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Täglich frfih 7 Uhr. Inserate ir«d«n «ngrnommcn: biö Abenbö 0, Sonntags r l>,ö Rtittagö 12 Uhr Marienstratze»»; in Nrustadt: Buchdruckerri r°n 3 oh. PLßltr, ,r. Klostergasse». Lnzeigrnin dies. Blatte finden eine erfolgreiche Verbreitung. Auslage» Exemplare. Tageblatt für Uutcrhattmlg und Geschäftsverkehr. Druck und Eigenthum der Herausgeber: Liepsch k Neichardt. — Verantwortlicher Nedacteur: Julius NtlcharLt Abonnement: vierteljährlich 30 Ngr- bei imentgeldlicherkie- serung in'- Huu-, Durch die NSnigl. Post vierteljährl. 2L'/,Rgr. Einzelne Nummern I Ngr. Inseratenpreise: Für den Raum einer gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Eingesandt" dir Zeile 2 Ngr. Rr. S IS. Fünfzehnter Jahrgang: Mitredacteur: Theodor Drobisch. Mittwoch, 9. November 187V. Drehten. 9. November. Gestern Abend 7 Udr :ro Minuten Ist folgende wichtige Nachricht im Bundes-Telegraphcn-Burcan vier eingegangen: C> haruy, «. November. (OffteieU.) Verdun hat «avituUrt. von Wahl. «Vertun ist starte Festung zwischen Metz nnd CpalonS. die Stadt hat circa 12,000 Einwohner.) — Den, hiesigen Sattlermeister nnd Wagenbauer Earl Heinrich Gläser ist das Prädikat Königs. Hvs-Wagcndaucr verliehen worden. — Von dem Canrobert'schen EorpS. welches bei Metz mit capitulirt hat, sind gestern Rioraen wiederum >950 Mann mit 2 Oificieren hier angckommen, jedoch unter Bedeckung von 25 Mann nach kurzein Au,enthalt nach Görlitz iveiter gegangen. In Natederg, dein, Ranairen des Zuges, grrieth einer der Franzosen, welcher auögestiegen »rar und auf den im Fabrcn begriffenen Zug steigen wollte, lintcr die Näder der Maschine, welche ihm das rechte Obcrbein und den linken Fuß so zer malmten, datz der Unglücklickte von einem schnell hcrbcigcrufcneu Arzte aus Radeberg amputirt werden mutzte. Derselbe brachte il'ii nach dem diesigen Pontonschuppen-Lazareth. Es ist aber .zu erwarten, datz der so grässlich Zugerichtcte nickst lange mehr leben wird. — In Anerkennung ibrer Tdätigkeit bei der freiwilligen Krankenpflege im jetzigen Kriege haben das eiserne Kreuz am wcitzcn Bande erhalten die Herren Negieningsratb von Götz und Rittergutsbesitzer von Lüttichau aus dem Königreich Sach en. Letztgenannter ist Corpo-Dclcgirtcr für freiwillige Kranken pflege beim K. Sächs. Armcccorpö. — Vorvcrgangenc Stacht sind mehrere zeither hier aufhält- Uch gewesene gefangene franz. Offiziere nach Glogau übcrgcsic- :clt. Während das Gepäck derselben vom Perron des ichles. Bahnhofes aus verladen wurde, versuchte ein Langfinger einen Koffer zn stehlen, er wurde indes; entdeckt, von einem Gendarm verfolgt und trotzdem, datz er unterwegs den Koffer von sich geworfen hatte, in der O.uerallce ergriffen. Der Dieb soll ein c cnmkcrgekommcncr Kaufmann aus Pirna sein, der sich vier als Handarbeiter aufgehaltcn hat. — Auch die gestern nach den vorgcschriebcncn Touren iah enden „Sammelwagen" kehrten mit reichem Inhalt an Geld mrd Naturalien zurück. Stutzer den vielen kleine» Münzsortcn, .,c der Arme nnd weniger Bemittelte freudig gespendet, fehlte ec- auch nicht an Thaler». Fünf- und Zehnthalerscheinen, 20- Frankcnstüctcn n. s. w. Ein Eouvcrt enthielt 20 Thaler. Auch ine Dcnkmlinze und I Loos Sir. 8188 der DrcvdncrGewcrvc- l.Ale fanden sich vor. Viele Gaden sind mit Motto'ö, wie: Hänschen s Spargcld", „Herzliche Grütze ans der Hcimatb", ins Liodcth's Sparbüchse" n. s. w. bezeichnet. Ebenso fehlt es nicht an poetischen Widmungen: „Den Kaffee trank ich gern ein wenig dünner Und legte mir den so ersparten immer Zurück als kleine Gabe zwar iür grotze deutsche Helden; Doch wünscht, datz durch mein Beispiel noch Manche