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- Erscheinungsdatum
- 1873-08-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-187308132
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18730813
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18730813
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1873
-
Monat
1873-08
- Tag 1873-08-13
-
Monat
1873-08
-
Jahr
1873
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'MU-Ti Nummern l N,r. «ulliige: ,l,«o Mr die MlSgode ein»»» I°"d!er Manulerlpte macht «ich die Redaclto» nicht »erbtndlich. Ins«r-1«n>»n»odme an». wir»».- S»»««L»t4la aal V»,I« in Itn' «in »re«iau, - »aL ' Leipzig, I 'ranifurt. M n «er«», , Limburg. fort a- «.. Mlln- - 0»»d» 0 Vs. in ankfurt Vi. — »r. Ä»t in Wemnttz. — U». em>,U>ü>tt«, valliar » c»> in Part». Tageblatt Druck und Mgenthumd« Herausgeber: Ltepfch ckr Neichardt tn Dresden. Verantwortl. Redakteur: Julius Neichardt. a, »nn»«««- dan un» unbe» ylrme» ». Per sonen tnlertren »tr nur «egen Pr-imwearando. Ladlun» durch vrtei- marke« »der Lolletnaah- «U»»Ese können die Zadlung «tch aus eine»«" anvetsen. Nr: 2SS. Achtzehnter Jahrgang. Mtrebacteur: Für datz Feuilleton: br Lurit Lresden, Mittwoch, 13. August 1878. Politische». Di« Unterwerfung des Hauses Orleans unter die ältere Linie der Bourbonen, diese nunmehr vollbrachte Thatsache, gewinnt in einer Weise Anhang in Frankreich, die man nicht für möglich gehalten hätte. Vergessen hat der Graf von Chambord die geschichtliche Heimtücke der jüngeren Linie gegen die ältere, vergessen, daß man die Orleans bezichtigt, die Mehrzahl der direkten LeibeSerben Lud wig XI/. beseitigt zu haben, vergessen, daß der später berüchtigte Philipp Egalite wiederholt Ludwig X l V. nach dem Leben trachtete, daß er Im Convente für dessen Hinrichtung stimmte, vergessen, daß Philipp» Sohn, der nachmalige König Lome Philipp bei dieser Ab stimmung seines Vaters von der Galerie aus Beifall klatschte, ver gessen, kiäß derselbe Bürgerkönig an dem Sturze seines Vaters Carl X. wesentlichen Antheil und erhebliche Vortheile daran hatte — in Frohsdorf bei Wien fand die Rührscene der Versöhnung statt. Der Enkel des von Louis Philipp vertriebenen Carl X., der Graf von Chambord, umarmte den Grafen von Paris, den Enkel Louis Phi lipp'». Nachdem alle Vorbereitungen zu der Versöhnung getroffen waren, ging der Graf von Paris am 5. nach Frohsdorf. Der Graf von Chambord erwartete ihn in einem Salon, empfing ihn stehend, und nachdem er ihm die Hand gereicht, setzte er sich und bat ihn, sich niederzusetzen. Darauf sagte der Graf von Paris: „Sire! Ich komme, um Ew. Maj. einen Besuch abzustatten, den ich schon seit langer Zeit zu machen wünschte. Ich komme, um in meinem Namen und in dem aller Mitglieder meiner Familie Cw. Maj. meine ehr furchtsvolle Huldigung nicht allein als dem Oberhaupt unseres Hauses, sondern auch als dem einzigen Repräsentanten des monar chischen PrincipS in Frankreich darzubringen." Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: ,Hch habe die Hoffnung, daß der Tag kommen wird, wo die französische Nation begreift, daß ihr Heil in diesem Princip ist, und es ist nur dort." — Bet diesen Worten erhob sich der Graf von Chambord mit Thränen in den Augm und öffnete seinem Vetter die Arme. Die Versöhnung war eine vollständige. Die Unterredung nahm alsdann einen intimeren Verlauf. Am näm lichen Tage begab sich Graf von Chambord nach Wien ins Hotel „Zum Kaiser", wo sein Vetter abgestiegen, und erwiderte den Besuch. Der Graf von Paris empfing ihn an dem Hausthor. Mehrere in dem Gasthause wohnende Franzosen waren bei dem Empfang anwe- fmd mck «staunten über dessen Herzkichlch, So lautet tn« Dar stellung Und, «a» da« Wunderbarste ist: dteÄHatsache der Ver söhnung macht in der öffentlichen Meinung Frankreichs unleugbare Fortschritte. Zeitungen, wie das „Journal des Döbats", die bis vor jütrzem noch die Republik des Herrn Thiers vertheidigten, treten für die Wiederherstellung der Monarchie ein. Man rechnet sogar darauf, daß sich eine Mehrheit in der Nationalversammlung fände, welche die Monarchie Heinrich V. proclamirte. Erhebt das Land keinen Einspruch, so sei, berichtet man, die Restauration der Mon archie spätestens im Januar zu erwarten. Gambetta, das sichtbare Haupt der Republikaner, fühlt bei dem Anblicke der aus einem Ge wölle von Jntriguen und Winkelzügen allmählich herabsinkenden KönigSkron« starke Beklemmungen. Er ruft aus: Frankreich fühle sich zwar jetzt noch gegenüber den Schlichen in Frohsdorf von einem unermeßlichen Mitleid bewegt, das aber, wenn man plötzlich chm Gewalt anthun wollte, sich leicht in einen furchtbaren, unauslösch lichen Zom verwandeln könnte. „Denn", ruft er drohend aus, „die Geduld hat ihre Grenzen, und wenn sie, gewaltsam erschöpft, den Platz der Lechenschaft und der Wuth räumt, wer weiß, bis zu wel chem immer beklagenSwerthen Aeußersten sich eine Nation verliert, deren Rechte man verkannt, deren Ueberzeugungen und Interessen man zertreten, deren theuerste Gefühle man beschimpft hat?" Was den Marschall-PAsidenten Mac Mahon betrifft, in dem sich wieder um, wie kurz zuvor in'der Person des Herrn Thiers, die französische Republik jetzt verkörpert, so schmeicheln ihm die Unzufriedenen aller Seiten, die Republikaner mit Worten des Vertrauens in sein biederes Coldaten-Wort, die Bonapartisten mit der Erinnerung an die Wohl taten, die er dem Kaiserthum verdankt ider Prinz Plonplon mahnt ihn sogar, daß er Pathe bei einem seiner Kinder gewesen!) und mit der Aussicht auf eine Krone für sein IZjähriges Töchterchen, die der 17jährige Lulu heimführen solle, um sie gleich dem Vater, der Eugenic so unebeubürtig wählte, neben sich auf den Thron zu setzen. Der Marschall hält aber fest bei seinem Vorsatz, die Armee in Ordnung zu bringen und die höchste politisch« Stelle sobald wieder aufzugeben, als eS die Verhältnisse gestatten. Und er hat in der That keinen anderen Ehrgeiz aus dem Grunde schon, weil er sich einer wirklichen politischen Rolle nicht gewachsen fühlt. Die gegen die Insurgenten von Andalusien siegreiche spanische Regierung geht mit dem Plane um, die Corte» auf längere Zeit zu vertagen. Sie will in ihrem Werke, Ruhe und Ordnung um jeden Preis herzustellen, nicht durch die fortwährenden Interpellationen der Helfershelfer der Internationalen, die in den Cortes sitzen, ge hindert sei«. Das englische Ministerium hat eine ziemlich« Umgestaltung erfahren. Die schroffe Unverträglichkeit, die ungeduldige Rücksichts losigkeit de» Schatzkanzlers Lowe hat mehrere der tüchtigsten Mit glieder