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E-ck n":' ' c'-l - i-.ick u. ,.v > . ^ . ' M. 147. MnfzehnterJahrg. Täglich früh 7 «tzr Irsrrit- tvrrdrn angenommen: bi»Lbend-8,Sonn tag» bi, Mittag» 12 »hr: «artenstrage 1h, AnziH in dicf.BtE liadeUtin» triolgrOch« Aerbreitnog. Auflage: tdMV Exemplar,. Sreita«, de« 27. «ai 187«. Tageblatt für Unterhaltung Md Geschäftsverkehr. Mitredacteur: Theodor Drodisch. AS»nrtttl««t: «ertchLb«ichA>Ngr. bei aoafttgetplicherLie- feruag «ay Durch die «ni^. Post vietteljLtzrl »»haßitzr. Emzelne Nummer» l Ngr Druck und Eigenthum der Herausgeber: 2t Neichardt. — Verantwortlicher Redacleur: ÄllllUS Nejlhardt. K«ser«1envre,se: Für den Raum einer gelpaltrneu Aeite: l Ngr. Unter „Eingesandt" die Zeile 2 «gr Dresdm, den 27. Mai. — Herrn Hermann F. Giesecke in Leipzig, in Firma Giesecke und Devrient, ist da» Ritterkreuz de» Albrechtsordens verliehen worden. — Eine der bekanntesten und liebenswürdigsten Soubretten Berlins, Jräulein Lina Mayr, eine Künstlerin, die in ihrem Genre Ausgezeichnetes leistet, deren Portrait erst vor Kurzem die Runde in den illustrirten Blättern machte, wird vom I. Juni ab am hiesigm Sommertheater gastiren. Sie ist jeden falls die reizendste „kleine Handschuhmacherin", welche in Offen dach's „Pariser Leben" aufgetreten. — Das röche Dienstmann-Jnstitut „Expreß" in Dresdm chat seit wenig Tagen abermals einen neuen Direktor erhalten und zwar in der Person des Herrn Heinrich Stumpf, nachdem der bisherige Vorstand der Association, Herr B. Müller aus getreten. Behufs dieser Neuwahl fand am Mittwoch Abend »m Saale „Zur deutschen Halle" eine Generalversammlung sämmtlicher Mannschaften statt, in welcher Herr Stumpf die Majorität für sich hatte. — Vom schönen Wetter begünstigt, haben die Concerte ln dem friedlichen Garten in Stadt Coburg begonnen und fand am Freitag daselbst ein solches von der Capelle des Stadt musikkorps unter Direktion des Herrn Puffholdt statt, daß von der zahlreichen, eleganten Gesellschaft mit vollem Beifall aus genommen wurde. Auch heute, wie allwöchentlich concertirt dasselbe Chor daselbst Freitags. Der Garten selbst ist in diesem Jahr renovirt und mit einen» neuen, gut placirten Orchester versehen worden. — „Wie Du mir, so ich Dir" hieß es dieser Tage in einer Episode, deren Schauplatz sehr nahe liegt, der aber als neben sächlich von uns recht gut übergangen werden kann. Ein Gläubiger hatte gegen seinen Schuldner' die oreelMo mvdi- lmri3, d. h. die Pfändung beantragt. Zu diesem Behuse ließ sich der betreffende Rechtsanwalt durch einen seiner Schreiber vertreten, der den Executor an Ort und Stelle begleiten scllte, damit auch die geeignetsten Sachen unter Siegel gebracht wür den. Der gerichtliche Act ging ohne Störung vor sich, der Schuldner ließ den Executor und den Sachwalter - Sub- stitut ruhig — amtiren. Nachdem die beiden Herren in die Hausflur gekommen, wendete sich der Executor nun aber an den Substituten und indem er ein neues, richtig beglaubigtes ExecutionSmandat aus der inhaltsschweren und veryängnißvo'^n Mappe zog, hielt er folgende Ansprache: „Herr L., es ihn' c leid. Ich habe hier den Beseht, auch bei Ihnen auszu,. n und da ich Sie anständiger Weise nicht gerade vor Ihren Collegen aus der Expedition hcrausholen wollte, so können wir ja die Sache jetzt gleich besorgen. Kommen sie nur mit in Ihre Wohnung, da macht sich's sofort. Wir sind in 5 Minuten fertig." Man kann sich leicht die Situation denken, in welche der Substitut in diesem Augenblick versetzt wurde — aber das Verhängniß hatte ihn einmal erfaßt und das Nepertoir des Tages sich geändert. — In Bezug aus die unglückliche Episode während der Rückfahrt von der Hochzeit zu Burlhardtswalde geht uns von Herrn Curt Albanus hier eine erörternde Notiz dahin zu. daß im Ganzen wohl das Bclv ein solches war, wie wir es -geschildert, nur haben die betreffenden Fahrgäste insofern keine Wettfahrt