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Till Eulenspiegel ist eine bekannte Figur des deutschen Volkshumors, und so ist auch diese Tondichtung eine spezifisch deutsche Angelegenheit. Wenn Richard Strauß behauptet, sein Werk sei ,,in Rondoform“ geschrieben, dann ist das selbst schon eine kleine Eulen spiegelei. Denn mit der Rondoform, wie man sie aus der Sinfonie kennt, hat dieses Stück wenig zu tun. (Die Rondoform besteht darin, daß in einem Sinfoniesatz ein Hauptthema unverändert wiederkehrt, unterbrochen von Nebenthemen.) Bei Richard Strauß könnte man allenfalls aus der meist veränderten Wiederkehr der beiden Eulenspiegelthemen den Begriff,,Rondo“ rechtfertigen. Lassen wir Till Eulenspiegels lustige Streiche an uns vorüberziehen. Zuerst wird uns der Schelm vorgestellt mit zwei charakteristischen Motiven. Das erste im Ilorn, das zweite in der Klarinette. Allerhand Streiche unternimmt er, zu Pferd setzt er mitten durch die Marktweiber, daß sie aufschreien und nach Vergeltung rufen. Aber wir hören, wie er aus kneift und sich unsichtbar macht, als habe er sich ,,in ein Mauseloch versteckt“. Wieder taucht er auf, diesmal als Pastor verkleidet und ,,triefend von Salbung und Moral“ (Thema in den Fagotten und Bratschen). Aber ,,aus der großen Zehe“ guckt der Schelm hervor. Und dann packt ihn doch ob des Spottes mit der Religion ,,ein heimliches Grauen an vor dem Ende“ (chromatisches Motiv in den 5 Soloviolinen und gedämpften Hörnern und Trompeten). Mit einem Glissando der ersten Solovioline geht es hinein in die Liebesaben teuer, deren Zeuge wir jetzt werden. Sie gehen schlecht aus für ihn. Und da schwört Till ,,Rache zu nehmen an der ganzen Menschheit“. Den Philistern spielt er einen Streich und, sich dessen freuend, pfeift er einen Gassenhauer (leicht erkennbar in seiner eingängigen Melodie) vor sich hin. Neue tolle Streiche, aber die Rache naht. Till Eulenspiegel wird gefaßt und vor Gericht gestellt. Gewaltig ertönt die Posaune des Gerichts. Dann verkünden Posaunen, Hörner und Fagotte den Spruch: ,,Der Tod!“ Man hört, wie Till die Leiter zum Galgen hinaufsteigt, ja sogar, wie ihm (Flötentriller) die Luft ausgeht. Stille. Till ist tot. Aber der Epilog, der die Stimmung des Prologs aufnimmt und weiterführt, sagt uns, daß der Humor unsterblich ist. Die zwei Werke, die außerdem noch das Programm Ferraras ausmachen, entsprechen sich in ihrem Charakter. Es ist Beethovens Siebte Sinfonie, die Richard Wagner eine ,,Apotheose des Tanzes“ genannt hat. Am deutlichsten ist dieser Tanzcharakter im dritten Satz, dem Scherzo, das ja bekanntlich aus einem alten Tanz, dem Menuett, entstanden ist. Wenn in dem zweiten Teil des Satzes, dem sogenannten Trio, Beethoven die Weise eines österreichischen Wallfahrtgesanges bearbeitet, dann ist das kein innerer Widerspruch. Denn was eine rechte Wallfahrt ist, das endet nach Buße und Beten mit einem fröhlichen Tanz, mit dem man wieder den Anschluß an das Leben sucht. Tänzerisch ist auch der erste Satz der Sinfonie, in dem nach einer langsamen Einleitung ein stark rhythmisch, weniger melodisch bestimmtes Thema angeschlagen wird, das den ganzen Satz beherrscht. Tänzerisch bewegt ist auch der letzte Satz, ein einziger Rausch von Freude und Lust. Nur der langsame Satz steht fremd und düster zwischen den anderen; schon nicht mehr Tanz, ein gemessenes Schreiten nur, ein Schreiten durch herbstliche Alleen, über gelbes Laub im letzten Schein einer nicht mehr wärmenden Sonne. Ganz aus dem Tanz heraus, und zwar aus dem Tanz seines Volkes, ist das Werk des Ungarn Zoltan Kodaly: ,,Tänze aus Galanta“ zu verstehen. Dieser am 16. Dezember 1882 ge borene Komponist, neben Bela Bartok der repräsentative Musiker seines Landes, hat sich theoretisch sehr mit den Volksliedern und den Volkstänzen seiner Heimat befaßt. Dies findet seinen Niederschlag in seinem Werk, besonders deutlich in diesen ,,Tänzen aus Galanta“. Sie kommen aus dem Volk, sind aber mit höchstem Raffinement durchgeführt. Kodaly läßt die Tänze ineinanderfließen, einer entwickelt sich aus dem anderen (zwischen dem ersten und zweiten Tanz beispielsweise bringt die Klarinette eine überleitende Kadenz). Und so entsteht ein buntschillerndes Kaleidoskop, ein abwechslungsreiches Tonstück, dessen beide Pole eine raffinierte Klangkultur und eine primitive Einfachheit sind, bunt durcheinandergewirbelt, auch in den Stimmungswerken ungemein gegensätzlich aus geprägt: Schwingungen von einsamkeitgesättigter Melancholie bis zur großstädtischen Pikanterie, gekrönt von einem Finale, von dem ein Kritiker sagte, es gehöre zum Herr lichsten, was wir zeitgenössischer Musik verdanken. Dr. Karl Laux.