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An- ktindigungen aus der Nrivaliciie Zeile 2L Psg ! die Lspallige Zeile als „E,n- gesandt' oder aus Teriieile !/> Psg. In Nummern nach Sonn- und Zeter- tagen 1- bei. gsvallige (Zrundrcile» so. «0 de», so und so Psg. „ach da» iondcrem Laris. Auswärligc AWt» träge nur gegen Vorausl>e»ablun«. Belegdlätler werden mit io Ltg. berechnet. KernIvreLanIchiuß: Amt I Rr. u und Rr. LOva. Ale^i'8 LeM-öliMli, mollige 8eli>sfi'öelke. SekIsLroek-Altzvvr, kl'Slienzii'. 7. 8äkne vi'esclen-??. xr. ?iauensclie5tr. 20 allen Nr. 275. EMI: Sc'eueste Drahtberichte. Hofnachrichlen, Zur LandingSwahl. Sächsischer Schiffcrverein, Geuchtsverhandlungen. Die Kaiseringde» in lltcuverg. Sonntag, 4. Oktober 1903. OertUcheS und Sächsisches Neueste Drahtmeloungen vom 3 Oktober. Bremen. Durch eine große FeuerSbr» nst wurde i» der vergangenen Nacht auf dem Pier des Haiisakais ein 130Metc> langer einstöckiger Laaerichuvven iamt aiien darin enthaltenen Gütern zerstört. Durch das Jener wurde anch der in der Nähe liegende Neptundampfer „Leander" in Brand gesetzt, so das; er abgcschleppt werden mußte. Es gelang, den Brand ans seinen Herd zu beschränken. Mürz st eg. Kaiser Franz Joseph und Kaiser Nikolaus jagten heute früh von 7sti bis 9 Uhr. Die Jagden sind beute beendet. — Die eingehenden Besprechungen zwischen den Ministern Grasen Goluchowski und Lambsdorff, di gestern beendet wurden, führten ein vollkommenes Eiirocritändms über alle Gesichtspunkte der politischen Lage herbei. Wien. Hiesige Blätter berichten aus Murzsteg: Der Sekre tär des Grafen Lambsdorfs. Sawinskls, hat über die Beratungen der Minister, sowie über die gesamte Orientpoiitik Mittei lungen gemacht, ans denen hcrvoigedt, daß die beiden Mächte anch weiierhin an den im Winter zwischen Goluchowski und Lambs dorfs getroffenen Beieiiibarnngc» festhalleii. Das damals ans- gearbeitete R e f o rm p r o g r a m m sei wesentlich erweitert imd ausgebant worden. Bezüglich der Aussichten ans Beilegung des Aufstandes in Makedonien und a»f völlige Wiederherstellung der Ordnung auf dem Balkan äußerte sich Sawinsk». die Mächte hätten große Hoffnung, daß die Tücke! ihre gegebenen Berff'rechen eiiilöicn und die geiorderlcn und zngesichcrlen Reformen aussühreii werde. Schließlich bezeichnet«! Sawinsky die Meldung, dnß Nuß land die freie Durchiadrt seiner Schisie durch die Dardanellen ver lange. als ganz unrichtig. Tie Konferenz vom Freitag habe das gesamte Programm dcS enroväischeii Oriciitgcbietes. mit Ausnahme des eigenllichen Altalbaniciis. nmsaßt, und eS sei hier die völlige Uebereinstimmling der Anschauungen Lambsdorffs und Goluchowslys wiedeiholt zum Ausdruck gekommen. Haag. In der weiteren Verhandlung des Schieds gerichtshofes in der venezolanischen Angelegenheit erklärte der englische Vertreter Cohen, bei früheren Schiedsgerichtsverhand- lungen hätten die Parteien immer gleichzeitig ein Memorandum ausgetauscht und dann nach einer gewissen Zeit ein.Gegenmemo randum. Richards legte hierauf einen entsprechenden Beschluh- ontrag vor. Der italienische Vertreter Pierantoni erhob Wider- svruch gegen die von französischer Seite vorgelegten Beschluß- anträge und erklärte, die Blvciadcmächte seien die Kläger. Der belgisch« Gesandte Woeste erklärte, das von den Blockademächten Unterzeichnete formelle Protokoll besage, daß die Blockademächtc die reklamierenden seien. Sie würden