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ZUR EINFÜHRUNG Die Krone des kammermusikalischen Schaffens soll das Streichquartett sein. Der gleiche Klang der vier beteiligten Instrumente (2 Violinen, Viola und Violoncello), die dem Komponisten, der für sie schreiben will, höchste Meisterschaft abverlangen, haben zu dieser Auffassung geführt. Im Streich quartett kann man nichts vertuschen, alle Schwä chen und Fehler werden sofort hörbar. Beethoven hat in seinem Leben sechzehn Streich quartette geschrieben, er hat also sechzehnmal nach der Krone gelangt. Nun, es steht fest, daß ihm mit seinen Streichquartetten wahrlich die Krone gebührt. In seinem Opus 18 faßt er gleich sechs Quartette zu sammen, die er alle seinem Freund und Gönner, dem Fürsten von Lobkowitz in Wien, widmet. Sie stam men aus dem Jahre 1800, in welchem er die Meister schaft seines Schaffens erreicht hat. Die Aufgabe, die ein Streichquartett an einen Komponisten stellt, ist etwa folgendermaßen: daß er eine schöne Gesamt wirkung erreichen, dabei aber eine Entfaltung der Individualität der einzelnen Instrumente gewähr leisten soll. Das heißt, daß das Streichquartett den Geist der echten Kollektivität vertritt, der dem ein zelnen gestattet, sich voll zu entwickeln. Es heißt auch, daß der einzelne sich dem Gesamtwohl unter zuordnen habe. Diese bedeutende Aufgabe hat Beet hoven gelöst. Das dritte Quartett des Opus 18 steht in D-Dur. Ohne langsame Einleitung setzt Beethoven mit dem Allegro (schnelle, feurige Spielweise) ein. Im ersten Satz des Quartetts hält er die Form des Sonatensatzes ein. Zwei Themen sind also zu hören, die sich in der Durchführung ineinander verquicken. Der zweite Satz (Andante con moto) bringt zu Beginn eine wunderbare, etwas wehmütige Melodie, die in diesem Satz immer interessanter verändert wird und dadurch ihren inneren Reichtum aufdeckt. Den dritten, wiederum schnellen Satz nennt er nur Allegro, nicht Menuett oder Scherzo, wie es sonst üblich war. In ihm kommt der etwas bärbeißige Humor von Beethoven zur Geltung, sein Witz, der immer geistreich und feinsinnig ist. Das abschlie ßende Presto (sehr schnell) eilt und fließt dahin — und wer Ohren hat, zu hören, erkennt die Meister schaft seines Könnens an dem Reichtum der Er findung und der Arbeit. Beethoven, der Meister! Nicht nur in seinen Sinfonien ist er es, sondern ebenso in seinen Quartetten, die dasselbe an Hin gabe und Phantasie, an Können und Fleiß ver langten wie diese. Das Trio für zwei Oboen und Englisch Horn von Ludwig van Beethoven hat zwar eine recht hohe Opusziffer, nämlich 87, ist aber schon im Jahre 1794 komponiert und erst wesentlich später veröffentlicht worden. Das Werk ist schon in Wien geschrieben und zeigt sich als eine Gelegenheitsarbeit in dieser ungewöhnlichen Besetzung, die die gebräuchlichsten Mitglieder der Oboen-Familie zu Worte kommen läßt. Das Werk besteht aus einem Allegro-Satz, dem an zweiter Stelle stehenden Adagio, auf das ein Me nuett folgt, worauf das Finale in Rondoform das Werk heiter abschließt. Von dem Beethoven, den man sonst üblich kennt und den man eigentlich immer hören möchte, den düsteren Titanen, ist in diesem Werke nichts zu spüren. Es liegt viel Sonne über diesem C-Dur-Werk, viel Helligkeit und Glanz, wodurch man einen ganz anderen