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2V — Für di« Frauenwelt. Die «l»»uett de* Taschentuches. Pis zum Beginn des verflossenen Jahr hunLerts spielten die Taschentücher unter den weiblichen Toilettenstücken kein« her- vorragend« Rolle, noch zur Zeit Lud. »io» XVI. wurden sie in den Trousseaur nicht besonders ausgrsührt. Damals trugen die Damen in Gesellschaft säst immer einen Fächer, ober niemals ein Taschentuch in der Hand. Dos wurde jedoch mtt einem Schlage anders, nachdem das Zepter der Mode der ersten Gemahlin Napoleons zugefollen war. Josephine hatte sehr schlechte Zähne, und um sie beim Sprechen möglichst zu ver bergen. pflegte sie ein kunstvoll gesticktes Taschentuch aus dem feinsten Battist vor den Mund zu halten. Me in allen Dingen, so trieb sie auch hierin mastlosen Luxus. Künstler mussten zu den Stickmustern Zeich nungen entwerfen, die meistens Kranz gewmde darstellten. Der Namenszug der Kaiserin mit der goldenen Kaiserkrone dar über durste natürlich nicht fehlen. Eines Tages spielte Napoleon mit einem Taschentuch seiner Gemahlin und bewun dert« nicht allein die Stickerei, sondern auch das fein« Gewebe. Memel kostet ein sol ches Taschentuch?" fragte er. „Jedes Taschentuch Ihrer Majestät tostet 86 Francs, Eire," antwortete eine Ehrendame der Kai serin. „80 Francs!" ries der Kaiser aus. als ob er seinen Ohren nicht traute, und fügte gleich darauf lachend hinzu: „Nehmen Sie jeden Abend eins mit, Madame, das würde im Jahr mehr ausmachen, als Ihr ganzes Gehalt." Die Gräfin Walewska, Napoleons schöne polnische Geliebte, überbot Josephine in die ler Hinsicht noch, denn sie liest sich bei Leroy, dem ersten Pariser Damenschneider seiner zeit, ein halbes Dutzend der feinsten Taschen tücher mit Namenszug und Krone anserti- gen und muhte dafür 576 Francs zahlen. Die zum Hose des ersten Kaiserreiches ge hörigen Damen hatten übrigens auster dem Beispiel ihrer Gebieterin noch einen anderen triftigen Grund, ihre kostbaren Taschentücher auffallend zur Schau zu tragen, nämlich tun die spöttische Nachrede Lügen zu nra f«n, die bei den Anhängern des alten Hofes über sie im Gange war. Hier wurde von den Marschallinnen des ersten Kaiserreiches, die zum Teil aus den unteren Gesellschafts klassen stammte», boshaft behauptet, sie schnäuzten sich noch, wie sie cs van Jugend auf gewohnt seien, nämlich mit ihren Fin gern. Zum Schlust eine Anekdote aus der Glanz zeit des Taschentuches. Ein junger Mann der vornehmen Welt, der im Begriff war, sich zu verheiraten, prüfte eines Tages »ach denklich das Verzeichnis der Brautausstat- tuna seiner Auserwähllen. Er war nicht en-herzig und wollte deshalb auch nichts ! gegen die Roben au» Samt und Seide, gegen ! den kostbaren Kajchmirschal und den Ju welenschmuck sogen, ober als er las: „Drei Dutzend Taschentücher - 6266 Francs", da hatte er genug und zog sich entsetzt noch recht zeitig von der trügerischen Schwelle der Ehe zurück. Die Lust zum Heiraten war ihm »in für allemal vergangen. „Zur Ballon" — ein neue» Gesellschaftsspiel. Es naht der Winter, und es nahen die langen Winterabende, die man manchmal, selbst wo Verwandte und Freund« traulich beisammen sind, nicht immer ouszufüllen weist, ohne dast die Langweile dann und wann heimlich zur Tür hineinguckt. Da müssen denn iminer noch die guten alten Ge sellschaftsspiele aushelsen Die Psändcr- jpiele freilich, die das Entzücken unserer sittsamen Grosteltern und Urgrosteltern aus machten und bei denen es hauptsächlich auss Küsse» ankam. sind heutigen Tages in Achr und Ban» erklärt. Doch bleiben auch bei den iibrigen Spielen genug Gelegenheiten für junge Leute zu sinnigen, verliebten An deutungen! man denke z. B. nur an das ! schöne Spiel. „Amor kommt geflogen!" Sehr viel weniger zartsinnig, dafür aber s umjo moderner ist ein neues Spiel, das ein s französischer Humorist erdacht hat und als Zeitvertreib für die Wiutersaison ernsthast empfiehlt. Dieser Humorist must, wie man so zu sagen pflegt, ein Gemütsathlet sein, der die heiligsten Gefühle seiner Mit Menschen nicht achtet. Also man sitzt, wie stets bei solchen Spielen, im Kreise umher, und einer steht als Leiter des Spieles in der Mitie. Er bittet, jeder einzelne möge sich vorstellen, er befinde sich in der Gondel eines Ballons, und zwar mit zwei anderen zusammen. Plötzlich must Ballast ausgewor sen werden, und jeder hat die Wahl, einen dcr Heiden Mitsahrenden für dieses Schick sal zu bestimmen. Nun kommt aber die Pointe. Der Spielleiter gibt nämlich jedem Mitspieler die Personen an. die er sich als seine Reisebegleiter durch das Reich der Lüste zu denken hat. und fordert ihn auf zu wählen, welche von den beiden er lieber über Bord geworfen sehen wolle als die an dere. Er sagt z. R.: „Sic fahren mit Ihrer Schwiegermutter sdic darf hier natürlich nicht fehlen!