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Politisches. Geldknappheit, empfindliche Geldknappheit trotz der Milliar denzahlungen; Discontoerhöhungcn und Goldzusluß - Alles an einem Tage. Wäre die Sache nicht so verzweifelt ernst, sic wäre humoristisch. Curios ist sie jedenfalls. Frankreich zahlt unä Millionen über Millionen, aber die solidesten Häuser in Deutsch land schwitzen Blut, um Geld flüssig zu machen. Ringsumher flimmert cs förmlich vor den Augen Deutschlands von Gold füchsen, aber unsere Geschäftswelt fühlt Tantalusqualen, die Schätze existiren nicht siir sie. Deutschland gleicht dem Könige Mchas, was es angreist wird Gold; aber wir können dabei Hungers sterben. Die pfiffigen Franzosen kühlen ihr Müthchcn an uns. Sie sind klug genug gewesen, dem deutschen Geldmärkte die hauptsächlichsten Ratenzahlungen der Milliarden aulzubürdcn; unser Geld geht nach Frankreich, damit es von dort wieder zu uns zurückkehrt. Es ist ein Riesenrundlauf des Geldwanderns, wie er noch nie da war, und er wird uns die Geldknappheiten so lange wiederholen, als die Milliardenzahlungen dauern. Denn vorläufig profitirt nur die deutsche Militärverwaltung von dem zu uns strömenden Golde. Sie versieht sich aus Jahre hinaus mit allem Möglichen. Graf Noon ist einer der glücklichster Kriegs minister. Ehe der Milliardenstrom dazu kommt, die Eivilressorts zu tränken, leitet und dämmt er ihn für allerhand Militärbedürf nisse ab. Er wäre thöricht, wenn er eS nicht thätc; solch' eine gute Eonjunetur kommt vielleicht nie wieder. Woher stammt das Rufen der Goldonkels, Nr. Nürnberger u. Gen.: Fort mit den österreichischen Guldenl? Ist er nicht ejne gute und bequeme Münze ? Warum macht »ran ihn zu einer Art Gaunermünze? Diese Frage beantwortet die „V. Z." sehr richtig dahin, daß der Silberguldcn für unsere Goldonkels den unverzeihlichen Fehler hat, daß er viel zu gut ist. Auf Grund der Mürrzcpnvention von 1857 geprägt, ist der Silbergulden eine gerade so gute Münze, als unser harter Thaler. Dieser aber ist jenen ein Dorn im Auge, rvcil er zu viel Silber enthält. Aus gleichem Grunde ist der Gulden ihnen verhaßt. Dem Volke soll ja 'wie sie trachten und planen) das gute Silbergcld entzogen und verschlechtertes eingehändigt werden. In Deutschland blüht ihnen die Hoffnung, daß der Bundcsrath in dieser Richtung arbeitet. Gute Silbermünzen werden ja nicht mehr geprägt, Höchsteno Ehe jubiläum schaler; verschlechterte Silbermünzcn stehen in Aussicht. Natürlich gcnirt die Goldonkels der gute österreichische Silber- gülden, da das Volk diesem den Vorzug vor den verschlechterten Münzen geben und vollwcrthige Prägungen fordern wird. Sie verlangen daher, daß dem Gulden die Thore des Reichs ver schlossen werden. Dann würde abermals ihr Weizen blühen. Die Münzconvention zwischen Deutschland und Oesterreich hat janur den Zweck, das Kaufs- und Verkaufsgeschäst zwischen den Ange hörigen beider Reiche zu erleichtern. Die Goldonkels verlangen aber gerade Unterschiede derZahlungsmünzen, daß das Publikum bei jedem Geschäfte ihnen in die Hände fällt und Provisionen zahlt. Wir verlangen im Gegcntheile, daß man die österreichischen Gulden dadurch aus.dem Verkehr verbannt, daß Deutschland ein 2-Markstück prägt, das seine 20 Groschen werth ist, wie der j^mde Gulden. Wir verlangen, daß man die neuen Münzen so ptnhaltig ausprägt wie die jetzigen Thalermünzcn. Auch unser Wunsch geht-dahin, daß man den Thaler möglichst beseitige, aber das neue Geld sei vollwerthig! Kein jäher Sturz des Silbers, sondrrn eine maßvolle Entäußerung unserer Silbervorrüthe, am liebsten Umprägung der Thaler in vollwichtige Silberguldcn! Die bayerische Negierung wird ihren Landtag befragen, ob sie im Bundesrathe dem Anträge zustimmcn soll: das gcsammtc bürgerliche Recht der Zuständigkeit des Reichs zu unterstellen. Fällt die Abstimmung im Landtagssaale zu München dagegen aus, so läßt sich Bayern im