also ihre Reklamationen be gründen und die anderen Mächte würden hierauf antworten. Der deutsche Vertreter Büng führte aus, die Blockademächte hätten die .Solleinnahmen als Unterpfand für ihre Forderungen erhalten, sie seien also die Beklagten gegenüber den Forderungen der übrigen Mächte Bowen beantragte, daß die Beantwortung in kurzer .'seit erfolgen möchte, da Weigh, der venezolanische Vertreter, in kurzer Zeit nach Amerika reise und Penficld auch nicht lange noch der Abreise Weigbs bleiben könne, und er selbst nickt allein bleiben wolle zur Verteidigung der Sache Amerikas und Vene- ,»elas. Morgen soll die Entscheidung getroffen werden, der das Plaidover Weighs folgen wird. Die Entscheidung bezüglich der Nechandlungssprache läutet dahin, daß das Englische die offizielle Svrache für diese Verhandlungen sein soll und das Französische subsidiär zugelassen wird. Parts. Der nationalistische „Jntransigeant" verbreitet das Gerücht, der Ministerpräsident Combes wolle die erste beste Ge legenheit benutzen, um die Minister des Kultus, des Ackerbaues und dcS Krieges zur Demission zu veranlassen. Castel sur k'Agout (Departement Tarn). Gestern nach mittag kam im hiesigen Seminar gleichzeitig an fünf verlchiedenrn Siellen Feuer zum Ausbruch und vernichtete in ganz kurzer Zeit das sehr umfangreiche Gebände samt Bibliothek und Festsaal. Die Untersuchung hat ergeben, daß das Feuer in verbrecherilchcr Ab sicht angelegt worden ist. Heute sollten in dos Seminar 300 Zög linge eintreten. Dresden. 8. Oktober. —* Infolge des ungünstigen Wetters unterblieb die für heute angesetzte königliche Hochwildsagd aus Reheselder Revier. Seine Majestät der König ist heute nachmittag halb 2 Uhr von Rehe- seid abgcreist und wird gegen 5 Uhr nach Pillnitz znrückkehrcn. Vom nächsten Montag ab gedenkt Ihre Majestät du Königin- Witwe einen etwa zehntägigen Aufenthalt im Jagdschlösse Rehe- seid zu nehmen. —* Der Konrektor des Gymnasiums in Bautzen, Herr Professor Dr. Kloß, konnte gestern auf eine 50jährige Tätig keit ini Schulamte blicken. Vormittags versammelten sich das Lehrerkollegium, das dem Jubilar schon vorher durch eine Gabe seine Verehrung bezeugt hatte, und die Schülerschaft zu einer Festfeier im geschmückten Schulsaale. Nach dem Vortrage einer Motette beglückwünschte der Rektor, Herr Professor Dr. Friedrich, im Namen des Kollegiums und der Schule den Jubilar in längerer Rede. Nach dem Rektor brachte Herr Oberbürgermeister Tr. Kacubler im Namen des Rates als Patron und der Gymnasial- kommission dem Jubilar die Glückwünsche dar. Herr Realschul oberlehrer Ohwalo sprach im Namen der ckisaipuli guonckam Uuckisl-ini und machte dem Jubilar die Mitteilung, daß in dank barer Verehrung für ihren alten Lehrer die «Imc-iimli gumuiam Iltickissiiii, um seinen Namen unlösbar mit der Schule zu ver knüpfen, ein Kloß-Stipendium gegründet und zu diesem Zwecke bereits eine namhafte Summe gesammelt hätten. Hiernach brachte der Primus der Schule, Mürbe, dem gefeierten Lehrer in lateinischer Rede den aufrichtigen Dank und die innigen Glück- wünsche der jetzigen Schüler dar. Aus alle diese Ansprachen er- widerte der Jubilar mit warmen Worten des Dankes. —* Im Königlichen Gymnasium fand gestern, zu gleich mit dem Schulschluß, die feierliche Verabschiedung des Herrn Oberturnlehrers Heeger statt, der nach Mjähriger segens reicher Tätigkeit in den Ruhestand tritt. Der Herr Ooerschulrat