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- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-12-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19061207019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1906120701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1906120701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-12
- Tag 1906-12-07
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Monat
1906-12
-
Jahr
1906
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schien. Restaurant- n«s»v. anlange, so weide iman dort nicht «um Trinken ermuntert, und «» sei unmöglich. dass «- dort päisisiere. wie Rednerin hier in einem »ulen Restaurant, daß man vor Bestellen de- Getränks die Speisekarte üdcchauPt nicht bekomme. Sehr anaenechm sei «S. dah jede Dame zu jeder Zeit de- Tage» äan» allein in zahlreichen aut einaerichteten Teehäusern verkehren könne. Die stilvolle Einrichtung dieser Restaurant- «eht jo weit, dah z. B. in einem solchen, das ganz in rosaer Farbe «edalten war. selbst der Zucker rosa aeflärbt n»ar! Trohdem beträgt der Preis für Tee mit allerlei «Speisen, eine förmliche opulente Näaklzeit, nur 1 Schilling ll Marks. Schr anaenehm «sind ferner die Kasse«- und Teeräume in den Warenhäusern, die Erfrischunasräume in den Theater». Auch mitten im Zutckwuerraum wird in den Zwilchenäkien Eiswasser, Tee oder Kaffee angeboten. Die Bedienung in allen solchen Räumen wird von allezeit liebenswürdigen Damen ausgesührt. Nicht zu unterschätzen ist auch die Sitte, sich zur Hauptmahl zeit des Abends festlich anzukleiden. Dies trägt wesentlich zur Erhöhung der Stimmung bei. Auch in sashionablen Garten restaurants, -. B. im tBotanijschen Garten, erhält man für einen Schilling «ine grob« Kanne Tee, Wasser zum Verdünnen, warmen Kuchen, kaltes Butterbrot. Brunnenkresse und reich- lich Erdheeren mit Schlagsahne. Rednerin hob dann hervor, wie nett in England auch in gewöhnlichen Restaurants alles serviert werde, für jedes gibt es einen einzelnen Teller usw. Die- könne man auch hier erreichen, wenn man die Wirte durch Verlangen dazu erziehe. Auch «vas man als Ersatz für geistige Getränke darbiete, solle in einer raffiniert reizenden Horm geboten werden. Der Reiz, den der Spiritus ausübc, der Gaume-nreiz, müsse durch Augenreiz ersetzt werden. Der Tisch müsse durch das ganze Arrangement, durch Blumen uiffv. so reizend gemacht werden, das, gar niemand daran denken kann, vom Famiiientffch auf,»stehen und in die Kneipe zu gehen. An dieser Beziehung könne man in Deutschland in der Familie von England noch viel lernen. Dem mit lebhaftem Beifall ausigenommenen Vortrag folgte eine DiskMon. die noch manche Anregung brachte. — An der vor kurzem abgehaltenen Jahreshauptversamm lung des Dresdner Mannergesangvereins wurden durch Neu- bezw. Wiederwahl folgende Herren mit Vorstandsämtern betraut: Kaufmann Carl Schütze l'2. Vorsitzen- der), Hauptagent E, Aunghanns st. Kassierers, Prokurist Ä. Bösselmann (2. Schriftführers. Kassierer A. Pasta <1, Presse- Schriftführer), Postassistent Ulbrich s2. Presse-Schriftführers, Privatmann Willy Fleischhauer ll. Festordners, Kaufmann Goerken i2. Festordner). Als Beisitzer wurden gewählt die Herren Preiß, Taubert. Freygang und Maler Richter, als Vertreter der passiven Mitglieder die Herren Siegert und Zschäckcl und als Vertreter des Vereins im Julius-Otto- Bunde di« Herren