kleine Sachen, Sin® fonien waren ihm zu riskant und garantierten kein Geschäft. Dvorak gab deshalb sein Werk an den Verleger Novello in London, weswegen die Sinfonie anfänglich bei uns gar nicht be kannt wurde. Dvorak löste später seinen Ver trag mit Simrock, er schrieb an ihn: Ich habe gerade jetzt lauter große Ideen im Kopfe — ich werde tun, was mir der liebe Gott beschert. Das wird wohl das Beste sein.“ Joh. PaulThilman VORANKÜNDIGUNGEN: 24. und 25. Mai (Pfingsten): Beginn der Serenadenkonzerte in Pillnitz 6. und 7. Juni: 2. Serenade in Pillnitz 10. Juni: Außerordentliches Konzert mit Prof. Friedrich Wührer, Wien 27. und 28 Juni: „Die Jahreszeiten“ von Joseph Haydn im Schloßpark Pillnitz