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Belegblätter werden mit iv Ptg. berechnet. Sernlvrechanlchlub: «mt I Nr. U und Nr. UV»«. Alvlläv L laabried « l !ru lllg ere! KS1 t « VLi8vllI»LU8SlrLS8v 27. «r. 189. Ajnsllsl' Neuest- Drahtberichte. Königsreise. Barbiere und Friseure, Gerichtsverhandlungen. Erkrankung des Papstes. vAnill. „Die Ahnfian". Berliner Leben. ! Freitasi, ly. Juli 191)3. Neueste Drahtrrieldruiger» vom 9 Juli. Erkrankung des Papstes. Rom. Der heute vormittag 91/2 veröffentlichte Krank- heitSbericht besagt: Die Nacht ist ungestört verlaufen: der Papst hat geruht. Der Prozeß in der linken Lunge ist. was den Teil der Lunge belasst, welcher von der wenigen Flüsfigkeit nicht bedeckt wird, die sich noch ini Brustfell befindet, in voller Lösung begriffen. Die Erleichterung im Mgemeinbcfindcn hält an. Lapponi. Mazzoni. Rom. Dem „Messagcro" zufolge ruhte der Papst un gestört bis 2 Uhr morgens. Er nahm zwei Mal Fleischbrühe zu sich, auch etwas Digitalis: Sauerstoff wurde nicht angcwcndet. Es trat indessen Ainirie ein, die eine schwere Niercnstörung be fürchten läßt. — „Popolo Romano" glaubt, ans Grund zuver lässiger Nachrichten bestätigen zu können, daß an den beiden lebten Tagen eine wirkliche Besserung in dem Zustande des Papstes sich vollzogen habe. Man dürfe den Optimismus allerdings nicht übertreiben: der gegenwärtige Zustand rechtfertige aber keinen Pessimismus und gebe einige Hoffnung auf Genesung, was während der beiden letzten Tage nicht angegeben worden sei. Rom. Msgr. Volpini, der im Vorzimmer des Papstes einen Gehirnschlaa erlitt, ist gestorben. Rom. Der Papst, der während der Nacht etwas geschlafen hat. verließ das Bett heute morgen 5s/. Uhr. Mazzolini hielt >m Zimmer des Papstes eine Messe ab und erteilte ihm die Kommunion. Früh genoß der Papst etwas Fleischbrühe. Mazzoni betrat den Vatikan um 8s/- Uhr und verweilte dort un gefähr eine Stunde. Die Temperatur ist 36,2 bis 36,6. Der Puls ist etwas schwächer. Die bläuliche Färbung der Hände be ginnt zu verschwinden, die Nierentätigkeit bessert sich. Wenn nicht ein unvorhergesehener Falt cintritt, wird Mazzoni erst um Uhr in den Vatikan zurnckkchre». Eine Konsultation dürfte jedoch nicht stattfinden. Das Gerücht, die Professoren Marchiafavci und Rossoni hätten den Papst in der Nacht besucht, ist unbegründet. Dem Papst ist der Tod Bvlvinis nicht mit- geteilt worden. Da dieser Kanonikus von St. Peter war, hätten die Glocken der Petcrskirche läuten müssen: man unterließ dies aber, um den Papst nicht zu beunruhigen. Rom. Die „Voce della Verita" berichtet: Der Zustand des Papstes ist unverändert. Der Papst hatte eine verhältnismäßig ruhige Nacht. Die große Schwäche dauert fort. München. Bei der hiesigen päpstlichen Nuntiatur ist folgendes, kurz vor Mitternacht in Nom anfgegebenes Tele gramm eingeaangen: „Der heilige Vater verbrachte den Tag ruhig. Der Puls schlägt weniger langsam. Der Allgemeinzustand ist «was gehoben. Beten wir! Rampolla." Berlin. Vor der 9. Strafkammer des hiesigen Landgerichts fand heute der Prozeß gegen den ehemaligen Tepotverwalter der Darmstädler Bank, Neßler. wegen Unterschlagung von über 800000 Mark und wegen Fälschung von Depots und Auf nahmescheinen statt. Der Angeklagte, der sich schuldig bekennt, wird ju 5 Jahren Gefängnis und 5 Jahren Ehrverlust verurteilt. Der Staatsanwalt hatte 5 Jahre Zuchthaus beantragt. Saßnitz. Der Kaiser und die Kaiserin sind aus dein „Meteor" bezw. der „Iduna" nach Swinemünde abgesegclt, be gleitet von „Hohenzollern" und „Sleipncr". Plauen i. V. (Priv.