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Dieses Blatt wird den Lesern von Dresden und Umgebung am Tage vorher bereu» al» Abend-Ausgabe zu gestellt, während es die Post. Abonnenten am Morgen in einer Gesamtausgabe erhalten. verugsgebüdn ! dur» vt.mMrttck.»« «,. Dre»dk» und der näckitik» U»u,«d»na. w» di« Zutröauu» durch riacu« Äolcn vd«r j>ou»i»1nouare crlntai. erdalscn da» ltNati an Wockkiika««!. die nick» anILonn- oder!ir,kita>i« «olikN. in nun Tk>iau»aab«ii »deud« uns «»r»k»« zu,ellellt. , , Nachdruck aller Arlitcl u. Original. Mitteilungen »nr mit deutlicher Onclleiiaiigabt I„Dre»d Nachr. ) „ilnillg, Nachträgliche ö.ouorar- aiiiurliche bleche» iinberuckilchligt: imverlgiigl« Mchiultriute werben nicht aittbewalirl. Telkgramm-SldreU«: Rachrichee« Dresden L8SV Verlag von Kiepscli S- Reichardt. Anreizen-Laris. Lnnabme von Lnkiiiidioung«» dir nachmittag! z Ubr. So»»- und velertag! nur Marlenlnabe R von » blS'/iiUbr^ Die llvalliaeGriiich- «eile kca. » Lllbenl so Via. An klindigungen auf der Drivatsclte Zeile N PI, . die Llvallig« Zelle als „El» gelandt' oder aus Dertseite so Mg Jn Nuiiiniern »ach Sonn- und Feier tagen i- de«, rlvattige Grnndzelleu so. «bez so und so Pt, »ach be wilderem Tarif. Auswärtige Aut träge nur gegen Borausberaklung. Belegbläticr werden mit tü Lig. berechnet. Sernlvrechanfchlub: «mt l Nr. U und Str. liOSS. u! sl lei Sh Tniaaal' Neueste Drahtberlchle. Bürgerverein für Ne»- und Antonstadt, Geiichisverhandlungen. „Der Freischütz", VSS» O V» VMUl». Die 11 Scharfrichter, Die Not des movcrnen Bewußtseins Ti»»ii»ik»>>,2l.Miirz W«L. Neueste Drabtmeldnnqen vom 20 Mürz Stuttgart. Prinz und Prinzessin Johann Georg von Sachsen sind heute mittag zu längerem Besuch hier eingetroffen. Berlin. sPriv.-Tel.j Der Reichstag beabsichtigt, falls die Etatberatung genügend gefördert wird, am Dienstag, den Li. März, in die Osterferien zu geben. — Die Budgctkom- mission des Reichstages verhandelte heute über die Finanzii- rung und über die allgemeine Finanzlage. Ei» Antrag des Avg. Richter, die Zuschußanleihe von 1895 ans 5(1 Millionen Mark zu ermäßigen und die Ausgaben siir die Fußorfflleric aus dem ordent- üchen in den außerordentlichen Etat zu übernehmen, wurde mit 13 gegen 12 Stlmmen abgelehnt. Dagegen wurde mit großer Mehrheit ein Zentrumsantrag angenommen, den Zuschuß zu den Ausgaben des ordentlichen Etats, ent'vrechend den beschlossenen Miwerausgaben im ordentlichen Etat, in Höhe von 7>Z Millionen Mark, und der Mehreinnahmen im ordentlichen Etat, in Höhe von 15 Millionen Mark, zusammen also 22V« Millionen Mark, zu vermindern, also nur 72'R Millionen Mark Zuschußanleihe zu genehmigen. Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Ver wendung von Mehrerträgen der Uebcrweiiungsstcucrn zur Schul- dentilgung wurde gleichfalls nach den Anträgen des Zentrums angenommen. Danach lautet nunmehr die Uebcrschrist: „Entwurf eines Gesetzes, bctr. Verwendung von Mehrerträgen der Ncichs- einnahmen und Ueberweisiingssteuern znr Schuldentilgung". 