veranstaltet, weil die Insassen des Hinteren Wagens das Unglück des ersten Geschirres erst beim Herankommen an die ominöse Stelle erblickten. Das fragliche Pferd, das stets am Zweispänner gegangen, hat die Eigenschaft, daß es vor dem Wasser scheut. Im klebrigen wird versichert, daß man auf ebener Straße im Trabe gefahren und die Barriere an jener Stelle, wo die Insassen hinabstürztcn, nicht zerbrochen wurde, sondern herausfiel, weil das scheuende Pferd plötzlich von der Mitte der Straße aus einen Seitensprung machte. — Dem Fr. I. schreibt man aus Dresden: Der Selbst- «nordversuch eines unserer ersten Beamten, des Kreisdirectors L. Gutschmidt zu Bautzen, macht viel von sich reden. Der selbe, etwas unschlüssigen, schwermüthigen Charakters, stürzte sich in die Spree, wurde aber noch rechtzeitig gerettet und ärzt licher Behandlung überwiesen. — Mit der Einberufung der evangelischen Landessynodc soll es nun doch Ernst werden. Einer offiziösen Mittheilung zufolge hat man den Herbst dazu ausersehen. Die Ehre, KirchcnvorstandSmitglied zu sein, ist bei uns nicht ohne Dornen. Bor einigen Tagen wurde ein solches zu 80 Thaler Geldbuße verurtheilt, weil es den orthodoxen Pfarrer Böttcher zu Riesa in der Hitze des Wortgefechtes einen „Scheinheiligen" genannt hatte. Der Llertheidiger, Advocat l)r. Schaffrath von hier, hatte sich vergeblich bemüht, vor dem Be zirksgericht zn Meißen die Freisprechung des Angeklagten zn erwirken. — Ein wahres Schwindelmcer ergießt sich in Bezug auf Lotterie über Deutschland, namentlich über Sachsen. Ganz obscure Firmen in Hamburg und Frankfurt a. M. überschütten unter den absonderlichsten Anpreisungen die Bewohner der Städte und Dörfer mit Unmasse .von Lotterieloosen, die kolossale Gewinne versprechen, und so erhalten einzelne Adressaten oft jährlich 8 bis 10 solcher Zusendungen, die glücklicherweise wenigsten» noch frankirt sind. Es sind uns eine große Anzahl solcher Loose aus der Provinz zugeschickt worden, die von den Agenturen I. O. Schnürlein und Aug. Kott in Frankfurt a. M., und von Julius Gertig in Hamburg herrühren. Die Loose gehören theils der Hamburger Stadtlotterie, theils einem Braunschweiger Unternehmen an und werden in einzelnen Cou verts oft Dutzendweise mit allerhand anderen gedruckten Er örterungen versendet. Sogar auf die Geburt der Kinder wird speculirt und ermahnt, demselben ein Angebinde in Form eines Looses zu kaufen, das einen Gewinn von 170 Guld. bis zu 200,000 Fl schnurstracks in Aussicht stellt. Gleichzeitig werden, so namentlich von Kott in Frankfurt, die mit Loosen beglückten Adressaten ersucht, die Namen ihrer distinguirten Nachbarn der Agentur anzuzeigen, damit auch diese in den Glückstopf greifen können. - — In den Ländern, wo früher das Stellvertretungs- und Loskaufssystem bestand, auch in Sachsen, existirten mehrfach sogenannte Militärpflichtversicherungsbanken zu dem Zwecke, um den bei ihnen eingekauften Knaben, sofern sie bei Vollen dung des gesetzlichen Alters zum Militär ausgehoben wurden, die Zahlung der Loskaufssumme zu garantiren. Mit der Ein führung der allgemeinen Wehrpflicht sind diese Assecuranzinstitute hinfällig geworden. Indes; beabsichtigt man seiten einer Ber liner LebenSvcrsichcrungsgcsellschaft, eine ähnliche Einrichtung in's Leben zu rufen, uin den eingekauften Knaben für den Fall, daß sie bei Erreichung des gesetzlichen Alters militärtüchtig und die nöthigen wissenschaftlichen Kenntnisse besitzen, die Mittel für den einjährigen Freiwilligendienst zu beschaffen. — Vor wenig Tagen spielte sich im Gasthofe zum Löwen sn Pillnitz eine Scene ab, die von oft trauriger Verton»,nen- heit mancher Gäste Zeugniß gab und zwar hier gerade ein recht „schlagendes", wie wir sofort sehen werden. Ein außerordent lich friedlicher, etwa 18 Jahr alter Kellner hatte Nachmittags die in dem daran stoßenden Zimmer überaus zahlreichen Gäste zu bedienen und obgleich er nur allein servirte, so ging