sich mag melden, Damit aus dieser Düte, wenn auch klein, Bald möcht' ei» grotzcr Lack voll sein .'" Au! rin Paar Strümpfen: „Fleitz'ge Hände strickten mich Für einen lcd'gcn Lachsen. Kehrt er heim, so hol' er mich — Ich bin schon säst erwachsen." „Dicic Wum, man nennt sie Eeroeiat, Itzt Prn wodl auch der KriegSsoltat. Das Fleisch stammt zwar vom schmutz'gcn Schwein. Dvvh >ch»icclt o ganz gut zu Frankreichs Wein." Be wir vcnichmen, soll' bereits heute Abend ein bedeutender Transport all' dieser Gaben an unsere Truppen vor Paris av- .i'en. Inzwischen werde» weitere freundliche Spenden noch der Central-Sammcistelle: Annenstrahe 9, dankbarst angc »emmen. - In nächster Zeit wird Fräulein Hedwig Naabe ei» >Antipiel am k. Hoithcatcr hier beginnen. - I» der vorvcrgangcncn Nacht ist in der Secvorttadt ein Beb durch die über der Ladenthürc befindliche Ocffnung in ein rt'gco Fleischcrgcschäit eingcstiegen, hat die Ladcncasse er ochcn und deren, aus mehreren Thalern Scheidemünze bcstc- tniden Inhalt entwendet. — Nachdem die Zeit herangcrückt, in welcher der Bedarf nh Fcucrungomatcrial sich steigert, nehme» auch sofort wieder ? üblichen Einbrüche in Keiler und deren Plünderungen um Holz und Kohlen ihren Anfang. In der Maricnstratzc sind in euer der vergangenen Nächte gleich ans einmal zwei Keller um niedrere Tonnen Kohlen bestohlen worden. Eine Parthie Kar toffeln, die in einem dieser Keller mit verwahrt war. hat in den sieben gleichfalls ihren Abnehmer gefunden. — Der Dresdner Micstooewoimervercin hielt nach langer Unterbrechung vor Kurzem feine erste Monatsvcrsaiiimlmig für die diesjährige Wintersaison ab, in welcher Herr Lehrer Stieger einen sehr dankbar amgeiiommenen Vortrag über die Entste hungsgeschichte Dresdens von den ersten Spuren wendischer Ansiedelung an hielt, an dessen Schlutz er die formelle Funda- lion der Stadt und deren damalige Grötze erörterte. Stach dic- !cn> Vortrage erfolgte die Beantwortung gestellter Fragen und die Erledigung einiger Vereinosachen. — Dem Vernehmen nach ist der Fremdenverkehr in unserer Ltadt täglich im Zunchmen begriffen. Hauptsächlich sind cs Amerikaner und Engländer, die nach Dresden zuzicben. Alle größeren Hotels sotten mit dem Geschäftsgänge zufrieden sein. — Aus der rrnommirtcn Pianofortcsavrlk von Nönisch ist vorgestern daS 2000. Instrument (ein schöner Eonccrtfl ügcl) nach Irland abgegangen. - - — Bekanntlich findet in Cassel am I. Dcc. die Vcrloosung der hervorragendsten Gegenstände der nunmehr geschlossene» Affigen -Industrie - Ausstellung statt, von deren Gewinn 5000 Lkaicr zu einer Weihnachtögabe kür arme Wittwen, gefallener putschen Krieger bestimmt ist. Loose a 1 Thaler. nebst Pro spekten, dürsten dresdner Ietereffcnten in rer Kunstbandlung von Emil Richter am Nemnarkt, Ecke der Landhauöstratzc zu entnehmen haben. — Ein aus der Königsbrückerstratze wohnender städtischer Beamter feierte am vergangenen Sonntag seine Hochzeit, zu welcher die besten Freunde und Bekannten eingeladen waren. Die freudige Stimmung sollte indessen nicht von langer Dauer sein, indem ein anwesender Gast, über Unwohlsein klagend, das Zimmer verlieb, und als man über sein zu langes Autzcnbiei- bcn beunrudigt wurde, fand man ihn nach längerem Suchen als Leiche in einem abseits gelegenen Eadinck. Der auf eine solche Art und Weise Verstorbene, ein ausdcrWebcrgasseetalstir- tcr Kürschnermcister, war als ein jovialer Mann, besonders als Mitglied einiger theatralischer Gesellschastökreise wegen seines guten Humors gern gesehen. — Ende dieses Monats dürfte das Dresdner musikalische Publikum nach langer Zeit wieder einmal durch die bekannte Pianistin Frau Clara