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Mittwoch, 17. Februar 1W9 SS. Jahrgang. ^ 4r>. Be,ug««e»ü»r durch->cpmaNc,»i rnctsronzi» 8 »l> A«t lieiluno »>nch d>« Volt -IM.>obu»B«sieltg«n>. Vt« drn ü-torn ov,r vr»«t«« u U»^,elmng am tag» vorher »»- d»N«l>ren Adrnd Au»< H-trn ertzaltkndieau»- loorilg«« B«,l«hrr mir der Nilamm»» jugesirl». RachdruL mir mir deut lich»» puellenon,,»« <„Dre». Noch».«, ,u- — Unverlaoft»« Wßoimlkrlpi« werde» «ich« «,,dewad»l- rrlegrauwi-Adrrsse: Rachrtchteu Dre«d««. Fernsprecher: U . 2«9« . 3««t. 185V Druck und Verlag von Liepsch Lc Leichardt in Dresden. Lobsek L vo. I Loklleksrantsu 8r. Llaj. 6. Xoui^s v. KLvkseu. IIIeb-VLcntolLiIk »o. eov. Liorslve,jiirut Ilienheii. B»<«gtn-r«rii n°b!» r -lichiaUHe Ärundze, . <co 8 Silben) Lk P' Uachnchu > Dresdr« uo D <8eichaNb Altungen o, « der Prwarleite Heile M Pf.. die -weiwatt«:- Zeüe a TestheiU: — Hurnu.ern „an, S»«a u Feiertagen die emjpaluge Grmu, teile 3VP) .aufPrioo« jetu. 40 Pf., Familien NaLnchten a Dro«de.l die«lundjelle2LPi. Aubwiirtige Aufträge nur gege,» Borausd »ahlunq. - ^edev Be. legblait tvsiel W HanptgrschSftSstelle: Martrnstratze ÜbitO Ilelrelvltrer Sim «rhisltsn rur Oniits.llsn Loehstunst-L.U88tsUung vrssäsu 1909 Oolilvne Alviiuillv unä Lbrenpreis! 'irirenon,??, jOißs "^kökU 8bV jVM»52ük» oiieiiillttO»,-»!- sdchtzidozs^dtc 2«t«mgw Ko6sl -Ledtttteo ß X.!. Wies. ». /VRLNlsi', Pniiep w. Z2 3t. kmliliiiailei' mul beibliinlien sowio »IIs 80U8tix6ll üanciagsn u. ^rrtiksl zur Lrrmkoopüsx-s vwpLvtilt 0 »rl HVemlsedaedr LtsLlirsemeot 81l'M8ll'S88K U. Irev srtrczs Lefov. Mutmaßliche Witterung: Mild, vielfach heiter. Die Dresdner Tagung des Verbandes Sächsischer Industrieller schloß gestern mit einem Festmahl im Aus- jlellungspalast. Der Landesvorstand der Mittelstands Vereini gung hat bez. der Stellung der Vereinigung zu den kommenden Landtagswahlen eine Reihe von Leitsätzen ausgestellt. Der Reichstag nahm gestern u. a. den Etat des Reichs- eiseiibahnamtes an. In Berlin ist der Deutsche Landwirtschastsrat zu seiner .<7. Hauptversammlung zusammengetrete». Pan den 4 im Bau begriffenen deutschen Linien schiffen der „Dreadnought"-Klasse werden die „Nassau" und die „Westfalen" im Herbst d. I. in Dienst gestellt. Dip englische Thronrede äußert sich über die inter nationale Lage. Die Pforte.ließ den Botschaftern der Mächte Mitteilen, das neue Kabinett werde die bisherige Politik verfolgen. In der Kohlengrube zu Weft stanleq wurden durch eine Explosion 200 Arbeiter verschüttet. In einem großen Teile Bulgariens wurden gestern Erd stöße verspürt. Die Berliner Messerstechereien lmlten nicht bloß die Reichsüauptstadt und ihre nächste Umgebung in hochgradiger Aufregung, sondern beschäftigen allerorten die üsseutliche Aufmerksamkeit in der intensivsten Weise. Alle diese Ueberinlle tragen gleichartigen Eharaktcr: ein männliches Individuum schleicht sich im Schutze der Dunkelheit »nd Einiamteit, ans der Straße und i» Häusern an alleiiigehcndc weibliche Personen Hera», versetzt seinem Opfer blitzschnell einen zumeist gegen den Unterleib ge führten Stich mit einem spitzen Wertzeuge »nd ver schwindet dann spurlos. Dieje Untaten und ein ernstes und eindringliches Menetekel für alle an unserer Sirasgesctzgebnng beteiligten verantwortlichen Faktoren ln dem Sinne, daß der Augenblick gekommen ist. wo angesichts der in schreeteuerregender Häufung besiird- lichen Rvhcitsverbrechcn, die mit der Zunahme der Sitt- lichkeitsdcliktc in engster Berl'indnng stehe», durchgreifende Maßnahmenz» in Zwecke einer wirksamen Bckämpsung des Uebcls getroffen werden müssen. Schon längst staben sich einsichtige kreise der Juristen- sowohl wie der Laicnwelt nicht mehr der Erkenntnis verschlossen, daß die allzu große Milde, die in der gerichtlichen Straspraxis gegenüber de» Unholden und Rowdns aller