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dir. 1«tz Fünfzehnter Jahrgang. Erscheint: TWch früh 7 Uhr Znserale werde» angenommen: dieAbe»dsU,To»n tagt» bi« Mittags 5' 1L Uhr: Martenstraßr 18. Anz«ig< in dies. Blatte finden eine erfolgreiche Berbreiluug. Auflage: 19,000 Exemplare. Mittwoch, den IS. Juni 1870. Tageblatt für Unterhaltung Mitredacteur: Theodor Drobisch. Druck und Eigcnthum der Herausgeber: li'irpslh ör RtilhlN'dt. '— Verantwortlicher Redacteur: ÄullNä Nkichtttdl. Fbonnemrut: i U»«neliährlich 20 Ngr. bei unentgeldlichcrtzir- ?Herung in'« Hau«. Durch die K-nigl. Post vicrieljährl 22fMg». Einzelne Nummern' I Ngr McrateiipVeise: Für de» Raum einer gespalienen Zeile: ^ I Ngr. Unlcr „Eingesandt".^ di« Zeile 2 Ngr. ^ Dresden, den 15. Juni. — I. k. H. die Prinzessin Amalie ist von Wiesbaden wieder hier eingctroffen und hat sich nach Pillnitz begeben. — Der Vorstand des Gerichtsamts Dobeln, Gerichts- amtmann Hofrath Johann Heinrich Ferdinand Fleck, ist Nach gcsuchtermaßen in Ruhestand mit der gesetzlichem Pension ver setzt worden. — Gin erfreuliches Jubiläum feiert Sachsen in diesem Jahre, denn 1770 wurde im damaligen Churfürstenthum Sach scn die Tortur abgeschafft. — lieber den Verbrecher, welcher in Leipzig am Sonn abend seine beiden Schwestern mit einem Beile tödllich verletzte, und die That selbst, bringen die L. N. nachstehende Cinzelnheilen. Der Mensch ist LI Jahre alt. lind war schon als Knabe so nichtsnutzig, dag er im Pcstalozzistist untergebracht werden mußte. Nachdem er dieses verlassen haue, lernte er etwa anderthalb Jahre als Hutmacher und lief dann seinem Meister davon, um ein wüstes Vagabundcnleben zu beginnen und in ganz Deutsch land herumzustrcifen. Wegen Diebstahls und Mttrugs ist er schon mehrfach, auch mit Arbeitshaus, bestraft worden, zuletzt wegen Diebstahls beim Slockmeisler im Stockhause mit Dclinirung un Georgenhausc. Von Letzterem ward ihm am vorigen Ire» tag ein Ausgang erlaubt, um sich bei der Militäraushebung zu stellen. Dies geschah auch, anstatt aber in's GeorgcnhauS -urückzukehren, stromerte er herum und kam Sonnabends 'Nach mittag in die Wohnung seines Vaters mit der Absicht, sich einer Gesellschastscasse, von welcher ihm belannt war, daß sie sein Vater in Verwahrung hatte, zu bemächtigen und, mit diesem Gelde versehen, wieder in der Welt herumzustrcifen. Er wußte, daß der Vater nicht zu Hause, sondern in seinem Berufe ab wesend war. Nachdem er Kaffee getrunken, holte er aus der Küche das Beil und schlug erst die ältere Schwester, und als die jüngere sie jammernd umfaßte, auch diese nieder. In dem erbrochenen Secretär fand er nicht die gehoffte Casse, sondern wenig mehr Geld als einen Thaler. Während seiner Durch suchung des SecrelärS begannen sich die niedergeschlagenen Schwestern zu bewegen und um Hilfe zu rufen, woraus der Unmem'ch wieder zum Belle griff und ihnen noch mehrere Schläge auf den Kops versetzte. Die dritte, dreizehnjährige Schwester entging dem gräßlichen Schicksale dadurch, daß sie weggcschickt wurde, um ein gefertigtes Kleid abzuliefern. Erst in der Sonntngsnacht gegen 1 Uhr ist es gelungen, des Schwester mordcrs habhaft zu werden: Die aus dem Thüringer und Magdeburger Bahnhose stationirtcn Polizeidiener, Treuicr und Gerber, siechten und fanden ihn in Gesellschaft einer Correctio närin, 'Namens Ulrich, in einem Gartenhäuschen im Garten des Georgen!,auses an der Berliner Straße, schlafend. Die Beiden hatten, wie eine Flasche Schnaps und Speisereste be zeugten, daselbst gegessen und getrunlen und sich dazu ein Stearinlicht nngezundel. Von der Polizcipatrouille aus dem Schlafe erweckt, blieb der Verbrecher ganz kaltblütig und wun dcrtc sich sogar, als ihm einer der Lssicianten die Hände band. „Sagen Cie der nichl, was gechehen ist!" raunteer, mit Hin weis aus seine Genossin, den Beamten zu. Von dem geraubten Gelde fanden sich bei chm nur noch