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- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-11-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19001116017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1900111601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1900111601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-11
- Tag 1900-11-16
-
Monat
1900-11
-
Jahr
1900
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— -»«»>!,. 18- Nov. In der Nacht «nn 21. Mak d. I. wache au» de, ui Naundörfchen gelegenen Wohnung der Grün- woarrichöndlerl, «rünewaid mittelst Einbruch» eine Kassette ge stohlen. die einen Vaarbetrag von 8000 Mk. und Werthvapiere Im ävommlwerih von etwa 97000 Mk. enthielt. Die Thäter hatten sich heute vor der 3 Straflammer de« hiesigen Landgericht» zu verantworten. Angeklaat waren Schlosser und Mcchaiilkus Hugo Bruno Arthur LIeberuictel. Helwr Friedrich Carl Louis Norde. Mrndreder Heinrich Joseph Burckhardt und die Kontroltrte Auguste Minna Gerhardt. Der eigentliche Dieb ist Ltebernickei. Rothe batte die Sache ausbaldowert und mit Burckhardt und der Gerhard Wache gestanden. Nach der Tbat begaben sich Lieber- nickel. Burckhardt und die Gerhard zu Fuß nach Naunhof, um da» gestohlene Gut im Hauke des Vaters von Liebernickel zu ver stecken. Allein schon in Liebertwolkwik wurde ihnen die Last zu schwer. Am Colmberae zersch'uaen sie die Kassette auf der Straße und Liebernickel vertherlte an .reden von den Betheiligten baares Geld. Im Ganzen etwa 700 Mk. Mit dem Reste des baaren Bettags und mit den Werthpuoiereu regal, er selbst sich nach Naunhof und vergrub Alles im Walde bei Lindhardt. Dann reiste er nach Dresden. Als er nach Leipzig zn.ückkehrte. wurde er ver haftet. Inzwischen hatten Burckhardt u»o b.e Gerhard eine Ver gnügungsreise in's Elsaß unternommen; sie wurden bei ihrer Rück kehr ebenfalls festge.iommen. Die vergrabenen Werthpapiere wurden ausgegraben und der Bestohlenen wieder zngestellt. Das Urtheil lautet gegen Liebernickel: 6 Jahre Zuchthaus. 5 Jahre Ehrenrechtsverlust. Polizeiaufsicht: Rothe: . „ - 5 Jahre Ehrenrechtsverlust; Burckhardt: 3 Jahre Zuchthaus; die Gerhardt: 1 Jahr 6 Monate Zuchttiaus. -Amtsgericht. Am 22. Oktober machte sich der wegen Verübung ruhestörenden Lärms sestgenommenc Arbeiter Hermann Schmidt aus Mihlareuth des Widerstands und der Beamten beleidigung schuldig. Der bereits vorbestrafte Angeklagte verwirkte datuuch k Monat 3 TM Gesängniß und 2 Wochen Hast. — Dem mehrfach wegen Verstoßes gegen die Fahrordnnng vor bestraften Droschkenkutscher Karl Friedrich Neu, ans Brießnitz stammend, war eine auf 3 Mk. lautende Strafverfügung zu- gegangen. weil er am 29. August zwei Herren für k.60 Mk. eine Stunde spazieren gefahren hatte, während die Taxe 1,80 Mk. be trägt. Nach Abhörung der Zeugen gelangt das Gericht zu dem Glauben, daß Neu in der That gegen den für das Droschkenwesen gütigen Tarif gefehlt hat: es beläßt es daber bei der ausgeworfe nen Strafe. — Der Kutscher Friedrich August Schuberts, gefährdete durch Nichtfreigeben des Strnßenbaknylen'cs einen Motorwagen; er erhielt dafür eine Strafverfügung über 6 Mk., gegen die er Zuchthaus. richterliche Entscheidung beantragte. Aus Grund des durch die Beweisaufnahme gewonnenen Sachverhalts wird die Strafe auf 10 Mk. erhöht, an deren Stelle im Uneinbringlichkeitsfalle 2 Tage Hast treten. — Der Handelsmann Friedrich Ernst Mehnert hatte mit seinem Wagen ans der Straße in einer Weise