Art cingerissen ist, einen schweren Krebsschaden unserer Rechtspflege bildet. Das einfache, natürliche Rechtsempfinden des Volkes,'das »och unverbildet ist durch juristische Tüfteleien »nd nnaiigc- Iränkclt von der energielosen Blasse eines grundsirlichen und verzerrten H»ma»itätsgcdantens, ist häufig geradezu starr, wenn non den Strafgerichten Erkenntnisse .gefällt werdcui, die geringfügige Vergehen, wie kleine Diebstähle >m Rüctiallc, mit drakonischer Strenge treffen, während die rüdesten, aus bestialische Robcit »nd Grausamkeit zurück- ,»führenden Angriffe aus Leben und Gesundheit nur eine im Verhältnis zu der Schwere der Tat und ihrer Folgen außerordentlich milde Sühne erfahren. An dieser Tatsache ,ebbst. diesem in der Rechliprcchnng vorhandenen scharfen Gegensätze ist nicht zu zweifeln. Tie Fälle solcher Art sind io zahlreich, daß hier von einer unzulässigen Verallgemeine rung, wie sic sonst bäusig aus Grund vereinzelter Vvr- lom'nnissc z» »ngercchtsertigten Urteilen über öiiciltlichc Zustände und Verhältnisse führt, schlechterdings nicht ge sprochen werden kann. Der vorurteilslose Vcobächicr dieser »»Uebsamen Erscheinung wird also zunächst bestrebt sein müssen, sich über ihre Ursache» klar zu werden, »in danach die Mitglichleit und die Mittel zur Abhilfe z» bemessen. In erster Linie ist der beklagte Uebclstand, der sich in seiner Wirkung auf die schutzbcdürstigc bürgerliche Gesell schaft in immer empsindlichcrer Weise bemerkbar macht, aus eigen eigentümlichen Zug der Zeit zurü^zusührc», den man in richtiger Würdigung seiner Unvereinbarkeit mit den Geboten der wirtlichen Hinnanitüt tresseno als .. H » m a n itätsd » sel" gekennzeichnet hat. Gewiß ist die wahre Humanität eine der schönsten und edelsten Errungenschaften unserer modernen Gesellschaft, und die guten ethischen und soziale» Früchte, die sie gerade aus deyr Gebiete des Strasrcchts zeitigt, sind unverkennbar. ES handelt sich hier »m die Verwirklichung einer fundamen tal«! Forderung des praktische» Ehristentums. die darin gipfelt, daß die gesamte Persönlichtei» eines verirrten und , ans die Bahn des Lasters und Verbrechens getriebenen > Menschen mit liebevollem Verständnis ersaßt und aus dieser «»ruiidlagc seine der strasgerichtlichen Ahndung unter liegende Tat nicht bloß nach dem toten Buchstaben des Gesetzes beurteilt, sondern menschlich in ihrem ganzen Zu sammenhänge nach Ursache und 'Wirkling angesehen und ge würdigt werden soll. Nach dieser Richtschnur ist ein sorg fältiges Eindringen in die vsticholvgischen Beweggründe jeder straswürdigeu Tai und ihre Erklärung aus dem soziale» Milieu und der individuellen Veranlagung des Täters notwendig. Der Einfluß dieser wahren Humanität ergreift auch noch den Strafvollzug selbst, indem dieser nach Möglichkeit auf die Besserung des Verbrechers zugeschnitten ist und indem ferner nach Kräften dasür gesorgt wird, dem Verurteilten nach Verbüßung seiner Strafe die Rückkehr zu einem geordneten bürgerlichen Lebe» zu erleichtern. Ter unseren Humaniiätsbcstrebungen im richtigen Sinne zugrunde liegende Gedanke ist zweifellos ein hohes kulturelles Gut, das wir nicht mehr missen können und dessen günstige Folge» sich auf Schritt und Tritt in unserer Rechtspflege fühlbar machen. Wie es aber im menschlichen Leben kaum irgendetwas Gutes gibt, das nicht durch llcber- trcibung mehr oder weniger in sein Gegenteil verkehrt wird, so ist auch die wahre Humanität nicht dem Schicksal einer barocken Verzerrung entgangen. Es hat sich allmäh lich eine Richtung geltend gemacht, der infolge des von oerstaudesmäßige» Erwägungen losgelösten Schweigens in iinbestimniten pseudo-humanitären Ideen und Vorstellun gen die Erkenntnis des Lühnecharakters der Strafe ab handen gekommen ist. Tie Vertreter dieser Anschauung den ken nicht in erster Linie an die von einem