Bundesrathe überstimmen. Auf alle Fälle setzt der Bundcsrath seine Abstimmung über den Antrag bis zum Späthcrbste aus, da vorher nicht die Willensmcinung des Bayerischen Landtags cingeholt werden kann. Im klebrigen hat Lasker im Reichstage selbst zugegeben, daß es nicht möglich und auch nicht wünschenswerth ist, das gesammte Gebiet des bürgerlichen Rechts dem Reiche zu unterstellen. Einzelne Ma terien desselben werden immer, da sie provinzieller Natur und Eigenart sind, der provinziellen Regelung unterworfen sein. Auch wird ein Einzelstaat so lange nicht behindert sein, gewisse Partieen des bürgerlichen Rechts selbstständig zu ordnen, als nicht das Reich die Sache in die Hand genommen hat. In Sachsen verlangt man z. B. seit vielen Landtagen ein Gesetz über die Regelung des Rechts der Benutzung fließender Wässer. Sollten wir so lange warten müssen, bis das Reich, das so viele andere wichtige Aufgaben hat, dazu käme, sich dieser schwierigen Materie zuzuwenden, so würde das unserem Volke nicht Zusagen. Solche und ähnliche Gründe mögen wohl den Abgeordneten Ackermann veranlaßt haben, seinen ursprünglichen Widerspruch gegen den Antrag fallen zu lasten. Tie wüsten Scencn, welche der Niederlegung der Präsident schaft der französischen Nationalversammlung Grevy's, vorher gingen, können als Vorspiel der Kämpfe betrachtet werden, welche Sei Regelung der künftigen Verfassung Frankreichs ausbrechen werden. Man stelle sich mehrere Hundert Deputirter vor, die brüllend und Fäuste ballend gegen einen bewährten Präsidenten, der nichts als seine Schuldigkeit gethan, losgehcn! Grövy galt bisher als der muthmaßlicheNachfolgcr von Thiers, wenn diesen, etwas Menschliches begegnen sollte. Er hat sich durch Redlichkeit und Unparteilichkeit einen makellosen Namen erworben und seinem Geschicke im Präsidium hat Thiers zum guten Thcile es bisher zu verdanken, daß er mit einer solchen Nationalversamm lung überhaupt regieren konnte. Er wird als Präsident schwer ersetzt und viel vermißt werden. Locales und Sächsisches. — Wenn in der letzten Sitzung des Landesculturraths der Rittergutsbesitzer Seiler den Schaden, den das Voigtland aus derKlauenseuche desRindviehes erlitten, auf nahezu Mil lion bezeichnet, hat er, wie man uns mitthcilt, hierbei weniger die Verluste im Auge gehabt, die durch den tödtlichcn Verlauf dieser Seuche herbeigesührt wurden. Letzterer tritt fast nur bei ganz jungen Thieren ein. Vielmehr hat er vorzugsweise an den Aus fall an Arbeitskraft gedacht, der dem Voigtlande durch die massen hafte Erkrankung von Zugochsen entstanden ist, da Zugochsen in dem gebirgigen Voigtlande die vortheilhasteste Bespannung bilden. . — Das Königl. Ministerium des Innern hat den Vertrieb von Loosen zu den Seiten des Mitteldeutschen Pfcrdezuchtvcreins zu Erfurt beabsichtigten Verloosung Ardenner Fohlen innerhalb des Königreichs Sachsen bis Ende September dieses Jahres gestattet. — Seit gestern hat der hiesige Gcflügel-Züchtcrvcrein im Saale des Gewandhauses eine Ausstellung eröffnet, die viele Gcflügclfreunde namentlich auch deshalb anlockt, weil mit der Ausstellung eine Lotterie verknüpft ist und man scnach für wenige Groschen werthvolle Thicre gewinnen kann. Wir haben hier nicht die Absicht, einen Eatalog der Ausstellung zu geben, sondern wölken nur constatiren, daß unter dem ausgestellten Ge flügel ganz besonders prächtige Exemplare befindlich. Nament lich sind die Tauben in reichster Zahl und der mannichsachsten Art vertreten und es gewährt ein nicht geringes Vergnügen, die besonderen Abweichungen der Arten untereinander zu studiren. Die Hühner sind in fast nicht minder reicher Zahl vorhanden und findet man unter ihnen nicht nur seltene Arten, sondern auch Spccialitütcn unter den einzelnen Thieren. Auch die bekannte Hromada'schc Naturalien- und Vögelhandlung ist neben anderem Geflügel mit ausländischen Singvögeln vertreten. Der große Saal muß mehrere Tausende