Volltext Seite (XML)
Rr. SS«. Erscheint: LLgltch früh 7 Uhr. Inserate werden angenommen: bis Abends 8,Dv»l» tagS bis Mittag» 13 Uhr: Marirnstra-e IS. Anzeig. in dies. Blatte finden eine ersolgreiche Verbreitung. Auslage: »SO«» Srernplarr. Fwblfte» Jahrg. Montag, L Derb Tageblatt sür Nntcrhaltung nud Gcschästsverkchr. Mitredacteur: Theodor Drobisch. «i- bei <>e» serung in'« Hau». Durch die König!. Post vierteljährlich S2 Ngr. Einzelne Nummern 1 Ngr. Inseratenpreise Für den Raum einer gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Einge sandt" die Zeile 2 Ngr. i »ruck und Sigruthnm der Herausgeber: LiepschKNeichardt. - Verantwortlicher Redakteur: Julius Nklchar-t. HresSe«, de» 2. December. '— In den Nachmittagsstunden des vorgestrigen Tage» nahm Se. Maj. der König die hiesige Wettinerstraße und de ren Umgebungen in Augenschein. An diesen Besuch knüpften die Bewohner diese» bisher etwas vernachlässigten StadttheilS die Hoffnung auf baldige Erfüllung ihrer Wünsche, den Durch bruch dieses StraßentracteS nach der Stadt wie nach Friedrich stadt in Angriff genommen zu sehen. — i— Einem in Dresden umlaufenden Gerüchte zu Folge soll, wie der „D. A. Ztg" in ihrer neuesten Nummer von hier geschrieben wird, da» Leib-Grenadier-Negiment Nr. 101 da» erste sächsische jLeib- Grenadier-Regiment führt übrigens Nr. 100 und oa» zweite sächsische Grenadier-Regiment Nr. 101) demnächst nach Holstein in Garnison kommen. — Heute hält im „wiflenschaftlichen Ci-cluS" Herr Prof. Ur. Victor CaruS einen Vortrag über da« BildungSgesetz der thierischen Gestalten. E» ist zu erwarten daß diese Mitthei lungen nicht allein für Freunde der Naturwissenschaften, son dern auch für diejenigen Naturforscher, welche die gegenwärtige Kenntniß der Natur zu überblicken vermögen, von höchstem Interesse sein werden. — Wir brachten kürzlich die Mittheilung, daß für die Feldzeichen, wie Portepee und Schärpe der s)fficiere unserer königlich sächsischen Armee, die Einführung der norddeutschen Farben in Aussicht stehe. Dem entgegen wird uns von einem sehr gut in dieser Angelegenheit Unterrichteten zu wissen ge- than, daß bei unserer Armee nach wie vor die grün-weiße Farbe fortbesteht. Die norddeutschen Bundesfarben werden nur bei denjenigen Contingrnten, wie Altenburg, Coburg, Hamburg, Bremen rc. eingeführt, wo der preußischen Regie rung das MilitärauShebungSrecht zusteht. Noch ist aber unsere Regierung in der Lage, diese Aushebung selbstständig ausüben zu können. Die norddeutschen Farben haben auch diejenigen preußischen Officiere anzulegen, welche zu einem der erwähnten Contingente zeitweilig commandirt werden. — Die „Kötzschenbrodaer Ztg" bringt unter Bautzen Folgendes: Der Gewerbeverein zu Bautzen hat bei der be treffenden Behörde eine Petition eingereicht, dahin gehend, daß die Stadt künftighin nicht mehr zwei Namen (Bautzen und Budissin) führe, sondern nur „Bautzen" genannt werde. Zur Unterstützung dieser Eingabe sind an zahlreichen Orten Sam melbogen für Unterschriften auSgelegt worden und werden alle Bewohner Bautzen» und Umgegend aufgefordert, sich der Pe- tition durch Namenöunterschrift anzuschließen. — Ein sonderbarer Fund. Ein Dresdner spazierte in diesen Tagen nach Lockwitz. Auf dem Hinwege trug sich nicht» Besonderes für ihn zu, aber auf dem Rückwege. Als er nämlich die Hälfte heimwärts marschirt war, fand er auf der Landstraße einen goldenen Siegelring Erfreut über den glücklichen, goldreichen Fund, hob er den Schatz auf und war eben im Begriff, den Ring an den Finger zu stecken, als er sah, daß es sein eigner war, den er auf dem Hinwege unbe merkt verloren hatte. Da» kommt selten vor. — „Mignon" die Oper von Thomas, welche in Paris gerechtes Aufsehen erregt und über die unS neulich HanS Wachen Husen eine Notiz für unser Blatt aus Paris einsandte, sollte, wie wir erfahren, eigentlich in