Ausstellung ge nommen, welche geeignet war, den Verkehr für Fußgänger zu stören. Gegen die ihm über 10 Mk. zugegangene Strafverfügung beankagte M. gerichtliche Entscheidung: nach Meinung des Richteis liegt thatiächlich ein Verstoß gegen die Verkehrsordnung vor. Es bleibt daher bei der ausgeworfenen Strafe. — Der in Stetzsch wohnhafte 27 Jahre alte Kutscher Ernst Wilhelm Kiebitz M Schlesien wandert vöegen Diebstahls auf I Tag in's Gesängniß. — In der Nacht zum 10. Juli verübte der Arbeiter Emil Otto Gustav Hachenberger und der Marmorschleifer Otto Emil Menzel in Gemeinschaft mit den bisher nicht zu ermitteln gewesenen Brüdern Vetter in einem Neustädter Restaurant einen groben Skandal. H. machte sich überdies des Hausfriedensbruchs schuldig, die gegen ihn erkannte Strafe lautst auf 1 Woche Gefängniß, während M. zu 10 Mk. Geldstrafe oder 2 Tagen Gesängniß ve>- urtheill wird. — Wenn der in Leuteritz bedicnstete Kutscher Fried rich Max Hemvel mit dem Anfahren von .Kohlen beauftragt war, richtete er es so ein, daß er durch seinen Wohnort Cossebaude fuhr Der.Zufall" wollte es denn auch, daß Koblenslücke von dem Wagen sielen, die dann von Hemvel aufgelcsen »nd seinem heimathlichen Herd anvertraut wurden. Er wird der Unterschlagung für schuldig befunden und erhält 3 Mk. Geldstrafe oder 1 Tag Gesängniß. — Der 19 Jahr« alte Schlosser Gustav Adolf Drechsler, in Naußlitz wohnhaft, hatte am 2. Juli im Wartesnal 2. Klasse des hiesigen Hauptbabnhofes zwei Fahrkarten gefunden und ver suchte. sie beim Schalterbeomten und bei einem Assistenten zu ver kaufen ; der Letztere war aber von dem Verlust bereits benachrich tigt, und so knm es, daß sich Dr. wegen Fundunterschlagung zu verantworten bat; er wird dafür zu 10 Mk. Geldstrafe oder 2 Tagen Gesängniß verurtheilt. — Bei einer am Abend des 22. August stattgesirndenen Kneiperei gerleth der 27 Jahre alte Eilendreher Louis Paul Handmann mit einigen Gästen in Streit, der damit endete, daß H. den Tischler Ernst Hermann Rudolph mit seinem Stock mehrere blutende Wunden veibrachtc. Das Urtbeil lautet wegen gefährlicher Körperverletzung auf 1 Monat Gefängniß. TaneSgeschichte. Deutsches Reich. Die neuen Denkmalsgruppen der Markgrafen Johann ll. und Ludwig II. und des Kursivsten Johann Cicero in der Berliner Siegcsallee sind Mittwoch Vormittag in Gegenwatt des Kaiserpaares und des Kronprinzen feierlich enthüllt worden. Die geladenen Herrschaften sammelten sich zunächst am Denkmal Johann Cicero's nächst dem Kemperplatz, wo auch der Kronprinz vorfuhr, der die Uniform des 1. Garde-ReginicntS mit dem Hohenzollernmantel angelegt hatte. Die 10. Stunde war schon nahe, der Kronprinz und die übrigen Herren erwarteten jeden Augenblick das Eintreffen des Kaiserpaares, als plötzlich der Geh. Rath v. Lucanus im Wagen herbeieilte und die Erschienenen nach der nahe der Charlottenburger Chaussee belegenen Denkmals- gruvve ries, wo inzwischen der Kaiser und die Kaiserin, sowie der Reichskanzler Graf Bülow bereits vorgefahren waren. Die ge ladenen Herrschaften, denen sich auch Prof. Karl Begas an- geschlossen, begaben sich sofort mit beschleunigten Schütten die Siegesallee hinauf nach der letztgenannten Gruppe, ihnen vorauf eilte Bildhauer Reinhold Felderyoff, der Schöpfer der Gruppe Johanns II. Noch ehe die übrigen Geladene» zur Stelle waren, gab der Kaiser das Zeichen zum Fallen der Hülle und trat dann mit Meister Felderhosf näher an die Gruppe heran. Der Kaller sowohl, wie auch seine Gemahlin, die ein