einige Groschen vor. — Gestern Mittag wurde der Mörder mit nölhiger Bewachung unter geivaltigcm Menschenzulause in einer Droschke gefesselt nach dein Bezirksgericht gebracht. Er hat die scheußliche Thal bereits unumwunden cingestandcn-, im zause des 'Nachmittags wurde er an den Lrt seines Verbrechens gefahren, um daselbst die nähern Erläuterungen zu geben. Der Mörder ist von mittler Größe, schlanke», .Körperbau, bleicher Hautfarbe, nichl üblen Gesichts, bartlos und braunhaarig. Er soll jetzt lehr niedergedrückt und ängstlich sein und war der Meinung, daß beide Schwestern sofort gctödtet seien. — Nachschrift. Die altere Schwester ist gestern Nachmittag wieder zum Bewußtsein gekommen. — Fricdrichstadt Dresden feiert in diesem Jahre das zweihundcrtjährigc Jubiläum seines Bestehens. Diese Vorstadt wurde unter dem Namen „Lstra" in, Jahre 1070 angelegt. — Wer eine Naturscltenheit und zwar in prachtvollster Art sehen will, der besuche das Pelzwaarenlager des Herrn Heinrich aus der Moritzslraßc, der zwei Pantherselle verschiede ner Art in Aufbewahrung hält, die in solcher Schönheit selten Vorkommen und hier nie gesehen wurden. Sie stammen aus Asien und sind sehr werthvolle Eremplare. — Der Glaube macht selig, befreit aber nicht vom Mili tär. Das beweist ein Fall, der, so ruhig und natürlich sein Abschluß, dennoch so haarsträubend und sonderbar in seinem Anfänge war. Ein Fleischergesellc, der hier aus der P—slraße in Arbeit steht und dessen 'Mutter in Pirna wohnt, hatte sich bei der letzten Musterung zu stellen. Seiner Mutter lag es nun -sehr am Herzen, den Sohn vom Militär lovzumaclien. Sie hatte'/ nachdem He wahrscheinlich in der Heimath mit mel ieren ihrer Freundinnen in einem überschwenglichen Buche des Aberglaubens geblättert und gelesen, nichts Eiligeres zu lhun, als hinter der ersten besten Loeomotive her nach der Residenz zu dampfen und zu einer aus der P—straße wohnenden Lohn- fuhrwcrkSbesitzerssrau zu eilen, die ihr schnurstracks zlvei leinene Läppchen verschaffen mußte, welche wie sch'aucrlich romantisch! aus dem rechteil Auge einer im Sarge liegenden ManneSleicheu gelegen hatten. Die glückliche Mutter nähte nun sorgsam die beiden verhängnlßvollen Lcinenläppchen im Stillen in das Heinde ihres geliebten Sohnes, der freilich leine Ahnung davon hatte, daß er so unheimlich am Leibe illuftrirt war Doch, die Mutter denkt und die Aushebungscommission lenkt. Ter Talisman hals nicht, der leinene Blitzableiter konnte den zün dcndcn Schlag in das abergläubische Gebäude mütterlicher Pläne nicht abhaltkn, der Sohn wurde iamint dein fatalen Hemde ausgehoben. — Berliner Bauernfänger benutze» bekanntlich die schöne Jahr^'Zeit, um in anderen von Reisenden vielfach besuchten Litten zu dcbütircn. Dresden schien sich in diesem Frühjahr der Industrie dieser Art Gauner besonders zu empfehlen: viel Glück hat den Unlcrnchmuiigcn jedoch nicht geblüht Die hie sige umsichtige Polizei störte die kaum begonnene Arbeit der Gäste, die aus den Bauersängern: Kellner Böhl, Handelsmann Keilholz. Gustav Lindl, Nagel und Patzig bestand, und war unhöflich genug, die Expedition unschädlich zu machen Ein anderer Kunstausslug, der von drei bekannten Mitgliedern die ser Zunft, den v. Starczcwski, Vesig und Caspar» m Begki tlliig einer Schleppen», der separirren Bosse, geb Iah», nach der sächsische!, Hauptstadt unternommen worden, hatte gleich falls nn trauriges Ende. Auch diese Industrie! itler wurden bei ihrem ersten Debüt abgcsaßt und zu mchrmonatlichen Ge fängnißstrasen vcrurtheilt, deren Verbüßung der Gesellschaft weitere Unternehmungen für den lausenden Sommer unmöglich machen. — Am 10. d. Ni., in den spätere!, Nachmittagsstundcn, kam auf dem Bahnhöfe zu Zwickau der bei der Gütcrcxpedi tion beschäftigte Wagenausschreibcr Friedrich Ernst Rci-Her aus Frießcn bei Neichenbach ohne eigene Schuld, aber auch ohne die Dritter, im Dienst in der Weise