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Vortragsfolge l. Johannes Brahms: (1833—1897): Akademische Festouvertüre für großes Orchester Werk 80 In diesem Werke sind mehrere Studentenlieder in höchst wirksamer Weise verarbeitet. Nach einer ernsthaften Eins leitung (Allegro, 2/2, csmoll) intonieren die beiden Fagotte keck die Melodie „Was kommt dort von der Höh?"*), die dann vom ganzen Orchester — noch ehe sie völlig zu Ende geführt worden ist — aufgenommen wird. „Hoch soll er leben!" rufen die Trompeten. Auch der „Landesvater"**) ertönt (zum Teil) und führt zu wohlklanggesättigten Episoden. Nachdem die scharf rhythmisierten Anfangstakte des „Fuchss ritt" wiederholt worden sind, klingt das Ganze aus in „Gaudes amus igitur!"***) Das Werk stammt aus dem Jahre 1879. Als Brahms von der Universität Breslau zum Dr. phil. h. c. promoviert worden war, schrieb er die Akademische Fests Ouvertüre als Dank für diese Auszeichnung. *) Diese Melodie, eine Volksweise des 18. Jahrhunderts, gehörte iir* sprünglich zu dem Liede: ,,Bei Hall' ist eine Mühl'." Noch jetzt wird sie im Volke zu den „Kirmesbauer"*Versen gesungen: „Es fuhr ein Bauer ins Holz." *•) Den Namen „Landesvater" hat der Gesang „Alles schweige" von einem Liede, zu dessen Melodie es gedichtet war: „Landesvater, Schutz und Rater, es leb' mein Landgraf Philipp hoch!" (1770 gedruckt). Im Zu* sammenhang mit „Alles schweige" steht dieses Lied zuerst in Rüdigers „Trink* oder Kommerschliedern" Halle 1791. ***) Spuren unserer Melodie, die keineswegs sehr alt ist, zuerst in Sperontes „Singender Muse a. d. Pleiße" 1736. Der erste vollständige Druck der Weise findet sich in einem sehr selten gewordenen Buche: „Lieder für Freunde geselliger Freude", Leipzig 1788. Nicht die „Gaude* amus"*Verse sind hier untergelegt, sondern: „Brüder, laßt uns lustig sein", und kleine Rokoko=Zöpfchen schmücken die dort gravitätische Sara* banden =Weise. (Cf. Max Friedländer: „Kommersbuch, mit kritisch* historischen Anmerkungen versehen", Leipzig, C. F. Peters). 2. Joh. Herrn. Schein (1586—1630): „Frisch auf, ihr Klosterbrüder mein!" aus dem „Studentenschmaus" (Der Chor=Teil bearb. von Otto Richter) Liegt auch der Schwerpunkt der Werke Scheins unbedingt in der ernsten, besonders kirchlichen Musik — wir kennen Schein von Jugend an als den Dichter und Komponisten des Kirchenliedes „Machs mit mir, Gott, nach deiner Güt" —, so ist doch, wie bei des Meisters größtem Nachfolger im Thomas* kantorate, Seb. Bach, der Wert seiner heiteren Musik durch* aus nicht gering anzuschlagen. Zeuge dafür ist u. a. der „Stu* dentenschmaus", dem kein Geringerer als Faul Flemming, ein Schüler Scheins, in dem Gedicht „Livländische Schnee* gräfin", das er 1636 auf seiner großen Örientreise in der liv* ländischen Stadt Reval verfaßte, mit folgenden Versen rühmt: ,,— Uns freudevollen Gästen Ermangelt keine Lust, Wir tönen nach dem Besten Ein „Waldlied" aus dem Schein. Und sein Studentenschmaus Muß ganz von vorne an Gesungen werden aus. Wir figurieren wohl, die schönen Künste steigen Auch mit dem Trünke stets. Diorben, Flöten, Geigen Sind unser täglichs Spiel " Bemerkenswert in dem hier gesungenen derbfröhlichen „Frisch auf, ihr Klosterbrüder!" sind die volkstümlichen Doppel* Kehrreime: „Der Abt der reit" und „Sa, sa, sa, sa,*) frisch auf, ihr