schwarze» Kostüm mit Chinchillabelab und Muff aus gleichem Pelzwerk trug, äußerten die vollste Befriedigung über das Kunstwerk der Kaiser, der den. Bildner pezsönlich den Rothen Adlerorden 4. Klasse überreichte, lobte vor Allem auch die schöne Ornamentirung der Bank. Nach dem hier noch die Vertreter des Wedel'schen Geichlechts dem Kaiser vorgcstellt waren, begab sich der Kaiser mit dem Grafen v. Gürtz- Schlitz, dem Schöpfer der Gruppe Ludwigs II. nach dieser Gruppe, wohin ihm die Kaiserin mit dem Kronprinzen und den übrigen Herrschasten folgten. Während der Kauer mit dem Künstler und dem Grafen Lerchenfeld die inzwischen enthüllte Gruppe auS einiger Entfernung betrachtete, begrüßte die Kaiserin die Gattin und den Sohn des Künstlers, einen jungen Garde- ofsizier. Der Kaiser chatte währenddessen auch den Reichskanzler noch Werl . . hatte. wenn ihm auch der Sockel eiwas zu breit erschien. Als äußeres Zeichen seiner vollen Befriedigung überreichte der Kaiser den, Grälen das Großkreuz des Rothen Adlerordens. Es folgte nun die Enthüllung der Manthe'sch„n Gruppe des Kurfürsten Johann Cicero, die dem Künstler den Rothen Adlerorden 4. Klasse cin- brachle. Der Kaiser, der den Schöpfer des Werkes mit einem ge- müthlichen.Na" begrüßt hatte bezeichnest die Gruppe als außer ordentlich gut gelungen. Nachdem noch die Herren v. Alvens- leben vorgestellt und Oberbürgermeister Kirschner vom Kaiser in huldvoller Anrede darauf hingcwiesen war, wie stolz Berlin nun auf die Siegesallee sein könne, erfolgte um 11 Uhr die Abfahrt. Znm Prozesse Sternberg schreibt die „Dtsch. Tgsztg ": Es steht in diesem Prozeß ungeheuer viel aus dem Spiele. Wenn sich im Volke wirklich die Meinung festletzen sollte, daß vor Gericht ein Milliynär anders behandelt werden könnte als ein armer Schlucker. Io würde damit eine grauenhafte Verwüstung des Rechtsgefühis hcrvorgrrusen werden. Wir möchten daher recht eindringlich olle zuständigen Stellen an die unabweisbare Pflicht erinnern. Alles zu thun, um die Möglichkeit einer solchen An schauung von vornherein zu beseitigen, und Alles zu unterlassen, was ihr Vorschub leisten könnte. Dem Angeklagten Sternberg soll seine Vertheidigung nicht beschränkt werden. ES ist iedeS An geklagten Recht. Alles anzuführen, was zu seiner Vertheidigung noll,wendig ist. aber er muß unbedingt die Schranken beobachten, die sonst durch die Ordnung des Gerichts jedem Angeklagten ge zogen sind. Beleidigungen von Zeugen, mögen st« sein, von her Art sie wollen, dürfen nicht gü-uldet, sondern müssen nach Gebühr mkt voller Schürfe zurückgewkeke« werden. Da» moralisch« hatte, stand wie au» der Erd« gewachsen ein Bannersoldat saugen Urtheil über den Angeklagten steht vollkommen ^est,^und wir haben -- " ""— """"—" " uns darüber gefreut, daß" der Vorsitzende n - — de» Gerichtshofes diele» moralische Unheil dem Angeklagten in sachgemäßer Welse ent» geaengehalten hat. lieber die Scbuldfraae im strafrechtliche» Sinne müssen wir uns de» Urtbriis noch enthalten. Wir glauben aber, daß außer den Benheidigern und den Detektivs, die im Aufträge des Angeklagten arbeiten. Im Deutschen Reiche wenige Leute sein werden, die Herrn Stemberg für schuldlos halten. Das ist der Eindruck, den der Unbefangene aus dem bisherigen Pwzeßberlchte gewonnen hat. Was übrigens das Treiben der sogenannten Detektivs anlanat, so ist es uns recht befremdlich, dnß man keine Handhabe zu besitzen scheint, um dem Einwlrken dieser Leute auf die Zeugen entgrgenzuarbeiten. Sollte