Schütze, Hanboldt, Möhring, Winde und Taubert. Erster Vorsitzender des Vereins ist, wie bisher, Herr Hoflieferant G. Schreiber. — In der am 1. Dezember im .Kronprinz Rudolf* obae- haltenen MonatSversawnilniia des MiIitärvereinS „Säch sische Grenadiere" hielt das Ehrenmitglied des Vereins, Generalmajor z. D. Freiherr v. Friesen, eine» Vortrag über die Schlacht bei Bautzen im Jahre 1813. Der Vortragende schilderte zunächst dte nach der Niederlage von Moskau eingetretene Zer rissenheit de- französischen Heeres und führte dann die einzelnen Abschnitte der Schlacht an der Hand eiaenS dazu angefertlgter und an die Anwesenden verteilter Siluattonspläne vor Augen. Dabet erwähnte er auch ein Bravourstück der sächsischen relteiiden Artillerie. Der hochinteressante Vortrag währte etwa eine Stunde und wurde mit reichem Beifall belohnt. — Auf den Bortrag des Generalleutnants z. D. v. Liebert heute Freitag abend im „Tivoli" Wettiner Straße 121 sei noch mals hingewiosen. Sowohl das aktuelle Thema, das außer Arbeiter- und Mittcöstandsfragen den Ausbau unserer Flotte und unsere im Vordergründe des Tages^Jnteresses stehende Kolonialpolitik berührt, wie die Persönlichkeit des Redner- lassen einen starken Besuch erwarten. — Der Technische Ausschuss des Vereins für vater» ländische Festspiele richtet an alle Obmänner der ein zelnen Ausschüsse, sowie an alle Vereine, die dem Verein für vaterländische FMpiele ongchören und sich an den Festspielen 1906 beteiligt haben, das Ersuchen, dem Vorsitzenden, Oberlehrer Fritz Eckardt. Bamberger Strasse 21, ein Verzeichnis einzu- scnden, in dem feflgestellt wird, was für Gegenstände sich im Besitz der Gruppen und Vereine befinden, die Eigentum de? Vereins sind. Im Laufe dieses Monats wird der Technische Ausschuss zum letzten Male in dic'em Jahre zlssammcntrelen, um insbesondere den Tag der Festspiele für das kommende Jahr scftzuftellen. An dieser Sitzung sollen Vorschläge für die nächstjährigen Spiele vorgcbracht und in Erwägung gezogen werden. — An einem von der Firma Ernst Enaclmanns Nachfolger, Buchhandlung, arrangierten Vortragsabende sprach am Mit!- woch im Bercinshause Direktor Emil Gobbers aus Düsseldorf aber das Thema: „In den Katakomben Roms". Redner wusste in anziehender Weise seine Eindrücke und Wahrnehmungen zu schildern. Der Vortrag wurde durch ungefähr 150 farben prächtige Lichtbilder und einige Wandcldioramcn von 100 bis 200 Meter 'Länge illustriert. Jahrehundertelang blieben diese unterirdischen, in Felsen gehauenen Grabkammern verschüttet, bis am 31, Mai 1578 Arbeiter beim Graben von Porzellan- erde zufällig den Zugang entdeckten. Die Katakomben ver dienen mit Recht den Namen „Unterirdisches Rom", Die Stollen und Gänge haben eine Gesamtlänge von 1000 Kilo metern und bedecken einen Flächenraum von 2l/s Millionen Quadratmetern. Die Anlage und Vcrivaltung lag den „Fossoren" ob, und es ist anzunchmen, dass diese Totengräber eine gründ liche Vorbildung genossen, eine eigene. Korporation bildeten und jedenfalls eine kirchliche Weihe empfingen. Soviel stehe nach den eingehendsten Forschungen heute fest, dah die Kata komben keine verfallenen Stcinbrüche oder Sandgruben sind, sondern von den Christen angelegt worden sind. Als dann unter Kaiser Konstantin das Christentum StaatSrcliyion wurde, kamen die Katakomben ausser Gebrauch, und di; Christen Roms bestatteten ihre Toten oberirdisch auf dem Gräbersclde