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Kreit«,, 23. Juli ISO» VeiaisWebühr ,I«M1«»rI. Mr Lr-. de» dei täglich ,««,. «aiig«» gutraaun, («, S«im« »nd Montag,» nur «inm,N >,»0 M., durch au0wärtig,K<>»» mi„I,ichr« ».« Mt. Sei >inm»Il,«r Zu« Ilelliu,, durch dt« -oft LM.to»n,«»s>«ll,ech>. Pt« d«n Leiern »oii Dreaden u. Umgedung am Lag» »ortzrr gu» grilrllten ild«nd<>ug- gobrn erhalten dt«oug- «artigen «e«t,her nilt der Morgen > Auggad« eusammen ,ua«stellt. Nachdruck nur mit dem« licher Quellenangad« t Dretd. Slachr ^ zu lässig. — Unooriangt» Dlanulkript« werden nicht ausdowahrt. Telegramm-Adresse: Rachrichten DreSV«. Kernsprecher: 11 » 208« « S«V1. 1858 Druck und Verlag von Liepsch L Reicbardt in Dresden. iLabvek L vo. ^ Loüiskorimtou Lr. dl»z. ä. Lünixs v Litodseil. Julius Lckäcilick chM» 8«« IO, pwi^e. «. I. Lt. üeIel»:liiiilig8-KegLli5täiilIl! kür Uns. eislctr. Uietit, Ustrvlvum, liorrsn. ^LpchciHlkMbrit, kür ia/«drin»e»rrch» I'sIlLVItSlN»»«« 1—L ttotgedsucke. ^rrsl». Nicki», NM Kl»!»». il»Wlck. Vmüben! aller unevlisllidar geulvrilensn 8staIIgegsn«tänüs tiir Laue ltNll Lerli, 8port ete. orl'igo Lofov. Mutmaßliche Witterung: Kühler, vorwiegend trübe. Die Jacht „Hohenzollern" mit dem Kaiser an Bord ist gestern in Aalesund eingetrosfcn. Kaiser Wilhelm hat, wie verlautet, zu den Kaiser- manöoern drei österreichische Erzherzögc eingeladen. Die Höfe von Bayern, Baden und Württemberg werden Kaiser Franz Joseph bei seiner Anwesenheit in Bregenz Ende August begrüßen. Die im „Leipziger Verband" organisierten Krankenkassen- ärzte Deutschlands planen eine Denkschrift über die Reichsversirherungsordnung an den Bundesrat. Der Zar und die Zarin treffen am 2. August auf der Jacht „Standart" vor Spithead ein, wo sie vom König und der Königin von England begrüßt werden. Die Zahl der C h o l c r a k r a n k e n in Petersburg be trägt 799. Marokko — veksssL. Es ist ein wenig erfreuliches Zeichen iür die Ge staltung der internationalen Lage, daß gerade in dem Augenblick, wo sich die marokkanische Frage wiederum in höchst bedenklicher Weise zuspitzt, der Raine Deleaisö ver hängnisvollen Angedenkens sür die Ruhe Europas wieder aus der Versenkung empört«,icht. Herr Thöophile Dcl- eassä besitzt eine zähe Energie und läßt nicht locker. Er gehört zu den Naturen, die sich unbedingt zur Geltung bringen müssen und die Grauen erfaßt bei dem Gedanken, dauernd in den Orkus der Vergessenheit hiuabgesivßen zu werden. Als der rastlose Propagandist der im Bunde mit England geführten antideutschen Jsvlieriingspolitik in der gefährlichen Periode der Marokko-Krise des Jahres UMS von dem damaligen sranzösischeu Ministerpräsidenten Rouvier vreisgegeben und durch dieses Opser der euro päische Friede gerettet wurde, herrschte allgemein der Glaube, daß die zerschmetternde Wucht der Deleasiöschen Niederlage von dauernder Wirkung sein würde und den ebenso ehrgeizigen wie skrupellosen ehemaligen Journa listen endgültig als maßgebenden Faktor aus der Regierungspolttik der Republik ausgcschaltet habe. Die Ereignisse der nächsten zwei Jahre schienen diese Ansicht zu bestätigen. Schon der Januar 1908 brachte aber in her französischen Deputierten - Kammer eine Episode, die mit einem Schlage die wahre Situa tion ausgiebig erhellte und uns ein wohlbeachtliches Warnungssignal gab, indem sic zeigte, ivie leicht das ent zündliche Temperament unserer westlichen Nachbarn sich von einer Persönlichkeit, wie es Herr Delcassö ist, zu Un besonnenheiten fortreißen läßt, sobald die „alte Wunde", an die alle Franzosen »och heute »ach Gambettas Parole immer denken, wenn sic es auch möglichst vermeiden, offen davon zu reden, wieder berührt und mit blendender Rhetorik «egen den „deutschen Erbfeind", sei cs auch in