Deutschland zuerst für die Dres dener Hofbühne requirirt werden. Der Herr General-Inten dant, Graf von Platen, trat schon vor längerer Zeit mit dem Verleger dieser Oper in Unterhandlung, wobei sich aber der Um stand ergab, daß die Berliner Intendanz die Oper „Mignon" mit der Bedingung an sich brachte, in Deutschland zuerst in Berlin gegeben zu werden. Weil nun aber Frau Lucca, die designirte Vertreterin der Hauptrolle erst zu einem längeren Gastspiel nach Petersburg geht und somit die Darstellung eine Verzögerung bis in dm April 1868 erleidet, so bestimmte dies den DreSdmer Intendanten, sich mit Annahme dieser Oper nicht zu übereilen, zumal nach dieser Bedingung die Aufführung dm übrigen deutschen Theatern erst zu einer Zeit möglich wird, wo man mit neuen Werken nicht mehr operirm darf. Uebrigms würde der Verleger dieser Oper die obige Bedingung des Auf führungsrechtes wohl nicht so bestimmt eingegangm sein, wenn er gewußt hätte, daß da« DreSdmer Hoftheater in Frau Jauner- Krall eine vorzügliche Repräsentantin besitzt, wodurch der Erfolg dieser Oper nicht in Zweifel zu stellen war. — Die Theatergesellschaft „Thespis" in Braun'S Hotel wird am heutigen dritten Gastabmdc die Stücke: „Der Zigeu ner", „der Zweikampf im dritten Stock" und „die Erholungs reise" aufführen. — Ahnenwettstreit. Einsender hatte Gelcgmheit am Dienstag Abend eine fröhliche Gesellschaft zu beobachten. Die Veranlassung war, daß der mit seinem Etablissement höchst po pulär gewordene August in der Warmbicrhallc der Stadtwald 1« höchst anständig durch. Bei der großen Billigkeit des Eouvertes, ') Speisen für 6 Ngr., war die Betheiligung von Droschken kutschern, Dimstmännern und Eisenbahnern, welche zum großen Theil ihre Frauen mit hatten, eine außerordentlich starke, und mancher naturwüchsige Witz sprudelte in der heitersten Laune hervor. Unter anderm verdient eine kleine Debatte hier er wähnt zu werden, die trollig und sprudelnd von Mutterwitz war. Es hatte sich ein lebhaftes Gespräch über die Altersabstammung der verschiedenen Branchen entspannen, und von dm Eisenbah nern, Droschkenkutschern und Dienstmännern übemahin je Einer die Lcrtheidigung des Ursprungs seines Geschäfts. Der Eisen bahner ergriff zuerst das Wort und sprach: ich bitte aus einen Augenblick um Ruhe, denn ich will euch gleich beweisen, daß wir Eisenbahner die ältestm der drei streitenden Parteien sind. Alles lachte, denn Niemand glaubte an einen derartigen Beweis, da doch die Eisenbahnen sehr jungen Ursprungs sind. Mit Pathos kam nun der Knittelvers zum Borttag: Laß ich von allen Dreien als Eisenbahner der älteste bin, Das steht schon im alten Testamente darin; Denn seht in's zweite Buch der Könige hinein. Da steht cs ja ganz deutlich und klar zu lesen, Elias ist der erste Eisenbahner gewesen: Tenn er fuhr aus feurigem Wagen mit feurigen Rossen bespannt Hinaus aus der Stadt, und hatte sich gar nichts verbrannt. Gelächter und Bravos erschallten. Allein der Droschken kutscher wollte sich den Beweis seiner noch älteren Abstammung auch nicht nehmm lassm und entgegnete: Da Friedrich seinen Beweis aus dein alten Testament pcnonimcn, Soll cs mir gar nicht daraus ankommen, Auch aus der ältesten Geschichte zu beweisen, Daß David kein Eamcel ritt, sondern fuhr aus seinen Reisen; Ja noch mehr, er sprach sogar: „ich sahrc in mein Belt". Nun streite mir einer etwa« andres wohl noch ein. Das konnte nur eine Droschke, aber keine Eisenbahn sein: Aber soll ich euch Alles noch besser bekennen, So will ich euch sogar de» Namen des Kutschers noch nennen. Ter Kutscher mit der Droschke, wahrscheinlich nicht bewand uno beflissen, Halte den David im Bett umgeschmiflen, Denn David, voller Wuth, nahm den Stallmeister bci'n Haaren Und sagte: Seid soll mir nicht wieder fahren. Wieder gemüthlicher Beifallssturm. Dann aber litt eS den Drittm der Parteien, dm