de» Mimsterium» Gladstone veranlaßt, ihre Portefeuille« niederzulegen. Mit welchen Persönlichkeiten die erledigten Posten besetzt sind, interessirt uns wenig«; wir heben nur hervor, daß die Mehrzahl der englischen Blätter e» bedauert, daß der Premierminister Gladstone nicht die günstige Gelegenheit beim Schopfe faßte, dm borstigen Gesellen Lowe los zu werden, daß er ihn vielmehr zum Minist« de« Innern beförderte, für welche Stellung er die aller schlimmsten Eigenschaften mitbringt. Sich seihst hat Gladstone noch mit dem Portefeuille de» Schatzkanzleramts belastet, da er keine paffende Persönlichkeit fand. Dieser Ausweg gilt allgemein nur als ein provisorischer. Eine Stärkung «hielt da» Ministerium Gladstone durch dm Eintritt des ehrlichen Demokraten John Bright. Im deutschen Reiche steht der Kampf der preußischen Regierung «gegen die Bischöfe obenan. Einen empfindlichen Schlag hat die Regierung der wiederhaarigen Geistlichkeit dadurch beigebracht, daß sie alle kirchlichen Amtshandlungen für null und nichtig erklärt, die von solchen katholischen Geistlichen verrichtet werden, die ohne Ge nehmigung der Staatsbehörde eingesetzt sind. Ehen z. B., die ein solcher Geistlicher einsegnet, sind vor dem Staate Concubinate. Die Bischöfe ihrerseits ordnen Gebete von wahrhaft erschreckender Länge an. Sie befehlen, um eines vom Papste verheißenen Ablasses theil- haftig zu werden, ein — 13stünvigeS Gebet; der Cölner Bischof begnügte sich mit einem lOstündigen. In dem unheiligen Berlin thun cS schon 5 Vaterunser, 5 Ave Maria, das Oloria voo in vxoolsis und die Litanei. Das letztere ist offenbar das Vernünftige und der menschlichen Natur angemessen. Denn es wird nicht ohne Grund behauptet, daß kein Mensch im Stande ist, länger als eine halbe Stunde im Zustande brünstiger Andacht zu verharren. Viele behaupten sogar, daß dieser Zeitraum noch zu lang gegriffen sei und daß schon nach einer Viertelstunde die innige Gemeinschaft der Menschenseele mit ihrem Schöpfer anderen Empfindungen Platz mache, im günstigsten Falle sich in eine Thätigkeit des Verstandes verwandle, sehr häufig aber in Herumschweifen und Jrrlichtereien oder in Beschäftigung mit Allotrien, zumeist aber in dumpfes, ge dankenloses Hinbrüten übergehen. Hoffentlich nehmen aber infolge der durch so lange Gebete zu erreichenden Sündenvergebungen und Ablässe die Verbrechen nicht zu sehr zu. Locale» v«d Sächsisches. — Der Geheime Rath ulck, ordentliche Professor der praktischen Staats- und Cameralwissenschaften vr. pd. Roscher in Leipzig hat das Ritterkreuz des schwedischen Nordsternordens erhalten. — Der Chef der sächsischen Gensdarmerie, Herr Oberinspec tor v. Cerrinr, ist seit einigen Tagen an einem gastrisch-nervösen Fieber erkrankt. — Zwei neue Cholera-Erkrankungs- und drei Todesfälle sind von vorgestern bis gestern Mittag zur Anmeldung gelangt. Von den gestern noch in Summa in der Stadt.befindlichen 22 Cholerakranken befinden sich 16 im Stadtkrankenhause und 6 in Privatpslege. — Der „C. Ztg." schreibt man aus Freiberg: Jetzt ist also die in meinen früheren Zuschriften vorausgesagte Guldencalamität hereingebrochen. Nachdem die Banquiers beim Import der öster reichischen Gulden beträchtliche» Gewinn erzielt haben — verdie nen sie ebensiwiü beim Exportiren derselben und