8 1 bestimmt in der neuen Fassung: „Uebersteigcn >n dem Rechnungs- jayre 1902/03 die den Bundesstaaten zuitebenden Ucbcrwcisungcn aus Zöllen, Verbrauchssteuern und Stcuwclabgaben das Etats- Soll, so ist der Mehrbetrag von den den Bundesstaaten aus dem Ertrag der Zölle und Tavakssteuern zu überweisenden Beträgen zu kürzen und zur Bildung der Zuschiißanleihc zurückzubehaltcn. In gleicher Weise sind erforderlichenfalls die Ueberschüsse zu ver- wenden, die sich etwa im Rechnungsjahre 1903 im eigenen Reichs haushalt ergeben." In H 2 wird bestimmt: „Insoweit die im 8 1 bezcickneten Ueberschüsse und Mehrbeträge zur Tilgung der Zuschutzanlcihe nicht ausrcicocn sollten, sind auch die Mehrbeträge zu dieser Tilgung zu verwenden, um welche in dem Rechnungs- mhre 1901 und den folgenden die Ueberweisnngen an die Bundes staaten die Matrikularbeiträge übersteigen." Berlin. Aus Beseht des Iraners reiste gestern abend Staatssekretär v. Tirvitz nach Petersburg zur Beisetzungsseier des Marincmiiiisters TYrrow. Der Staatssekretär wird im Austrage des Kaisers einen Kranz am Grabe niederlege,,. Hamburg. Ais sich geitern ti Arveuer vom baiiiwverscbe» Elbuser »acb ihrer Arbeits'iätke bei Instand an der Unkcielbe begeben wollten, wnrde ihr Boot durch den Südwcststiirni an den Strand geworfen und zum Kentern gebracht. Bier von ihnen ertranken. Ai ainz. Der langjährige Kassierer der Mainzer Volksbank. Herrmann, hat 25000 Mk. unterschlage». Für morgen abend ist eine außerordentliche Gcriccalvetsammlung zur Erörterung der Angelegenheit aiiberannit. Madrid. In Liria kam es anläßlich der Einsührling eines neuen Bürgeimeisters zn einer Z u i a m m e n r o r t u n g der Menge Bei einem Zusammenstöße mit der Polizei wurde ein Polffeibcamter getötet. Madrid. Dem „Heraldo" wird aus Lissabon gemeldet : Bei einem öffentlichen Florettfechten zwischen dem franzö- st'cken Jechlmeister Msrignac und dem ilalicnstchen Fechlmesttcr Pini zerbrach der Knopf am Florett Pinis »nd Msrignac winde schwer verwundet. Lissabon. Die Verwundung, die der französische Fecht meister Msrignac gestern beim Florettfechten mit dem italie nischen Fechtmeister Pini erlitt, nt, entgegen anderslautenden Mel- düngen, nur leicht. Msrignac konnte trotz der Verwundung den Kanins fortsetzen und touchierte seinen Gegner. Washington. Ter Senat genehmigte mit 50 gegen 16 Stimmen den Gegeiiiestigkeilsvertrag mit Euba nach An nahme omchiedener AdändelUngsanträge, darunter eines Antrages, der die Genehmigung des adgeänderken Gesetzentwurfs durch vaS Reoräsciitantenbans fordert. Der Senat vertagte sich dann ans unbestimmte Zeit. Washington. Unter den vom Senat angenommenen Ab- änderungsanträgen zum Gegenseitigkeitsvertrag mit Cnba befindet sich auch ein Antrag auf Ausschließung fedcr ferneren Herabsetzung des Zuckcrzollcs für einen Zeitraum von 5 Jahren. Oertliches und Sächsisches. Dresden. 