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der Gesellschaftsmusik hat Mozart freilich nie aus den Augen verloren, doch hebt seine Meister schaft sie durch die Tiefe der Empfindung und die zauberhafte Melodik oft weit über diesen Rahmen hinaus. Der Solist erhält in diesen Konzerten eine bevorzugte Virtuosenstcllun», doch wahrt daneben auch das Orchester, mit besonderer Berücksichtigung der Holzbläser, seine selbständige Stellung, nimmt oft direkt sinfonischen Charakter an. Von den Kadenzen sind uns nur einige wenige erhalten geblieben, die er für seine Schüler geschrieben hatte; für sich selbst improvisierte er zu jeder Aufführung neue — aus der Stimmung des Augenblicks heraus geborene — die niemals aufgezeichnet wurden. Schon nicht mehr in diese Zeit gehört das heute erklingende Konzert in B-dur, ist es doch das letzte Klavierkonzert, das Mozart schuf, eines der letzten Werke überhaupt — entstanden in seinem Todesjahr 1791. Zwar entspricht es in Aufbau und Form durchaus den früheren Kon zerten, doch ist hier der „Konzertbegriff“ noch schärfer herausgearbeitet und der Stimmungs gehalt weit persönlicher. Die frühere, leidenschaftliche Erregung — besonders der Konzerte in Moll — ist einer seltsam verklärten Resignation gewichen, der alte, lebensprühende Glanz wandelte sich in stillen Frieden. Im 1. Satz erklingt es zwar auf das versonnen erscheinende Thema wie ein Kampfruf in den Holzbläsern, doch immer mehr wird er überschattet von müder Resignation. Das Larghetto erinnert an den träumerischen Romanzenton mancher früheren Konzerte, doch auch hier ist die Stimmung wehmütiger und pessimistisch. Erst das Finale löst die schwermütigen Gedanken in der Abwandlung des in derselben Zeit entstandenen Frühlings liedchens „Komm lieber Mai“ zu hellerer, freudigerer Stimmung. Fast wie ein Abschiedsgruß an seine Wiener Freunde, die an seinem Schaffen Anteil genommen, mutet dieses Konzert an, das entstand in der Zeit der tiefsten Not und künstlerischen Vereinsamung. Zurück in die Zeit der glückhaften Jahre des Erfolges führt uns nun das Programm, wo neben Konzerten aller Art, Kammermusikwerken und Sonaten in überreicher Fülle auch eine Reihe von ein- und mehrstimmigen Gesängen mit Orchester, alle meist Schülern und befreundeten Musikern zugedacht, entstanden. Die 1783 komponierte Arie „No, no, che non sei capace“, die für eine Oper Anfossis als Einlage bestimmt war, ist eine reine Bravourarie, die hohe An forderungen an die Sängerin stellt. Aloysia Lange, der sie gewidmet war, brachte sie mit größtem Erfolg zur Aufführung, wie überhaupt nur die beiden von Mozart stammenden eingeschobenen Arien bei dieser Opernaufführung Erfolg erringen konnten. Ebenfalls für seine Schwägerin Aloysia war die Gesangsszene „Mia speranza adorata" bestimmt. Dieses bedeutende Rezitativ und Rondo ist nicht virtuos wie die vorangegangene italienische Bravourarie, sondern erfüllt von echt mozartscher Zartheit und deutscher Empfindung, in An lage und Ausdruck ein unmittelbarer Übergang zu den großen Opernarien der folgenden Jahre. Die das heutige Konzert beschließende Sinfonie in D-dur entstand in engster Nähe seiner viel- umjubelten Oper „Die Hochzeit des Figaro“, er vollendete sie kurz vor seiner ersten Reise nach Prag, wo er seine von da in Auftrag gegebene Oper „Don Giovanni“ zur Aufführung bringen sollte und wo auch diese Sinfonie zum ersten Male mit größtem Erfolg erklang. Immer mehr entfernte sich Mozart von der galanten Gesellschaftsmusik, in dieser Sinfonie verzichtete er sogar auf das Wiener Menuett. Das der breit ausgesponnenen, langsamen Einleitung folgende Allegro durchläuft in seinen Einzelgedanken wiederum alle Gefühlsstadien und entwickelt all diese Motive zu größter sinfonischer Geschlossenheit. Trotz des Liebreizes des gesanglichen Mittelsatzes fehlt es auch in diesem Andante nicht an dramatischen Spannungen, die die still freudige Stimmung jäh unterbrechen. Selbst der heiterste Satz, das Finale, ist nicht frei von