cs nicht möglich sein, diele Herren wenigstens ans den Korridoren des Gertchsgeoändcs z» ent fernen? Wenn das nach Lage des Gesetzes und der Gerichts ordnung jetzt noch nicht möglich ist, müßten Mittel gejuckt werden, um es künftig möglich zu mache». Wir wollen über den Inhaber eines Detektivinstituts, der als Zeuge vernommen wurde, kein Urtbeil fällen. Das ist nicht nöthia, weil die Prozeßverhandlung selbst ein unzweideutiges Urtdeit über ihn aesällt hat. Daß aber leben ein Vertheidiger es für nothwendlg hält, das Urtheil eines solchen Mannes über die Schuldsrage zu extrahiren, ist ein höchst selttames Zeichen der Zeit. Wir haben immer von der Bedeutung des rechtsanwaltlchastlichen Berufs eine hohe Meinung gehabt und die Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten, die er mit sich bringt, gebührend gewürdigt. In diesem Falle treten die Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten besonders hervor. Einen solchen An geklagten zu vertbeidigen muß thatlächlich recht schwer und recht wenig angenehm lein. Zum KonitzerMcinekdsProzeß wird berichtet: Der Vertheidiger des Masloff. Rechtsanwalt Vogel, hat ein Gnaden gesuch an den König vorbereitet, um Verwandlung der Zuchthaus strafe in eine Gelängnißstrafc zu erbitten. Dieses Gnadengesuch ist von sämmtlichen Geichworcnen unterzeichnet worden. Es ergiebt sich daraus, daß die Geschworenen, welche Masloff des Meineids für schuldig erklärten, weil er, um sich nicht der strastechtücbe» Verfolgung auszusetzen, seinen Diebstahl bei Lewh verschwiegen und bei der ersten gerichtlichen Vernehmung eine unvollständige Auslage gemacht hatte, mit desto größerer Energie ihre Ueberzeug- ung dabin kundgeben wollen, daß Masloff'S Auslagen über leine Wahrnehmungen in dem Lewv'lcben Keller wahr sind. — Von Könitz wird der „Germania" gemeldet: Tie Untersuchung in der Koniyer Mordaffaire ist in ein neues Stadium getreten. Wie wir aus bestunterrichteter Quelle erfahren, ist die Ermittelung der Mordbetkeiligten vielleicht nur eine Frage der Zeit. Unablässig sind Berliner Polizeiagenten im Geheimen thätig. Beweismaterial beranzuschasfen. Als Ausgangspunkt der Ermittelungen dient der Sack nebst dem darin enthaltenen Packpapier, in welchem be kanntlich der Körper Winter's gefunden wurde. Es sind jetzt Anhaltspunkte vorhanden, wo der Sack nebst Papier geblieben ist. eine Frage, die früher offen gelassen werden mußte. Es konnte seinerzeit nur sestaestellt werden, daß wenige Tage vor dem Leichen funde der Schneidermeister Plath die Packleinewand erhalten hatte. Oesterreich. Das Urtheil im Prozesse Hilsner ist gefällt. Tie Geschworenen haben den Angeklagten einstimmig der Mitthateffchast an den beiden Morden, denen Agnes Hmza und Marie Klima zum Opfer gefallen sind, tthnldig gesprochen, der Gerichtshof hat die Konsequenz dieses Wahrspruches gezogen und Hilsner zum Tode verurtheilt. Das Verdikt der Geschworenen von Pi'cck ist somit gleichlautend mit dem im Vorjahre in Kutten berg gefällten Wahripruch, doch bejaht es die Mitschuld Hilsner's auch bezüglich der Ermordung der Klima. Daß die Geschworenen die Frage auf Mord einstimmig verneinen, die Frage auf Mit schuld iedoch einstimmig bejahen, ist von großer Bedeutung. Sie geben dadurch der Ueberzeugung Ausdruck, daß Hilsner den Mord in Gemeinschaft mit Anderen verübt habe, demnach ei» bloßer Lustmord nicht vorliegt, sondern ein Mord aus anderen Motiven, so daß die Annahme eines Ritualmordes nicht schwinden wird. Vor dem