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Auzeig. iu dies. Blatte finden eine erfolgreiche Berdrcitung Auslage: »Sivvv Exemplare. Fbsuun»e»t: BierleljLhrlich 20 Rgr. dri uneutgrldltchrr Lie ferung in'« Hau«. Durch die KSoigl. Post vierteljährlich 22 Rgr. Einzelne Numme«. 1 Ngr. Inseratenpreise: HUr den Raum einet gespaltenen Zeile: 1 Rgr. Unter,,Einge<» sandl" die Zeile 2 Ngr. ^ Druck und Eigenthuw der Herausgeber : Li cp sch Ntichllrdt. - Verantwortlicher Redacteur: Julius NeÜhardt. n Dresden, den 21. October. — Die mit hohem Interesse erwarteten Shakespeare .Vorträge von Rudolph Genes werden in dieser Woche im Hotel de Pologne) beginnen. Die besonder» Vorzüge Genec's, .durch welche er jedes der Shakespeare'schen Dramen nur durch die Macht des Wortes zu so ungemein lebendiger Wirkung kund zum eindringlichsten Verständniß auch für die größeren Kreise des Publikums zu bringen vermag, bewähren sich gerade bei dm für diesmal gewählten Dramen aus der englischen Ge schichte in hohem Maße, so daß die Hörer einen klaren und vollständigen Einblick in die erschütternden Ereignisse erhalten, in deren poetisch-dramatischer Schilderung wohl das gewaltigste und lehrreichste dramatische Gemälde für alle Zeiten geschaffen ist. Diesem Cyklus der englisch-historischen Dramen wird Herr Eenes zunächst an folgender Mittwoch den Vortrag der groß artigen Römertragödie „Coriolan" vorausgehcn lassen. — Zu dem am 2l. d. M. in Wurzen stattfindenden sächsischen Städtetage ließe sich in Form eines Antrages Seiten der gewerbtreibenden Bevölkerung Sachsens noch der Wunsch einbringen, daß an alle Städtevertreter, sowie an die Gewerb treibenden Sachsens der Aufruf ergänze: bei der hohen Staats regierung und Ständeversammlung darum zu petitioniren, daß die Volksvertretung auf dem sächs. Landtage dem Berufe der Bewohner entsprechend hergestcllt werde. Es würden zu Folge der Veröffentlichung des Kgl. statistischen Bureaus vom Jahre 18t!2, 0 es ziemlich 14 Million Gewerbe und etwas über 4 Million Ubautreibende Einwohner gab, j Theilc der Volksvertreter r erstem, j dem letztem anzugehören haben und sonach jene Vertretung nur eine billige und gerechte sein. — Ein Act der rohestm Brutalität spielte vorgestern rgen in einem Nestaurationsgarten der Augustusallee. Ein warzes langhaariges Hündchen, allerdings ohne Maulkorb, t in diesen Garten gelaufen und wurde von einem dort be fristen Arbeiter mit einem Knüppel dermasi n über den Vorderkopf geschlagen, daß das arme Thier bewußtlos zu Bo den stürzte, aus Nase und Schnauze strömte das Blut. Durch das Berühren von dem sich ansammelnden Publikum, kam das arme Thier wieder zu sich, versuchte aufzustehen, -rach aber wieder zusammen; nun erst erbarmte sich ein dort anwesender Herr über ihn und trug ihn in die Lokalität und uchte das Blut zu stillen. Welchen Ausgang dieser allem menschlichen Gefühle zuwiderlaufende Act nock, genommen, nnte Einsender wegen seiner Erregtheit nicht abwarten. — Am 6. d. M. spielten in Bischofswerda mehrere Kin der bei einem sogenanntm Kartoffelfeuer auf einem zur Stadt gehörigen Felde, wobei das Kleid eines im siebenten Jahre stehenden Mädchens von Bischofswerda Feuer fing und daS arme Kind dergestalt verbrannte, daß es trotz aller ärztlichen ilfe am 14. unter großen Schmerzen verstorben ist. — Am 16. d. M. gegen Mittag fiel die im vierten Le bensjahre stehende Tochter des SchiffmannS Schumann in Stadt Wehlen in die Elbe, wurde kurze Zeit darauf zwar wieder aus dem Wasser gezogen, es sind jedoch leider alle unter ärzt licher Hilfe sofort angestellten Wiederbelebungsversuche erfolg lo« geblieben. — Am 8. October feierte die Schützengesellschaft zu Sieben- ' lehn ein üOjährigeS Fahnenjubiläum, an welchem sich auch die Städte Hainichen, Roßwcin und Nossen in Corporation und auS Döbeln und Waldheim Deputationen betheiligten. Nach dem