Beethoven kennen lernt. Oboe und Englisch Horn verlangen ihren Spielern viel Atem ab, so daß größere musikalische Phrasen oder lange zusammenhängende Perioden gar nicht gespielt werden können. Diese Instrumente verlangen öfters Pausen zum Luftholen, so daß in diesem Trio fortwährend das eine oder andere In strument kurz aussetzt und das Trio bei strenger Betrachtung vielfach zweistimmig ist. Durch diese Eigenheit wird das Werk außerordentlich durch sichtig und klar. Der liebliche und etwas näselnde Klang der Instrumente macht es zu einem sanft klingenden, sehr zurückhaltenden Werk. Es wird selten gespielt, weil sich selten drei Oboisten zu sammenfinden können. Mit ihm kommt der un bekannte Beethoven zu Wort. Aber auch ihn neu zu entdecken ist immer unsere Pflicht. Beethovens Septett Opus 20 vom Jahre 1800 ist das wohl am meisten gespielte Kammermusikwerk von ihm. Es besteht aus sechs Sätzen, in denen Beet hoven aufs glücklichste sinfonische Gedanken mit volkstümlichen Elementen verbindet. Das Menuett kennt fast jeder, der irgendwann einmal Beethoven- Klaviersonaten gespielt hat, denn es kommt fast wörtlich in der 1796 geschaffenen Sonate op. 49 Nr. 2 vor, die allerdings erst nach dem Septett ver öffentlicht wurde. Das Thema zu seinen Variationen i m vierten Satz ist so volksliedhaft, daß Zuccalmaglio einenText unterlegte (,,Ach Schiffer, lieber Schiffer“), so daß man eine Zeitlang glaubte, es sei wirklich ein Volkslied. Den sieben Instrumenten (deshalb Sep tett!) Klarinette, Fagott, Horn, Violine, Viola, Violoncello und Kontrabaß entlockt Beethoven die schönsten Klänge in immer wechselnden Zusammen stellungen; vom Duett bis zum Vollklange des Sep tetts sind alle Möglichkeiten angewendet worden. Diese instrumentale Seite des Werkes macht seine so auffällig populäre Wirkung verständlich. Es ist eben besonders reizvoll, eine aus Bläsern und Streichern gemischte Besetzung zu hören. Die sechs Sätze wechseln aber auch in ihrem Inhalte, der ein mal sinfonisch und ernst, zum anderen schlicht wie ein Menuett oder geistvoll wie ein Scherzo, aber auch melodiegesättigt wie ein Adagio, vielseitig und gegen sätzlich wie die Variationen und heiter und voll inne rer Gelöstheit wie im abschließenden Presto ist. Beethoven hatte etwas Ärger mii dem Verleger (erst Hoffmeister, aus dem später Peters wurde), weil die Herausgabe des Werkes viel mehr als ein Jahr dauerte. Da scheint sich also bis heute nicht viel geändert zu haben. Das Werk ist der damaligen Sitte gemäß, glanzvolle Namen der Adelsgesellschaft dem Werk gewissermaßen als Laufpaß beizufügen, der Kaiserin Maria Theresia, der zweiten Gemahlin des Kaisers Franz II., gewidmet. Es ist also' nicht die berühmte Maria Theresia, die Zeitgenossin und Geg nerin Friedrichs des II. von Preußen. Das Septett atmet eine gewisse Heiterkeit in allen seinen Sätzen und hat noch nicht viel von der Beet- hovenschen Schwere, die erst späteren Werken zuteil wurde. Aber trotzdem ist es ein Meisterwerk. . Johannes Paul Thilman. VORANKÜNDIGUNG: Sonntag, 24. Februar: Sonnabend, 1. März: Sonntag, 2. März: Sonntag, 16. März: 6. Philharmonisches Konzert, Solist Professor Hoelscher (München) Öffentliche Hauptprobe zum 6. Beethoven-Abend 6. Beethoven-Ab end 7, Philharmonisches Konzert, Solist Willy Piel (Köln)