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Der in Dresden 1902 geborene Komponist Willi Kehrer, der sich in seiner Heimat stadt auch als Chorleiter und Tanzbegleiter einen geachteten Namen geschaffen hat, trägt seit 1941 den Waffenrock. Sein bisheriges Schaffen umfaßt drei Sinfonien, zwei Bühnen werke. mehrere größere Chorwerke, Lieder und Kammermusik. Sein jüngstes Werk, die „Konzertonvertüre für großes Orchester 44 , enthält als gesamtes Material ein Thema und seine Umkehrung Ihre rein musikalischen Gesetzen folgende Verarbeitung macht eine programmatische Er läuterung überflüssig. Johannes Brahms* Violinkonzert entstand in Pörtschach am Wörther See, wo er zu dreien seiner schönsten Werke angeregt wurde. Das Glück dieser Tage, der Glanz dieser Landschaft liegt über der zweiten, der D-Dur-Sinfonie, über dem Violinkonzert und der G-Dur-Violinsonate. Das spürt man im ersten Satz mit seiner Dreiklang-Thematik (daß es die Tonart D-Dur ist, die Brahms für diese Stimmung wählt, ist natürlich auch kein Zufall), in den nur das energisch dreinfahrende d-Moll-Seitenthema einen kräftigeren Ton bringt. Aber auch das ist nur eine Episode, deren Eindruck verwischt wird, wenn der Solist mit einer Improvisation über das Hauptthema einsetzt. Auch nach der Kadenz, die ganz im Sinne des alten Konzerts eingeführt und dem Solisten überlassen wird, hat es wieder die versonnene Stimmung zu bestätigen. Ursprünglich war das Konzert auf vier Sätze berechnet. Da er aber „über Adagio und Scherzo gestolpert“ war, schrieb Brahms einen neuen langsamen Satz, ein F-Dur-Adagio, das aber nichts von einem gedankentiefen, stimmungsschweren Sinfonie- Adagio an sich hat. Es ist vielmehr ein freundliches Tonbild, bestimmt durch das von der Oboe vorgetragene Hauptthema, das im weiteren Verlauf von der Sologeige kommentiert wird. Der dritte Satz endlich ist, wie oft bei Brahms, ungarisch gefärbt und bildet mit seiner federnden Rhythmik, seiner exotischen Harmonik ein gutes Gegengewicht zu der Idyllik der voraufgegangenen Sätze. Er ist in Rondoform geschrieben; der Hörer hat es leicht, das regel mäßig wiederkehrende, an sich schon leicht eingängige Hauptthema zu verfolgen. Aber auch die Zwischensätze sind reich an innerem Leben. Zum Schluß eine Coda, die den Hörer in einen wahren Wirbel hineinreißt. In der Fünften Sinfonie von Jean Sibelius spricht eine uns fremde, und doch eine uns ver wandte Komponisten-Persönlichkeit zum deutschen Hörer. Sibelius hat die nationale Musik der Finnen geschaffen und auf die höchste Kunststufe gehoben. In seiner sinfonischen Dich tung „Kullerwo“, die 1892 uraufgeführt wurde, wird das finnische Nationalepos „Kalewala“ lebendig. Immer wieder hat ihn dann der Mythos zu Klangdichtungen angeregt. (Er ist darin Richard Wagner in seiner Bedeutung für den deutschen Mythos zu vergleichen.) Auch in seinen Sinfonien, die durchaus „absolute“ Musik sind, also kein Programm verfolgen. Seine bekannteste, die zweite in D-Dur, ist geradezu ein politisches Werk. In Finnland faßt man sie, in ihrer gewaltigen Steigerung, in ihrer hymnischen Größe auf als klingende Demon stration, als einen Widerhall des Aufstandes der Nation gegen die russischen Unterdrücker. Sibelius hat bis jetzt acht Sinfonien geschrieben. Die dritte (in C-Dur) und die sechste (in d-Moll) sind pastoral gefärbt, sind ein tönendes Widerspiel des „Landes der tausend Seen“. Die vierte (in a-Mall) hat man ihrer melodischen und klanglichen Herbheit wegen Sibelius’ „tragische Sinfonie“ genannt. Ihr folgt — in einem ähnlichen Gegensatz-Verhältnis, wie es bei den Beethovenschen Sinfonien waltet — die fünfte in hellerem Licht. Ein klares Es-Dur, klare Linien der Motivik und der Verarbeitung — man könnte diese vielleicht Sibelius’ „klassische Sinfonie“ nennen. Wenn am Schluß die Blechbläser eine letzte feierliche Steige rung herbeiführen, könnte man auch an Bruckners Fünfte denken: auch das eine Sinfonie des Siegens und des Glaubens. Dr. Karl Laux