zu Schaden, daß er, eben im Begriff, dicht an einem Gleise ein hcrabgesallenes Paprer auszuhebcn und sich aus gebückter Stellung wieder auszurich ten, von einem in seinem Rücken kommenden Fügest!,eile er saßt und uingeworscn wurde. Dabei gcrielh er in die unglucl liehe Lage, daß ihm die rechte Hand, mit welcher er mecha nisch nach dem Gleisstrange gegriffen, »litten durchgesahreii wurde. Die Amputation der Hand har sich leider bereits nötl-ig gemacht. — Daß Diebe aus Vorhaufern, m die sie sich durch die offen gelassenen Vorsaalthürcn einschleichcn, häufig Kleidungs stiicke stehlen, ist in diesem Blatte oft genug erzählt worden. Unverschämter aber, als seine Diebcsgcnossen, har sich neulich im englischen Viertel ein Svitzbule der leider uiibelannr ge blieben, benommen. Da er in, Vorhause, in das er durch die unverschlossene Vorsaallhure leichten Zutritt gesunden nichts gefunden, was ihm aiu^slandcn. ist er u, frechster Weise in eine Wohnstube eingetrelcn und hat, wahrend ,n derselben Niemand anwesend gewesen, neben einem Cigarreneiuis eine — ivcrtl,volle Stutzuhr entwendet. — Gestern Nachmittag ritt der Kutscher einer hiesigen Herrschaft zwei Pferde in die Schwemme und zwar m der Elbe oberhalb der Loschwitz Blasewitzer Dampssähre, wo einige tiefe Stellen sind. Das eine Pferd schien etwas unruhig zu werden, oder wollte sich, wie dies manche Pferde gern lhun, im Waffer walzen, wodurch der kaum achtzehnjährige junge Mann vom Pferde rutschte und in dem Strome spurlos verschwand Die Versuche mehrerer hinzurudcrnder Schisser, den Mann zu retten, waren leider erfolglos. Die Pferde schwammen noch eine ge raume Zeit im Wasser herum und stiegen dann führerlos an das Loschivitzer Ufer, wo inan sie in Empsang nahm. — Von einem Leser unseres Blattes wird uns zur War nung für Andere milgctheilt, daß in den hiesigen Localblättern sich jetzt vielfach Angebote von Aufseher und andern Stellen befinden, die bei näherer Prüfung sich nur als Lockspeise sür Zahlung voll Einschreibegebühren an das offerirendr Nachwci sungsbüreau erweisen. So werde namentlich oft Stellung von Camion gegen Zusicherung eines hohen Gehaltes für Süllen verlang, von deren 'Natur die jüngsten Gerichtsverhandlungen Zeugnii; ablcgen. Wir wollen nicht unterlassen, dieser War nung hiermit 'Raum zu geben. — Die Polizcidireelion hat, wie nur gestern millhellleii, einige Burschen verhaftet, die in den Verdacht geloinmen sind, mehrere der in der Letzlzcit in Dresden vorgeionnnene, höchst freche Einbruchdiebstahle verü'vt zu haben. Die Diebe sollen sich hierzu nachaemnchcr Schlüssel bedient, und ein großer Vor rath solcher Schlüssel und anderer Diebesiiistrumeute sich im Befitzevderselben vorgcfunden haben. Man erzählt, daß die Verdachlsgründe, die sie mehrfacher Einbrüche beschuldigen, sich täglich mehren. Unter den Diebstählen, deren Verübung sie bereits überführt erscheinen, soll sich auch ein solcher befinde», der ,n Neustadt, in einer dortigen größeren Restauration vor- gekommen, der z. Z. unter den daselbst verkehrenden Gästen lebhgftes Interesse erregte. — Vorgestern Abend stürzte sich in der Antonstadt eine verheirathete, etwa -10jährige Frau aus einem Fenster ihrer, in der 2. Etage eines dort gelegenen Hauses befindlichen Woh nung in den Hof hinab, erlitt hierdurch mehrere Rippenbrüche und innere Verletzungen, so daß ein herbeigcrusencr Arzt ihren Transport mittels Siechkorbes nach der Tiaconissen-Anstalt anordnete. Tie Ursache dieses traurigen Vorfalls soll dem Vernehmen nach in ehelichen, Zwist zu suchen sein. — In der an, Montag stattgesundenen hiesigen Leihhaus- Auclion kamen die vielfach angezeigten (> Schnuren echt orien talischer Perlen, nebst goldenem Schloß mir Diamanten verziert, zur Versteigerung und wurden selbige für nur 1000 Thaler losgcgeben. — Ter hiesige allgemeine Turnverein hält Sonntag den 10. Juni, Nachmittags -1 Ul-r, ein großes