an der Via Appia. An Wort und Bild schilderte der Vortragende die Anlage und Ausschmückung der Grabkammern vornehmer christlicher Familien. Besondere Erwähnung erfuhren die meist farbenreichen, symbolischen Wand- und Deckengemälde, die mit unter künstlerischen Wert haben. Heute sind die Katakomben die Stadt der Toten. Kein Lichtstrahl dringt von aussen ein. und kein profaner Laut stört den Schlaf der dort Bestatteten. Ein besonderes Kapitel widmete Redner der Riesenstadt Rom unter der Regierung Neros und zeigte blutige Szenen aus der Arena zur Zeit der Christen - Verfolgungen. Zum Schlüsse wurde noch in einem Riesenbilde das moderne Nom, die „schönste Stadt der Welt", vorgesü'hrt, wobei besonders die Peterskircbe und der Vatikan Berücksichtigung fanden. Der Vortragende erntete für feine zweistündigen Ausführungen un- geteilten Beifall. — DaS Personalverzeichnis der Universität Leipzig für das Wintersemester 1906/7 ist erschienen und durch die Universitätskanzlei sowie den Buchhandel zu be ziehen. Der gegenwärtige Rektor der Universität ist Herr Geb. Medizinalrat Prof. Dr. med. Heinrich Curschmann. Die Jrrguenz der Universität ist wtevenim grstiwen. Die Gesamt summe der Hörer beträgt 5350 gegen 1877 im Sommersemester IS06 und 5000 im Wintersemester 1905 06. Von den 5350 Hörem dieses Semesters sind 4466 als Studierende immatrikuliert, während 884 Personen (darunter 104 Frauen), ohne inskribiert zu sein, die Erlaubnis zum Besuch der akademischen Vorlesungen erhalten baden. Von den 4466 immatrikulierten Studierenden sind 2278 Sachsen und 2188 Nichtsachsen. Von diesen gehöre» den übrigen deutschen Staaten 1526 (Preußen!«6S), den übrigen europäischen Staaten 62V und den auhereuropäischen Staaten 42 an. Von den 662 Ausländern sind 340, also mehr als die Hälfte, Russen. 33 Frauen sind immatrikuliert, davon 19 Sachsen und 14 Nicbt- sachsen. Aus die vier Fakultäten verteilt sich der Bestand wie folgt: Theologische Fakultät 323. Juristische Fakultät 1113, Medi- zimsche Fakultät 519 (außerdem 55 Studierende der Zahnheilkunde) und Philosophische Fakultät 2456 Studierende. , Ähre Majestät die Königin-Witwe besuchte vorgestern Geschalt von Hartmgnn g. Ebert und machte dort Elnkaupe. — — Prinzessin Friedrich Leopold von Preußen besuchte den Kunst salon Emil Richter fPrager Strasse) und machte umfangreiche Ankäufe. Auch die in den oberen Sälen arran giert, WeihnachtS-Äusstellung wurde eingehend besichtigt..,, — Prinzessin Victoria Margarete von Preußen besuchte daS Geschäft des Königs. Hosschrchmachers Arthur Ziegen balg, Aaisenhausstrasse 38. — Der heutigen Nummer d. Bl. lieg! sür die Gesamtauflage ein Prospekt vom SpezialhauS für Porzellan und Majo- licawaren von Carl An Häuser. König!. SM. Hof lieferant. hier. Mnig Johann-Strasse, bei. — Der Reichsoer ein in Werdau hat an den Kolonialdirektor Der »bürg anläßlich seines mannhastcn Auftretens in der Montagslsitzung des Reichstages rin Glück wunsch- und Danktelegramm abgesandt. Uever das Ergebnis der Kolonlaldevalten urteilt der ReichStagSabgeordnete Dr. Hugo Böttgcr im „Tag": Schon frohlockte die Sozialdemokratie, dass das Zentrum, vom Abg. Roeren geführt, sich wegen unbefriedigter Ansprüche der Missionen mit der ReichSleltimg Überwersen und Anschluß an Vvuniar-Vebel-Ledebour suche» und finde» würde. Der Vorgang entbehrte nicht etiieS grosse» dramatischen Zuges. Die Negiernnas- vertretrr, die