Rektor Wohlrab rühmte rn seiner Ansprache an den scheidenden Lehrer dessen unermüdlichen Diensteifer, die Tüchtigkeit und Hobe Begeisterung für das von ihm vertretene Fach, feine hingehende Liebe für alle seine Schüler. lieber 21 Jahre habe Heeger mit bestem Erfolge seines Amtes als Turnlehrer am Königlichen Gymnasium gewaltet. Die Verehrung seiner Schüler folge ihm nach. Mit dem Wunsche einer recht gesegneten Ruhezeit schloß der Rektor. Darauf sprach Herr Oberlehrer Heeger seinen Dan' in tiefempfundenen Worten aus, der vor allem dem Herrn Rektor Wohlrab, dem gesamten Lehrerkollegium und den Schülern gelte. Diese hatten ihren hochgeschätzten Lehrer schon tags zuvor mit kostbaren Blumenspenden und wertvollen Geschenken erfreut. —* Im 10. ländlichen Wahlkreis sind vom Wahl- Ausschuß der nationalen Parteien, Bund der Landwirte, Reform partei und Konservative, mehrere Versammlungen mit gutem Er folge für die Kandidatur des Herrn Schriftstellers Oswald Zimmermann abgehalten worden. Von der Versammlung in Nöthnitz am 1. Oktober waren die Sozialdemokraten fern ge blieben, dagegen hatte sich in der Donnerstag abend nach dem Berg-Restaurant in Cossebaude einberufenen Versammlung, welche von über 200 Wählern aus der ganzen Umgebung besucht wa--. der sozialdemokratische Gegenkandidat, Herr Schulze- Cossebaude, in Begleitung einer größeren Anzahl Genossen ein gesunden. Im seiner Rede kennzcichncte Herr Zimmermann seine seit deni Bestehen des Dreiklassenwahlsystems bekundete Stellung gegen dasselbe, ferner zu der Finanzlage Sachsens mit den Ursachen des 25prozentigeir Steuerzuschlags, sodann ging er aus das Verhältnis der Bundesstaaten zum Reiche und die notwendige Reichsfinanzreform ein und verlangte bei der Weiterentwicklung der sächsischen Wirtschastsvcrhältmffe ein bestimmtes Eintreten für den Schutz deS gewerblichen Bürger- und des Bauernstandes. Seinen Aussührurwen wurde seitens der nationalgefinnten Wähler schaft allseitlger Beifall gezollt. In der Debatte nahm, als Gegner, der sozialdemokratische Kandidat das Wort und machte von der gewährten Redefreiheit ausgiebigen Gebrauch. . Die Schlußrede des Herrn Zimmermann gestaltete sich zu einer- scharfen Kritik der sozialdemokratischen Parteioolitik und ihrer um- stürzlerischcn Bestrebungen. Seine klaren Ausführungen wurden mit stürmischem Beifall belohnt. —* Da, wie bereits gemeldet, der sozialdemokratische Neichs- tagsabgeordnete Pau> Göhrc sein Mandat niedcrgclcgt Hai. so wird demnächst im 15. sächsischen Reichstagswahl- lreise Miitweida-Nochlitz-Flöhaj eine Neuwahl stattzusindeu haben. Bei der Wahl am 16. Juni d. I. siegte Göhre mit 19 270 Stimmen über seinen nationalliberalen Gegenkandidaten Rüdiger, der fast 8000 Stimmen weniger erhielt. Angesichts der infolge des Dresdner Parteitags eingctretcncn Differenzen innerhalb der Sozialdemokratie und der Vorgänge, die lpezicll zur Mandats- niederlegung Göhrcs geführt haben, kann cs indessen lrotz des großen Vorsprungs der sozialistischen Stimmenzahl nicht von vornherein als ausgeschlossen bezeichnet werden, daß die nationalen Parteien den Wahlkreis zurückerobern. Daß dies nicht unmöglich ist, geht schon daraus hervor, daß der Kreis, der früher schon verschiedentlich in sozialdemokratischem Besitze war, bisher immer wieder von den bürgerlichen Parteien zurückcrobert wurde. 