Volltext Seite (XML)
Entstehungsgeschichte und Analyse der V. Symphonie, C=Moll, von L. v. Beethoven Von Paul Thomas mit Benützung der Literatur Wolf, Grabner und Altmann. Bald nach Vollendung der Eroica (1803) begann Beethoven an der Symphonie in G-Moll zu arbeiten. Sie muß von dem Grafen Oppersdorf bestellt und spätestens im Feber 1808 vollendet gewesen sein. Dies ergibt sich aus einem Brief an den Genannten, in wel chem es heißt: „Ich will Ihnen nur noch melden, daß Ihre Symphonie schon lange bereit liegt, ich sie Ihnen nun aber mit nächster Post schicke — 50 fl. (Gulden) können Sie mir abhalten, da die Kopiatur, welche ich für Sie machen lassen, billigstens 50 fl. ausmacht. — Im Fall Sie aber die Symphonie nicht wollen, machen Sie mirs noch vor künftigem Posttag zu wissen — im Fall Sie selbe aber nehmen, dann erfreuen Sie mich so bald als möglich mit den mir noch zukommenden 300 fl. — Das letzte Stück der Symphonie ist mit 3 Posaunen und Flautino — zwar nicht 3 Pauken, wird aber mehr Lärm als 0 Pauken, und zwar besseren Lärm machen.“ Daß es sich hier nur um die Symphonie C-Moll handeln kann, ist klar wegen Angabe über die Besetzung des Finales. Aber wenn auch der Graf Oppersdorf das verabredete Honorar für diese Symphonie wohl gezahlt hatte, so erhielt er sie doch nicht und wurde mit der in B-Dur, op. 60, entschädigt, die mit einer Widmung an ihn gedruckt erschienen ist, Beethoven schrieb am 1. November 1808: „Bester Graf! Sie werden mich in einem falschen Lichte betrachten, aber Not zwang mich, die Symphonie, die für Sie geschrieben, und noch eine andere dazu (die Pastorale) an jemanden anderen zu ver äußern.“ Nur die C-Moll-Symphonie und die Pastorale können gemeint sein in dem Brief Beethovens vom 8. Juni 1808, in dem er dem Leipziger Verlag Breitkopf & Härtel u. a. !2 Symphonien anbot. In Bezug auf das Honorar kam Beethoven, der zuerst für beide Symphonien, die Messe in C und die Sonate op. 69 zusammen 900 Gulden gefordert hatte, der Verlagsfirma noch entgegen. Äm 16. Juli 1808 schreibt er ihr: „Ich gebe Ihnen die Messe, die 2 Symphonien, die Violincell-Klavier-Sonate und noch zwei andere Sonaten fürs Klavier oder statt diesen vielleicht noch eine Symphonie für 700 Gulden . . . Sie sehen, daß ich mehr gebe und weniger nehme — das ist aber auch das Aeußerste —. Zur Aufführung gelangten beide Symphonien am 22. Dezember 1808 im Theater an der Wien; auf dem Programm ist dabei merkwürdigerweise die in G-Moll als 6., die Pastorale als 5. bezeichnet. Die Original-Niederschrift der Partitur befindet sich seit 1908 dank der Schenkung der Familie v. Mendelssohn-Bartholdy in der Musikabteilung der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin. Wenn ich nun mit der eigentlichen Analyse dieses gewaltigen Werkes beginne, bei welchem von jeher besonders lebhaft empfunden wird, daß ein innerliches Band des Zu sammenhanges die einzelnen Momente in der Tonschöpfung des Meisters verknüpft, muß es verständlich sein, daß eine nur mit Worten mögliche Erklärung der einzelnen Ton^^ bilder im Verhältnis zur gefühlsmäßigen Ausdrucksmögiiehkeit der Musik als beschränlflp bezeichnet werden muß. Meine andeutenden Erklärungen sollen daher nur dazu dienen, das eigene Empfinden zu ergänzen. Die Symphonie beginnt mit 4 Schlägen, von welchen Beethoven selbst seinem Freunde Schindler gegenüber bedeutete: „So pocht das Schicksal an die Pforte.“ Es sind vier harte Schläge, w r elche mit großer Heftigkeit hereinstürmen, hereinbrechen, völlig unvor bereitet; sie zeichnen so das Bild einer plötzlich die Seele erfassenden, gewaltsamen und schreckhaften Erschütterung, eine Erschütterung jener Art, wie sie ein ungeahnter Schlag des Schicksals zu erzeugen pflegt. — Der letzte der vier Töne bleibt liegen, drückend, lastend. Die vier Schläge wiederholen sich, einen Tonschritt tiefer; wodurch zugleich die Moll-Tonart, der düstere Stimmungshintergrund des Bildes, stärker fühlbar wird. Der Schlußton preßt sieh hier noch länger, tiefer, wuchtiger ein. Dieser zweimalige Angriff der tragischen Gefühlsmacht versetzt das Gemüt zunächst in eine Art Betäubung, kein Gedanke an Widerstand, nicht einmal das klare Bewußtsein der schrecklichen Lage kann noch in ihm auftauchen, sondern nur der Widerhall der 4 Schläge wirrt, wie von mehr fachen Echos zusammentönend, in der Seele hin und her. Diese Lethargie weicht sodann einer unruhigen Bewegung, in welcher zuletzt das die Seele quälende Moment — die 4 Schläge — energisch erfaßt und mit kräftigen Akkorden abgeworfen wird Aber von dem letzten dieser kraftvollen Akkorde bleibt der Oberton in den Geigen hängen, anhal-