Schauturnen auf seinem Turnplatz ab. den, Abends ein solenner Ball in Braun s Hotel folgt. — Vorgestern Abend entstand aus dem Wege zwischen der Poudretten Anstalt und dein Heller eine Schlägerei zwischen einem Handarbeiter aus Klotzsche und cinein militärischen Mann. Aus den Hülserus des Handarbeiters eilten etliche Leute aus der Poudrettenfabrik herbei, ivo Einer derselben mit der Peitsche auf den Mann von Klotzsche so arg cinhieb, daß dieser bereits Klage erhoben hat. Ucbrigcns sollen in dortiger Gegend der gleichen Excessc jetzt recht überhand nehmen, indem arbeitsscheue Bummler nicht seilen in de», dortigen Wäldchen Nachtquartier halten — — Beianntlich verunglückte vor wenig Tagen der Aus- lädcr Röber durch einen Sturz in die Felsen des Plauenschen Grundes und fand seinen Tod. Am 13. d. Mts. fand nun das feierliche Begräbniß desselben aus den, Friedhöfe zu Plauen statt. Voran schritt der Plauensche Singcchor unter Vorantra- gung des Kreuzes, der bis zum Friedhöfe seine Traucrarien in gemessener, würdiger Weise ertönen ließ. Ihm folgten die College» des Verstorbenen in ihren grauen, kleidsamen Ticnst- röcke», die wohl mit Recht zu den elegantesten unserer sächsischen Staalsunisormen dieses Genres gehören. Die College» trugen Zeichen der Widmung dein Sarge voran, wahrend die Plaucn- sche Turnerscucrwehr mit ihrer schwarzverhullten Fahne folgte. Den Schluß bildete eine größere Anzahl Bahnbedicnstetcr in Uniform und Civil. Die von dein würdigen Geistlichen des Lrls ain Grabe gesprochenen, einfachen, aber tief zum -Herzen gehenden Worte machten auf die zahlreichen Anwesenden einm erhebenden Eindruck. — Vorgestern Abend ist unterhalb des Belvedere der Leichnam einer jungen Frauensperson aus der Elbe gezogen »nd gerichtlich aufgehoben worden. In demselben wurde ein Dienstmädchen erkannt, das sich vor einigen Tagen aus ihrein hiesigen Dienste heimlich entfernt Italic lind seitdem spurlos verschwunden war. Der Leichnam mar bereits unkenntlich ge worden, doch wurde die Persönlichkeit desselben durch einen in einer Klcidertasche Vorgefundenen, zum Logis der betreffenden Herrschaft gehörigen Schlüssel sestgcstellt. lieber die Motive zu diesem augenscheinlichen Selbstmorde verlautet zur Zeit nichts 'Näheres. — Wie wir hören, hat die Königliche Anstaltsdirection zu Schloß Hohnstein bei Stolpe», um mehrfach laut gewordenen Wünschen entgegen zu kommen, seit einigen Tagen den Bestich deS Anstaltsparkes für Fremde gestattet und zwar in unbe schränkte,- Weise, jedoch unter der geimß annchmbaren und bil ligcn Bedingung, daß für die Führung von I bis 6 Personen durch einen Beamten des Schlosses 15 Ngr. zu einer aus die sem Fonds noch besonders zu gründenden Kasse ;u entrichten seien. Der Bestich erstreckt sich aut die Zeit von Vormittags ^ bis 10 Uhr und Nachmittags 2 bis 0 Ul». Für Schweiz- rcisendc durfte diese Loulanz der Direetion gewiß eine will kommene und niierkennenswerthe sein, um so mehr, als man von diesem Pnnlte ans eiire herrliche Aussicht genießt und das Schloß selbst durch seine alterthümliche Erscheinung viel Histo risch Interessantes bietet. — In öffentlicher Sitzung des Chemnitzer Bezirksgerichts wurde am l>. d. Nils, der- Schuhmachcrgeselle und vormalige Hilsswcichcnwärtcr Johann Julius Lehmann aus Wendisch Kunnersdors wegen des Verbrechens vorsätzlicher Gefährdung des Eisenbahnbetriebes durch Hinlcgcn eines t'»Opsündigcn Steines aus das FahrglciS zu 0 Jahren Zuchthaus verurtheilt. An, Abend des 8. Mai d. I., kurz vor 0 Ul-r ivar der von Aiinaberg nach Chemnitz fahrende Personcnziig, 11 vollständig besetzte Personenwagen mit über 300 Passagieren fahrend, eine Strecke Ignter der Haltestelle Niederwiesa alff ein in der Gleisanlage befindlich gewesenes Hinderniß arifgctrosfen, welches sich in einem Stoße' der Maschine bemerlbar geinacht und einige Beschädigungen an 'Maschine und Tender zur Folge gehabt hat.