1874 gewann ihn die Sozialdemokratie im ersten Wahlgangc von den Nationalliberalen lVertreter Karl Biedermann von 1871—74j. Letztere eroberten ihn aber 1877 im ersten Wvhlgange mit kon servativer Hilfe zurück (Kandidat Dr. Genselj. 1878 gingen die bürgerlichen Parteien gewildert vor. Die Folge war ein neuer Ver lust des Kreises in der Stichwahl an die Sozialdemokratie. Auch 1881 behauptete der Umsturz den Kreis gegenüber einer kon servativen Kompromißkandidatur. 1884 und 1887 dagegen siegten die vereinigten bürgerlichen Richtungen mit einem national- liberalen Kandidaten lPeuzig und Schneider) schon im ersten Wahlgangc. 1890 und 1893 blieb die Sozialdemokratie siegreich, aber 1698 wurde ihr das Mandat mit einer gemäßigt liberalen Kouipromißkandidcitur (Uhlemann) wieder entrissen. Damals hatten die Sozialdemokraten einen Stimmvcrlust von rund 1009 Stimmen gegen 1890 und 1893 zu verzeichnen. Wenn diesmal nach einer geschickten Kandidatenauswahl eifrig agitiert wird, so kann der Kreis wohl der nationalen Sache zurückgewonnen wer den, zumal die Sozialdeywkratie, wie bereits gesagt, unter dem vernichtenden Eindrücke des erbärmlichen Schauiptels in Dresden steht. —* Unter Vorsitz des Herrn Generaldirektors der „Kette''. Kommerzienrats Philipp,, fand gestern eine Vereinsversammluiig oeS Konzessionierten Sächsischen SchisfervereinS in Helbigs Etablissement statt. Den Verhandlungen wohnte das Ehrenmitglied Herr Kommerzienrat Tonne-Magdeburg bei. Der Vorsitzende gedachte nach kurzer Begrüßung deS gwßen Verlustes, welchen die Schiffahrt durch den Tod des Dr. ing. Belllimrath erlitten und widmete dessen rastlosem Fleiße einen ehrenden Nach ens. Die Versammelten erhoben sich zu seinem Andenken von den Plätzen. Hinsichtlich der Hafengebühren bestand bisher in Sachsen eine ziemliche Verschiedenheit. Besonders wurde der Mangel eines Tagestarifs rn den Häfen Copitz und Köniastein empfunden. Der Schifferverein hat sich deshalb mit einem Gesuch an die Königs. Wafferbaudircktion gewendet »m einheitliche Rege lung der Hafengebühren. Ein Bescheid auf das im August ab gegangene Gesuch ist noch nicht cinaegangen. In betreff der Vor schriften für Dispacheure ist ein Memorandum ausgearbeitet und der Dresdner Handelskammer überreicht worden. Die Handels kammer zu Magdeburg hat einigen Punkten gegenüber eine ableh nende Stellung eingenommen. Die Versammlung ist damit ei»- velstniiden, an den in der Konimission festgesetzten Bestimmungen iestzubalten. Der vom Verein angeregte» Einrichtung von F l n ß - äintern hat der vreußsicbe Minister für Handel und Gewerbe nicht Folge geben können. An ihre Stellen solle» besonders dazu bestimmte Gerichte an der Elbe treten. Dieser Weg erscheint dem Vorsitzenden des Sächsischen Schifservereins nicht gangbar. Es toll der Versuch gemacht werden, der sächsischen Regierung die Angelegenheit zu unterbreiten. Vielleicht komme man der Sache näher, wenn sämtliche Regierungen der an der Elbe liegende» Staaten in dieser Frage einig sind. Zu einer beabsichtigten Aeu- demng des 8 7 des Sttomponzcigesetzes wird mitgeteilt, daß ei» Gesetz wegen Regelungdes Lotsen Wesens auf der Elbc bereits in Arbeit rst. Es bleibt das Resultat abzuwarten. Fit, den Sächsischen Schifferverein wird es als das Beste angesehen, an der gegenwärtige» Strom-Polizei-Verordnung sestzuhalten: Wege» Kunst und Wissenschaft. 