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Nr. 154. Dreizedula Jahr«. Dieostag. de« 2 Jnm 1868 Erscheint: Täglich ftüh 7 Uhr. Inserat« werden angenommen: bi» LbendS 8,Sonn tag- bis Mittag- 12 Uhr: Marienstraße 18. Lnzeig. in dies. Blatte staden eine ersolgreiche Verbreitung. Auslage: 18,00V Exemplare. Tageblatt für Unterhaltung nnd Geschäftsverkehr. Mitredacteur: Theodor Drobisch. Abonnement: Vierteljährlich 20 Ngr. bei unciitgeldlicherLie- serung in'S Haus. Durch die Königs. Post Vierteljahr!. 22tznNgr. Einzelne Nummern 1 Ngr. Inseratenpreise: Für den Raum einer gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Einge sandt" die Zeile - 2 Ngr. Druck und Eigenthum der Herausgeber: Aiepslh H Reilhardt. — Verantwortlicher Redacteur: Julius Rttchardt. Dresden, den 2. Juni. — Das am 31. Mai erschienene Norddeutsche Bundes gesetzblatt publicirt folgendes Gesetz: Wir, Wilhelm von Gottes Gnaden König von Preußen rc. verordnen im Namen des Norddeutschen Bundes, nach erfolgter Zustimmung des Bundes raths und des Reichstags, was folgt. H 1. Der Personal Arrest ist als Erecutwnsmtttel in bürgerlichen Rechtssachen in soweit nicht inehr statthaft, als dadurch die Zahlung einer Geld summe oder die Leistung einer Quantität vertretbarer Sachen oder Werthpapiere erzwungen werden soll. 8 2. Die gesetzlichen Vorschriften, welche den Personal-Arrest gestatten, um die Ein leitung oder Fortsetzung des Prozeßverfahrens, oder die geführ dete Erecution in das Vermögen des Schuldners zu sichern Sicherungs Arrest - bleiben unberührt, 8 3. Die Bestimmung des tz 1 findet auch auf die vor Erlassung dieses Gesetzes entstandenen Verbindlichleiten Anwendung, selbst wenn auf Personal Arrest rechtskräftig erkannt, oder mit dessen Vollstreckung begonnen ist. 8 4. Alle diesem Gesetze entgegenstehenden Vor- schr fien treten außer Kraft. 8 3. Das Gesetz tritt in Kraft an dem Tage, an welchem es durch das Bundes-Gesetzblatt verkündet wird. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigediucktem Vnndes-Jnsiegel. — Eine General'Verfügung des norddeutschen General- Postamts macht die Postanstalten darauf aufmerksam, daß es dem Publikum nach wie vor gestattet ist, die aus verdorbenen Couverts ausgeschnittenen, noch nicht entwerlheten Francostempel als Freimarken zu benutzen. Hierdurch dürfte die durch ver schiedene Zeitungen vor Kurzern gegangene Nachricht, daß die Verwendung eines aus einem unbrauchbar gewordenen Franco- Couvert ausgeschnittenen Werthstempcls zur Frankirung eines Briefes von einem preußischen Gerichte für strafbar erachtet und von dem Berliner Obertribunal die dagegen eingelegte Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen worden sei, vollständige Widerlegung finden. — In der stattgcfundenen Generalversammlung der Außig- Teplitzer Eisenbahn sind als Dividende per Actie 21 Gulden festgesetzt worden. — Der Revacteur der „Chemnitzer Nachrichten", A. Stark, ist vom königl. Bezirksgericht zu Chemnitz wegen einer vor meh reren Monaten gebrachten Bemerkung: „daß die muckerische Heranbildungssucht der Lehrer an den in letzter Zeit häufig vorgekommenen sittlichen Verirrungen von Lehrern die Haupt- schulo tragen dürste", zu vier Tagen Gefängniß verurtheilt worden. — In Bezug auf die schon erwähnte am 6. d. hier ab- gchende Ertrafahrt von Dresden nach Hamburg per Eisenbahn und von da per Dampfschiff nach der so reizend im Meer ge legenen Insel Helgoland, sei besonders hervorgehoben, daß von Hamburg aus das stattliche, comfortable Dampfschiff „Cuxha ven" die Extrazüglcr hinüberführcn wird. Jedem der Letzteren wird dabei Gelegenheit geboten, einen Abstecher nach Kiel zu machen, in dessen Hafen der Anblick der jungen, norddeutschen Flotte die schönsten Hoffnungen für die Zukunft im Herzen rege macht. Die Fahrpreise ermöglichen wegen ihre Billigkeit jedem diese dargebotene Gelegenheit. Außerdem tritt am 12. Juni der neue, bis jetzt größte