-Tel.) Im benachbarten Orte Hascl- brnnn stürmten heute früh die streikenden Maurer einen Neubau. Swinemünde. Der Dampfer „Sehdlltz" deS Norddeutschen Llohd und der Dampfer „Jeldmnrschall" der Deutschen Ostafrika- Linie sind mit den Teilnehmern an der Versammlung der Schifssb antechnischcn Gesellschaft n» Bord heute früh in Swlnemünde aiiackommcn, um weitere Teilnehmer aufzu nehmen. Nach einem Besuche Heringsdorfs erfolgte mittags die Weiterfahrt über Wisb» nach Stockholm. München. Die Hauptversammlung der Peusionsanstalt der Deutschen Journalisten und Schriftsteller wurde heute mit einem Festakt zur Erinnerung an das zehnjährige Bestehen der Pensionsanstalt eingeleitet. Minister von Feilihsch gab seiner Freude darüber Ausdruck, daß sich die Organisation der Pensions anstalt im vollsten Umfange seit der Gründung bewährt habe und daß der Gedanke anfgetaucht sei, im Lause des nächsten Jahrzehntes der Pensionsanstalt eine Witwen- und Waiscnver- stcherung anzuschlicßc». Rechtsanwalt Vollzcr übcrbrachtc außer dem Gruße der Stadt München eine Adresse der beiden Ge- meindekollegicn. wonach die Stadt München der Peusionsanstalt airläßlich ihres Jubiläums 2000 Mark überreicht als Zeichen für die mannigfachen Verdienste, die die deutschen Journalisten sich in der wirtschaftlichen Hebung für das Vaterland erworben hätten. Direktor Wenzer dankte dem Aufsichtsrate und dem Vor stände, worauf Direktor Hirt ein begeistert aufgenommenes Hoch auf den Prinzreaenten und den Kaiser ausbrachte. London. Präsident Loubet ist heute vormittag 8,35 Uhr abgcreist. Auf dem Bahnhofe hatten sich König Eduard, der Prinz von Wales, der Herzog von Connaught, Prinz Christian von Schleswig-Holstein, Marquis of Lansdowne, Balsour, Roberts, der Lordmayor und andere herovrragende Persönlich keiten eingesnnden. Der König schüttelte Loubet und Delcass,', sowie verschiedenen Mitgliedern des Gefolges herzlich die Hand. Der Zug setzte sich unter den Rusen der Menge: „Bive le rot! Bive Loubet! Bioe la France!" in Bewegung. London. „Daily Telegraph" sagt in seinem heutigen Leit- artikel: Das Ergebnis des Besuches des Königs Eduard in Paris und desjenigen des Präsidenten Loubet in London ist, daß eine Atmosphäre der Ausgleichung und des gegenseitigen Entgegen kommens geschaffen ist. In vollem Emst und ohne Refervc oder Uebertrerbung beyaupten wir, daß zur Zeit keine Schwierig keit zwischen uns und Frankreich denkbar ist, die nicht auf die ehrenvollste und befriedigendste Weise geregelt werden könnte. London. Der erste Lord der Admiralität, Lord Sclborn, gab gestern den Offizieren des amerikanischen Geschwaders, das augenblicklich in Portsmouth liegt, ein Festmahl. Daraus wohnten die Offiziere dem zu Ehren des Präsidenten Loubet im Buckinghampalast veranstalteten Balle bei, wo sie König Eduard vorgestellt wurden. In Portsmoutb wurden 500 amerikanische und 300 englische Seeleute vom Bürgermeister bewirtet. London. Die „Times" melden aus Tokio von gestern: Die Russen legten das Kabel von Antung nach Nangampko durch den Aahi, ohne Korea zu befragen. Japan erhebt hiergegen Einspruch, da Korea an ein Uebereinkommen gebunden sei, keiner fremden Macht eine Bevorzugung hinsichtlich einer Telegraphen linie cinznränmen, die japanische Interessen