den verstecktesten Wendungen, losgezogcn wird. Die vor gedachte Szene spielte sich im Januar 1908 bei Gelegen heit einer großen Marokko-Debatte ab, in deren Verlaufe der setzt verflossene Herr Elöincnecai, die ganze Schale des Deleassöschen Zornes bis aus die Neige auslceren mußte. Die Rede Deleassös war i» ihrer Art ein Meisterstück von deutschfeindlicher Ravulislik und wohlberechneter, ans die Rcuanchegcstthlc der Kamuieriuehrhcit spekulierender Effekt hascherei. Die Wirkung war verblüffend. Die Kammer raste förmlich vor Beifall und tobte den Abgeordnete» Jaurös nieder, als dieser mit vernichtender Satire in den Lärm hincinrics: „Warum haben Sie Delcassö denn fallen lassen, wenn Sic ihm heute zujubcl»? Wollen Sie, Herr Delcassö, setzt wieder heransfordern? In der Gefahr waren Sie recht klein!" Seitdem sind >V2 Jahr vergangen, und wieder geschieht cs in einer Perivd-e kritischer Ereignisse in Marokko, daß Herr Delcassö sich in der französische» Politik in den Vorder grund drängt. Der deutsche Politiker, der die Episode vom Januar 1908 uirbesangen auf >sich wirken ließ, konnte schon damals nicht umhin, sich zu sagen: „Abgetan ist der Mann noch nicht!" Jetzt lzat dieser Eindruck feine unliebsame praktische Bestätigung erfahren. Herr Elümeiiceau, der von Delcassö Bestgehaßte, der, ohne Deutschland freundlich gesinnt zu sein, doch Einsicht genug besaß, um sich nicht zum bloßen Handlanger der englischen Pläne zu erniedrigen, ist zur Strecke gebracht worden, und sein triumphierender Gegner schickt sich an, «ns seinem Siege die Kousegneiizcn zu ziehen. Es hieöe, wie der Vogel Strauß den Kopf in den Sand stecken, wollte inan auf deutscher Seite glauben, Laß .Herr Delcassö zögen, könnte, die ihm günstige Lage voll auszui,ritzen und sich wieder seit in den Sattel zu setze». Zunächst soll er ja nur als der künstjge Marinc- mi»cster in Aussicht genommen sei». In Wirklichkeit würde aber das Marineministeriuin lediglich das Sprungbrett für ih» bedeuten, um sich im geeigneten Augenblick aber mals zur Leitung der auswärtigen Angelegenheiten der dritten Republik empvrzuschwingcn. Was eine solche Ent wicklung der Dinge sür die intcruationalcn Beziehungen zu bedeuten hätte, darüber kann auch der größte Optimis mus in der Beurteilung der sich vorbereitenden Möglich keiten nicht hinivegtänscheii. Es ist bezeichnend, daß selbst ein so ruhiger und nüchterner Politiker, wie Professor Schiemann, in der „Kreuz-Zeitung" die rückhaltlose Er klärung abgibt, die Vergangenheit dieses Staatsmannes verbreite untrügliche Sicherheit über den Kurs, den Frank reich unter Deleassös Einfluß einschlagcn würde: „Vom deutschen Standpunkte aus, und vielleicht auch im Inter esse Frankreichs und des Weltfriedens müßte es beklagt werden, falls Delcassö, dem Freund König Eduards und dem begeisterten Verfechter eines englisch-französischen Schutz- und Trutzbünduisses. ein einslußrcicher Posten in dem neuen Kabinett übertragen würde, der cs ihm ermöglichte, seine alte deutschfeindliche Polttik sortznsetzcn, die uns be reits einmal säst in einen Krieg mit Frankreich verwickelt hätte. In diese», Falle müßten wir in Deutschland schars auf der Hut sein, und die schwache Saat der korrekten Frenndschast, die unter Pichon und Elemente«,, zwischen Deutschland und Frankreich zaghast zwar, aber doch zu schöiicu Hoffnungen berechtigend, emporgekeimt ist, würde vermutlich unter dem Ranhreif des Hasses Deleassös rasch dahin welken." Auch in der liberalen englischen Presse wird der Besorgnis Ausdruck verliehen, daß im Falle der Rück kehr Deleassös i» das Auswärtige Amt der Republik das Ringen sür die Berschiebunq der Macht und des Gleich gewichts aus dem Festlaude leicht in eine akute und ge fährliche Phase ciiitrcten