Dienstmann, nicht mehr auf dem Stuhle. Ihr seid im dicken Jrrthum, wenn ihr glaubt, ihr habt mir bewiesen, daß ihr die ältesten eures Ursprungs seid. Ich überspringe alle die alten Fürsten und Potentaten wie Conrad :c. :c., die sich auch Dienstmänner nannten, ich gehe noch weiter zurück in dem alten Buche, woraus ihr beweism wolltet, ich überspringe Elias, David, ich gehr bis aus Jacob zurück, denn: Als Jacob um die Rah^l steile, da sagte >!»» sein Schwiegervater: Du gehst mit dcmer Heirat!) plaid:, wenn du nicht dien» erst siebe» Jahre, Da lrapl sich Jacob hintern Ohren, lind suhr sich auch noch in die Haare: Er hatte Rahel auserkoren zu seinem lieben braven Weibe. Da war'» die siede» Jabre uni, und Jacob glauble sich am Ziele. Sein Schwiegervaler,der nicht d»m»i,sagt nee! daS gchl nicht so geschwind— Eist mußt du nun die äll'sie »eh»»», und wen» du wieder sieb'» gedient, Dann wert» ich mich dazu bcguemen. und geben dir nicin zweites Kind. Und da cr'S Mädel wirklich lieble, so diente Jacob voller Freuden, Noch eininal siebe» Jahr den Leuten. Nun frag ich bei den Damen an — Was war Jacob, der so was tan» ? Sie sind gewiß die besten Kenner— Der älteste der Licbcsdienstmänner. Und somit habe ich euch nun geirug bewiesen, wer älter von uns Dreien ist. Großer Jubel Die Unterhaltung soll bis 4 Uhr gewährt haben. v. — DaS Geschick hat ein großes Eisenbahnunglück verhütet, das in diesen Tagen auf der Leipzig-Dresdner Eisenbahn sehr leicht sich hätte ereignen können. Der Abends gegm 7 Uhr von Dresden abgehmde Zug kam bis zu einem Bahnübergang« am Eingänge von Kötzschmbroda. Dort merkte der Lokomotiv führer einen Stoß an der Maschine, indeß der Zug ging im Fluge ruhig weiter. Nach und nach aber ermattete auf der ferneren Fahrt die Maschine und es ergab sich, daß die vorn sich befindenden Dampsröhrm zerrissen, also durch irgend eine,» objectiven Widerstand berührt wordm warm. Doch über das Wer und Wie befand man sich immer noch im Unklaren, bis endlich die Lösung dcr nächste Zug, ein um 8 Uhr von Dresden Abmds abgehmde Güterzug, gab. Auf dm Schimm hatte eine Eisenbahnschwelle gelegen und zwar querüber, die aber die erste Locomotive glücklich für sich beseitigt. Die Schwelle war aber auf dem Bahngleis trotzdem liegm geblieben. Da braust und saust dcr 8 Uhr Abmdzug heran und dcr vordere Theil erfaßt wieder die Schwelle, aber fest und schleift sie so vor sich hin, tiefe Furchen in dcr Bahn, Holzsplitter :c. zurücklassmd, sie hatte tief eingeschnittm und so ging diese fatale, wunderbare Fahrt bis — Niederau, glücklich, aber gefahrvoll. Erst in Nie derau wurde die am vorderen Theil der Maschine fast einge klemmte Schwelle bemerkt und weggmommcn. Wie leicht konnte sich die Schwelle an den Schimmschrauben feststoßen und somit den ganzen Zug im Nu hcraushebcn. Alle Erörterungen über die T Hatsache haben bis jetzt noch zu keinem Resultat geführt. Böswilligkeit alaubt man nicht. Man ahnt nur, daß einige entweder in der Angst der geahnten Ertappung, oder durch Ueberraschung deS herrannahmden Zuges plötzlich fallen gelassen wordm ist. — Chemnitz. Ueber die Resultate der gerichtlichen Untersuchung wegen der Verunglückung der Bergleute auf der „neuen Fundgrube" zu Lugau am 1. Juli l. I.) hat bis jetzt etwas Näheres nicht verlautet, obwohl die Einleitung der Vor untersuchung wider den Betriebs-Director Müller bekanntlich erfolgt ist. Sichern, Vernehmen nach hat die Untersuchung, welche unausgesetzt im Gange ist, mit großm Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt, um Sachverständige zu erlangen, welche ge neigt sind, das zur endgiltigen Entscheidung unentbehrliche Gut achten zu ertheilm. — Tagesordnung für die 37. öffentliche Sitzung der Ersten Kammer, Montag, 2. December, Mittag« 13 Uhr. 1) Bericht der ersten Deputation über dm Gesetzentwurf, da» Halten des Gesetzblattes des norddeutschen Bunde» betreffend. 