berühre. Japan dringt auf die Oesfnung des Hafens Wi-ju. Korea machte geltend, daß Rußland dem entgegen sei. Japan erwiderte, ein solcher Einwand Rußlands sei vollkommen hinfällig, da die entscheidende Macht allein Korea sei. Nischni-Nowaorod. Ein Großfeuer auf dem Sormowo-Werk vernichtete das Waggondepot, die Werkstätte und 40 Waggons. K 0 » st a »t i n 0 v el. Infolge deS Vorkommens mehrerer Nest fälle in dem Hafenort Djebeli zwischen Beirut und Tripo lis werden die Herknnste von dort einer fünftägigen Quarantäne unterworfen. Die Quarantäne siir Herkiinftc anS Suez wird durch ärztliche Untersuchung ersetzt. Belgrad. „Bcvgradski Novine" meldet, der schwer ver wundete Minister des Innern des Kabinetts Zinzar Markowitsch, Welimir Tb eodoro witsch, beabsichtige, gegen seine Angreifer in der Nacht vom 11. Juni die Anklage wegen versuchten Mordes zu erheben. Johannesburg. Der seit dem 2. d. M. unter dem Vor sitze Lord Mittlers hier tagende Kolonialrat nahm einen Beschlußantrag an, durch den das Eisenbahnkomitce angewiesen wird, in den Kontrakten betr. den Bau neuer Bahnlinien die Be stimmung zu treffen, daß als Arbeiter Weiße zu verwenden sind und daß die Gesamtzahl der bei Eiscnbahnbauten neben Weißen Arbeitern beschäftigten Koffern die Zahl 10000 nicht überschreiten darf. Der Besuch des Königs im Vogtlande. (von unfcrcIN besonderen Berichterstatter; Nachdruck nur mit deutlicher Quellenangabe erlaubt.) Planen i. B.. 9. Juli. In dem prachtvoll auSgestattete» Saale des Kurhauses von Bad Elster. dessen vompoler Anblick noch durch einen herrlichen Blumen» und Blattpflanzen-Aufbau auf dem Musikpodium erhöht wurde, fand gestern abend 7 Uhr ein von den vogtländischen Ständen gegebenes Diner statt. Bei der Tafel saßen Sr. Majestät zur Rechten Herr Domherr v. Trützschler. zur Linken Herr Kreishauptmanir Dr. Forker-Schubauer und gegenüber Herr Staatsminister v. Metzsch. Herr Domherr v. Trützschler brachte dos Hoch auf Tc. Majestät den König aus. das dieser mit einem sehr warmen Trtnkspruche aus das Vogtland erwiderte. Einen glänzende» Verlaus nahm die mit Illumination und Jene werk verbundene Serenade im Kurgästen. In dem herrlichen, sich bis vor da» Kurhaus hinziehenden neuen Paste mit seinen Bluinenrotunden und prächtigen gärtnerischen Anlagen waren Tau sende brennender Talgnüpfchen ausgestellt Gleichen Schmuck trugen auch die umliegenden Hvtels. wie das „Hotel de Sare" und der „Wettiner Hvs", und zablceichePrivatlogierbäuserund Villen. Tie Äosketls waren von farbigen elektrischen Lämpchen durchglüht und die ans der Höhe deS Bmnncnbergs im Walde versteckt liegenden Etablissements strahlten in essettvvllcm Rotscuer, so daß man meinen konnte, der ganze Wald stehe in Flammen. Leuchtkugeln rauschlen in die Lust, Raketen stiegen zum Ngchthimmel aus und ein „Hoch König Georg", überragt vom sächsischen Äapven. glänzte in verschiedenen Lichtessckten. Nach dem Erscheinen des Königs ans dem Balkon trug der Männergesangvercin von Bad Elstcr unter Direktion des Herrn Voit einige Lieder vor. Reizend machte sich auch ein vvn Bmnnenmädcken i» Egerländer Tracht nach den Klänge» des Hohensricdbciger Marsches auSgefnhrter Fackeltanz. Ter König erfreute sich sichtlich an den wirklich märchenhaft schönen Darbietungen, denen nur eins fehlte: die Wärme einer Sommernacht. In der frühesten Morgenstunde des heutigen TageS. > r7 Uhr, wurde Sr. Majestät von der König!. Kurkavelle ein Ständchen dargebracht. Sodann »ahm der König das Frühstück ein und besichtigte hierauf die Kurparkanlagen, die Trinkguellen. die Bade zeiten in den Wasser- und Moorbadeslügeln und das Albertbad. 