Herr Commandant Ruscher von Siebenlehn die Anwesenden begrüßt, wurde die Jubelfahne in das auf dem Markte gebildete s Viereck durch daS Fahnenpelaton und fünfundzwanzig in Weiß >und Grün gekleidete Jungfrauen eingebracht, worauf der Com mandant eine kurze Notiz über die Entstehung der National garde oder jetzigen Schützengilde, welche sich vom Jahre 1817 ' datire und der Fahne, über die Feldzüge (1806 und 1807), ^welche sie mitgemacht habe, und daß sie ein ehrendes Geschenk König Friedrich August des Gerechten sei, gab. Hierauf wurde dieselbe von den Jungfrauen mit einem grünen Lorbeer und einem goldenen Eichenkranze und mit Bändern, unter ent sprechenden Reden geschmückt. Bei dem nun folgenden Gottes dienste wurde vom Chore die Hymne: „Lobet den Herrn, denn er ist freundlich rc." mit Instrumentalbegleitung vorgetragen, worauf Herr Pastor Koch in der Kanzelrede die Treue gegen - Gott, die Treue gegen den König und die Bruderliebe herrlich . aüSlcgte. Nun folgte der Auszug durch die festlich geschmückte Stadt, wonach die Festtafel im Schießhause begann. Erfreulich war noch, daß sich bei diesem Feste auch zwei Jubilars, welche die Fahne vor fünfzig Jahren mit von Dresden abgeholt hatten, befanden. Auch wurden die Johanngeorgenstädter mit einer Sammlung bedacht. In der siebenten Stunde fand der Einzug ^ter Illumination und bengalischen Flammen und eines sanf- xfi NegenS statt, wie auch das ganze Fest in harmloser Freude verlief. — In Pulsnitz brach am 18. d. auf der Langegasie Feuer aus. Nur durch rechtzeitige Hilfe wurde die Stadt, vor größerem Unglück bewahrt. Das Feuer erstreckte sich nur auf zwei Häuser und sind in selbigen auf dem Boden die Balken in Brand gerathen Entstehungsursache unbekannt. Muthmaßlich die schlechte Beschaffenheit einer Schmiedeesse. Kleine Wochenschau. Abermals haben die Trommeln im Leipziger Lotteriehause ausgerasselt und ihre fetten und magern Bissen über die ge winnlustige lotteriespielende Welt ausgestreut. Während aber im Verhältniß zu den vielen Tausenden von Spielern nur äußerst Wenige sich eines leuchtenden Blickes von Seiten der Frau Fortuna zu erfreuen hatten und jetzt ihren Gewinn theils vernünftig, theils wohl auch unvernünftig anwenden, sind auf der andern Seite Tausende von Hoffnungen unerfüllt geblieben, Tausende von Luftschlössern zusammen gefallen Von einem Segen kann bei einem bedeutenden Lotteriegewinnste wohl kaum die Rede sein, da dieses Wort in seiner schönen Bedeu tung nur die redliche Arbeit und einem damit verbundenen rechtschaffenen Lebenswandel zu begleiten pflegt, während über den Unsegen, den das Lotteriespiel häufig im Gefolge hat, ein nur zu langes Kapitel zu schreiben wäre. Wenn es eine Möglichkeit, achtzigtausend Menschen auf einem freien Platze zu versammeln, und diejenigen, welche mit einem großen Ge winne beglückt worden, ein rothes Fähnchen in die Luft halten müßten, so würde mancher Lotteriespieler mit Schrecken daS ungeheuere Mißverhältniß zwischen der Anzahl der kleinern Ge- winne und Nieten und der verschwindenden Minorität der paar vereinzelten größeren Haupttreffer wahrnehmen, und er dürfte sich im Geringsten nicht wundern, mit einem Hunderter oder Fünfundsechziger oder gar einer Niete herausgekommen zu sein. Um die Unwahrscheinlichkeit, das große Loos in der sächsischen Landeslotterie zu gewinnen, dem Volke durch ein Beispiel recht klar vor Augen zu führen, hat sich einmal ein Statistiker die Mühe genommen, auszurechnen, daß in unserm Sachsen eher die Wahrscheinlichkeit vorhanden, siebenmal vom Blitze getroffen zu werden, als die 150,000 Thaler zu gewinnen. Doch dem sei, wie ihm wolle, die Leute werden doch spielen, weil trotz der übergroßen Unwahrscheinlichkeit, einen der größer» Treffer zu gewinnen, die Unmöglichkeit gleichwohl nicht ausgeschlossen bleibt. Während der Ziehung der letzten Classe hat man