wer trägt den Verlust? d« klein« Mann, wie man zu sagen pflegt. Wäre es jetzt nicht an der Zeit, wenn das k. Finanzministerium das von ihm abhängige Institut des Handelsbureaus der k. Hüttenwerke hier veranlaßte, die vielen Tausend Stück Gulden, die es von H. C. Plaut in Leipzig mit Gewinn bezog und die durch dasselbe und die verschiedenen Bergwerkscassen — für voll als Lohn a» die Bergarbeiter ausgegeben wurden (Hört, Hört!), auch wieder für voll einzulösen? —- Aus den Büchern wirb ja genau zu er sehen sein, wie viel Gulden bezogen worden sind. Vielleicht würde das k. Finanzministerium die Einlösung veranlassen, wenn hiesige Gewerbtreibende und Geschäftsleute darum pelitionirten. — Hinsichtlich der gestrigen Notiz über die Explosion in Grau- denz wird uns heute mitgetheilt, daß dieselbe zunächst nicht Donners tag, am 7., sondern Freitag am 8. dies. Mts. Mittags erfolgt sei. Leider ist auch das Unglück größer, als wir es gestern nach der „Const. Ztg." berichten konnten. Die Erstickten sind: 1 Hauptmann — nicht Preuße, sondern Badenser—2 Sergeanten und 4 Pionniere, ob auch Sachsen von den dortigen 2 Compagnien sächsischer Pionniere bei der während des Minirens erfolgten Explosion verwundet oder getödtet worden, werden wir erst noch erfahren. Daß man sich übrigens der Gefährlichkeit dieser Arbeiten vollständig bewußt ist, ergiebt sich aus folgender Correspondenz des „Franks. Journ": Die Graudenzer Manöver inüssen auch der medicinischen Wissenschaft dienen. Es ist bekannt, daß bei dem Sprengen von Minen die in diesen beschäftigten Mineurs vorübergehend — in Folge des starken Luftdrucks, der Detonationen u. s. w. — in einen sonst zwar unge fährlichen, aber doch manchmal bis drei Tage andauernden bewußt losen Zustand verfallen, den man mit dem technischen Ausdrucke der Minenkrankheit bezeichnet. Zur Beobachtung dieser letzteren ist bei den Graudenzer Hebungen eine besondere Commission ernannt wor den, welche aus dem Oberstabs- und Regimentsarzt vr. Thalwitzer, dem Stabsarzt vr. Schultz« und dem Professor vr. Finkencr besteht. — Der „P. Anz." schreibt: Während Sachsen den Ruhm für sich in Anspruch nimmt, in Deutschland an der Spitze der Bestreb ungen für allgemeine Volksbildung zu stehen, während eS in der Wien« Weltausstellung ein erfreuliches Bild von Lehrgegenständen für den Anschauungsunterricht in den Volksschulen hingestellt hat und Lehrer auf Staats- wie auf Gemeindekosten nach Wien gesendet worden, um ihre Kenntnisse zum Nutzen der Heranwachsenden Ge neration zu bereichern, haben wir heute und zwar aus nächster Nähe, unmittelbar an der böhmischen Grenze, leider einen Ausnahmezu stand zu berichten. In dem Kirchdorfs Markersbach bei Gottleuba betreibt der dortige Lehrer, der wohl auch bei seiner Verpflichtung als Volksbildner versprochen hat, Unglauben und Aberglauben zu bekämpfen, ein Heilverfahren, das auf den Aberglauben und die Dummheit der Menschheit berechnet, ein recht ausgedehntes ä la Philippsdorf zu werden verspricht und jedenfalls dem Wunderdoktor erklecklicheres Einkommen nebenbei gewährt, als dies bei seiner Kirchschulstelle der Fall ist. Der Herr Lehrer heilt nämlich durch Sympathiemittel und werden un« unter andern folgende Methoden mitgetheilt: Lateinische Formel» und Sprüche werden in gewisser