8 Nhr 25 Minuten erfolgte die Abreise mit Wagen nach dem bezüglich seiner Azminsterteppich- und Korsettfabrikation als Haupt- Platz der Wett zn bezeichnenden Städtchen Oelsnitz. Hier hielt der König unter Glockengeläntc »m lO Ubr seinen Ein zug. Ans dem Marktplätze, vor den, prächtig geschmückten Rat- Hause. wurde Se. Majestät durch Herrn Bürgermeister Dr. jur. Hübichman» und die Spitzen der Behörden begrüßt, wobei das sechsjährige Töchterchen des Stadtoberhauptes dem König einen Blnmenslrauß überreichte. Dem Rathause gegenüber hatten die Militärvereine Ausstellung genommen, verschiedene Korporationen und die Schüler der Real-, Handels- nnd Volksschulen bildeten Spalier. In der Anlprache deS Herrn Bürgermeisters hieß es n. n.: „Unsere Freude über Eurer Majestät Kommen ist um io größer, als wir Oelsnitzer nicht oft die Ehre hatten, unseren Landesherrn in unserer Mitte von Angesicht zu Angesicht zu schauen. Zwölf Jahre sind vergangen, seit Se. Majestät der hoch- selige König Albest zum letztenmal hier unter uns weilte. Diele zwölf Jahre, welche Fülle von Ereignissen erhebender wie schmerz lich-ernster Art bergen sie in sich: welche Veränderungen sind seit dem und gerade in der letzten Zeit auf politischem und Wirtschaft lichem Gebiete und auch sonst elngetrcten! Was aber nnvcrändclt geblieben ist, nnd was auch die Apostel der Unzufriedenheit und des Uinstnrzcs nicht ändern werden und nicht ändern sollen, wenn gleich viele Getäuschte und Verblendete jetzt noch ihren falschen Jahnen folgen, "das ist die alte Sachsentreuc, die tief im Herzen wurzelt, das ist die Treue der Vogtländer, die mit der ihrem Volksstamme eigenen Zähigkeit feslhalten am angestammten Fürstenhaus in guten wie in bösen Tagen!" Dem Danke Sr. Majestät folgten einige Vorstellungen. Dann begab sich der König in die Axmiiister-Teppichfabrik der Firma Koch und te Kock, der größten dieser Branche in Dentscbland. Auf dem Wege dahin fuhren ihm der Bürgermeister Dr. Hübichman» »nd der Stadt- verordncten-Vorsteher Biernietz voraus. Von Herrn Kommerzienrat Koch begrüßt nahm Se. Majestät in dem großen Lagcrsaalc eine Anzahl der prachtvollen Erzeugnisse der modernen Teppichindnstric mit sichtlichem Interesse in Augenschein. Eine Tochter des Herrn Kommerzienrats begrüßte in der malerischen Tracht der Vogtlän- dcrtnnen den König mit einem Gedicht. Bereits IUI Uhr verließ Se. Majestät, nachdem er den Weg von der Fabrik nach dem Bahnhoje zn Fuß zuriickgclegt hatte, mittels Sonderzuges die Stadt wieder. Bei der Abfahrt brachte der Bürgermeister ein Hoch ans nnd ein Schiilerchor widmete dem scheidenden Herrn einen harmonischen Abschiedsgruß. — Großartig war der Em pfang in Plauen. der Hauptstadt des Vogtlandes und des ehemaligen vogtländischen Kreises, zu beiden Seilen der weißen Elster in einer wechsclvollen an Natnrichönbeiten reich ausgcstattelen Landschaft gelegen. Hier tras Sc. Majestät der König früh 10 Uhr 17 Minuten, mit Sonderzug von Oclsnitz kommend, ans dem oberen Bahnhöfe ein. In seiner Begleitung befanden sich außer den bisberigcn Herren des Gefolges noch Se. Erzellcnz der Herr Kriegsminister, Kunst «nd Wissenschaft. s* Im Residenztheater beschwor gestern abend