Schumann, geh. Wieck, einen höheren Kmistgcnutz haben, indem die Virtuosin hierorts in einem Con- ccrt spielen wird, welches durch die kleine talentvolle Pianistin Paula Swab, Schülerin des Herrn Alwin Wieck, im Saale des Hotel de Sare geben wird. — Am Montag sand die feierliche Einweihung teS neuen Schulgebäudes der 8. Bczirktzichulc aus der Stistostratze in An wesenheit der Herren Eonsistorialrath Superintendent Ui . Kohl- schütter. Oberbürgermeister Psotcnbauer, ^tadtrath Prschcl, Stadtverorknetcnvorstchcr Hofrath Ackermann, sowie anderer Mitglieder der Stadtverordnete» und der Schuldcputation statt. Nachdem sich Lehrer und Schüler früh 10 Ubr in einem Locale des neuen Gebäudes versammelt hatte», hielt, nach Absingung eines Choralcö, Hr. Sup. Ur. Kohlschütter die Weibrcte, welcher eine Ansprache des Direktors Dreß folgte und mit dem Scgcnö- spruche des LocalinspectorS Or.iiliil. Sauer schloß. Das Ge bäude, welches in seinen trefflichen Einrichtungen alten An forderungen der Pädagogik entspricht, ist nicht nur eine Zierte der Stadt, sondern auch ein neuer, rübmiichcr Beweis dafür, datz die Behörden der Stadt Dresden fort und sort bemüht sind, durch OpfcrwiUigkcit das Schulwesen zu heben zum Heile der Stadt und zum Wohle des Vaterlandes. (Dr. I.j — Bekanntlich ist der ehemalige Stadtmnsikdircktor B. Bilse, der zugleich als Componist einen weitcn Rus hat, von Liegnitz ganz nach Berlin übcrgcsiedelt; Licgniv soll nun einen Ersatz aus Dresden erhalten, indem Herr Musikdirektor Fritsch, der als tüchtiger Dirigent vom König!. Belvedere her noch in cbrcnvollcr Erinnerung steht, in l4 Tagen dahin gebt. Seine hiesige, zurückgciasscnc Kapelle dürfte bald einen Nachfolger erhalten. — Vier Staatswagcn gestern Nachmittag um 4 Uhr im Hole des Hauses Sir. l l auf der Landhauöstratzc wo sich das Königl. Bezirksgericht beflndet, in den Wagen junge Mädchen mit Blmncnbouguets und voran ein junges Brautpaar, dao er regte die Aufmerksamkeit in nicht geringem Grade. Es fand eine Feierlichkeit statt, die Schließung der ersten Civilevc in Dresden; der Bräutigam Herr Iacoc Küche, Israelit, Bür ger und Klciderhäntier, die Braut: Fräulein Amalie Sitonic Elb, von vier, cva » gelis ch. Im kleinen Saal brannte die Gasbeleuchtung und auf der Tafel standen noch vier hrcnncnke Kerzen, dicht an der Tafel saß dasBlautpaar, hinter ihnen der Vater der Braut und mehre Freunde und Verwandte. Herr Hoiratb Ur. Ltübel trat mit noch zwei Beamten des Bezirks gerichtes in den Saal und schritt sofort zu der Handlung, welche dcn Ebaractcr tiefe» Ernstes an sich trug. Zuerst vielt der Richter eine Ansprache an die Verlobten, bemerkte, datz Aufge bot vvrbcrgcgange», kein Einspruch erfolgt und der Trauung in Folge des Gesetzes vom 20. Juli d. I. Nichts im Wege stcbe. ES geschabt» ziemlich die sonst üblichen Fragen nnd Ermahnun gen, wie sie der Priester a» das Brautpaar richtet. Als von beiten Seite» dao „Ja!" erfolgt, wurde» die Ringe gewechselt und dann dao Protokoll vorgcicscn welches sich au! die Hand lung bezog. Herr Hoiratb I>e. Ltübel erklärte die Ebc für ge schlossen, die Neuvermählten, sowie zwei der geladenen Zeugen unterschrieben solches und nachdem Einer der Beamten ihre Namen in das Eivilstandsregistcr eingetragen, war die Hand lung beendigt, welche im Ganzen an dreißig Minuten ivcibrte. — Als am 8. d., Nachts der Dienstknecht Hermann Neu bauer aus Godscheina auf der Eutritzschcr Cbausscc bei Leipzig mit zwei anderen Nebcnkncchtc» von der Schenke auf dem Nachbauscwcgc begriffen war. stieß er zufällig an einen dicht Inrantrctentcn unbekannten Mann an. Dieser packte ihn und sofort gesellten sich noch zwei andere