Herren Dernbura und v. Lvebell. dreisten in der Missionsfrage kaltlächelnd den Spieß »m und gingen — der eine ausreichend grob, der andere mit feinem und entschiedenem Sar kasmus — dem von allen Hninoren und Augenmaßen verlassenen ZentrninSrcdner Roeren ganz nah an den Leib. Es kommt ja öfters so. dass Unterhandlungen scheitern, weil plötzlich der eine Komparent von der Hauptsache zu sprechen beginnt. In diciem Falle batte Roeren das missliche Verhältnis der Missionen z» de» Beamte» in den Kolonien mid zu de» in einer kapitalistische» Welt nun einmal kapitalistischen Unternehmern zuerst berührt. Die Missionare sind ausser Gottesdienern, Erziehern und Vertrauens leuten der Eingeborenen auch eine Art von Wach- und Schliess- aesellsckaft für die Moral der Meissen in Afrika. Sicherlich hängt diese Fmiktion mit ihren übrigen zusammen, denn sie können kein Vertrauen für ihre christliche» und kulturellen Bemühungen bei den Schwarzen finde», wen» die Weißen wie die Heiden leben. Jedoch müssen unbedingt bei dieser Seite der MissionStätigkeit Herrschsucht, Taktlosigkeit und parteiische Befangenheit auß dem Spiele bleiben, sonst geht das deutsche Ansehen und die wirtschaft liche Prosperität unserer Unternehmungen erbarnnmgslos in die Brüche. Und ganz besonders schlimm und gehässig wird die Sache, wenn die Missionen dazu übergehen, den elendeste» Tratsch aufzn- bauschen und zu kolportieren oder aber Verfehlungen einzelner Beamten jahrelang lingerüat z» lassen, sie sozusagen rn Konserven büchsen einzusperren, um sie dann bei passender Gelegenheit selbst oder durch eine befreundete Partei als politisches Pressionsniittel zu verwenden, um Beamte, die den Missionen unbegnem sind, von der Bildsläche verschwinden zu lassen. I» der Bloßstellung dieses verderbliche» Systems und zugleich tu dem Eintreten sür »nsere Beamtenschaft daheim und in den Kolonien legte Herr Dernbiirg eine so kräftige Energie an de» Tag, Las; daran die Jnvektive» Noerens ohne Wirkung abprallten. Dernbura erklärte später, nicht politisch geworden zu sein; auf die nachträgliche l-'a^on äs parier kommt es aber wenig an. die politische Wirkung ist offenkundig: daS Zentrilm hat gemerkt, dass in der Kolonial- abteiuliig eine Persönlichkeit sitzt, und dass auch die versöhnlichste Regierung, die schon zugestandenermaßen zwei Kolonialduektore» geopfert hat, schliesslich ans Ende ihrer Nachgiebigkeit gelangen kann. DaS ist für dte nationale Politik freilich nicht viel, zumal da vermutlich nur das htrauSschauen dürfte, dass das Zentrum nicht weniger als bisher für kolonialpolitssche Aufgaben bewilligen wird. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Der deutsche Steuer zahler merkt dann solche verfehlte SoarsanikeitSpolitik an den un aufhörlichen Nachtragsetats. DaS kann man eine erfreuliche Ent wicklung nicht nenne». Das Renkontre zwischen Roeren und Dern bura wird in einem Stimmungsbelichte der „Köln. Ztg." in folgender fesselnder Art geschildert: Die aufregende Wirkung der Rede Roeren» war erklärlich. Er behauptete von Scheußlichkeiten, dte Beamte an Eingeborenen in Togo verübt haben sollen, unter stundenlanger Aufzählung von Einzelsällen. alle diese Untaten hätten schliesslich aegipfelt in widerrechtlicher Verhaftung der Mit glieder der katholischen Mission. Schließlich raste Herr Roeren mit der Erklärung heraus, man müsse sich »och übellege», ob an