Gecichtsaebäude in Pilek fanden nach Schluß der Prozeßvcrhandlungen lehr lebhafte antisemitische Kundgebungen statt. Die österreichische Bischofskonferenz erließ an alle Gläubigen eine Aufforderung, mit allen Mitteln gegen die Duell - Unsitte anzuknmvlen. Afrika. Aus Lourenyo-Marqnes wird berichtet: Eiu ver wundeter Bur, der bei Lecombo gelangen wurde, bat vor dem Tode erklärt, die jetzt im Felde stehenden Buren hätten einen Eid geleistet, die Unabhängigkeit dcs Landes zu erkämvfen oder zu sterben. Sie trügen ein Abzeichen mit dein Todtenkops ans der Brust. Die aus Transvaal von Lord Roberts ausgewiesenen Buren sind für die englische Regierung zur Zeit eine große Beunruhigung, da sie ein Bindeglied zwilchen den Afrikandern der Kapkolonie und den Buren in Transvaal bilden und auf diele Weise die Beziehungen zwischen den beiden Stämmen aufrecht erhalten. Nach einem Telegramm der „Daily Mail" aus Pretoria soll Botha dem Feldmarschall Roberts mitgetheilt haben, unter welchen Bedingungen er bereit sei» sich zu ergebe n. Der Krieg i« Cbina. In den Berichten der deutschen Gesandtlchnft in Peking dom 31. Mai bis 29. August 1900, die in einer Soiiderbeilnge des „Reichsanz." wiedergegeben werden, wird über die Ermordung des deutschen Gesandten, die am M. Juni geschah, rin Promemoria des Dolmetschers Cordes veröffentlicht, der den F-rei- herrn v. Ketteler aus seinem TodeSritt begleitet hat und selber schwer verwundet wurde. Da außer ihm kein Europäer bei dem Vorfall zugegen war. so muß. wie es in dem Bericht heißt, leine Darstellung der Ereignisse als die einzig authentische bezeichnet werden. In diesem Bericht des Dolmetschers Cordes heißt es: Len v. Ketteler sträubte sich dagegen zu glaube», daß dre chine sische Regierung ernsthast den Gesandtschaften eine Frist von 24 Stunden zum Verlassen der Hauptstadt gegeben Hab«. Die betreffende Depesche sei vom Wahnsinn diktirt. Man dürfe, ohne einen letzten Versuch zu machen, nicht eine schwer errungene diplo matische Position ausgeben, deren Wiedererlangung Milliarden kosten würde. Deshalb wurden in einer Antwortnote, die dem chinesischen Ministerium um 9 Uhr Abends am 19. Juni zngestellt wurde und über deren rechtzeitige Ablieferung eine Quittung vor- lieat, die Prinzen Tsching und Tuan für den nächsten Morgen um 9 Uhr um eine Unterredung im Tsungli-Aamen gebeten. Spät Abend suchte Cordes in einer längeren. Unterredung mit seinem Cbef im Garten der deutschen Gesandtschaft diesen von seinem Entschluß abzubrinaeii, aber ohne Erfolg. Um 6 Uhr Morgens fand t« der französischen Gesandtschaft am 20. Juni noch eine Konferenz statt. Kurz noch 8'/» Ubr knm Herr v. Ketteier allein aus dieser Versammlung und sah etwas nervös aus. Als er und Cordes die Sänften bestiegen, meinte er, ob cs nicht vielleicht ge rochen sei. die bewaffnete Eskorte zuiückzulassen. Auch Cordes war gänzlich unbewaffnet. Er schloß sich der Meinung des Ge sandten an, daß die Eskorte besser zurückbleibe, da die überall herumlnngernden kleineren Trupps chinesischer Kansu-Soldaten ihn bisher hatten frei passiren lasse», ja sogar mehr oder weniger freundlich mit ihm gesprochen hätten. Der Anblick von fünf mit Gewehren bewaffneten fremden Soldaten hätte ans jene verwilderte Soldateska entschieden eine Herausfordemde Wirkung haben und sie zu Thätlickkeiten ausrrizen müssen. An der österreichischen Barrikade auf der Chang-cin-Straße begegneten Beide noch einmal der deutschen Eskorte und Herr v Ketteler sagte schließlich