> und mit Ihrem Burcauchei. Wer von beiden soll über Bord fliegen?" Sind die Menschen, zwischen denen --'„e so sreundliche Entscheidung zu treffen hat. auch gar noch anwesend, so cryoist dws selbstverständlich den Reiz des Spieles ganz erheblich. Der Erfinder wenigstens ver sichert entzückt: „Das Spiel ist ganz arost artig. Nach einer halben Stunde ist man alle unangenehmen Leute, die man kennt, unfehlbar los." -elklriWt Mi« <Nrsch«i«rt tS-Lich N i». » Freitag, den 8. Januar. Die grüne AtoLonie. Roman von E. Fahrow. t!>. Kortittzunz.f „Welch ein Glück!" ries er in seiner ausländischen Betonung „Ich dachte nur Maltin zu treffen und trefsc Sie!" Irena gab ihm ihre Hand und schenkte ihm einen strahlenden Blick. — Sie fing sofort und auf ausgiebige Weise mit Verla» zu tokettieren an: das war nicht schwer, denn der kleine Mann hing an ihren Lippen und betrachtete sie unausgesetzt wie ein Kunstwerk. Podo ward es glühend Heist. — Er hatte keine Ahnung, dast sein Geplairder mi> der lebhaften Asta den Anlasz zu der ersten eifersüchtigen Regung gegeben, die Irene seit seiner Rückkunft empfunden, wie er denn überhaupt dis heute nicht wustte, wie ernst im Grunde die Neigung des verwöhnten Mädchens für ihn war. Maltin hatte rnzwiichen hcmerkt. wie die Damen kühl gegen Aita waren, und er fühlte ein wenig G»ewissensbisie. Last er sie nicht gleich in besserer Farm vorgestern hatte. - Deshalb glitt er fehl an dir Seite van Fron von Weistenhoh» und ilüsterte: „Diese junge Dame, gnädige Fron, ist unsere zukünftige „Düse"! Sie wird im nächsten Winter auftrrten — ich sag« Ihnen nicht, an welcher Bühne! Aber Sir wer den staunen!" „Ach was ' Warum haben Sie denn das nicht gleich gesagt? Hot sie so viel Talent? Sie sieht ein bistchen - na — verwegen aus." „Aber, gnädige Frau, daran stosten doch Sie sich nicht? Es ist nur der Ausdruck dcr Augen! Im übrigen, gute Familie — ungarisch — sie wird im nächsten Winter ein sehr gefeierter Stern sein!" Frau von Weistenhahn segelie sofort aut Asia zu. neben der sie sich niederliest. Lin Gespräch über Kunst im allgemeinen mit konfusen Redensarten, welches nach und nach in eine Debatte über Theater im speziellen überging, kam in Gang. — Maltin rieb sich heimlich die Hände — es war zu köstlich, wie leicht sich die Salonmenschen von einem bistchen Flunkerei sangen liegen! „Aber." ries Karla plötzlich, „wo ist denn Professor Bürgeler geblieben? Ich sah ihn doch noch vorhin im Walde?" „Gestatten Sie, dast ich aus meinem unbedeutenden Dunkel auftauche!" sagte eine dumpie Stimme. llnd aus dem grasten Kasten voller feuchten Tons, der in einer Ecke stand, tauchte Bürgeler aus. nachdem er mtt Mühe seinen langen Oberkörper wieder in die Höhe gebracht hatte. In oer Hand hielt er etwas - einen kleinen Kopi, nich! gröster als drei Zoll, der ans einem seltsamen Stück Diertörper jost. Bürgeler zercknetc sich stets durch eine ungebührliche Neugierde aus. Jeder mann kannte diese Schwache, und man neckte ihn auch weidlich damit: doch gerade deshalb vslegtc sie der Protenor in aller Gemütsruhe weiter. Soeben hatte er der Versuchung nicht widerstehen tonnen, in der 7online nach ongesangenen Modellen zu suche». — er hatte bei früheren Atelierbeiuchen schon öfters hübsche Fragment« aus diese Weise gesunden. „Was ist das?" iragtc er. indem er seinen Fund hochhielt, „offenbar ein Fabel wesen! Vielleicht ein Faun ?" Maltin war rot geworden und griff nach dem Kopf. „Kein Faun, überhaupt nichts! Ich bitte Sie, wie kann man so im Kehricht wühlen!" „Aber, diese Art von Kehricht ick höchst interessant. Uebrigens — bei Gott —, das ist ein Porträt! Es iit Danbrück!" „llnsinn!" rief Maltin, dcr viel geärgerter ausfah, als es die Gelegenheit recht fertigte. „Tie sehen Gespenster. Herr Professor!" Doch auch Karla hafte sofort erkannt, dast das ein Porträt ihres Gatten war, und befremdet blickre sie auf Maltin. „Warum wollen Sic es nicht zeigen? Ist es eine Karikatur?" Stuhls und di fecht'et enthalt den As tracht,? -X vt l E. irdische noch st schädig» M61N6r Mel-iMklim- M61N61- tLMs-l'Mkli«- vi'ssclsri. KolckMAllL.