gesichts der Fortdauer dieser Zustände überhaupt noch ein Pfennig für die Kolonien zu bewilligen sei. In gespanntester Erwartung richteten sich die Äuge» der Zuhörer, die daS HuuS dicht füllten, aus den Kvioninldirektor. Herr Dernburg verfolgt in diesen vier Tagen mit einer achtbaren Ausdauer jeden Redner aus dem Hause in allen Einzelheiten seiner Ausführungen, in der Nähe des Rednerpultes stehend. Er macht hier und da ein« Bewegung, die einen Zwischenruf ersetzt. Er lachte, wenn auch selten, heiter oder ironisch, aber während des weitaus grössten Teiles der Angriff«, die von den Sozialdemokraten und deni Zentrum immer höher ausgcschichtet werden, zeigen seine Grsichtszüge eine gleichmäßige, etwas starre Entschlossenheit. Nichts lässt erkennen, ob seine Seele schön bewegt oder in Tumult versetzt ist. Nur dass er hier und da sich nach seinem Laboratorium zur»ckwendet, um in seinem Akten- bündel etwas nachzusehen, deutet die innerliche Arbeit an. die die OperationSmesser und Schere» sür seine Antwort noch einmal ans ihre Schärfe prüft. Sein Laboratorium! So kann man die Plätze am BundesratStische. von denen aus er spricht. g»t nennen. Herr Dernbnrg spricht nämlich von etwa sechs Plätzen aus. Mit kleinen fängt eS an. Seine Aktenmappen ruhen vor ihm aus dem Tische. Aber im Verlause seiner Ausführungen richtet er die Biindr-catsbänke in ihrer halben Länge zu einer artigen Buch händlern nSlcme her. Der Schabiekretär Freiherr v. Stengel, der mit dem Staatssekretär v. Tschirschky diesen Verhandlungen meistens beiwohnte, entfloh vor dielcm Aklensturm in ruhigere Gegenden, der Staatssekretär des Auswärtigen erhob mit dem Chef der Reichskanzlei. Herrn v. Lorbell. überhaupt keine An sprüche auf UllterstützungSwohilsid auf diesem Flügel der BundeS- ratslribüne, und so waltete Herr Dernbura allem hinter seinen Aktenstößen seines Amtes. Herr Roeren hatte geschlossen und Herr Dernburg richtete sich hoch ans hinter seinen Bänden. Man mochte wohl >m Hanse zunächst an die Ausgabe von Veschwich- tia>liigS»ezepten gedacht haben, mit der oder jener verbindlichen Zusage für die Zukunft. So wurde gar nicht gleich erkannt, wor aus der Kolontaldirektor hinansztclte. Die Sozialdemokraten nämlich schienen einige seiner einleitenden Bemeikungen für unge wollte Fehlgriffe zu halten und setzten mit ein paar poretligen SiegeSschrcirn ein. Eine Bewegung der Unsicherheit war auch auf de» übrigen Bänken. Da. ein paar lapidare Sätze und dann ein Griff nach den Akten, und nun wußte man es: hier wagt es ein Reglern ngsvertreter vom Bmidesratstischk. em Mitglied der hundertköpfigen Zentrumspartei, als daS sich Herr Roeren vorher selbst angelegentlich in Erinnerung gebracht hatte, ösfentlich abzukanzeln. Ach! Was ist ab kanzeln? Das ist für das. was folgte, eine milde Bezeichnung. Herr Dernburg ließ alle Beschwichttgnngsrezepte ruhig in seiner Apotheke liegen. Er sagte dem aushorchenden Hause rund heraus, dass es sich hier um eine Krankheit handle, die nur mit einer an gemessenen Gabe aus dem Giftschranke beschworen werden könne, und er öffnete den Aktenband und gab urbi st orbi die Enthüllung über die Versuche deS Herm ReichStagsabgrordneten und Ober- landesgerichtSratS Roeren, eine Nebenrrgierung aufzutun unter Andeutung von allerlei Handelsgeschäften, oder, sagen wir, Ver- stäiidiguiigSmöglichkeiten »wischen der Reichsregierung und dem Zentrum hinter den