dem befehligenden Unteroffizier: „Sie bleiben hier, bis wir aus Sicht sind. Dann kehren Sie in die Gesandtlchnft zurück; ick brauche Sie nicht." — Wir gingen die Chang-an-Straße nach Osten hinab. Ich sah, wie der Führer der Sänftenträger den Vorhang vor der Sänfte deS Gesandten herablassen wollte, und hörte, wie Herr v. Ketteler sich dieses verbat. Mir gefiel dieses neue Ze lcheinlich Mandichu) in voller Uniform, Mütze mit 8. Di Rang- knops und blauer Jeder, in Anichlagstellung. die Gewelnmündung kaum einen Meter von dem Seitenfenster der Sänfte entfernt, genau da. wo sich der Kops des Herrn v. Ketteler befinden mußte — mit dem Gewehr der Bewegung der Sänfte sotaerüi. Nickt einer der 9 Sänftenträger, deren Aufmerksamkeit allerdings wohl auf den Boden gerichtet war. hatte von dem Auftreten der Erscheinung das Geringste gesehen oder gehört, denn jeder ging ruhig s' ines Weges. Ich ries entsetzt „Halt". In demselben Augenblick krackte der Schuß des Bannerloldaten vor mir — die Säusten wurden hingeworlen — ich sprang aus und erhielt in diesem Moment einen Schuß von links hinten, der den oberen Thell meines linken Oberschenkels und de» Unterleib durchbohrte. Der Schuß war wahrscheinlich, ebenso wie bei Herrn v. Ketteler auf meinen Kovs gezielt gewesen, aber durch das Hinwerfen der Sänfte und mein Auffpringen deplazirt worden. Ais ich den eine Halbthür bildenden Vorhang vor »reiner Sänfte entfernt hatte und in der Oeffnung derselben stand, iah ich die Sänfte des Herrn Gesandten noch vor mir stehen. Von ihm selbst war nichts zu leben oder zu hören. Ein Augenblick des Zauderns war sicherer Tod. Ich lies so out ich konnte, von lebhaftem Gewchrieuer ver folgt, nach der nächsten schützenden Straßenecke halbrechts etwa 60 Schritte vor mir. Im Moment, bevor ich dieselbe erreichte, sah ich mit einem Blick »ach rückwärts die Sänfte des Gesandte» noch auf dem Straßendamm stehen, ohne von ihm selbst jedoch das Geringste zu bemecken. — Die Seitenstraße war ganz menschen- lcer. Man seuerte weiter in die enge Gasse hinein hinter mir her. Nachdem Cordes dann weitere Mittneilungen gemacht hat über die Art und Weile, wie er sich selbst mühsam leinen Veriowern entzog, drückt er tue Meinung aus. daß Herr v. Ketteler durch die Kugel des Bannersoldate» durch den Kopf geschossen sofort lautlos z» iammengeiunken ici. Cordes hält die ruchlose Biuttbat für einen sorgfältig vorbereiteten „Racheakt eines oder mehrerer hochstehender Vertreter der chinesischen Regierung, die Herr v. Ketteler in seiner offenen, männlichen Art des doppelten Spieles und der Kollusion mit den Fanstleute» in letzter Zeit wiederhott und zum Tbeil in s Gesicht be'chuldigt hatte. Dies waren hauptsächlich: Kang-yi. Ju»a-lu, Prinz T«an. Cbung-lr. Herzog Lan. Vmg-nien, Dung lu-hsiang u. A." Mitaelheilt werden im „Reichsanz." ferner noch ein Bericht des chinesischen Reitknechts der deutschen Gesandtschaft und Einzelheiten über die Auffindung der Leiche des Herrn v. Ketteler. Am 1». August wurde aus Grund einer von chine sischen Anwohnern der Hatamen-Siraße erstatteten Anzeige die Leiche ausgefunden: „In der „Shuai-fu Hutung" genannten Seitengasse der Hntamen-Straßc. wenige Schritte von der Stelle entfernt, wo nach Angabe des Dolmetschers Cordes die Ermordung stattgesnnden hatte, war an die Außenmauer eines auf der nörd lichen Seite der Gasse gelegenen Haules ein Erdhügel ausgehcmfl, unter weichem ein großer chinesischer Hoizlarg vorgefunden wurde. Nach Oeffnung des äußeren massiven und eines inneren leichten Deckels fand sich eine schon stark in Verweiung iibergegangene Leiche vor. Dieselbe wurde von sämmtlichen Erschienenen: 1. an der Farbe »nd Länge des Haupthaares. 