20. März. —* Die Fürstin Marie zu Stolberg-Wernigcrode traf bier ein und nahm im Grand Union Hotel Wohnung. —* Der Kriegsminister General der Infanterie Freiherr von Hausen begab sich beule in Begleitung des Abteilungschess im Kwiegsministermm, Oberst Bartky, und seines Adjutanten, Hauptmann von Kraushaar, zur Besichtigung der Garnison- anstalten, deren Neubau seinen Abschluß erhalten hat, nach Zwictau. Von dort fährt der Herr Minister nach Grünhain zur Besichtigung des Militär-Genesungsheims. —* Der Herr Reichsbank Präsident Dr. Koch traf gestern abend hier ein und nahm im Hotel „Europäischer Hoj" Wohnung. Der Herr Präsident besichtigte heute die hiesige Reichs- bankhcniptstelle. Hieran schloß sich unter seinem Vorsitz eine Sitzung des neuernanntcn Bezirksausschusses der Rcichsvanthaupt- sicllc. Nachmittags 4H3 Uhr veranstaltete d>c hiesige Handels kammer ihm zu Ehren ein Festmahl zu 80 Gedecken auf dem König!. Belvedere. Der obere Saal war ans das Prächtigste dekoriert worden. Dje Tafelmusik spielte die Kapelle des 177. Infanterie- Regiments. An dem Festmahl nahmen die Herren Staatsministcr von Metzsch und Rüger teil. — Nächsten Sonntag findet vor Ostern zum letzten Male öffent liche Ballmusik statt. Tann beginnt die sogenannte stille Zeit. In ihr dürfen bis zum Osterfeste weder öffentliche Tanzbelusti- yungen noch Privatbälle, auch wen» sie in Privathäusern oder m Lokalen geschlossener Gesellschaften stajtfmdcn solle», abgehalten werde». — Das kirchliche Leben der Trinitatisgcmeinde war auch in den letztvergangcnen beiden Jahren 1901/02 ein sehr er freuliches. Die Jnterimskirche auf dem Slephanienplatzt., welche vorläufig noch Ncbenkirche der erstcren ist, in Kürze aber Pfarr kirche einer selbständigen Gemeinde werden wird, konnte der asten Anziehungskraft der Trinitatiskirche selbst keinen Abbruch tun. Die Zahl der Konfirmanden betrug 1901 495 und 1902 582. Ge boren wurden 1901 1103 Kinder, getauft 1048, während die Zahlen für 1902 1035 und 1010 sind. Trauungen waren 1901 311 und 1902 334, Todesfälle 556 bezw. 602. Eine merkwürdige Zeiterscheinung ist die auffallende Bewegung in den Uebcrtrittcn. 1901 traten 7, 1902 18 Personen von der Landeskirche zu den Sekten aus, während 21 und 33 Personen von anderen Kirchen und religiösen Gemeinschaften zu ihr kamen, davon 18 und 23 von der römischen Kirche. Tie Gemoindediakonie verpflegte durch ihre Schwestern 379 und 895 Kranke, und der Gotteskasten verausgabte 1901 5680 Mk. und 1902 4650 Mk. Der Frauenverein der Parochie, der Tabeaverein. welcher gegen 200 Mitglieder zählt, vereinnahmte 1901 8300 und 1902 9036 Mk. Die Kirchcnkollektcii brachten 1901 5900 und 1902 5852 Mk. ein. — Ter 49. Jobrcsbericht der O e s ken t l i ch c n Handels- lehranstalt der Dresdner Kaufmannschaft, dem eine für un»ere Zeit charakteristische Abhandlung „Die Steno graphie im Dienste des Kaufmanns" vom Lehrer 9t. Kauf voranS- geschickt ist. zeigt für das »e,stoffene Schuljahr eine Steigerung der Schillerzahl von 569 auf 593. Am stärksten besticht (308' war die 3jährige Lehclingsabteilnng: ihr schließt sich die Höhere Handelsschule an. in der der einjährige höhere Fachknrs als eine be- ionders wichtige Einrichtung zu nenne» ist, da in ihm ginge Lenke, die das Einiährig-Frciwilligcii-Zeiignis besitzen, sich vor dem Eintritt i» die Präzis theoretisch vorbilden können: der Kailsmännische Kurs dagegen (94 Schüler) bietet denen, die 8 Jahce Schulzeit binter tick haben, in dem Kursus eines Jabrcs