übrigens recht Gelegenheit, die allmälich zunehmende Bescheidenheit des lottcriespielei.den Publikums kennen zu lernen. So lange noch die 150,000 Thlr. im Glücksrade, o da schwillt das Herz auf in ausschweifendster Hoffnung; wer hegte nicht im Stillenden Gedanken, daß er vom Schicksal als der Glückliche ausersehen. Wenn auch nicht die Wahrscheinlichkeit, so ist doch die Mög lichkeit vorhanden. Endlich purzelt dieser fetteste aller Bissen heraus. Hm! — also mit der ,150,000 war Nichts. Eine Hoffnung weniger. Man spannt nothgcdrungen die Saiten etwas tiefer und klammert sich, als einen ebenfalls nicht zu verachtenden Gegenstand, an die 100,000. Auch diese kommt. Wieder nichts. Jetzt ist man bereits zu der edeln Bescheiden heit gelangt, sich mit der 80,000 begnügen zu wollen und zwar recht gern. Auch die 80,000 zieht vorüber, ohne von uns die geringste Notiz zu nehmen und verschwindet in einer von unserm Wohnsitze meilenweit entfernten ganz obscuren Ortschaft. Ni an hätte dieser elenden, dürftigen, blos aus drei lumpigen Ziffern bestehenden Nummer solchen Dusel gar nicht zugetraut. Wie fett und wohlhabend, allein drei glückverheiß ende Sieben enthaltend, nimmt sich die unsere dagegen aus. Endlich sind die großen Kapaunen uird goldencn^Lachtauben alle heraus und wir lauern mit unsrer prächtigen mit drei Sieben gespickten Nummer, der man die Gcwinnanwartschaft doch ganz deutlich ansieht, noch immer am Teiche Bethesda. Die letzten Tage der Ziehung rücken immer näher. Keine telegraphische Depesche) kommt geflogen, kein Collecteur stürzt athemlos ins Zimmer. Wir fügen uns endlich in das Unvermeidliche und umgürten uns mit der probaten deutschen Philosophie: „es hat nicht sein sollen." Nichtsdestoweniger verschmähen wir nicht unsre Aufmerksamkeit der noch im Rade befindlichen 10,000 zu schenken, die wir bei Beginn der Ziehung, wo noch die aller höchste Generalität unverausgabt im Schaufenster hing, kaum der Beachtung für werth hielten. Auch noch zwei 5000 und mehrere 1000 sind zu haben. Selbst diese kleineren, aber immerhin noch nutzbarm Krammetsvögel würden wir nicht ver schmähen, falls es einen derselben beliebte uns auf unfern Schooß zu fliegen. Endlich — daß ich's kurz mache, sind wir als gute Norddeutsche selbst mit einem ruppigen Sperling zu frieden, der uns die Einlage wiederbringt. Dies der Verlauf unserer sanfangs so überschwenglichen Hoffnungen. Der geist volle Berichterstatter über dm Reichstag würde hier beifügen: „der deutschen Demokratie ist eS mit der norddeutschen Bundes verfassung nicht viel bester ergangen." Aber wird schließlich der Leser fragm: Was sagt endlich derjenige, welcher gar mit der Niete herausgekommen? Hat dieser auch einm Trost? O ja, der hat auch seinen Trost, Gott verläßt keinen Deutschen, Es lebe die deutsche Philosophie! Ein berühmter englischer Schriftsteller nannte darum jeden unter des durchlauchtigste» deutschen Bundes schützenden Privilegien ausgewachsenen Deut schen einen gebornen Philosophen. Das Gute hierbei ist,1 daß wir für diesen englischen Titel wenigstens keine Personalste»« zu bezahlen brauchen. — Ich würde gewiß die Geduld deS Lesers durch vorstehende Lotteriegeschichte nicht so auf die Probe gestellt haben, wenn die Tagesgeschichte der abgelaufene» Woche einigermaßen schmackhafte Gerichte auf die Tafel gesetzt hätte; aber es blieb so ziemlich beim Alten. Im Kirchen staate drangen die Garibaldiner immer weiter gegm Rom, während Herr Napoleon in Biarritz fortwährend die FriedmS- flöte blies, wie ein arcadischer Schäfer. Wie ein Zephirhauch am Frühlingsabend beruhigten diese sanften Molltöne die Börse, daß sie erquickt ein ganzes Achtel in die Höhe ging. Nur in Berlin auf dem Reichstage war etwas Lebm. Finsterlings Gegenpapst, Herr von Schweitzer stand auf d« Tribüne, aber nicht blos..mit Hahnbüchner Rede, sondern auch mit geballter Faust. Er schien im Interesse der bethörten Ar beiter, je eher je lieber losschlagen zu wollen. Diese Thatew- lust scheint anzudeutm, daß sich Herr,von Schweitzer nicht bloS von Rüben und Käse nährt, wie der bescheidene Finsterling.