2- an der Farbe und Form des Schnurrbartes. 3. an der Größe und Gestalt des Kor vcrs. 4. an den bei der Leiche Vorgefundenen Kleidungsstücken, als dicicnige des kaiserlichen Gesandten. Freiherrn v- Ketteler. an erkannt. Hierauf wurde der Sarg geschlossen und nach der Gesandtschait überführt." Nach offiziösen Mittheilnngen sind von den für die deutschen Truvven in China gekaufte» 3060 australischen Pferden aus der Fahrt von Australien nach China etwa 600 zu Grunde gegangen. Den größten Verlust hatte das erste Transportschiff zu erleiden, das 500 Pferde an Bord hatte, davon aber nicht weniger denn 300 in Folge eines schweren Taifuns verlor. Von San Francisco sind für die deutschen Truppen rund 2000 Pferde geliefert worden, die. soweit bisher bekannt geworden ist, die ileberfahrt nach China gut bestanden haben. Alle Pferde waren bereits an den Sattel ge wöhnt oder zum Ziehen benutzt worden, lo daß zu erwarten ist, daß sic im Felde gut zu gebrauchen lein werden. Aus Deutsch land sind, allerdings unter Aufwendung sehr hoher Kosten. 26 aus erlesene Olsiz'erpferde mit nach China genommen worden; sie haben trotz der großen Gefahren, die mit der Durchfahrt durch das Rothe Meer verbunden sind, die Ausreise nach China gut über standen. Von 200 französischen Pferden, welche die Fahrt über das Rothe Meer machen mußten, sind gegen 60 Pferde zu Grunde gegangen. In den Arsenalen des Aangtlethales herrscht fieberhafte Tbüti gleit. Man glaubt, daß daselbst lür Rechnung der verbündeten Regierungen gearbeitet wird. Täglich werden mehrere Tausend Stück Schieß- und Stichwaffen sabrizirt. Die meisten davon gehen aus dem Arsenal von Nanking hervor. WaS das Arsenal von Shanghai betrifft, so hat dasselbe niemals aufgehört zu arbeiten. Es verlautet, ein Kaiserliches Edikt sei erlassen, das die Absicht des Kaisers und der Kailerin-Wittwe, nach Peking zurück zu k e h r c n. ankündigt. — Die russische Kolonne ging am 4. ds. M. von Tientsin ab und kehrte am 9. ds. M- zurück. Sie bestand aus 330 Mann mit 4 Geschützen. Die Russen berichten, daß sich nichts von Belang ereignete, bis sie Hsiatsang erreichten, wo sie erfuhren, daß kailerlich chinesische Truppen aus Lutai die Ortschaft plünderten. Die Chinesen forderten die Russen ans, den Ort zu betreten. Die Russen weigerten sich und iandten ein Mti motum. daß. wenn nicht die Chinesen binnen einer Stunde ab gezogen wären, sie feuern würden. Die Zeit verstrich: die Russe» eröffneten das Feuer. Die Chinesen, welche 21M Mann mit 19 Geschützen zählten, flptjen, nachdem sie 200 Mann verlöre,- batten, mit ihren Gelchü-.m. Die Russen hatten keine Verlust, und fanden bei Durchsuchung des Ortes ein Magazin mir Muni tionsvorräthen und 200 modernen Gewehren: sic sprengten das Magazin in die Luft. Die chinesilche Bevölkerung der Stadl Tientsin zählt jetzt 600.000, wovon, wie man glaubt, etn Drittel Barer sind. Die Verbündeten verstärken die Garnison für den Fall eines Aufruhr». Knnst und Wissenschaft. f DaS Könial. Hofschauspiek ist mit frischem Wage muth seinem Publikum wieder einmal litterarisch gekommen: es hat gestern Abend Fritz Lienhard's einaktiges Schelmenspiel „Der Fremde" und sein dreiaktiges Lustspiel „Münchhausen^ zum ersten Male in Gegenwart des Dichters aufgeführt. Dank starker