es doch flott. Unmögliches können zwei Hände nicht leisten. Ein ele gant gekleideter Herr aus Dresden mit orientalischer Physio gnomie mochte indeß doch an der Bedienung etwas auszusetzen haben, er gab dies wenigstens mit Wort und That zu ver stehen, 'indem er mit seinen Redensarten, wie Lump, L . . . . - junge rc. sehr stark von Alberti's Complimentirbuch abwich und andrerseits mit der Faust den Brustkasten und die Lenden des Kellners nach seiner Weise bearbeitete. „Hau'st Du meinen Juden, hau' ich Deinen" — dachte hier aber ein anderer Dresdner, nahm den Excedenten beim Kragen lind ihn nun so wie eine nasse Salatstaude abschüttelnd, warf er ihn unter dem gerechten Jubel der anderen Anwesenden rückwärts an die frische Mailuft. — Einige Pfingstpartien Näher rückt die schöne Lenzeszcit, und Wanderlust, die mehr als alles Andere jung und stark erhält, rüstet sich, wenn auch nur, wie bei»» Beamten, zu kleinen Ausflügen. Das Loschwitz Pillnitzer Elbgelände, die liebreizende gesunde, immer mehr gesuchte Lößnitz mit ihren Gründen und herrlichen Aussichtspunkten, die Haide, der Plauensich« und Zschoner Grund, Lockwitz, die golvne Höhe und die nächsten Punkte der sächs. Schweiz, Bastei, Brand, Winter berg und der neulich erst empfohlene Papststöin voran, sind immer das besuchteste. Wie wenig aber sind die lieblichen Gründe zwischen Dresden und Meißen bekannt. Man gehe einmal von Dresden nach Brießnitz, Merbitz, Prabschütz, bei der Säule rechts hinab in den Cossabauder Grund, bei der Mühle links hinauf nach Oberivarthc, von da den Warther Grund bis zur Elbe. — Oder man gehe nach Pennrich, von Pennrich in den Hühndorfer Grund, durch Sachsens malerisch stcs Dorsi Ktcinschönberg und bis zur Dampfschiffstation Gauer nitz im Saugrunde hinab. — Von Berlin aus wird mitgetheilt, daß sin» Bereiche der Postverwaltung mannichfache Veränderungen, auch betreffs her Leistungen der einzelnen Beamten - Kategorien in Aussicht stehen. Desgleichen sollen die Beamten von den» Zwange des Unisormtrugens befreit werden, was von den expcdirenden Be amten gewiß mit Dank aufgenoinmen werde»» wird. In Belgien, Holland, Frankreich, England und Oestreich tragen die Post beamten mit Ausnahme der Briefträger auch keine Uniform, ohne daß der Dienstbctrieb darunter litte. In Preußen waren bis 1840 nur die unmittelbar mit den» Publikum verkehrenden Beamten uniformirt und aus dieser Zeit erst datirt der allge meine Uniformzwang. Auf eine andere, tiefer eingreifende Erleichterung der Postbeamten »vird aber weiterem Vernehmen »»ach gesonnen und es ist nur die Frage, ob und wie die Ab sicht anszuführen ist, den Postbeamten „ach einer gewiffen Reihenfolge Erholungsferien in den Sonnnermonaten zu gönnen. Wiesbaden, 24. Mai. Der Mittelrhcin. Ztg. ent nehmen wir Folgendes: Vorigen Sonnabend hatte eine Ge sellschaft hiesiger angesehener Bürgersfamilien, etwa 2b bis 30 Personen, einen Ausflug nach dem „Speierskopf" unternommen und saß noch bei anbrechender Dämmerstunde an dem runden Tische daselbst gemächlich beisammen. Auch eine Gesellschaft von „Kavalieren" hatte sich den schönen Abend und den schönen Platz auserkoren, eine sogenannte italienische Nacht — diesmal ohne Damen — zu feiern. Nachdem eine Deputation derselben vorher sich mit Ballons rc. versorgt hatte, fanden sich die nob len Herren nebst zwei sie bedienenden Soldaten, hiesiger Gar nison, (vermuthlich also Ossiziere in Civil — auch einige junge Civilbeamte sollen darunter gewesen sein, desgleichen ein in hiesiger Stadt wohlbekannter Prinz — an dem bereits besetzten Tische ein. Die Bürgerlichen räumten, da die Herren sofort auf den noch mit Eßwaaren und Geschirr besetzten Tisch stiege»», uin ihre Lampions rc. anzubringcn, bereitwilligst die Hälfte des Tisches ein. Aber das genügte des Edlen nicht! Als ein Theil der Bürgerlichen einmal den Tisch verließ, um sich etivas im Walde zu ergehen, rückten die Herren Kavaliere