1* Wochen-Spielplan der Königs. Hoftheater. Opernhous: Sonntag: „Aipenkönrg und Menschenfeind". Montag: Zum Besten des Pensions-Fonds des König!. Opern- Ehores: ^Der Troubadour". lAzucena: Frau Schumann-Heink a. G.). Dienstag: „Alpenkönig und Menschenfeind". Mittwoch: „Die Hugenotten . Donnerstag: „Der Wildschütz". Freitag: s. Sinfonie-Konzert, Serie Sonnabend: „Alpenkönig und Menschenfeind". Sonntag: „Die Afrikanerin". — Schauspiel haus: Sonntag: „Die Jungfrau von Orleans". Montag: „Hcrodes und Mariamne". Dienstag: „Pitt und Fox". Mitt woch: „Das große Geheimnis". Donnerstag: „Hcrodes und Mariamne". Freitag: „Ein Volksfeind." Sonnabend: „Wienerinnen". Sonntag: „Maria Stuart". Montag den 12. Oktober: „Jugend von heute". st* Octave Mirbeaus interessante Komödie „Geschäft ist Geschäft" hat gestern abend im Deutschen Theater zu Berlin bei ihrer Erstaufführung einen großen Erfolg erzielt, während zu derselben Stunde das Werk im Burgtheater zu Wien ziemlich energisch abgelehnt wurde. — Der Berliner Erstaufführung wohnte der Dichter bei. der mannigfach, auf das Lebhafteste applaudiert, vor die Gardine gerufen wurde. Die Kaiserjagden in Renberg. Die ersten dichten Herbstnebel lagen auf der Semmeringhöhe und zogen sich bis weit in die grüne Steiermark hinein, als mich unsere flotten Pferde am Frühmorgen des heutigen Tages vom Semmering hinweg dem romantischen Tale der Mürz zifführten. Schon lange hatte ich den greisen österreichischen Kaiser nicht gesehen, und da er mit seinem Jagdgaste, dem Zaren Nikolaus II., nach Neuberg kommen sollte, um von dort mit Wogen nach dem Jagdschlösse Mürz sieg zu fahren, so eilte auch ich, wie so manch' anderer, diesem Ziele zu. Die Fahrt zwischen den steirischen grünen Bergen ist bezaubernd schön! Kaum hat man die Grenze zwischen Niederöstcrreich und der Steiermark passiert, und dem aussichtsreichen Soiniwendstein den Rücken ge kehrt, blintt die Kampalpe ins Tal. Links und rechts der Straße -'ätzen freundlich die Almen aus ihren saftgrünen Wiesen, und aus dem Grase der Straßenböschungen lugt in jetziger Jahreszeit allüberall der blaue Enzian. Bald war Steinhaus erreicht, wo aus dem letzten Semmerinatunnel die Bahn wieder ans Tages licht tritt, von wo, entlang deS forellenreichen Fröschnitzbaches mit seinen kristallklaren Gewässern, ein herrlicher Weg nach dem fveli- vergessenen R^ttinegg führt und wo heute bereits die «sten Gendarmen sichtbar wurden, die den Bahnkörper abpatrouilliertcn, die Straßenübergänge überwachten. Vorüber ging cs an dem lieblich gelegene» Svital nach Mürzzuschlag, wo ich Einkehr halten wollte: Einkehr halten im gastlichen Roseggerstübl der Posi, bei einem der besten Wurzelsepps des „Pfarrer von Kirchfeld", dem weitbekannten und beliebten Postwirt Schruf. Im Orte herrschte schon reges Leben, wer es nur ermöglichen konnte, wollte den Gast seines lieben Kaisers sehen, und so war es auch in der Post gefüllt. Trotz alledem war Speis' und Trank aber ausgezeichnet, und als mir nach fröhlichem Mahle das Erinnerunasbuch ge- bracht wurde und ich einige ausgezeichnete Verse unseres Hof- schausvielers Gustav Starcke darin fand, da schlug mir das Herz doppelt hoch in der Erinnerung an mein geliebtes Dresden. Nach kurzer Rast führte mich mein Wagen weiter. An der Au mit dein Naturtheater der Rosegger-Waldheimat-Gcsellschast gmg's vorüber, immer entlang der rauschenden Mürz, abseits des Schienenweges, der von Mürzzuschlag nach Neuberg führt und auf welchem die Züge nur noch bis einige Stunden vor der Ankunft des