Kürzunaen des Buchterles und einer vorzüglichen Besetzung de, Titelrollen mit den Herren Froböse und Müller errangen beide Stücke einen Erfolg, und zwar das erste einen beinahe ent schiedencn und allgemeinen, das zweite nur einen halben, zögernd zugestandenen, da hier die seine Satire, die Tragikomik des Ganzen nicht offensichtlich genug in die Erscheinung trat, und in dem Schwall der Worte der Tielsinn mancher lcmen Wendunq erstickt wurde, wie denn überhaupt der mehr epische Charakter dieser Dichtung ihrer dramatischen Wirkung beträchtliche» »nd fühlbaren Abbruch thai. Doch stehen beide Bühnenarbeiten des Autors, der als einer der stärkste» „Könner" der neu entdeckten, aber uralten „Heiinatb- kunst" aewürdigt werden muß. nach Maß und Art um ein Beträcht liches über dem Durchschnitts-Niveau der landläufigen dramatische» Dntzendwuare und wende» sich vornehmlich an ein litterarisch gc bildetcs Publikum von Urtheil und Geschmack. Das gefährdet oder kan.» zum wenigsten sehr leicht die allgemeine Wirkung der Stucke niehr oder minder gefährden, wie das am meisten und stärksten bei „Münchhausen", last gar nicht bei dem „Fremden" gestern zu bemerken war. Dieses, wie jenes Stück, aus einen, ge sunden und tiefe» Empfinde» heraus geschaffen, borgt die äußeren Geschehnisse seiner Fabel ans der deutschen Sagendichtung und wählt seinen Helden aus der Reihe der populären Figuren der Volkspoesie. -Denn der „Fremde" ist Till Eulenspiegel und „Münchhausen" der große freiherrliche Aufschneider dieses Namens, . . . .. en der männlichen Art meines Chefs, und ich folgte seinem Bei- den schon Jnimcrmnnn litteratursähig gemacht bat; aber Fabel, spiele. So bogen wir mit offenem Visir in die Hatamen- j Problem und Gestalten sind ethisch verklärt und vertieft, so daß strahe hinein. Hier stand eine Menge Menschen, welche uns die alten Geschichten durch eine aanz eigene Beleuchtung einen neuen, mit Interesse betrachteten, ohne iedoch die geringste Neigung zu besonderen Sinn erhalten. Dadurch bekommen die „Spiele" Feindseligkeiten zu zeigen. Unsere beiden Sänften gingen zwar etwas ungemein Persönliches und gewinnen an intimen Reizen, auf dem erhöhten Straßendc-aim dicht hintereinander. Von aber das Drama als solches in ihnen, besonders wieder „Münch- den beiden chinesischen Reitknechten ritt eiwr wie gewöhnlich vor-' Hausen", verliert an Klarheit und Bestimmtheit der Couture», an aus, der andere folgte den Sänften. Als wir den Tungtan-, der theatralischen Treffsicherheit keiner künstlerischen Absichten. In Pailou (Ehrenbogen) passirtrn, sah Ich einen von 4 oder 5 Lanzen-, wie weit und warum cs dem Dichter, der nach dem Schelme,>- trägern begleiteten chinesischen Karren vor unS. Dieser Karren spiel und auch am Schluß von „Münchhausen" freudig begrüßt elte eine Weile meine Aufmerksamkeit- AIS <4 den Blick von vor der Gardine erscheinen konnte, trotz alledem gelungen ist, ihm wieder auf die 3 Schritte vor mir Gesandten richtete, sab ich etn Bild. Sekunde »um Stocken brachte: Links soeben die Bolizeistation nöckllch des genannten Vaiko« passirt getragene Sänfte deS Herrn ! in seinen beiden Stücken Werke von nicht zu unterschätzender Bc- welches mein Blut eine deutung für unsere zeitgenössische Litteratur und umer Theater zu neben der Sänfte, welche, schaffen, — davon soll morgen des Weiteren die Redetet». V. iolff. Dresdner Nachrichten. Nr. 31«. Sette S. »»» Freitag. 1«. November IS««
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