Kerle hinzu, die ebenfalls über den Dienstknecht verfielen und ihn mehrfach mit Messer stiche» verwundete». Von dcn Begleitern des angcfallencn Dicnstkiicchtco erhielt der eine beim Versuch, icincm Kamerad bciznstehcn, einen Schlag mit einer Latte über die Stirn, wo durch er ebenfalls erbcblich verletzt wurde. Neubauer, weicher vier Messerstiche in Singe» und Schulter erhalten, hat müssen in das Hospital gebracht werken. Ucker die Person der Tbätcr hat noch nichts crmitlelt werden können. — Oe > lentlicbc GcrichtösItz n n g am 8. Siovbr. Der noch unhestrastc Heinrich Masnr, Handlungs-Commis ans Lissa, ist der Unterschlagung angeklagt. Derselbe >Air im P. Mcvcr'ichcn Geschält hier. Bakergassc und Neustadt, in Stellung und war ihm die Führung der genannten Commanditcim Sicu- städtcr Rathbaus übertragen. Masnr bat sich nun als Ge schäftsführer ermächtigt geglaubt, bei Bedarf sich Geld aus der Kasse entnehmen zu können, was allerdings bei Ablieferung der Einnahme zu berechnen sei; allein bannt habe er cs deshalb nicht so so streng genommen, weil bei jedesmaliger Inventur der Betrag der fehlende», unvcrechnct gebliebene» Simmner» des Klcidcrmagazins vom Geschäftsführer zu ersetzen sei. Die Ue- berzcugung, datz zur Zelt entweder er selbst, oder seine Ver wandten Ersatz leisten könnten und würden, habe er gehabt. Durch einen Käufer, welcher drei Anzüge a 8 Thlr. im Neu- städter Geschäft gekauft und dies dem Zeugen Richer mitgekbeilt hatte, bekam Letzterer zufällig noch vor der Inventur Kenntnis, von dem Verhalten Masurs, indem derselbe einige Stücke der erwähnten Anzüge nicht gebucht und sich von dem dafür er haltenen Gelde 8 und 5'/, Thlr. ungeeignet hatte. Auf Vorhalt gestand Masnr cs sofort ein und übergab sodann auch noch die gesammelten Nummern der Verkaussstücke «an Werth gegen 30 Thlr.), welche er vom Mai dis September d. I. nicht ge- bucht hatte, alö auch noch 2 Pfandscheine über zwei velpsändete Röcke. Der Prinzipal benahm dem Geschäftsführer seinen Irr- wum über die Auffassung seiner Stellung, begnügte sich jedoch nach genommener Rücksprache mit Masurs Verwandten mit der zugesicherten Ersatzleistung und stellte keinen Strafantrag. Dagegen hat ein Feind Masurs gerichtliche Anzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft beantragt Strafe. Das Schössen- gericht vcrurtheilt dcn Angeklagten zu 10 Monaten Arberts- saus. — OeffentIiche Sitzung der Stadtverordne ten, Mittwoch, den 9. November 1870, Nachmittags k Uhr. Tagesordnung: -1. Vortrag der Registrandencingänge. L. Vor trag der Wahldeputation I» über die in Folge des Ausschei dens des Herrn Kaufmann Weigand vorzunehmenden Ergänz- ungswahlcn für einige Deputationen. 6. Vortrag der Ber fas,ungodcputatioil «mit der Finanzdeputation) über 2) die Beförderung von 1!» Hilfslehrern zu ständigen Lehrerstellrn. 0. Vorträge dcr g-inanzccputation über 3> dcn Aufwand wegen der Rinderpest; 4) die Errichtung einer Armenarztstelle für daS rechte Elbufer; 5» Erweiterungsbauten bei derNcustädterGas fabrik; 8, die Erledigung der gegen die Rechnungen über die Gasfabrikcn gestellten Erinnerungen; 7) die Erbauung einer Turnhalle für die dritte Bürgerschule; 8) die Gewährung einer Gratification an den ersten Ausseher in der KindcrbesserungS- anstalt; 9) die Iustification der Stattbauamtsrcchnung pro 1887. L. Vorträge der Petitionsdcputation. Zum Schlutz: Geheime Sitzung. — A »gekündigte Gerichtsverhandlungen. Donnerstag, den lo. November, finden solgende Einspruck-Sver- handlungskcrmine statt: Vormittags 9 Ubr wider Hermann Louis Marten hier wegen Diebstahls. — 9M Uhr wider Friede. Ernst Patzschke vier wegen Diebstahls. — UM« Ubr in