Kulissen. Die Wirkung war ungeheuer, im Hause wie ans den Tribünen. Grausam und unerbittlich aber laS Herr Dernburg weiter. Mit Ausonius hätte er sagen können: " ' " ich öffne sie und schon entrauscht ,, , der schnell entfliehenden Worte ... Freundlichkeit in dem Mienenspiel des Herrn Dernburg machte die Sache für Herr» Roeren vielleicht noch schmerzlicher. Von nun ab stand daS Barometer ans Sturm. Herr Roeren antwortete mit einer Gereiztheit und Mosslosigkeit der Au-drücke, dte eine lärmend« Szene nach der anderen hrrvor- rirfen. Di« Sozialdemokraten organisierten sich als Chor der Helfer. Sie suchten zwischenrnfend und schreiend Herrn Roeren gegen den Kolonsaldirektor noch mehr ailhupeltschen, sie unter strichen liebevoll jeden seineiAusfälle, und die widerlichsten gefiele» ihnen am besten. Die Wendungen wie.Börsenjobberton" wurden am lautesten applaudiert, ebenso andere Redensarten, die dem oder jenem der Zuhörer nicht ganz fremd sind, der vielleicht mal Obren- zeuge war, wenn der „Herr Referenda," erklärt, sich mit einem .Heringsbändiger" «m-emanderjetzen ,u müssen: „Sie mit Ihrer Vergangenheit!" schrie schliesslich Herr Roeren Herm an. und wieder erscholl der taumelnde BeisallSchor der äus Linken, der Präsident Gras Ballestrem lieh dem Sturm« freien Laus, und Herr Dernburg musste sich selbst Helsen, sich geholfen hat! Nochmals ein Griff i» die Akte»! Er l! Abgeordneten Roeren von dem ObersandesgerichlSrnt Roer ur« chm einen b er den geordneten Roeren von dem ObersandesgerichlSrnt Roeren tot- scblage», und schliesslich fand er sehr glückliche Töne, offen sagte er heraus, er habe diese Eiterbeule geöffnet, und werde dir Konse- yuenzen tragen. Klar stellte er nochmals fest, dass sein Programm sein und bleiben werde die Reinlichkeit, und kündigte an. dass Mtbstände, wie die von ihm anerkannten, nicht wieder Vorkommen werden. „Und wenn ich das nicht kann, dann werden Sie mich hier nicht mehr lebe»." Das alles in einem Ton. der nicht nur keinen Zweifel ließ, dass er das wahr machen werde, was an ihm liegt, der vielmehr eine Begeisterung und einen Beifall im Hause und ans den Tribünen weckte, dass er die Sitzung eine ganze Welle unterbrach. Man ries und klatschte in die Hände und die Trlbi'inen-Besucher, die von ihren Plätzen ausgeiprunaen waren, schlossen sich den Kundgebungen im Hause an. Die Niederlage des Herr» Roeren aber sollte sich noch weiter verschärfen. Er hatte auch den Ches der Reichskanzlei Geheimrat v. Loebell. Im Zusammenhänge mit seinem eigenartigen vertraulichen Brief wechsel, von dessen Vertraulichkeit Herr Dernburg nichts wissen wollte und sür alle Zukunft nichts wissen zu wollen erklärt, in die Debatte gezogen. So begab sich der seltene Fall, daß dieser hohe Beamte, der sonst nur ein stiller Gast im Hause ist, in die Debatte elngrrisen musste. Er tat es in der markigen Sprech weise, die man von seiner parlamentarische» Zeit her gewohnt ist. und was von Herrn Roeren allenfalls »och sichtbar gewesen war, das verschwand bei diesem Epilog vollends in der Versenkung. Unter grösster Aufregung über diese Wendung der Dinge ging das Haus auseinander. Fast scheint es. als sei ein Disziplinarverfahren gegen den Abgeordneten Roeren in RegierungSkcelien geplant. Darauf deutet eine Berliner Zuschrift eine« rheinischen offiziösen Organs HI», in der an den preußischen Jnstizminister, dem die Ehre der Reinhaltung des