Postdampfer „Holsatia" seine erste Fahrt nach Amerika an und dürfte auch diese Festlichkeit den Binnenlandbeivohnenr besonderes Interesse bieten. Es giebt also Vieles zu sehen und viel Vergnügen. — Vor ungefähr sechs Jahren hatte ein junger Mensch aus dem Jahrmärkte in dem nahen Flecken Schönfeld ein Beu- tclchen mit vier Thalern gesunden, unbemerkt aufgehoben und in seinem Nutzen verwendet. Er war später Soldat geworden, wurde im letzten Kriege verwundet und hatte an: Längsten mit im Wiener Hospital gelegen. Von da aus hat er nun in jüngst vergangener Zeit das gefundene Geld anonym an die dortige Behörde geschickt und extra mit zwei Thaler verzinst, La er, wie aus seinem Schreiben ersichtlich, sich gelobt hatte, falls er wieder genese, das Geld treulich zu ersetzen und zu verzinsen. — Ob Papier, ob Metall? Diese Frage möchte doch erst deutlich entschieden werden, wenn man die in Plakatform er schienenen gedruckten Notizen über coursirendes Papiergeld (Dresden, Adolf Mendel, Mai 1868) studirt. Da steht unter der Rubrik „Verfälschtes Silbergeld" folgender Passus: „Falsche Ocsterreichische Guldenscheine. Zur Warnung für das Pub likum wird polizeilich darauf aufmerksam gemacht, daß jetzt wiederholt falsche österreichische Gulden vorgekommen sind. Sie tragen die Jahreszahl 1859 und sind jedenfalls aus einer Zinncomposition angefertigt; denn beim Kratzen an den selben kann man sehr leicht Stückchen loslösen, waö auch bei einiger Aufmerksamkeit ihre llnächtheit sofort erkennen läßt. Guldens che ine aus einer Zinncomposition wäre eine Erfin dung, welche auf der Pariser Weltausstellung Furire gemacht hätte. Jedenfalls ist das Ganze nur ein Compositionssehler, aber von — Blech. Bei dieser Gelegenheit sei das in Plauen i. V. erscheinende Hänsel'sche Notizblatt über Papiergeld und Münzen als besonders zuverlässig und praktisch erwähnt, da man aus diesem über falsches, ungiltig gewordenes und sonst zweifelhaftes Papier- und Silbergelb die besten Aufschlüsse erhält. — Das Broekmann'sche Affentheater auf der Circusstraße hat am 1. Feiertag seine Vorstellungen begonnen und zwar unter einem Applaus, wie man ihn auf einer von derartigen Künstlern besetzten Stelle wohl nie gehört. Wenn wir von Künstlern sprechen, so sind es diesmal allerdings vierbeinige, aber sie leisten das, was so zu sagen, faktisch über alle mensch lichen Begriffe geht. Das Ganze hat dabei einen so eleganten Anstrich in Bezug auf Dekoration, Garderobe, Darstellungs weise, daß man die früheren sogenannten Affenbuden ganz und gar vergißt. Die Thiere arbeiten mit einer Freudigkeit, Leich tigkeit und Lust, daß der Zuschauer nur stets mit lächelnder Miene nach der Bühne sieht. Denken wir uns einen Kunst reitercircus im Duodezformat und wir haben Broekmann's Af fentheater vor uns; denn die Leistungen sind dieselben, nur noch mehr mit Humor gewürzt — es fehlt dem Theater selbst nicht einmal an einem Clown. Alles ist in der Akrobatie, in der Reitkunst, in der Equilibristik, ja man könnte sagen, in der Mimik vertreten; denn Müller und Schulze auf der Reise nach Paris werden von 2 allerliebsten Affen reizend dargestellt. Was sagen wir zu den niedlichen Pferdchen, javanische Voll bluthengste, welche, wie ihre größeren Urbilder in der hohen Schule gehen, die Drehorgel spielen, apportircn ec.? Was zur Wunderziege Dinorah als Flaschenakrobat, die sich wie eine Künstlerin ersten Ranges bedienen und applaudiren läßt und mit dem Publikum kokettirt? Die Thiere leisten in aller Wahrheit Unglaubliches und es ist vorauszusehen, daß ihr Herr und Meister hier glänzende Geschäfte machen wird, welchen Lohn auch seine Kunst der Dressur, seine Ausdauer verdient. Der Circus ist kühl, bequem eingerichtet. Eine ziemlich starke Kapelle und eine improoisirte Restauration am Eingänge sind für die Zwischenpausen nicht unangenehme Unterhaltungsstoffe. — Vst len dürfte es noch unbekannt sein, wie man bei jetziger reiselustiger Zeit sich durch Versicherung bei der hiesigen Gesellschaft „Thuringia" Hauptstr. 