Brüder!" Solo: Frisch auf, ihr Klosterbrüder mein, laßt uns einmal fein lustig sein! Chorus: Der Abt, der reit', der Abt, der reit', der Abt, der reit', der Abt, der reit': Solo: Er reit' zu Papstes Heiligkeit, des woll'n wir haben gute Zeit. Chorus: Sa, sa, sa, sa, frisch auf, ihr Brüd'r, er kommt wed'r heut noch morgen wied'r! •) Auch in dem Krieger'schen Liede „Ihr Freunde, laßt uns" findet sich dieser Kehrreim. Solo: Chorus: Solo: Chorus: Solo: Chorus: Solo: Chorus: Solo: Chorus: Solo: Chorus: Die edle Musik laßt erklingen, insonderheit für allen Dingen. Der Abt, der reit' usw. Er reit' dahin gar wohlgemut, frisch auf, die Sach' wird werden gut. Sa, sa, sa, sa, singt, klingt, ihr Brüd'r, er kommt wed'r heut noch morgen wied'r! Schenkt ein das gute, frische Bier, dasselbe wollen trinken wir! Der Abt, der reit' usw. Er reit' in seiner Andacht hin, über Feld und über Wiesen grün. Sa, sa, sa, sa, schenkt ein, ihr Brüder, er kommt wed'r heut noch morgen wied'r! So, so passiert's, so gehet's wohl, kein Melanchol'* scher da sein soll. Der Abt, der reit' usw. Heut wollen wir es fahen an und morgen aucli nicht unterlan. Sa, sa, sa, sa, so lang, ihr Brüd'r, er kommt wed'r heut noch morgen wied'r! Mutet uns dieses Lied in Wort und Weise nicht an wie eine lustige, musikalische Illustration des bekannten Grützner* sehen Bildes der trinkenden Klosterbrüder (Dresdner Galerie), die sich während der Abwesenheit ihres Abtes einmal gütlich tun? Echt volkstümliche Motive sind es, die noch in unseren Kinder* und Kommersliedern: „Der Abt ist nicht zu Hause" und „Qa, 9a geschmauset!" fortleben als glän* zender Beweis, daß auch der Scheinsche Humor aus echt volkstümlichen Quellen hervortritt. (Cf. Arthur Prüfer: Schein, 20 weltl. Lieder, Leipzig, Breitkopf u. Härtel.) 3. Johann Roscnmüllcr (ca. 1620—1684): Suite (5 stimmig) aus der „Studentenmusik" für Streichorchester und Cembalo Für den praktischen Gebrauch bearbeitet von Arnold Schering Paduana — Allemanda — Courante — Ballo. 4. Adam Krieger (1634—1666, Kammerorganist in Dresden): Drei Studentenlieder mit Cembalo und 5 stim= migen Orchester=Ritornellen*) aus „Neue Arien", Dresden 1676 In Adam Krieger haben wir den Klassiker des weltlichen Sololiedes im 17. Jahrhundert zu sehen. Unbedingt musikalisch höher veranlagt und in seinem musikalischen Ausdruck un* gemein vielseitiger als beispielsweise Heinr. Albert, bringt Krieger die Bestrebungen der Liedkomposition seiner Zeit bereits zu einem Abschluß. Krieger hat eine sowohl bei Albert als anderen Liedkomponisten vorkommende Stileigentümlich* keit zum Prinzip erhoben: die einer nach jeder Richtung fest* gefügten Gesangsmelodie. An dem Zustandekommen wirken bei Krieger nicht allein instrumentale Einflüsse, sondern wohl auch ein Zurückgreifen auf das Volkslied des 16. Jahr* hunderts, wie nicht zum mindesten der Umstand, daß Krieger als dem Dichter seiner Poesien eine rege Verknüpfung der Form des Gedichtes und der Melodie näher liegen mußte als den meisten anderen Komponisten. Gerade auch als Dichter muß Krieger bei dem Tiefstand der damaligen Poesie mit besonderen Ehren genannt werden, und seine Gesänge führen den Literarhistorikern einen Mann zu, der ihnen bis vor kurzem unbekannt war. Kriegers „Arien" sind größtenteils Liebes* *) Ritornello = Wiederkehr, Refrain