3) Bericht derselben Deputation über dm Gesetzentwurf, die Aufhebung der sogenanntm Meßferien betr. 3) Bericht der zweiten Deputation über Abtheilung 1. des AuügabebudgetS, Ausgaben in Bezug auf dm norddeutschen Bund betr. < Be richt derselbm Deputation über Abtheilung II. der AuLgabe- budgets, Dkpartemmt de» Auswärtigen betr. Kleine Wochenschau. Wie am Himmel sah's auch in der Politik vorige Woche ziemlich nebulös aus, obschon wir, was die frankogallische Politik anlangt, an blauen Dnnst gewöhnt sind. Der Herr Retter der Gesellschaft selber soll düster ausgesehm habm. Es ist dies kein Wunder. Dieser Potentste „rettet" nun unver drossen seit einer Mandel Jahren — neuerdings Hilst ihn auch seine Frau Gemahlin — aber das Schlimme bei der Sache ist, daß sich die „Geretteten" selber ihres Daseins nicht recht froh werdm. Daher auch vorige Woche Haussuchungen, Ver haftungen, angedrohte Bedrohungen der Presse und waS der gleichen ungemüthliche Dinge mehr sind. Eine Pariser Zeitung meinte sogar dieser Tage, daß Frankreich an einer neuen Auf lage des Jahres 1789 angelangt sei. Dann würden freilich die napoleonischm Rettungsanstaltm zu einem sehr unbefrie digten Resultate geführt haben und es stünde eine Zeit in Aus sicht, wo der Retter der Gesellschaft selbst in die unbehagliche Lage gerathm könnte, aus seine höchsteigene Rettung und die seiner Frau Gemahlin und Sohn bedacht zu sein. Die Herren Franzosen scheinen nun einmal nicht gerettet sein zu «ollen, wenigstens nach napolconischer Methode nicht. Je nun, so lasse man sie doch. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich, und treibe die Rettungsversuche nicht so weit, daß sie zu neuer Re volution führen, wobei wir Deutschen in der Regel auch leine Seide spinnm. Kurz eS sieht ungcmüthlich aus. Dies sagen nicht sowohl dcr Pabst wie auch sein Intimus Garibaldi, und diese Anschauung ist wohl die einzige, in welcher diese beidm Herren mit einander übereinstimmen. Beide hattm übrigens vorige Woche auch das gemein, daß sie bettlägrig warm; dm einen hatte wahrscheinlich die Freude, dm Garibaldi los zu sein, krank gemacht, dm andern der Verdruß, seine Expedition abermal» verunglückt zu sehen. Letzterer hat darum aus Gesundheits rücksichten die Erlaubniß erhalten, nach seiner Ziegeninsel zu- rückzukehrm. DaS Gerücht, dcr König von Baicrn habe das Re gieren überdrüßig und beabsichtige in bescheidnen Privatstand zurückzutreten, erhält sich noch immer in dm Zeitungen. Diesen philosophischen Wunsch soll Seine Majestät bereits zur Zeit, als König Otto noch lebte, gegen einen seiner Minister ausge sprochen, von letzterem aber die Antwort erhalten habm: „Ew. Majestät, das geht nicht, denn alsdann hätte Baiern vier Könige, und das wäre doch des Guten zu viel". Bekanntlich lebt der Participim liebende Herr Großpapa auch noch. Wenn auch die „Freiheit" im norodcutschm Bunde sich noch halten läßt, sind wenigstens die „Freimarken" billiger geworden, so daß Herr Müller in Tilsit einen Brief an Herrn Schulzen in Aachen schicken kann, und eS kostet nur einen Silbergroschm und umgekehrt. Hoffen wir, daß auf die Frei marken mit der Zeit auch die „freien Marken" folgm. ES wird, wie gesagt, noch Alles recht schön im gutm Deutschland, man muß es nur erleben, wozu freilich -in vielm Dingm ein recht hohes Alter gehört. In Aachen „dcr alten Kaiserstadt", wo Karl der Große begraben liegt, muß es trotzdem noch sehr einfältige Leute geben, welche als dcr bekannte deutsche Naturforscher Carl Vogt wissen schaftliche Vorträge hielt, sich gemässigt fanden, Steine in die Fenster des Auditoriums zu werfen. Der ganze norddeutsche Bund muß sich dieses fanatischen Gesindels schämen. Man sollte es kaum für möglich halten, daß im aufgeklärten Notd- dcutschland noch solche ulttamontane Demonstrationen vorkom-