24. !., gegen Beschädigung und unvorhergesehene Unglücksfälle und die daraus entsprin genden pecuniären Nachcheile insofern sicher stellen kann, als man sich z. B. ein Versicherungsschein für 3 Ngr. auf 8 Tage löst, wodurch man sich im Fall der Verunglückung eine Ent schädigung bis zu 1000 Thlr. sichert. Der Betrag für einen halben Monat solcher Versicherung stellt sich auf 5, für einen Monat auf 7^ und für ein Jahr auf 1 Thlr. pro 1000. — Ein lustiges Intermezzo ereignete sich vor Kurzem während einer Auction in einem bei Dresden stromabwärts liegenden, bekannten Marktflecken. Auf dem Nepcrtoir der Auction stand auch der Sultan des Hofes, der edle Hühncr- türke, ein gackernder Hahn mit seinen sechs Favoritinnen Ce- lina, Zuleima und wie sie sonst noch hießen. Harmlos pro- menirten die Sieben im Hofe umher, nicht ahnend, daß mit dem Fallen des Auctionshammers der Divan in eine andere Provinz verlegt werden müsse. Und dicsw Moment kam; der Hammer fiel und die Augen des neuen Besitzers drehten sich im weiten Kreise herum und spähten nach der spazierenden Habe. Man ging nun eifrig daran, sich persönlich der Hühner zu versichern, da die Translvcation im schon offen gehaltenen Kornsacke vor sich gehen sollte. Je näher aber den Opfern auf den Leib gerückt wurde, desto länger wurden ihre Beine, desto schneller ihre Spaziergänge. Es begann in Folge dessen eine allgemeine Jagd, welche die Auction urkomisch unterbrach und verschiedene Hinfälligkeiten des menschlichen Lebens über Breter, Holzstämme, Fässer und Schiebeböcke so praktisch bewies, daß ein ganzer Lachchor sich in der einen Ecke des Hofes aufstellte und das Hallelujah bis zum zweimal gestrichenen b" hinan stimmte, als zum Schluß die flüchtigen Hühner auf einen hun dertjährigen Baum retirirtcn und von dort herab dem Lachchor im Parterre secundirten. Wie man später das Siebengestirn von oben herunter philosophirt, weiß Referent nicht. — Auf dem Schießstande zum letzten Heller wurde am Sonntag der Zieler, wie man sagt durch eigene Verschuldung, beim Einschüßen von Gewehren in das Bein geschossen. — Das polizeiliche Verbot in Leipzig, welches den Damen der Demimonde den Besuch des neuen Theaters nicht gestattete, ist wieder aufgehoben worden. — Eingedenk der Wahrheit, daß Kinder das theuerstc Geschenk der Natur sind, muß cs jeden Menschenfreund be trüben, wenn er sieht, wie leichtsinnig oft die Pflege der Klei nen genommen wird. An allen Plätzen, wo sich des Tages über Mädchen mit kleinen Kindern aufhalten, ha: man Gelegen heit zu beobachten, wie solche mit den ihnen anvcrtrautcn Kin dern umgehen, oder richtiger, wie wenig oder gar nicht solche mit denselben sich abgeben. Es ist da von einem Kinderpflegen oder Kinderwarten durchaus nicht die Rede, denn die Kinder sind sich in solchen Fällen selbst überlasten, während die Kin dermädchen bei einander sitzen und sich Abenteuer erzählen oder sich von Personen männlichen Geschlechts die Cour machen lasten. Wie es den Kindern während dieser Zeit geht, kümmert sie in den meisten Fällen nicht eher, als bis dieselben durch Schreien zu erkennen geben, daß sie sich unwohl befinden. Im besseren Falle sicht nun das Mädchen nach dem Kinde, im anderen aber — und das nicht selten — sucht es das Kleine durch Drohen, ja wohl auch durch Schlagen zur Ruhe zu brin gen. Eine Wahrheit ist es, daß die Schläge, welche in diesem Falle das Kind bekommt, das Mädchen, oder noch bester die Eltern verdient haben, welche an der verkehrten Behandlung ihres Kindes die meiste Schuld tragen. Werfen wir bei Wür digung dieses Punktes einen Blick auf das Institut der Kin dermädchen überhaupt, so finden wir, daß es hierin sehr faul aussieht. Wonach fragt eine Hausfrau beim Miethm eines Kindermädchens gewöhnlich zuerst? Gewiß liegt ihr daran, ein recht billiges und dabei