immer näher an die noch allein zurückgebliebenen Damen und Kinder heran und setzte sich einer derselben einer jungen Frau fast geradezu auf den Schenkel. Als hiermit ihre Absicht noch nicht erreicht wurde, fing der Geineinste der Gemeinen — die gemeinen Sol daten haben sich nichts zu Schulden kommen lassen — an: „Ach ja, wir »vollen 'mal Schrveinelreder singen und vom P... sprechen, Donnerwetter ja!" und mit einer höchst unanständigen Geberde fuhr er fort, wir wollen sie hinaris — — (das Wort läßt sich nicht wiedergeben). Und hierbei »varcn Mädchen von 12 bis 13 Jahren zugegen, die allein noch anwesenden Damen brachen in Weinen aus'. Wir können dem Urtheil eines Teil nehmers der Gesellschaft, der von dem Rundgang in den Wald zurückiehreiid, von den sauberen Vorgängen erfuhr, und den „Herren" ins Gesicht sagte, daß sie sich „gemein" und „nieder trächtig" benommen nur beistimmen. — Non», 15. Mai. Gestern begannen die Verhand lungen über das Schein« vom Primat, d. h. es wurden Reden für und gegen die Unfehlbarkeit vorgctragen; denn von einer geordneten Diskussion kann bekanntlich in der Aula keine Rede sein. t>0 Bischöfe haben sich als Redner einschreiben lassen. Der Bischof Pie von Poitiers hatte schon Tags vorher als Berichterstatter der Deputation ein ganz neues Argument ent deckt. Der Papst, sagte er, »nuß unfehlbar sein, »veil Petrus mit dein Kopse nach unten gekreuzigt worden ist. Da trug der Kopf die ganze Last des eignen Körpers. So trägt der Papst, als der Kopf, die gesammte Kirche. Nun »st aber der unfehl bar. der trägt, und nicht der, welcher getragen wird, also u. s. w. Der Beifall der Italiener und Spanier war enthusiastisch. Der Bischof Rivet von Dijou trug unter den Opponirenden die Ehre des Tags davon. Kurz aber kräftig wies der Bischof Ranolder von Veszprim auf die Gefahren hin, in welche gerade in Ungarn das neue Dogma die Kirche stürzen würde. Dreux- Brezee, der würdig in Pie's Fußstapsen trat, wurde diesmal verdunkelt durch einen Sizilianer. Wir Sizilianer, sagte dieser Bischof, haben einen ganz besonder,» Grund, an die Unfehlbar keit sämmtlicher Päpste zu glauben. Petrus predigte bekannt lich auf unserer Insel, auf der er schon eine Anzahl Christen vorfand. Als er nun erklärte, daß er unfehlbar sei, fanden die Christen, denen dieser Artikel noch nicht mitgetheilt worden, die Sache befremdlich. Um aber derselben auf den Grund zu kommen, schickten sie, eine Deputation an die Jungfrau Maria mit der Frage: ob sie etwas von der Unfehlbarkeit des Petrus gelsiirt habe. Sie antwortete: daß sie allerdings sich erinnere, zugegen gewesen zu sein, als ihr Sohn dem Petrus dieses spe zielle Vorrecht verlieh. Durch dieses Zeugniß vollkommen be friedigt, haben die Sizilianer seitdem den Glauben an die Un fehlbarkeit in ihrem Herzen bewahrt. Das »st am 14. Mai 1870 wirklich in der Aula gesprochen worden. Die BiscWe der Minderheit sehen darin den Hohn des Uebermuths, daß die Mehrlzeit Leute wie Pie und diesen Sizilianer gegen sie in's ^Treffen führe. Sizilien ist allerdings das Land, wo der Glaube Berge versetzt. Dort bewahrt man noch heute den Brief, web chen die Jungfrau Maria einmal an die Messinesen geschrieben und aus dem Himmel hat hcrabfallen lassen; alljährlich wird dort das Fest der saorr» lobten» (heiligen Briefes) mit hohdr Genehmigung der rönnschen Ritus-Kongregation gefeiert, und „Vivu In saoru lsttvru!" ruft das aufgeregte Volk in den Straßen. Der Jesuit Jnchover hat denn auch die Echtheit des Briefes sonnenklar in einem eignen Buche bewiesen. Das k. historische Museum. Wir leben in einer Zeit, wo nicht selten an die Stelle wahrer Kunst die hohle Technik gesetzt wird, welche Gestalten ohne Bedeutung hcrvorbringt und zuweilen nicht einmal als Nachahmung des Wirklichen einen Werth haben. Der wahr Haft denkende Künstler oder Handwerker, namentlich der Letzten, wenn er nicht dem alten Schlendrian huldigen will, hält sich.