von Hühnern und Tauben rc. ent halten und macht durch die Beweglichkeit der Thicre einen cigen- thümlichen Eindruck. Schwache Nerven muß man aber nicht mit hinnehmcn, denn wenn sich mitunter der Hähne und Hühner der Raptus bemächtigt und sie mit so weit als möglich auf- gerissenem Schnabel zu krähen — richtiger zu brüllen — an fangen, was wie ein Orkan durch die ganze Geflügel-Gesellschaft geht, dann ist dies fürchterlich! Doch nimmt man diesen Ohren schmaus schon einmal mit in den Kauf! — Die durch den Rückcritt des Wastcrbau-Directors Lohse erledigte Function des technischen Eommissars für das Stein- bruchwescn in den Gerichtsamtsbezirkcn Pirna, Königstcin, Seb- nitz, Schandau und Gottleuba ist vom Königl. Ministerium des Innern dem Baur th Löhmalin in Dresden übertragen worden. — Man sendet uns folgenden, seinem Prinzipe nach nicht verwerflichen und wohl auch ausführbaren Vorschlag eilt: „Um die für den Jnvalidcnfonds des deutschen Reichs bestimmten 187 Millionen Thaler recht nutzbringend anzulegcn, dürste nachste hendes Verfahren cmgeleitct werden. Man vcrthcilediesc Summe nach der Bcamtcnzahl der Einzclstaatcn an Letztere und erbaue dafür für die Beamten Wohnungen, wofür dieselben eine mäßige Miethe sehr gern entrichten würden. Die dadurch' gewonnene Summe verwende man alsdann an Stelle der Zinsen für Zwecke der Invaliden. Durch diese Manipulation würde erstens der Ealamität des Ankaufs von in- resp. ausländischen Staatspavie ren rc. vorgebeugt, und zweitens den Beamter, in Ansehung der ungewöhnlich hohen Miethpreise eine große Wohlthat erwiesen werden." — Die k.Kreisdirection in Leipzig hat vor, verschiedenen zu ihrer Kenntnis; gelangten Fällen, in welchen landwirthschaftliche Dienstboten eigenmächtig die Arbeit eingestellt, oder ihren Dienst vertragswidrig verlassen haben, neuerdings Veranlassung ge nommen, die Gerichtsämter des Leipziger Regierungsbezirks auf ihre frühere Verordnung vom 3. August 1872 aufmerksam zu machen, und von Neuem anzuwciscn, die Verordnung im allsei- tigcn Interesse empfohlener Verständigungen und Warnungen des Gesindes, nöthigenfalls ein nachdrückliches Einschreiten gegen etwa vorkommende Gesetzesübertretungen sich möglichst angelegen sein zu lassen? — Wenn jeder Anstands- und Ordnungsliebende wünschen muß, daß der sich offen zeigenden Brutalität und Rohheit die Schärfe des Gesetzes fühlbar gemacht werde, so ist cs gewiß allen so Denkenden bedauerlich, wenn wie vorgestern Nachmittag in der sechsten Stunde ein Mann, der sich brutaler Handlung schul- digßmachte, entkam, ohne zur Verantwortung gezogen werden zu können. Dieser „gebildete" Mann kam die Freibcrgcr Straße herabgegangcn in Begleitung eines großen und einiger kleineren Hunde. Vor ihm ging ein Vater mit seinen noch kleinen Kindern, welche fortwährend von de», großen Hunde angerannt und ge- ängstigt wurden, so daß sich dieser Mann an den Hundebesitzer mit der Aufforderung wandte, er sollte seinen Hund doch an sich nehmen und nicht so umherjagen lassen. Statt das Richtige dieses Verlangens einzusehcn, entgegnete er mit Worten, wie „Blödsinn" rc. und als der völlig ruhig gebliebene Vater chm in ernsteren, aber durchaus nicht unanständigen Worten sein Be nehmen verwies, hob er ohne Weiteres seinen Stock auf und schlug ihm nach dem Kopfe, traf aber glücklich nur die Achsel mit ziemlich wuchtigem Schlag. Leider konnte der Verletzte, der weinenden Kinder wegen an eine Verfolgung des nach seiner Hcldenthat scharf von dannen eilenden Mannes nicht denken und so kann er nicht einmal zur Verantwortung gezogen werden, wenn nicht zufällig irgend Jemand, der die Scene vielleicht bemerkt hat, ihn kenntlich machen könnte! — Bei einem in der Wilsdruffer Vorstadt wohnhaften Tischlermeister frug in diesen Tagen ein Unbekannter, der sich für einen Tischler ausgab, um Arbeit an. Vielleicht aus Aerger darüber, daß ihm solche an der angegebenen Stelle