— Ganz am Ende voriger Woche kam von Wim noch eine Oel- blatttaube geflogen. >Der Kaiser von Oestreich lies de» Herren Erzbischöfen und Bischöfen wegm der bekanntm Adresse eine Zuschrift zukommen, in welche ein Ding gewickeltwar, das wir im gemeinen Leben eine „Nase" zu benennen pflegen. Es hieß darin unter Anderem: „die Herren Kirchenfürsten, anstatt Unfrieden auüzustreuen, möchten lieber dazu beitragen, daß Friede und Eintracht im Lande erhalten bleibe," was wir ebenfalls wünschen und zwar vom Herzen. Coneert von Anton Rubinstein. Dresden, Hotel de Saxe, am 19. October. Ein reichgefülltes Auditorium hörte vorgestern einm Pia- noforteoirtuosen, der nach zwei Seiten hin die Aufmerksamkeit und das Interesse auf sich zu lenkm wußte; zuerst als emi nenter Virtuos ersten Ranges, sodann als bekannt« Componist. Welchen Rang er in dem letzteren Bereich ein nimmt, wollen wir jetzt unentschieden lasten. Wenn eS der Zweck des Concertisten ist, sein ganzes Kunstvermögen zur Gel tung zu bringen und in ein glänzendes Licht zu setzen, die Zuhörer zum Erstaunen und Entzücken Hinreißen zu wollen, so reichen hierzu gewöhnliche Mittel, daS heißt eine bedeutende Technik und sonst schöne Begabung, nicht hin. Die große Menge ist zu wenig musikalisch gebildet, als daß sie sich aus schließlich an klassischen Compositionen erbauen und einen gan zen Abend fesseln lasten sollte, wie die Erfahrung dies in dien mäßig besuchten Concerten lehrt, welche nur klassische Composi tionen bringen. Entrüstete Scheineiferer für diese letzteren find gewöhnlich die Ersten, welche „aus Ermüdung" oder dem „Zuviel des Guten" dem Saale den Rücken wenden. Ja, er. giebt, wie Göthe sagt, Pedanten, die Schelme sind. AuS dw sem Grunde trachten reisende Virtuosen damach, eS allen Par teien recht machen zu wollen. Dazu gehören, wenn der Schuß treffen soll, wie zum Kugclguß im Freischütz, mehrere Dinge: erstens eine enorme technische Ausbildung, sodann eine vÄ- seitige künstlerische Durchbilvung und endlich, um blendend durch halsbrecherisches Passagenthum zu wirken, eine gewisse Vorbildung. Dies gilt aber natürlich nur hervorragenden Talenten, nicht den alltäglichen sogenannten Virtuosen, in deren Compaß die Klingel und die Schwingel den Nordpol bildm. Nubinstein's Auftreten in Dresden kann man ein Eceig» niß nennm, denn noch nie hörten wir solche Beifallsstürme. Selbst zarte Damenhände und Mitglieder der königlichen Ca pelle auf dem Orchester stimmten ein, und der Kritik wird jetzt das Amt, ruhig und besonnen ihr Urtheil zu spenden, waS der Unterzeichnete um so eher zu geben hofft, da ihm der Concert- geber schon au« früheren Jahren bekannt ist. Nubinstein huldigt als Virtuos und Componist einer Rich- tung, die durch die sogmannte neuromantische Schule, al» Chopin, Berlioz, begründet und durch Schumann, Lißt und Wagner ausgebildet wurde. Seine Phantasie gefällt sich « düsteren Bildern, in leidenschaftlichen Schilderungen, im Ungr- meffenen; sich in den nebelhaften Regionen der Romantik u» ergehen, in dem Unbestimmten zu schwärmen, ja nicht selten » sein« Laune das Verzerrte hervortreten zu kaffen, daS find die Elemente seines Charakters, abgesehen von der ganz enorm ausgebildeten Technik. Er begann unter Mitwirkung der königlich musikalisch« Capelle die Vorträge mit einem Coneert (v-moll) eigener Com positum. Da» Coneert für irgend ein Solo-Instrument be hauptet einen individuellen Charter, dah« existirt wohl schwer lich ein Virtuos, der nicht einmal für seft, Instrument ei» Coneert geschrieben hätte, in welchem « sowohl die Höhe sek- ne, Bravour, wie auch seine ibm eigeathümltche, technisch»