Verbrecher ge schädigten Opfer, sondern sie sehen in den schwersten Ver brechern vorwiegend „Unglückliche", denen das „Strasübel" so mild wie möglich gestaltet werden muß. Selbst wenn nach der ganzen Lage dcS einzelnen Falles nicht der leiseste mildernde Umstand für den Täter sich geltend machen läßt, brauchen sie das Schlagwort der „rein menschlichen Er fassung menschlicher Verhältnisse", des „tont eoiuprvuäro taut Iinrchinnor", um mit ihrem „Helden" einen förm liche» Kultus z» treiben und ihn womöglich für geistes gestört zu erkläre», damit er vor dem Hcrabsausen des schar fen Schwertes der strafenden Gerechtigkeit bewahrt wird. Jeder „sensationelle" Mordprozeß der letzten Jahre hat diesen krankhaften „Hnmanitätsduscl" in verstärktem Maß« hervortreten lassen, und aus ihm beruht auch zum Teil mit die nnangebrachtc Milde, die unsere Strafgerichte gegen über den zu einer allgemeinen Landplage gewordenen Rohcitsvcrbrcchen zur Schau tragen, keinem Verstän digen wird es deshalb in den Sinn kommen, die Richter persönlich anzuklagcn und ihnen den Vorwurf einer nicht streng gewissenhaften Ausübung ihrer Amtspflichten zu machen. Ti« Richter handeln vielmehr in allen solchen Fällen zweiscllvs nach bester Uebcrzeugung. nach pflichtmäßi- gem Ermessen: sie stehen aber als Menschen und Söhne ihres Volkes unwillkürlich bis zu einem gewissen Grade unter dem suggestiven Einflüsse der die Zeit bewegenden Gedanken, und so ist cs denn wohl erklärlich, daß sie un bewußt in ihren Erkenntnissen dem „Humanltätsduscl", der heutzutage eine so gewaltige Ansdehnnng gewonnen hat, i» etwas Rechnung tragen. Tazu kommt, daß dieser im llnterbewiißtseln der Rich ter vorhandenen Neigung zum Entgegenkommen gegen die falsche Hiimanitätsbewcgung »nserer Tage durch den Zustand unserer Strafgesetzgebung selbst Vorschub geleistet wird. Wen» auch die Strafurteile gegen Rohcitsverbrcchcr bei schärferer Anwendung der bestehenden Gesetze noch um einige Grade strenger ausfallen könnten, !v ist doch nicht z» verkennen, daß die vorhandene» Bestimmungen und Zuchtmittel jm Vergleich zu der Schwere der vv» den ge wohnheitsmäßigen Rowdys verübten Verbrechen bei weitem nicht genügen. Sollen daher die Gerichte zu einer allge meinen strafferen Handhabung der Strafjustiz gegen Roheitsverbrecher veranlaßt werden, sv ist es linbedingt nötig, daß ihnen die formalen Mittel und Wege dazu durch entsprechende Abänderungen unseres Strafgesetzbuches ge liefert werden. Tie bereits dem Bundcsratc vorliegende kleine Strafjustiznovelle soll angeblich auch gewisse Straf verschärfungen für Rohettsdeliktc enthalten. Es wird ab- zuwarte» sein, was die Novelle in dieser Hinsicht bringt. Tas eine aber läßt sich schon heute sage», daß mit halben Maßregeln dem schon zu weit vorgeschrittenen Uebel nicht beizukommen ist. Das mindeste, was gefordert werden muß, ist die Möglichkeit, über Rowdys krast Nichtcr- spruches, eine Verschärfung des Strafvollzugs durch Einfügung von Dunkelarrest, hartem Lager und Kon schmälerung innerhakb bestimmter, im Urteil selbst festzusetzender Grenzen zu verhängen. Daneben ericheiiu die Aushebung der Bestimmung, krast deren Zuchlhausslraie nur in dem Mindestmaße von einem Führe verhängt wer den dnrf, in hohem Grade wünichenswert. <i>er<rde die kur , sristigen Zuchtltzuisstrasen haben sich in anderen Ländern als sehr wirksame Zuchtmitkel gegenüber dem Rowd» tum bewährt. Während die vorgedachte» Maßnahmen, den guten Willen aus seilen der Regierung und des Reichstages vorausgesetzt, ohne Schwierigkeit zu ver-wlvllichcn sind, lenU die Wiedereinführung der Prügel st rase sür RvHeits verbrechen, die unter dem Banne der fortgesetzten Steigerung derartiger Schandtaten neuerdings selbst in früher gegncri schcn kreisen Befürwortung findet, aus das Gebiet schwieri ger grundsätzlicher Erörterungen