Gelegenheit, der Forlbilkmngsichulvslicht durch 32stünSigen Unter richt in der Woche höchst erfolgreich z» aenügen. Dem Programm eulncbme» wir noch, daß die Dresdner Kaufmannicbast denMaler- !aal gekauft Kat. um eventuell aus dessen Grundfläche ein neues Schttibaus ersteben zn lassen. Die Leistungen der Schule, die z» der am zahlreichste» beinclsten unserer Stadt gehört und an der über 20 Lehrer wirke», hat neuerdings dadurch eine Anerkennung von iciten der Stadt erfahren, dag Rat und Stadtverordnete einen jährlichen Zriichuß von 5000 Mk. bewilligt habe». — Am Mittwoch abend veranstaltete die Dresdner Kunst- aenosscnschast im Ncustädter Kasino einen zahlreich besuchten Fa Milieu abend, der mit einem Konzert cingeleitet wurde. Die das Schnbcrtschc ^.-clur-Ouiniett ausführenden Künstler zeich neten sich durch gutes Zusammcnspiel aus. Nach diesem san>: Frl. Daisy Slaael'e einige Lieder, für deren vorzügliche Aus- sühruna sie reichen Beifall erntete. Herr W. Kühling spielt! einige Violoncell-Kompositionen mit schöner Tongebung. An Klavier wirkte Herr Bender. Der weitere Verlaus des Abends brachte noch eine humoristische Skizzcn-Ausstcllung, veranstaltet von Herrn Krouse-Wichmann, die köstliche Proben humoristischer Parodien auswies. Zwischen den einzelnen Tänzen wurde von einer Anzahl Paare die auf dem Künstlcrfest vorgetanzten neuen Tänze wiederholt. —* Das Todesurteil, das vmi dem hiesigen Schwur gerichte am 8. Dezember gegen den vormaligen Straßenbahnwagen- sichrer Franz Andreas Lerch wegen Mordes, begangen am 8. Haimar 1900 zu Löbtau an dem Fabrikwächter Pratsch, aus gesprochen worden ist, hat, wie bereits erwähnt/durch Se. Majestät den König Bestätigung gesunden. Die Strafe des Mörders wird morgen früh sechs Uhr in dem Hofe des Justizgebäudcs an der Pill- nitzerstraße vollstrcckt werden. — In der Osterwoche, vom 15. b'S 18. April, wird in Dresden ein sächsisches Schachturnier siattsinden. das der Dresdner Schachvcrein in seinen erweiterten Klubräumen im Cafs König veranstaltet. Es sind Geldpreise von mindestens 80, 60, 40 und 20 Mk. ausgescht. außerdem kleinere Beträge für noch schwache oder »"geübtere Spieler: es können also Schachfreundc von jeder Spielstarke teilnehmen. Zugelnssen werden nur Schach- svieler aus dem Königreich Sachsen. Anmeldungen nimmt der Vorsitzende des Dresdner Schachvereins, Herr Rentier PH. Swiderski, Dresden-Altstadt, Comcniusstraße 61, entgegen. — Einen genußreichen Abend bot am Mittwoch der Bürger- Verein für Neu- u"d Anton st adt seinen Mitgliedern, indem er ihnen gelegentlich seiner Vereinsvcrsammlung durch einen mit vielem Beifall aufgenommenen Vortrag des Herrn Dr. med. M ühlstädt zwei der ältesten und interessantesten Städte unseres engeren Vaterlandes Sachsen, Freiberg und Meißen, nach ihrer Geschickte und nach ihrem Gewerbe in Wort und Bild zeigte. Vom hoben Erzgebirge herab, wo die Städte Schwarzenberg und Annaberg, Jöhsladt und Geyer, Marienberg, Johannaeorgenstadt und Schneeberg vor mehreren .Hundert Jahren auf Silber oauteu, wo au der Flöha, der Bockau und dem Schwarzwasser noch reiche Zechen standen, die aber nun