preußischen Richterstandcs ob liege, die Anfrage gerichtet wird, ob er den Fall Wistnba zum Gegenstände einer Dlsziplinaruntersnchimg gegen den Oberlandes- genchtSrat Roeren machen werde. Dass Roeren selbst gegen sich zur Klarstellung des Sachverhaltes eine Disziplinacnnterstichnng beantrage» wird, hält die Zuschrift für unwahrscheinlich. Wohl aber sei anznnehmen. daß dies der Assessor Brückner von der Kolonialabteiliing tnn wird, den Abgeordneter Roeren so nebenher im Vertrauen a»f seine Neichstagsiiniiiiliiität als „zungen. grünen Assessor" bezeichnet hat. Maßnahmen gegen die Fleischteuerung. Wie die .Post" hört, bestätigt es sich, dass das preußische Staatsministerium in seiner Sitzung vom Sonnabend sich ein gehend mit der Frage beschäftigt hat. welche Maßregeln gegen die Fleischleuerung zu ergreifen sein werden. Wenn auch natur gemäß über die in dieser Sitzung gesasslen Beschlüsse nichts Positives mitgeieiil wird, io geh! doch aus gelegentlichen Aeußcrun-gen massgebender Persönlichkeiten hervor, daß das Staats min ist er in in nicht beabsichtigt, Maßregeln für das ganze Dcudiche Reich vorzuichlagen. sondern die Massnahmen auf das preussiiche Staatsgebiet zu beschränken. Alles weitere ist dem neuen Lawdwirl-chastsminilster v. Arnim überlassen worden, der auch in erster Linie die Fleischnot-Jnterpellation im Reichs- tage beantworten soll. So viel die „Post" gehört bat. ist an eine Ochsnung «der Grenzen ober die Errichtung von Grenz- ichiachthäusern nicht zu denken, zumal sich in ausschlaggebenden Kreisen die Uäberzcngung immer mehr gefestigt hat, dass von einer eigentlichen Fleischno! im Grunde genommen nicht die Rede sein lönne, da einwandfreie, dem politischen Getriebe sernstehende Landwirte — so »och vor kurzem ein angesehener ostpreussischer Landwirt — wiederholt versichert haben, dass sie über zahl reiches und erstklassiges Schweinemateriat verfügen, dieses aber wegen mangelnder Nachfrage nicht losschlagen können. Mau bat in Regierungskreistn den Eindruck gewonnen, dass trotz des Rückganges der Schiweinepreisc im Großhandel die teuren FleMpreiie künstlich hochqehalten werden und dass es vor allem nötig sein wird, diqem Uebelstandc zu steuern. Eine dahiitzielende Maßregel ist auch darin zu sähen, dass sür den Versand frrchen Fleisches aus den prcussisch-LeMschen Ein'en- bahnen durch den Er'enbahnminister Dreitenbach Erleichterun gen getroffen werden sollen, nachdem der Landeseisenbahnrat gehört worden ist, der am 6. Dezember in Berlin zusammen- trat. Darüber, welche Maßregeln gegen die Fleischteuerung für das ganze Reich zu treffen sind, wird der Bundesrat noch in dieser Woche beraten. Auch die Ministerien der Einzel staaten werden sich in der nächsten Zeit eingehend mit der Frage der Fleü'chtcuerung belsthästigen. Der Ausschuß des Deutschen HandclstageS hat folgenden Beschluss gefasst: „Der Ausschuss des Deutschen Handelstages spricht sein leibhaftes Bedauern darüber aus, dass die in seiner Sitzung vom 30. November 19lK ausgestellten For derungen zur Abhilfe der Fleischteuerung nicht erfüllt worden sind. Unbeirrt durch vorübergehende Preisermäßigungen für einzelne Viehgatlungeii. welche bei Fortdauer der künstlichen Abt'perrungsmiltcl unter dem Eiiffluss der wechselnden Fritter- mittelerntcn stets wieder von Perioden bedrohlicher Preis steigerung obgelölst werden, erklärt der Ausschuss sich noch wie vor dafür, dass