hinüber. möchle leugnen, daß das Gefühl des zivilisierten MenscyMsich au> das heiligste gegen die Wiederbelebung dieses Straf- und Zuchtmittels sträubt, dessen Bedenklichkeiten, zumal auch wegen der zu befürchtenden verrohenden Wirkung aus die exekutierenden Beamten keinem Einstchtigen entgehen können? Wenn aber die RohertSverbrccher in der jetzigen Weise zu wirtschaften fortsahren, wird die bürgerliche Ge sellschaft schließlich doch nicht nmh-in können, zu dem äußer sten Abwehrmitlel zu greisen, das ihr zu Gebot« steht und das in jedem Falle erfahrungsgemäß seine Wirkung nicht verfehlt. Es sei nur an das Unwesen der „Garrotters" er innert, die Ende der 70er Jahre in London ihr Unwesen trieben. Diese Banditen, so genannt von dem in Spanien bei Hinrichtungen benutzen Erdrosselungsinstrumcnl, der „Garrottc", lauerten in London Lei Nacht einsamen Passanten in de» Straßen auf, erdrosselten sie mittels einer aä Iw>- ersnndenen raschen Methode und beraubten sic dann. Die praktischen Engländer, in deren Strafjustiz die Prügelstrafe übrigens auch jetzt noch in beschränktem Umfange zur An Wendung kommt, erließen sofort ein Spezialgesetz, das für jeden ans frischer Tat ertappten „Garrvttcr" eine verschärfte, in bestimmten Zwischenräumen während des Strafvollzuges zu wiederholende Prügolcxekutiou vorschricb, und im Hand umdrehcn war London von der Plage befreit. Tie trftni nalistischc Praxis beweist unwiderleglich, daß die Sorte von Verbrechern, die hier in Frage kommt, vor nichts so große Furcht hat, wie vor der körperlichen Pein, die ihnen die Prügelsirase znfügt, während gerade die hartgesottenste» Roheitsverbrecher sich aus der bloßen »nverschärsten Frei hcitsstrase gewöhnlich gar nichts machen, da sie physisch zumeist die genügende Widerstandsfähigkeit besitzen, um die Beschwerden der Hast verhältnismäßig leicht zu überwinden. Endlich ist auch »och die Möglichkeit zu berücksiMige». daß Verbrechen von so spezifischer Art, wie sic setzt die Reichshanvtstadt beunruhigen, wegen ihres zu i>ermiilcn den Zusammenhangs mit perversen Trieben von einem wirl liche», nicht bloß vermeintlichen Geisteskranken begannen sein könnten. Dann mutz aber in solchen und überlmum in allen Fällen, wo festgestellte l^eistesstörnng den Täter vor der Strafe schützt, wenigstens im Interesse der öfteiii lichen Sicherheit kategorisch gefordert werde», daß der g e m e i n g es äh r l > ch e Geisteskranke dauernd kraft Gesetzes in einer Anstalt n n s ch äd l l ch gemacht und nicht nach dem Belieben der Acrzte jeweilig als „gesund" oder „nicht mehr gemcingesährlich" wieder aus die mriilch liche Gesellschaft losgelösten wird. Wieviel gerade in dieser -Hinsicht »och zu reformieren ist, zeigt drastisch der Umstand, daß ninnittelbar nach der Verübung der jetzigen Berliner Verbreche» >» der Presse erklärt wurde, eine Folge der U» taten werde darin bestehen, daß zahlreiche von den Aerzten aus de» Anstalten entlassenen Geisteskranken wieder ei» gezogen würden. Was wir brauchen, ist »eben der wahren Humanität, die i» geeignete» Füllen nicht mir nicht ge schmälert, ivndern noch erweitert werden will, eine scharfe rücksichtslose Bestt-asung oder wenigstens Unschädlich machultg aller »nverbesserlichen Sclfädlinge der menschliche» Gesellschaft- Neueste Trahlmel-imgeil vom 16. Februar. Deutscher Reichstag. Berlin. lPriv.-Tel.j Die Beracung des Elais des R e i ch s e i s c u b a h ü a »i t e s wird fortgesetzt. Zur Erörterung steht zugleich wieder die von der Kommission beantragte Resolution betr. Erwägungen darüber, wie eine Verbilligung der Ver w alt » ngskost e n des Rcichseiie>ibah»amles herbeizusühre» sei. — Abg. Stolle iSoz.l: Ein Uebclstand ist es, daß die Unterbeamteii in den Eisenbahnbetriebe» häufig so schroff behandelt werden, daß sic Betricbsmüngel, die sic wahrnebmen, gar nicht zu mrl»