erloschen sind und aewerbfleißigen Spinnereien und Holzschlcifereien Platz gemacht haben, führte der Vortragende seine Zuhörer an der Hand prächtiger, farbiger Lichtbilder nach Freiberg, der alten Bergstadt, die berufen ist, den Ruhm von Sachsens Bergbau zu erhalten. Freilich muß der Staat, durch den niedrigen Stand des Silbers genötigt. alle Jahre eine erhebliche Zubuße bezahlen, um die Gruben nicht zum Erliegen kommen und die über 4500 Mann zählende Belegschaft nicht brotlos werden zu lassen. Seit 1870 sind an den gesunkenen Silberpreisen (179 : 80 Markj dem Bergbau über 45 Millionen Mark verloren gegangen. Von Freiberg selbst schilderte der Vor- tragende zunächst den Dom mit der Goldenen Pforte, einem der edelste» und berübmtesten Werke der gesamten romanischen Bildner kunst des 13. Jahrhunderts, das Rathaus, das Altertumsmuseum, und geleitete dann die Zuhörer im Geiste durch die oft krummen, bergauf und bergab führenden Gähchen und vorbei an alters grauen Maiicrrejten und -Türmen, die sich in festem Wider stand gegen so manchen Feind den Siegeslorbcer um die Trümmer flochten. Eingehend beschäftigte sich der Vortragende weiter mit den weltberühmten Multmcr Hütten und ihrem Erzverhüttungs- prozeß, schilderte auch den Werdegang, des Silbers von dem aus dem Schacht kommenden Gestein an bis zu dm fertigen, weißlich glänzenden Granalien, und die Gewinnung anderer wertvoller mineralischer Produkte, besonders aus überseeischen Erzen. Dann wandte er sich der alten Äiichofsstadt Meißen zu mit der stolzen Albrechtsburg, der ältesten Burganlage des Sachsenlandes. Ist doch ein Gang durch die Mbrechtsburg gleichbedeutend mit einem Gang durch Sachsens Geschickte, wie die Stadt Meißen selbst zur Wiege der Kultur für unser engeres Vaterland und unter dem Schutze mächtiger Bischöfe zum Mittelpunkt kirchlicher Herr schaft wurde. Auch in Meißen fehlt es nicht an manch' alter- tümlichem Bauwerk: Erker-, Spitz- und Rundbögen, gotische und romanische Giebel, Renaissance und Barock wetteifern mit einander, um reizende, wechselvolle Straßenbilder zu schaffen. Der letzte Teil des Vortrages war der Porzellanfabrir gewidmet, der mannigfachen Bearbeitung des roten Tones von Okrilla, mit dem der Alchymist Böttger zwar nicht das Gold entdeckte, der aber nichtsdestoweniger zu einer Goldquelle für Sachsen wurde. Kunst und Wissenschaft. 7* Königl. Hofoper. Gestern ist C. M. v. Webers „Freischütz" seit dem 26. Januar 1622, wo er unter des Komponisten Leitung hier zum erstenmal in Szene ging, zum 600. Male gegeben worden. Da das Werk bei seiner hiesigen 500. Ausführung, am 19. Mai 1894, mit großer Sorgfalt vollständig neu ausgestattet und nm inszeniert worden >var, konnte man für den gestrigen Gedenktag von einer Erweiterung oder Erneuerung der Aeußer- lichkcitm absehen: dafür hatte man ein um so größeres Gewicht aus die künstlerische Wiedergabe gelegt. Zu Ehren des Abends saß Generalmusikdirektor v. Schuch am (Diriaentmvulte — seit der 500. Aufführung wieder zum erstenmal. Was seine Person an dieser Stelle bedeutete, merkte man bereits an der Ouvertüre. Ohne Mätzchen und Effektchen, ohne