könnte. Aus die Befürchtung der englischen Presse läßt sich nun freilich erwidern, daß es ja England selbst in der Hand hat, sie gegenstandslos zu machon, indem cs sich auf die Unterstützung einer etwaigen Neuauflage des „Deleassismus" einfach nicht cinläßt. Vielleicht dürsten wir auch in der Tat im Falle einer Fortdauer des liberalen Regimes in England damit rech nen. daß Here» Deleassös Einflüsterungen in London kein allzu bereitwilliges Ohr fänden. Nun ist aber bekannter maßen die politische Lage des Jnselreichs keineswegs be sonders günstig sür die Liberalen, so daß mit einer baldigen Rückkehr der Konservative» ins Ministerium gerechnet werden muß. und dann hätte» wir glücklich wieder auf der ganzen Linie die alte nx-sim sichtliche Konstellation von 1900, die uns in eine der schwersten Krisen seit dem Be stehe» des Reiches hinei„getrieben hat. In dieser Beleuchtung gewinnt die gegenwärtige aber malige Bcrschärsimg der marokkanischen Frage ein ganz eigenartiges Aussehen. Bisher war man in der dcntschen Presse vielfach geneigt, England dabei als den eigentlich treibenden Faktor zn betrachten. Nach den Pariser Vor gängen aber spricht doch die größere Wahrscheinlichkeit dafür, daß cö sich bei der Schaffung neuer Konflikte in Marokko um eine von langer Hand vorbereitete Aktion der Deleassöschcn Richtung handelt, die nunmehr »ach dem Zurückivcichc» Deutschlands, wie cs durch den Marokko- Vertrag vom 9. Februar 1909 besiegelt worden Ist, augen scheinlich den Zeitpunkt sür gekommen erachtet, um Marokko endgültig unter die französische Alleinherrschaft zn bringen, wobei dann den Spaniern zur Beruhigung ein kleiner Bissen überlasse» werde» soll. Die Bermntung, daß Herr Delcassö hinter der jüngste» Wendung i» Marokko steckt, erhält eine Bekräftigung durch eine Auslassung seines Pariser LeilwrgniiS, worin das weite Entgegenkommen, das Deutschland Frankreich gegenüber in dem letztgcdachten Abkommen bewiesen hat. mit einigen Federstrichen seines loyale» srcuildnachbarlichcn Eharakters entkleidet wird. Das Marokko-Abkommen vom Februar 1909 soll „ach dieser Darstellung gar nicht de» Hauptzweck gehabt haben, der 8. Republik im Interesse der beiderseitige,, guten Be ziehungen einen Dienst zu erweisen, sondern die deutsche Regierung habe lediglich Oesterreich den Abschluß der bos nischen Angelegenheit erleichtern und deshalb den Fran zosen einen Grund zum Widerstande nehmen wolle» in einem Augenblick, als es darauf ankam, den Unmut der anderen Mächte zu besänftige». Ein „echter Delcassö"! Dann wird die mit Rücksicht aus ihren Urheber besonders bezeichnende und «ielsagend« Bemerkung hinzugesügt, LaS Abkommen lasse noch einige Möglichkeiten der Mißstim mung vssen, die „leicht in Differenzen übergehen könnten". Also die letzte marokkanische Uebereinkunst, in der Deutsch land bis an die alleräußerste Grenze der Nachgiebigkeit und Vcrzichtleistung aus die Geltendmachung eigener politischer Ansprüche in de», »vrdasrikanischen Sultanat geht, i„ Herrn Delcassö noch nicht genügend! Er droht auch jetzt noch mit der Aussicht ans erneute Streitigkeiten! Das heißt mit anderen Worten, daß wir uns nun auch noch unserer vertragsmäßig sestgclcgteii wirtschaftlichen Rechte i» Marokko zu begeben habe», falls wir nicht einen neuen Konflikt mit Frankreich riskieren wolle». Drastischer kann der Geist, der mit der erneuten Uebcrnahmc der Leitung des Auswärtigen Amtes der ü. Republik durch Herrn Tcl- cassö zur Herrschaft gelangen würde, kaum aekcnnzeichnct werden. Es ist also unverkennbar eine sehr ernste inter nationale Lage, die durch den unter so unliebsamen Ver hältnissen vollzogenen Regierungswechsel in Frankreich hcrnilfbcschwvren worden ist. Unser neuer Reichskanzler, Herr von Betymann