Kaiscr- zuges verkehren dursten. Gendarmen sah man allerwärts, auf dem Bahnkörper und auf der Straße, da und dort sah man auch den Helm oder das Bajonett eines solchen aus dem Walde hervor- blinken. Es war für die Sicherheit des Zaren auf das Ausgiebigste gefolgt: nichtsdestoweniger ließ man aoer den friedlichen Erdcn- vilger ruhig seines Weges ziehen und sich der Naturschönheiten des idyllischen steirischen AlpcntaleS erfreuen. Bald grüßten Schneealpe und Rax ms Tal, ich durchfuhr daS lieblich gelegene Kapellen — noch Wenigs Kilometer: das Jagdschloß Neuberg, die Kirche mit dem hrchen Giebeldach und dem Calvarienberg, dem goldnen Kreuz auf hohem Fels, wurden sichtbar, und ich hielt vor der Post, wo schon unzählige Wagen auf die Ankunft des Hof- zugcs warteten. Neuberg war dicht besetzt mit Gendarmerie; schon seit zehn Tagen war diese da, um die Umgegend zu durchstreifen und im Verein mit Geheimpolizisten die Fremden zu beobachten. Heute standen sie an der Straße Posten, von 10 zu 10 Meter ungefähr waren sie ausgestellt, jedem Posten war ein Feuerwehrmann bei- gegeben, der die Ortseinheinnschen kannte. Selbst hoch oben, o» oem goldnen Kreuz auf steilem Felsen sah man einen glitzernde» Helm. Die Straße zum Bahnhof, sowie dieser selbst waren schon stundenlang vor der Ankunft des Hoszuges für jeden Sterbliche» gesperrt. Aber die übrigen Fahrstraßen waren den Neugierigen frei gegeben, deren nicht gar viele da waren, und denen gesagt wurde, daß sie bei der Vorbeifahrt der Majestäten lediglich an den Kleuzuiigspunkten der Straßen stehen dürsten. — Schon neigte sich der Tag dem Abend zu, als der langgezogene Psiff dcr Loromotive die Ankunft des Hofzuaes anzcigte. Wenige Minuten und der Bezirkshauptmann kam gefahren als Erster in dem langen Wagenzugc. Dann kamen die beiden Kaiser. Beide im Jagd- anzuge, den Jäger auf dem Bocke, im einfachen, zweispännig ge fahrenen Halbverdeckten, ohne jeden Prunk. Der Zar sowohl, als auch der Kaiser Franz Joseph dankten fortgesetzt liebenSwürdigjt durch Abnehmcn der Hüte für die -»gesandten Grüße, aber kein Jubeln, kein Hurraschreie» war zu vernehmen. Der Zar Nikolaus II. sah gut aus. jünger als er ist. Mit dem blonden Haare und dem spitzen blonden Barte glich er in dem Kleide des Bürgers eher einem Professor, als dem Beherrscher aller Russen. Auf feinem Gesichte lag ein tiefer melancholischer Ernst, der das Antlitz auch nicht verließ, wenn er dankend grüßte, und wenn er — wie forschend — links und rechts blickte. Ihm zur Linken saß der österreichische Kaiser mit seinem lieben, guten Gesichte, daß mich fedesmal, besonders wenn er unter dem steirischen Hute her- vorblickt, an unseren unvergeßlichen König Albert erinnert. Im nächsten Wlagen saßen Erzherzog Franz Ferdinand mit dem Grafen Lambsdorff, dann folgten all' die anderen hohen Jagdgäste, und als letzte und einzige i» Uniform im langen, roten Nocke, die Leib- kosakcn des Zaren. So bewegte sich der lange Zug im flotten Tempo im Dämmer- lichte eines herrlichen Abends an vereinzelten Gehöften vorbei, durch die kleinen Ortschaften Krampen und Lanan, dem Jagd- chlosse Murzsteg zu, wo schon alle Dispositionen für die Jagden eit Tagen das Interesse der gesamten Bevölkerung in Anspruch „abmen. Die emheimffchen Holzbauern sind geschulte Treiber. 120 von ihnen lvaren schon heute aus die „hohe Veitfch" ob- gegangen, um dort im Freien zu nächtigen und am frühen Marge»