Adalbert Matkowsky Grillparzers „Ahnfrau" aus dunkler Gruft: sein prächtiger Jaromir rief die längst allem modernen künst lerischen Empfinden weit Entrückte mit so unbestritten großem Erfolge zu neuem Leben, daß er morgen schon das Schauspiel iviederholen wird, für das sich — merkwürdig genug — auch im Publikum ein ganz außerordentliches Interesse zeigte. Die Vorstellung selbst — und nur von dieser soll hier kurz die Rede ein, da über das Stück und seinen geringen literarischen Wert die kritischen Akten längst geschlossen sind - stand als Ganzes auf einem beträchtlich höheren Niveau, als die des „Othello". Die Regie — Herr Leopold Jessner — hatte ihr Möglichstes getan, um die vorschriftsmäßige, „gruselige" Stimmung m den, Spuk- szenen des Trauerspiels hervorzurufen, und brachte es hierin zu recht eindringlichen Wirkungen, wenn natürlich auch nicht im ent ferntesten die szenischen Effekte der Meininger erreicht wurden, die aus der „Ahnfrau" eine theatralische Sehenswürdigkeit aller ersten Ranges zu machen wußten. Erfreulicherweise war man auch sonst bemüht, den darstellerischen Anforderungen für diesmal nach besten Kräften gerecht zu werden. So dürfen vor allem Fräulein Saalburg sBerta) und Herr Werbke (Graf Borotin) für ihre fleißigen Leistungen ein aufrich tiges Lob beanspruchen: beide gaben namentlich im dritten Aste ihr Bestes. Auch die Episodenrollen waren mit Irl. Seemann lÄhnsran), den Herren Sydow sHauptmannj, der gestern auch vernehmlich sprach, Olbrich lBoleslawj und Lederer (Soldat) an gemessen besetzt. Das HauptlNteresse konzentrierte sich selbstverständlich aus den Jaromir des Herrn Matkowsky, der an den Höhe punkten der Tragödie mächtig ins Zeug ging, belebend und an- feuernd auf seine Umgebung einwirkte und namentlich den rheto rischen Teil seiner Rolle zu machtvoller Geltung brachte. Daß der Künstler gestern abend brillant auSsah, sodaß man ihm auch äußerlich noch den jungen Jaromir in Bühnendistance glaubte, sei nur nebenbei bemerkt. Die Aufnahme, die seine Leistung fand, war glänzend. Das vorübergehend hörbare Zischen richtete sich nur gegen eine recht vorlaute — natürlich freiwillige! — Elaque, die sich stimmungstörend bisweilen gar zu aufdringlich in den Vordergrund drängte, »nd die um io mehr zu beanstanden ist, als sie ein Künstler von Rang und Ruf, vor allem aber von der fabelhaften Beliebtheit „unseres" Matkowsky absolut nicht nötig bat. Berliner Leben. ' L. Berlin. 8. Juli. Dieser Tage waren 200 Jahre seit der Enthüllung des Reiterstandbildes des Großen Kurfürsten aut der hiesigen Langen Brücke verflossen die — ähnlich wie lucnis 0 non luovncko — so heißt, weil sie Berlins kürzeste Brücke ist. Bis zum heutigen Tage ist dies Denkmal das schönste Berlins ge blieben und gehört zu den berühmtesten Monumenten der Welt. Es ist das reichste und vollendetste Werk des genialen Schlüter, der zwar dem Geschmack seiner Zeit und seines Auftraggebers, des prunkliebcnden ersten Hohenzollernkönigs, Rechnung tragen und den biederen deutschen Kurfürsten als römischen Imperator mit vier gefesselten Sklaven zu seinen Füßen oarstellen mußte. Aber trotz dieser fremden Verkleidung ist cS dem großen Künstler gelungen, seinem Helden frisches Leben einzuhauchen und ihm den Stempel vollster Natürlichkeit aufzudrücken. Alles an diesem ge waltigen Kunstwerk «scheint lebendig, nicht am wenigsten das kühn ausschreitende Roß, das keinen Geringeren