kräftiges, wohl auch ansehnliches Dienst mädchen zu bekommen. So sind nun in der Regel Die, welche unfern Kindern beschützende Wärterinnen sein sollen, 14- bis 16jährige Mädchen, die aus dem ärmlichen elterlichen Hause hinaus mußten, um zu erwerben. Dieses ist ihnen Zweck, jenes das Mittel, testen rechten Gebrauch sie zum Nachtheile des Zweckes nicht gelernt haben. Wohl sagt die Mutter des Mäd chens, ihr Kind müsse zur Kinderwärterin taugen, da sie ja schon als Kind „Kinder tragen" gelernt habe. Das Tragen können eines Kindes aber macht noch nicht das Kindermädchen; wir verlangen von demselben mehr und doch im Grunde recht wenig. Außer dem richiigen Gebrauche unserer Muttersprache verlangen wir von ihm, daß es Liebe zu den Kleinen besitzt und cs versteht, mit denselben sich zweckmäßig zu beschäftigen und mit ihnen in rechter Weise zu spielen. Weshalb die mei sten Kinderwärterinnen diesen Ansprüchen nicht gerecht werden können und wollen, liegt einzig und allein an unfern Frauen, an den Müttern unserer Kinder. Von diesen hängt es ab, ob unsere Kinder in den Händen unserer Dienstboten gepflegt oder gemißhandelt und vernachlässigt werden. Wir müssen darum von der Mutter verlangen, daß sie sich vor den Augen des Kindermädchens an den Spielen der kleinen Kinder betheiligt, daß sie gegen dasselbe, sowie gegen alle Dienstboten des Hauses wahrhaft liebevoll, redlich, gerecht ist, daß sie jedem Aberglauben, Jrrthum, jeder Lüge steuert und von der Kinderstube fernhält, und daß sie sich nicht scheut, an die Arbeit des Hauses Hand anzulegen. * So etwas hilft! Die Abonnenten einer nordameri- kanischen Zeitung waren mit der Zahlung des Abonnements noch im Rückstände. Als keine Mahnung helfen wollte, erschien in einer Nummer folgende Aufforderung: „Unseren werthen Abonnenten die Nachricht, daß wir, theils um ihnen die Mühe der Zahlungseinsendung zu ersparen, theils um zwei Unglück lichen aus Mitleid eine kleine Unterstützung zu verschaffen, in drei Tagen so frei sein werden, einen in der Genesung begrif fenen Pockenkranken und hilfsbedürftigen Krätzkranken mit der Einziehung der rückständigen Abonnements zu beauftragen." Zwei Tage darauf waren alle rückständigen Gelder eingelaufen. * In der Franz-Joscphs-Kasernc in Wien ereignete sich kürzlich folgender Vorfall: Als ein Theil der Mannschaft des Infanterie-Regiments Schmerling von der Wache eingerückt war, nahm reglementsmäßig die Mannschaft ihre Gewehre zum Reinigen und Putzen vor. Der Gemeine Gpuro kommt tril lernd in das Zimmer und rusi, daß auch er sein Gewehr putzen wolle. Ein Freund von ihm macht gegen die anwesen den Kameraden die scherzhafte Aeußerung, daß „wohl Keiner von ihnen den Muth hätte, ihn zu erschießen", worauf Gyuro im Scherze antwortet, daß er den Muth hierzu besitze. Wirk lich lud er sein Gewehr und setzte, nachdem er zur Vorsicht die Schutzkappe auf den Piston gesetzt hatte, dem Freunde das Ge wehr auf die Brust. Auf das Commando „Feuer" geht der Schuß trotz der Schutzkappe los und der Soldat fällt tödtlich getroffen zu Boden. Aerztliche Hilfe ward aus der Stelle an- gewendet. allein vergebens, der Soldat verschied nach wenigen Augenblicken. * Als Curiosität oder sogenannte .Ironie der Geschichte" sei erwähnt, daß König Theodor, als er bei dem Sturme auf Magdala seine Sache verloren sah, sich mit einer Pistole er schaffen haben soll, die er einst von der Königin Victoria zum Geschenke erhalten! * Eine Locke vom Haupte des Königs Theodor hat ihren Weg nach England gesunden. Am Schaufenster eines Ladens in Plymouth, wo sie im Laufe voriger Woche anlangte, aus gestellt, zieht sie eine zahlreiche Menge Beschauer an. Im Scherze hatte nämlich Capitän C. F. James vor seiner Abreise nach Abessinien einem Freunde ein Andenken aus dem Lande Habcsch versprochen; er schnitt sie selbst vom Haupte Theodors ab, und bürgt daher in dem der Sendung beigegebcnen Schrei ben für ihre Echtheit.