Rügen sachcn Carl Samnel Günther s wider Anna Pauline Schubert in Tbarandt. — lEV« Ubr in Privatklagsachen Johann Gottlieb Häßler wider Marie Amalie verchel. Heller hier. — 11'/« Uhr in Rügensachcn Wilhelm Pilz's wider Carl August Kuhnert in Hostcrwitz. — 4 Uhr in Privatklagsachen Carl August Taschcnberger wider Wilhelmine Lange in Loschwitz. Vorsitzern der: Gerichtsrath Ebcrt. Dresden, 8. November. Der Waffenstillstand abgelehnt, nun, Verderben, gehe Deinen Gang! Ist cs wirklich die Frage der Verprovianliruug allein gewesen, an welcher die Unterhand lungen scheiterten? In welchem Zeitpunkt der Verhandlungen wurde die ganze Verproviantirungsfrage erhoben? Wurde sie erst hervorgesucht, nachdem die Unterhandlungen bereits einen Schritt vorgerückt waren, oder nachdem die Unmöglichkeit, sich überhaupt verständigen zu können, sich ergeben hatte? Es ist ein bekanntes Manöver streitender Parteien, wenn sie merken, es kommt keine Verständigung über die Hauptfrage zu Stande, sich hinter einer Vorfrage zu verschanzen, diese zur Hauptsache zu machen und hierbei die Sache selbst zu entscheiden. Wie steht es mit der zweiten Vorbedingung der Franzosen für das Eingehen auf dcn Waffenstillstand: daß die Wahlen zur Con stituante in allen Departements gestattet würden? War dies nicht ein noch bei Weitem wichtigerer Punkt, an welchem die Verhandlungen scheitern mußten? Bismarck ging in seinem Gegenangebot so weit, die Vornahme der Wahlen in den occu- pirtcn Landestheilen zu gestatten. Die Gestattung schließt aber den Zwang aus, sie auch in Elsaß und Deutschlothringen vor zunehmen, vielmehr wollte er es seinem Belieben überlasten haben, und Thiers schloß daraus mit Recht, daß dann im Elsaß und Deutschlothringen nicht gewählt werden würde. Wir ver muthen, daß diese Frage säst eine noch größere Rolle gespielt I)at, als die der Verproviantirung, wohlgcmerkt nicht blos von Paris, sondern auch von den andern, durch unsere Truppen cernirten französischen Festungen. Bismarck konnte vielleicht ein Aeußerftes thun und auch dies zugcstehen, weil in der An nähme der ihm zngestandenen Freiheit, im Elsaß und Deutsch- lothringen nicht wählen zu lassen, ein Präjudiz für den Gang der Verhandlungen der Constituante gelegen hätte, eine Thal- sache, der sich die Constituante nicht später würde entziehen haben können. Aber es wäre auch wirklich das Aeußcrste ge wesen. Rcan stelle sich unbefangen die Lage in Frankreich vor und man wird bekennen, daß nnr citele Cinbildungen, unge beugter Trotz, sowie die grausame Lust, durch das eigene größere Unglück auch auf den andern Theil Verderben mit herabznziehen, die Franzosen zur Ablehnung eines ihnen im Ganzen doch vor- theilhasteren WaffenslillslandSangcbotes vermocht haben. Mag sein, daß die Metzer Belagerungsarmee der Ruhe etwas bedarf, daß der Waffenstillstand uns den Vortheil gebracht hätte, un gefährdet unsere Kranken heim zu transportiren, uns zu ver- proviantircn, mit WinterauSrüstung zu versehen, die zerstörten Eisenbahnen fahrbar zu stellen — das wären Alles verhältniß- müßig kleine Vorlheile für uns gewesen; Thatsache bleibt immer, daß Bismarck Waffenruhe in dem Augenblick anbot, wo 200,000 Metzer Soldaten so gut wie bereit stehen, sich, einem Riesen- strome vergleichbar, über die Gefilde des mittleren, südlichen und nördlichen Frankreichs zu ergießen und in dem der Anarchie verfallenen Lande die letzten Widerstandskräfte zu zermalmen. Was bewog die Pariser Machtinhaber, Thiers zu veranlassen, die Unterhandlungen abzubrechen? Sind es außer den Äben genannten psychologischen Gründen auch Rücksichten auf die Stimmung der Pariser Bevölkerung? In dem langen Waffen-