dynamische Kunststückchen und Rubato-Spielereien, wie sie jetzt bei den Wander-Orchestern üblich geworden sind und vom GroS des Publikums verständnis los auf das Beifälligste entgegenamommen werden — rein, echt und keusch im Stil, treu den Traditionen, wie sie der Königlichen Kapelle von C. M. v. Weber überliefert worden sind, und wie sie sich bis heute in gewissenhafter Wahrung erhalten haben, rauscktc die herrliche Ouvertüre in ihrer romantischen Majestät vorüber. Eine Prachtleistuna, die glänzend ausgenommen wurde! Auch in allem übrigen suhlte man, daß ein dem Koinponistm kongenialer Führer die Situation beherrschte. Mit ihm und der Königlichen Kapelle gaben auch alle übrigen ihr Bestes. Frau Wittich war eine gleich vortreffliche Agathe, wir Irl. Na st ein reizendes Aennchen, und nicht minder ausgezeichnet, dem Gedenktage würdig entsprechend, entledigten sich die Herren Verron, Wächter, Erl und Nebuschka ihrer gewohnten .Rollen des Fürsten, des Eremiten, des Kilian und des Kuno. Bc- nondere Anerkennung verdienten sich dazu Herr Burrian. der km Max hier zum erstenmal sang, gleich schöne in der Auf lassung wie in der gesanglich imponierenden Ausführung, und «Herr Gre der, der den Kaspar ganz trefflich charakteristisch tzeichnete. So gestaltete sich die Vorstellung, scheinbar absichtslos, smit vollster Hingebung aller Kräfte, zu einem wirklichen Fest abende. der vor fast ausverkauftem Hause unter den wärmsten Sympathien der Hörer verlief. — Mit der herrlichen Vorstellung hat die Königliche Generaldircktion dm Besuchern auch große Freude mit den dem gestrigen Thealerzcttel beigegcbenen Ab drücken der vollständigen Zettel der 1., der 100.. 200., 30(Z 400. und 600. Aufführung des Werkes bereitet; er wird vielen nicht nur eine liebe Erinnerung an dm gestrigen Abend sein, er bedeutet auch in thcatcrgeschichtlicher Hinsicht eine bibliographische Kuriosität. Man sagt nichts neues damit, daß die Oper ursprünglich der „Probeschuß" benannt war, dann die „Jägerbraut", bis der Ver nommen worden ist. — Die Uraufführung fand am Er- inncruiigstage der Schlacht von Belle-Alliance, am 18. Juni 1821, im Berliner Schauspiclhause statt. Die denkwürdige Vor stellung erhob sich weit über die Bedeutung einer gewöhnlichen Opcrn-Premlöre. Der Kampf zwischen deutscher und italienischer Richtung in der Kunst war durch Spontinis Anstellung an der Berliner Oper aufs neue entfacht. Wagte er es doch, die damals verhaßte italienische Sprache, die seit den Zeiten der Schlacht von Jena verbannt gewesen, Anfang 1821 wieder in die Oper einzuführen. Dos Publikum zerfiel in zwei Lager, in die Anhänger Spontinis und in die Freunde Webers. Der Meß nungskampf — wir zitieren aus der Weber-Biographie Gehr, manns — steigerte sich durch die nahe gerückten ersten Vor stellungen von Spontinis „Olympia" und Webers „Freischütz" zum äußersten Siedepunkte. Doch entschied sich der Sieg für das deutsche Werk, da di« dritte Aufführung von der vomphaft ausaestatteten „Olympia" bereits wenig besucht war und eine kühle Aufnahme wnd, der „Freischütz" aber bei jeder Wiederholung größeren Enthusiasmus weckte. Weber