die Einfuhr von Vieh und Fleisch erleichtert werde, und ist «der Ansicht, dass zu diesem Zwecke auch die Herab setzung der übermäßig gesteigerten Zölle auf Vieh und Fleisch zu fordern ist." Tagesgeschichte. z. Generalversammlung der Gesellschaft für soziale Resarm. Nach Erledigung verschiedener geschäftlicher Angelegenheiten und Erstattung des Kassenberichtes wurde tu der Diskussion über das wichtige Thema Methoden des gewerblichen Einigungswesen s Zortgesahren. Der Diskussion lagen fol gende Leitsätze der Referenten zu gründe: „Eine Milderung der gewerblichen Arbeitskämpfe in Deutschland ist am sichersten durch die Vervollkommnung der sozialen Organisation (Arbeiter- berufsverbäilde. Privatbeamtenvereine, Arbeitgeberverbände) und durch den darauf gestützten Ausbau der paritätischen, kollektive» Arbeitsregelung (Tarifverträge, Arbeiteransschüssr, Lohn- und Schlichtuitgskonmnssion, Eintgungsämter und Schiedsgerichte) zu erreichen. Dieser Vervollkommimngsprozess würde durch eine gründliche weitherzige Reform des Koalition?- »nd des Vereins rechtes sowie durch die gesetzliche Ordnung des Tarifvertragsrechts erleichtert »nd beschleunigt werden. Das friedensttftende System der tariflichen Arbeitsregelung, das heute in Deutschland bereits ff« Millionen Arbeiter in oen Handwerken sowie in anderen Gewerben mit klar geordneten Lohnmethoden und besonnen ge leiteten starken Berufsorganisationen umfaßt, ist seinem «lastisckcn Wesen nach auch aus dte sogenannten Gross- und Schwerindustrien mit bestem Nutzen anwendbar, wie die Erfahrungen des Aus landes beweise». Nur das veraltete und meist in sich völlig un wahre Unternehmerprinzip des „Herrn im eigenen Hause" steht der Einbürgerung des Tarifvertrages in den genannten kapitalstarken Industrien entgegen. Der Wille zur friedliche», paritätischen Verständigung auf beiden Seiten und eine allerdings mühsame Revision der vielfach rückständigen Lohn- und Arbeitsver- fassungcn würde» die bisher vorwiegenden Konfliktstoffe auf dos naturgegebene Maß verringern. Aus solcher Gmndlage wurden ständige, der Eigenart der Industrien angepasst« EiniäunaSauS schüsse der beiderseitigen Organisationen, unter Bttthilsr der aewerbegeiichtltchen Vergleichs- und Schieds - Instanzen sowie hervorragender Vertrauenspersönlichkeiten deS öffentlichen Lebens, leicht im stände sein, der Ausartung der meisten Streitfälle zu offenen Kämpfen vorzubeugen und die trotzdem ausbrechenden ArbritSkämpse einem schnellen, versöhnlichen (fnde entgegenzu führen. — Wenn auch freudig amucrkennen ist. daß die deutsche Gewerkschaftsbewegung in einem rasch fortschreitendem Gesundungs- Prozesse begriffen ist. so haften ihr, allerdings durch die Mängel des deutschen Gewerkverrinsrechts. sowie der sozialen Rechts- und Verwaltunaspraris stark mitverschuldete, heute doch noch schwere, grundsätzliche und organisatorische Mängel an, welche die Unter nehmer in ihrer Weigerung, mit den ÄrbeitervMnisattonen zu verhandeln, immer wieder bestärken und dte Synwathten der öffentlichen Meinung für die gewerkschaftlichen Bestrebungen keineswegs vermehren Ehrliche und strenge Selbsterziehung-arveit vor allem tut den deutschen Gewerkschaften not. um m den breite sten Schichten des Bürgertum- bi- in die leitenden Kreise der Dresdner Nachrichten. -r r. 387. Seite s. SM Arritaa, 7. Dezember tS«G
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