systematischer Weise auf einen Papierstreifen von ihm geschrieben und hat d« Kranke dieses Heilmittel entweder in natura zu ver schlingen, oder aber als Amulet auf irgend einem Theile des Kör pers geborgen bei sich zu tragen. Wem da» Verschlingen des Papier streifens Mühe macht, kann denselben auch in eine Fleisch- oder Brodhülle gefastet, emnehmrn. Wat mögen die Schulkinder von Markersbach für Ehrfurcht vor ihrem Herrn Lehr« haben, der zu gleich ein Wunderdoktor ist! Dem Vernehmen nach nimmt derselbe das nöthige geistige Fludium, womit er seine Papierstretfen tränkt, vorher erst durch einen Trunk aus einer Flasche in sich auf. — Da wir einmal beim Capitel „Aberglauben" uns befinden, so notiren wir noch, daß ein hiesiger Einwohner in der Gegend von Mockethal recht gute pecuniäre Geschäfte mit dem Austreiben des Teufels aus Viehställen und aus dem Viehs selbst machen soll. 0 oauots. simxlioitas I — Unsere sächsische Schweiz ist abermals um einen An ziehungspunkt, der dem lieblichen Herrnskretschen zu Gute kommt, reicher geworden. Unweit der Haltestelle Schöna entfaltete sich am Sonntage zum ersten Male eine Riesenfontaine, welche nach der Anlage bis über 200 Fuß hoch in den Lüften ihre Spitze erheben soll. Die vorüberfahrenden, von Bodenbach und Krippen kommenden Eiscnbahnzüge fuhren durch den sich weit hinziehen den fein vertheilten Wafserstaub hin und erregte di« Fontaine die Aufmerksamkeit der Passagiere. Schon von Niedergrund war dieß sichtbar und erst bei der Biegung an der Haltestelle Schöna ver lor sich der herrliche Anblick. Vom Hcrrnhause in Herrnskret schen ist diese Fontaine am besten zu sehen. Das Bemerkens- werthe dabei ist, daß die Fontaine eine natürliche, d. h., daß die Wasser liefernde Quelle 350 Fuß hoch zwischen Felsen in einem Reservoir aufgcfangen und von dort mittelst Röhren hinunt« ge leitet wird. Diese enorme Wasserkraft wird zum Betriebe der einer Actiengesellschaft gehörenden Hanfspinnerei benutzt, und soll die Besichtigung der Wasserleitung, welche einzig in ihrer Aktiv Deutschland dasteht, gern erlaubt sein. — Carlsbad, 9. August. Da Sie meinen letzten Plaude reien freundliche Aufnahme in Ihrem Blatte nicht versagt haben, so lege ich mir dies so aus, als ob auch eine Fortsetzung solcher schlich ter Mittheilungen über das Treiben in hiesigerBade-RepublikJhnKr genehm sein würde. Republik? Ja, am Brunnen, in den Prome naden ! Hier nämlich hört jeder Geburts- und Standesunterschied auf, der vollsten republikanischen Freiheit und Gleichheit Platz machend. Curgast ist Curgast, hier an den Brunnen, hier in den Promenaden, wo Jeder — ob Höchst- oder Aücrhöchstgeborcncr Fürst, oder niedrig und dunkel abstannnender Bürger und Bauer— seinen Becher Mühl- oder anderen Brunnens säbst an dem Aus schanke in Empfang nehmen und ausschlürfen (nun ja, das versteht sich von selbst!), aber auch durch selbsteigenes Promeniren der Ver dauung und Wirksamkeit zusühren muß. Wohl kann Der und Jener seinen Diener oder einen Dienstmann an die Kette der im Gänse marsch nach denr Brunnenquell Hinwallfahrenden anrechen und ihn dann an solchem letzteren erwarten, um ihm da den gefüllten Becher abzunchmen und zu leeren; allein nachdem dies geschehen und « nunmehr die Zwischenpause von 15 bis 25 Minuten, überhaupt