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ZUR EIN F ö H R U N G Wilhelm Jerger, der 1902 in Wien geboren wurde, studierte dort an der Akademie Komposition und wurde, nach einigen Jahren Orchesterpraxis als Bassist, Lehrer für Komposition an der Musikhoch schule zu Wien. Er kann auf eine umfangreiche Werkreihe schauen, die Sinfonien, Oratorien, Kam mermusik und Lieder umfaßt. Die Welt, in der er lebt, ist die der großen Wiener Meister, denen er nachspürt und die er liebevoll umwirbt. Salzburg, die Stadt Mozarts, hat es ihm vor allem angetan. So schreibt er 1938/39 das Werk ,,Salzburger Hof- und Barockmusik“, in welchem er nicht nur den Geist der höfischen Gesellschaft, sondern auch den der Barock zeit einfangen will. Wohl hat das höfische Leben eine Seite des Prunkes und der Prachtentftltung, dem gegenüber aber auch eine der Mißachtung niederer Gesellschaftsklassen, wie es Mozart am eigenen Leibe durch die Fußtritte des Fürstbischofs von Salzburg und durch die unwürdige Einreihung in die Gesinde ordnung des Hofes erlebt hat. Freilich entzündet sich Jergers Phantasie nur ^n den ins Auge fallenden Tat sachen dieser zwiespältigen Zeit. Die Wasserspiele von Hellbrunn werden ihm Musik wie der Salzburger Dom — und das barocke Stadtbild bevölkert sich für ihn mit den müßigen, feiernden Menschen des Hofes. In der Intrada läßt er sie stolz auf marschieren, in der Courante gibt er ein Bild damaliger Tanzfreudigkeit, wobei er jedoch musikalisch weit über den Rahmen einer Stilkopie hinausgeht und mit romantischen Stilmitteln (Harfe, Becken, Flageolett) einen rausch haften Abglanz damaliger Feste geben will. Auch im Schlußsatz, dem „Alten Salzburger Choral“, in dem er nochmals kurz als Erinnerung die Intrada zitiert, ist die Absicht einer pomphaften Verklärung dieser Zeit zu spüren. Mozart komponierte das Es-Dur-Klavierkonzert, das im Köchel-Verzeichnis die Nummer 271 erhalten hat, im Januar des Jahres 1777 in Salzburg. Er war damals 21 Jahre alt — und man kann in diesem Falle des geistig früh gereiften und des schon seit frühester Kindheit mit Musik erzogenen Mozart sagen, daß er schon auf der Höhe seines Könnens war. Gerade das Jahr 1776 war für Mozart ein Jahr der inneren Reife und Besinnung, ja der Besinnlichkeit gewesen. Er vervollkommnete sich auf dem Klavier und der Vio line, er beruhigt sich als Komponist, der auch Sturm und Drangjahre durchgemacht hat, er beugt sich der Forderung seines Vaters, der diese Abwege seiner frühen Jünglingsjahre nicht billigt und von ihm eine Einordnung in den allgemeinen Zeitgeschmack ver langt. Es ist das letzte Jahr, das Mozart im Kreise seiner Eltern und der über alles geliebten Schwester verbringt. Es sieht zunächst so aus, als sollte sein ferneres Leben in ruhigen, gleichmäßigen Bahnen verlaufen, umhegt von einem sehr besorgten Va ter. Aber schon überschatten die gespannten Be ziehungen zu dem Fürstbischof Graf von Colloredo das Idyll. In diesem Lebensabschnitt entsteht das Es-Dur-Konzert. Es steht nicht allein da, denn in dem Jahre 1776/77 schreibt er vier Klavierkonzerte. Das Es-Dur-Konzert ist das Bedeutendste. Er schrieb es für die Französin Jeunehomme. Es ist von beson derem Schwung, steckt aber auch voll zärtlichen Drängens, gibt sich im Andantino ganz der Gefühls welt Glucks hin und versucht sich auch in Haydns Witz. Trotz der Anklänge ist aber das Werk ein echter Mozart, was sich gleich in dem Dialog zwi schen Orchester und Klavier am Anfang des Kon zerts erweist. Wie üblich, ist auch in diesem Werk der Schlußsatz ein Rondo, in welchem Mozart durch kühne chromatische Wendungen schon weit über den Stil seiner Zeit, auf den ihn sein vorsichtiger Vater festlegen wollte, hinausreicht. Auch das Andantino stößt schon in Bezirke vor, in denen später Beet hoven herrschen wird. Das Konzert ist reich in seinem Inhalt und gewährt Einblick in eine von unzähligen Visionen überfließende Seele. Peter Iljitsch Tschaikowski j (1840-1893) hat sich zu seiner 5. Sinfonie in e-Moll einmal in einem Notizheft selbst geäußert, und man kann diese Be merkung als Hinweis auffassen, gleichsam als das Motto, das über diesem Werke stehen könnte. „Voll ständige Beugung vor dem Schicksal oder, was das selbe ist, vor dem unergründlichen Walten der Vor sehung.“ Mit der Sinfonie, die seine drei letzten großen Sinfonien einleitet, war Tschaikowskij nicht zufrieden, weil sie dem Inhalt einen zu breiten Raum gönnt und dabei die künstlerische Form etwas ver nachlässigt. Dafür spricht die Briefstelle: „Nach jeder Aufführung meiner neuen Sinfonie empfinde ich immer stärker, daß dieses Werk mir mißlungen ist. Die Sinfonie erscheint mir zu bunt, zu massiv, zu künstlich, zu lang, überhaupt unsympathisch.“ Wir wundern uns über die Schärfe des eigenen Urteils, wir bewundern seine schonungslose Selbstkritik, die wir heute nicht mehr teilen. Das Werk ist viersätzig. Im ersten Satz leitet ein Thema das Ganze ein, wel ches gewissermaßen als Leitmotiv in allen vier Sätzen immer wieder erscheint. Der eigentliche erste Satz bringt die beiden sehr gegensätzlichen Themen, die die Form der Sonate verlangt. Der zweite Satz versucht, von dunklen Klängen zu lichten Höhen emporzuschwingen, der Schluß verklingt in Ruhe und Harmonie. Der dritte Satz heißt „Valse“, also ein eleganter, weltmännischer Walzer mit französischem Einschlag, der ein einziges Wiegen und Gleiten dar stellt. Der Schlußsatz, das Finale, ist ein toller Wirbel der verschiedensten Stimmungen: ein aufreizender Tanz, ein eilig hastender Galopp, ein jauchzender Wirbel, ein hemmungsloses, brutales Gestampfe, das am Schluß in eine schmetternd-glänzende Fanfare mündet, die dem düsteren Werk einen überraschen den, aber um so wirkungsvolleren optimistischen Ausgang verleiht. Johannes Paul Thilman Vorankündigung 21. und 22. Februar: Deutscher Romantiker-Zyklus, 6. Abend 8. März: 7. Philharmonisches Konzert 15. März: Außerordentliches Konzert mit Prof. Hermann Abendroth