Hvllmeg, wird dadurch mit einem Schlage in den Strudel der politischen Ereignisse hinein gerisse». Die Möglichkeit, daß wieder schwere Unwetter am internationalen Horizonte hcraiiszichen, erscheint nach einer kurze,, Ruhepause abermals i» drohende Nähe ge rückt. Unsere Diploiimtic muß sich also aus scharfe Arbeit gefaßt machen, und der neue Leiter unserer auswärtigen Angelegenheiten wird vielleicht eher, als man vermute!! konnte, den Beweis zu fuhren haben, daß er eine genügend sichere und slenerkniidige Hand besitzt, „in das" Ncichsschiss durch eine schwere See hindurch in den geschützten Hafen zu führen. Tie nationale üssentliche Meinung bringt dem neue» Kanzler nach dieser Richtung volles Vertrauen ent gegen und wird ihn bei der Lösung seiner schweren Aus gabe verständnisvoll unterstützen. Neueste vrahtmeläungen vom 22. Juli. Die Nordlandreise des Kaisers. Aalesund. Die Jacht „Hohcnzollern" mit dem Deut schen Kaiser an Bord ist heute 2il, Uhr mit den Geleit- schissen hier eingetroffen. Fürst Bülow und der Deutsche Ostmarkenvcrcin. Berlin. tPriv.-Tcl.j Der -Hauptvorstand des Deut schen O st ma r t c nve r c, n s sandte an den Fürsten Bül 0 w eine K n ndgebnng, in der cs u. a. heißt: Mir klarem Blick haben Ew. Durchlaucht die geradezu aus schlaggebende Bedeutung der Ostmarkenfrage für den Be stand und die Sicherheit des Deutschen Reiches wie der preußischen Monarchie erkannt. Mit sicherer Hand und warmen Herzen haben Sie diejenige Ostmarkenpolitik nn enkwegt durch,zuführen und für die Zukunft scstzulegen ge mußt, die allein zu dauernder Sicherung der deutschen Vor Herrschaft i» der Ostmark führen wird. In der Geschichte des seit Jahrhunderten bestehenden Kampscs um die Ost mark wird der Name v. Bülow als treuer Vorkämpfer sür das Deutschtum einen ersten Platz erhalten. — F ü r st Bülow erwiderte darauf n. a.: Es ist mir eine Be ruhigung, daß ich in dem Augenblick« wo ich aus dem Amte als Reichskanzler und Ministerpräsident scheide, nicht nn, das Deutschtum in unserer Ostmart im vvrschreiteu ist. sondern auch das Verständnis der Nation sür die Ostmar tcnpvlikik wächst- Daraus schöpfe ich die zuversichtliche Hvssiiniig, daß wir auch auf diesem Gebiete aus den Fehlern i» der Vergangenheit gelernt lmben und daß wir sür alle Zukunft an einer stetige» planmäßigen und energi schen Haltung für die Stärkung des Deutschtums in den Grciizbezirke» festhalte» werden, die nicht «ins schnellem, sondern a»s dauernde,» Erfolg sieht. Znr Dnrchführnng der Talonstcncr. Berlin. iPriv.-Tcl.s O-fsiziös wird geschrieben: I» steigendem Umfange hat man in den letzten Tagen den Druck und die Ausgabe neuer Gemiiinanteilscheiirbogen und Zinsbogen lediglich zn dem Zwecke bewirkt, „m Ver lust dem t. August ft, Kraft tretenden Zinöbi'geiistciicr aus eine Reihe von Jahren hinaus z» entgehen. Wen» das Vorgehen Erfolg hätte, würde nicht nur sür einen großen Teil der Gesellschaften, die es ablehne», sich daran zu be teiligen, ein Zustand größter Unbilligkeit berbeigcsührr werden, cs würden auch für die Reichskasse sich bedeutende Ausfälle in denjenigen Stencrerträgnisscii ergebe», ans die beim Zustandekommen der Ncichssiiianzgesetzc mit Be stimmtheit gerechnet worden ist. Nach Sin» und Wortlaut des Gesetzes kan» darüber kein Zweifel bestehe», daß der Gcsctzgebcr nur die Unternehmungen von der Steuer frei- lasscn wollte, deren Bvge» im natürlichen Verlaus der Tinge vor dem August durch neue ersetzt werde» müssen. Wenn jetzt die kurze Zeit bis zum Inkrafttreten des Ge setzes dazu benutzt wird, die bisher übliche Form der Aus gabe in künstlicher Weise von Grund aus »mzugcstalten. so ist klar, daß die mit der Ausführung des Gesetzes br- trauteu Organe sich nicht mit dem durch «ine solch« vor»