als Lessing zu einem Sinngedicht begeistert hat, das also lautet: „Das Pferd Friedrich Wilhelms auf der Brücke zu Berlin: Ihr bleibet vor Verwunderung stehst, Und zweifelt doch an meinem Leben? Laßt meinem Reit« mir die Sporen geben: So sollt ibr lebst!" DieS herrliche Reiterstandbild hat von Anfang an selbst die spottsüchtigen Berliner zur einmütigen Bewunderung hingerissen. ES i t das einzige Berliner Denkmal, das der VolkSwitz mit seinen Glossen verschont hat, obwohl doch an sich der barhäuptige Kur fürst mit dem Lorbeerkronz und die angstvoll flehend zu ihm die Hände emvorstreckenden Sklaven an den vier Ecken des Sockels immerhin dankbaren Stoff zu ironischen Scherzen bieten könnten. An, Jnbiläumstage wurde am Piedestal ein mächtiger Kranz niedergelegt mit der Inschrift: „Die dankbare französische Kolonie". Diese erinnerte damit an «ine der größten «nd segens- reichsten Taten dieses großen Herrschers Als Ludwig XIV. am 18. -Oktober 1685 sein Edikt von Nantes widerrief und damit der katholischen Partei unumschränkte Gewalt gab. durch jedes Mittel die Reformierten zum Ucbcrtritt zu zwingen, so daß sich zahlreiche der besten Familien Frankreichs, die nickst bas Opfer ihrer religiösen Ueberzeugung bringen wollten, zur Auswanderung entschlossen, da hatte Friedrich Wilhelm den Mut, die Flüchtlinge öffentlich zur Niederlassung in der Mark Brandenburg einzulodcn. Er versprach ihnen, sie wie seine eigenen Landcskindcr zu vchandelu, sie zu unterstützen, so viel er könne, und er hat dies Versprechen nach jeder Richtung glänzend erfüllt. Mehr als 15000 aus Frank reich geflüchtete Protestanten folgten seinem Rufe und vergalten die gastliche Aufnahme mit der Begründung nützlicher Industrie- zweige, namentlich in Berlin. Wenn Berlin heute eine der größ ten Industriestädte der Welt ist, so haben die französlichcu Kolonisten damals den ersten Grund dazu gelegt. Etwa der dritte Teil hatte sich nach Berlin gewendet, das damals kaum 12000 Einwohner zählte und !o mit einem Schlage auf 17000 stieg. Aber es handelte sich nicht nur um einen ziffernmäßigen Zuwachs. Diese Franzosen überragten an allgemeiner Bildung, an gesell schaftlicher Gewandtheit, an gewerblichen Kenntnissen und Fähig keiten die damaligen BerlinerBcwohner weitaus. KcinWundcr, daß der Kurfürst sie bevorzugte und begünstigte. Von vornherein war ollen französischen Einwohnern zehniührigc Freiheit von sämt lichen Abgaben versprochen worden. Sie erhielten sofort das Bürgerrecht, Vorschüsse zur Anlegung von Fabriken; an Gelehrte und Geistliche, die sich zahlreich unter ihnen befanden, wurden Gnadengeholte gezahlt. Für diese Zwecke wurden — eine gewaltige Summe für damalige Zeit! — 40000 Taler ausgesetzt. Ferner erhielten die eingewandcrten Franzosen die Gerechtigkeit eigener Schulen, Kirchen, Armenhäuser und Spitäler. Natürlich war Ludwig XIV. hiervon wenig erbaut. Er ließ durch seinen Ge- sandten, den Grafen von Rcbcnac scharfe Vorstellungen erheben, wobei der Graf behauptete, die Flüchtlinge wären nur schlechte Leute und unruhige Köpfe, die in ihrem Vaterlande nichts zu ver- lieren hätten und deshalb ihr Glück in der Fremde suchten. Der Kurfürst ließ sich aber dadurch nicht beirren, und als auch der berühmte Marschall von Schömberg seines Glaubens wegen aus Frankreich flüchten mußte und in Berlin eintras, da fragte er den Gesandten: „Werden Sie jetzt noch zu behaupten wagen, daß nur