jelost schreibt darüber in feinem Tagebuche: „Der „Freischütz" wurde mit dem unglaublichsten Enthusiasmus ausgenommen; Ouvertüre und „Jungsernkranz" Dacapo verlangt, überhaupt von 17 Musikstücken 14 lärmend applaudiert. Alles ging aber auch vortrefflich, und alle sangen mit Liebe. Ich wurde herausgerufen und nahm Mmc. Schneider und Mlle. Eunike mit heraus, da ich der anderen nicht habhaft werden konnte. Gedichte und Kränze flogen. Soli Oso (Zloria!" Nächst Spontini waren damals die entschiedensten Gegner E. T. A. Hoffmann, der Verfasser der fratzenhaften „Elixiere des TrufelS", der sich über die „fratzenhafte Richtung" des „Frei- schütz" lustig machte und nichts anderes in der ,,Voss. Ztg." zu sagen wußte, als den Maschinisten den „tiefgefühltesten Dank", und — leider auch! — Ludwig Spvhr, der erklärte, Webers ganze Kunst paffe nur für den „großen Haufen". Du lieber Viminel! Wo sind Spontir.i. Hoffmann, Spohr und alle anderen Widersacher Webers geblieben! Alles vergilbt, verschollen und vergalt- gen, während der „Freischütz" in unvergänglicher Juaendschöne prangt als eines der größten und hehrsten Kunstwerke oller Zeiten! Und wie die wahrhaft Großen im Reiche der Kunst über den „Freischütz" deiile», das sägen die schönen Worte Richard Wagners: „O. mem herrliches deutsches Vaterland, wie muß ich dich lieben, wie muß ich für dich schwärmen, wäre es nur, weil auf »einem Boden der „Freischütz" entstand! Wie muß ich das deutsche Volk lieben, das den „Freischütz" liebt, das noch heute, im Mannesalter, die süßen, geheimnisvollen Schauer empfindet, die in seiner Jugend ihm das Herz durchbcbten! Du liebenswürdige deutsche Träumerei! Du Schwärmerei vom Wald, vom Abend, von den Sternen, vom Monde, von der Dorfturmuhr, wenn sie sieben schlägt! Wie ist der glücklich, der euch versteht, der mit euch glauben, träumen und schwärmen kann! Die ist mir Wohl, daß ich ein Deutscher bin." ... Ll. 8t. tz* Tic elf Scharfrichter. Den nabellegenden Gedanken, der falschen Uederbiettclei Äolzvaciis und seiner Nachtreter ein echtes Künstler-Cabaret entgegenzustellen, hat eine Vereinigung von Münchner Künstlern, die sich nicht gerade geschmackvoll „Die elf Scharfrichter" nennt, zur Tat werden lassen. Gegründet hat sich die Gesellschaft übrigens bereits ungefäyr ein Jahr vor Wol- zogenS erstem öffentlichen Auftreten, in bewußten Gegensatz zu der Art des Neberbretll-Barons aus ausgedetmten Reisen setzt sie sich ent neuerdings, und zwar mit entschiedenem künstlerischen Erfolge. Wenn dletcr gestern abend, da die „elf Scharfrichter" rum erstenmale in Dresden ihre originellen Darbietungen vor- sührken, nicht auch äußerlich zum Ausdruck kam — in Hamburg und Breslau baben die Münchner geiaderu Sensation gemacht —. so lag das zumeist an zwei Uriache»: erstens ist man in Dresden dicker speziellen Kiiiistrlchtiing. die mit dem Neberbrettl WolzogenS. der sich ja ursprünglich ganz an die FormderPariser CabaretS anlehneo wollte, ven Rahmen gemein hat, ia haben muß, nicht gerade hoch, und zweitens war das Lokal — der ganz und gar nicht stimmungs volle. viel zu große Saal des „Neustädter KasinoS" — rechl