bis dahin, wo er wiederum einen Becher (den nächstfolgenden) zu trin ken hat, mit möglichst unablässigem, langsamen Spazierengehen aus- füllen muß, kann ihn keine reiche Equipage, keine Staatskarosse auf nehmen, um ihn aus dem Gewühl und der Frequenz der übrigen gleichbenöthigtenCurgäste hinweg- nach isolirterer und exemter Pro- menirgelegenheit und Atmosphäre zu führen. Dieselben Promena denwege, dieselbe Luft, welche von allen andere» hiesigen Leidensge fährten benutzt und genossen werden, sind es, welchen auch e r sich zuwenden und deren auch e r sich bedienen muß, und zwar in der Hauptsache ganz um die nämliche Zeit, zu welch« nicht minder da» gesammte übrige Cur-Publikum daselbst sich bewegt und drängt. Also: es lebe die Republik — die Freiheit und Gleichheit an der Brunnenquelle I — Was hingegen dem hiesigen Curgast am meisten beschwerlich fällt, das ist die hiesige ungesalzte und unge- schmalzte, angeblich curmäßige Kost; möge man hingehen, wohin man will, überall die gleich schmacklosen und faden Fleisch- und an deren Speisen, wenigstens soweit sie dem Curgaste erlaubt sind, und zu Allem, möge es Kalbs- oder Rinderbraten, Schnitzel oder Beef steak, gebratenes Huhn oder gebratene Ente sein, dieselbe nichts sagende oder vielmehr unverständliche Brühe! DaS Einzige, wa» Nicht-Eingeborenen, außer dem Kaffee, hier mundet, sind dir Suppen, welche allerdings von vortrefflicher Beschaffenheit zu sein pflegen und deren Salzmangel besser, als dies bei anderen Speisen der Fall sein kann, wenn selbige nicht gleich vonvornherein mit der gehörigen Salzwürze abgekocht worden sind — durch Nachsalzen sich abhelfen läßt. — Doch L proxos des Kaffees, so will ich auf die Einsprache eines mir befreundeten hiesigen CurgasteS noch Nachträgen, daß auch auf dem sogenannten „Schweizerhof", ganz unweit des von mir gerühmten Kaffee-OrteS „Schönbrunn" ein höchst vortreffliche» dergleichen Küchenproduct, nach Ansicht des in Rede stehenden Herrn Reclamanten das allerbeste, vortheilhafteste zu sich genommen wird. Das Zureisen von neuankommenden Badegästen ist übrigen» hier noch im vollen Gange, denn die heute ausgegebenen hiesig« Curlisten Nr. 213, 214 und 215, welche den bis mit 5. d. einae- troffenen Zuwachs verzeichnen, weisen aus, daß bis mit dahin 11630 Bade-Parteien mit einer Personenzahl von 15,983 hieran gekommen sind. Doch will es scheinen, daß der großartigste, über triebenste und blendendste Damengarderobe-Luxus bereits mied« von hier sich weitergewendet habe, obwohl reiche und geschmackvolle Toi- letten-Pracht noch genugsam hier anwesend und vom schönen Geschlecht vertreten ist. Auch hat die hiesige Bade-Saison noch nach ein« anderen Richtung hin eine wesentliche Abmin derung der Curgaste - Präsenz erfahren; während es nämlich bis vor wenigen Tagen noch von einer fast übergroßen Anzahl geist licher Herren wimmelte, sieht man gegenwärtig deren nur noch ver- hältnißmäßig wenige, darunter auch nicht mehr ein Paar Patres aus der Gesellschaft Jesu mit breiten Hüten und langen, schwarzen Talaren, sowie einen Mönch in brauner Kutte und Kapuze und mit Strick um den Leib, welche täglich die hiesigen BrunnenauSschank- stättcn und Promenaden bisher mit ihrer Gegenwart beglückt»«.
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