verweigert wurde, annectirte er doch eine silberne Taschenuhr, die in der Wohnstube des Bestohlenen frei und offen auf einem Tische ge-' legen hatte. Der Dieb war vielleicht 24 Jahr alt, von mittler Statur, bartlos, hatte schwarze Haare und trug braunen Rock, graue Beinkleider und schwarzen runden Hut, was wir zur War nung für andere hiesige Tischlermeister, denen er etwa noch seinen Besuch abstatten könnte, hiermit veröffentlicht haben wollen. — Das Streikmachen scheint sich auch auf die Strafsolda ten zu erstrecken. Ein zum Möbeltransport commandirter Strafsoldat weigerte sich gestern Nachmittag auf dem Ferdinand platze die Arbeit fortzusetzen und schlug, als ihn sein Unteroffizier arretiren wollte, nach diesem. Als ihn sein Vorgesetzter packte, würgte er denselben und es entspann sich hieraus ein förmliches Ringen. Der Strafsoldat entwickelte eine fast Herkulische-Kör- perstärke, mehrere Soldaten konnten seiner nicht Herr werden, bis endlich die Hinzukunst mehrerer kräftiger Gendarmen cs er möglichte, ihn zu binden. Er wurde gefesselt und in eineDroschke gesetzt, in der er in das Arrcsthaus abfrchr. Diese Fuhre dürste dem Vaterlandsvertheidiger 2. Elaste thcuer zu stehen kommen. — Vom nächsten Sonntage ab wird die von Ur. Thieme in den Parterre-Räumen des früheren Alademiegebäudes mit Bewilligung des Königl. Ministeriums errichtete Anstalt für Schutzblattern-Jmpsung den Eltern ungeimpster Kinder Gelegen heit bieten, dieselben in den Vormittagsstunden von 10—11 Hz Uhr unentgeldlich impfen zu lassen. Vorläufig werden die Impfungen nur Sonntags im genannten Lokale, Zeughausplatz dir. 3, stattfinden. Bei dem neuerdings vermehrten Umsich greifen der Vlatternkrankheit ist eine recht rege Betheiligung von Seiten des Publikums dringend zu wünschen. — Unsere rührige Dampfschiffsdirection wird demnächst mit einer wichtigen Neuerung hervortreten, fdie den elbauf wärts gehenden Omnibus- undPferdcbahnverbindungen schlimme Eoncurrenz machen dürfte. Das jetzt noch im Bau begriffene neue Schiff (man nennt „Pillnitz" oder „Königstein" als seinen Tausnamen) soll auf 1300 Personen eingerichtet und derart als Lokalboot verwendet werden, daß halbstündig eine Fahrge legenheit von Dresden nach Loschwitz-Blasewitz, Pillnitz ge boten würde. Endlich legt also die derzeitige Direction der Dampfschiffe den Schwerpunkt in den sächsischen Lokalverkehr, statt wie früher einmal, Melnik und Obristwy zu bedenken. In Böhmen fahren dann die seichtesten Boote Bastei, Libussa und Schandau. — Aus Pirna und zwar von der in den weitesten Kreise^ rühmlichst bekannten Hutmachcrfirma: Mühle, welche bereit auf der Londoner und Chemnitzer Ausstellung mit Medaillen prämiirt wurde, geht nach der Wiener Weltausstellung ein Ar tikel, der unsere Landesindustrie auch hinsichtlich der häuslichen Fußbekleidung höchst würdig vertreten wird. Die Firma hat ein Sortiment von feinen Herren- und Damensilzschuhen und Pan töffelchen zusammengestcllt, die von außerordentlich feinein Filz durch reizende Garnirung und Stickerei und ganz besonders ele gante Form in ihrer Art imponiren. — Vor ziemlich zwei Monaten verunglückte ein hiesiger Kutscher, Namens Domaschke, beim Einfahren von Holz in ein hiesiges Geschäft dadurch, daß er von seinem Wagen an eine steinerne Säule des Eingangthores gedrückt und dadurch vor nehmlich an der rechten Schulter, jedenfalls aber auch innerlich verletzt wurde. Wie wir hören, ist der Verletzte nachträglich im Krankenhause in Folge seiner Verletzungen gestorben. — Der vom Tirector vr. Benscr erstattete Jahresbericht über die Handelölebranstalt der Corporation der Kaufinannschaft Dresden entwirft ei» frisches Bild dieser fröh lich aufblübcndc» Bildungsstätte der lernbegierige» kauf männischen Jugend. Der Bericht gedenkt zunächst der man- nichfachcn Äendcriingcn !m Lclirerpersonale, schildert dann die steigende Frequenz der Anstalt und rechtfertigt «Ine Anzahl