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Jahrg. c-rscheiut: «glich früh 7 Uhr. Australe «vrrdrn angenommen: si«Aiend8S,Sonn- tagS bi« Mittag- 12 Uhr: Marienstraße IS. Hlnzeig. in dies. Vlatte Gaben eine erfolgreich« Verbreitung. Auflage: ! 18,000 Srenipwre- Montag 10 September 18M. Tagcttatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mitredacteur: Theodor Drobisch. ^illanuemeut: vierteljährlich L0 Agr. bei unentgeldttcherkir- fenrng in'S Hau« Durch dir Köuigl. Post vierteljährlich 27 Agr. Einzelne Nummern 1 Ngr. Inseratenpreise: Wr den Raum einer gespaltenen ArUe: 1 Ngr. Unter „Einge sandt" die Zeile 2 Ngr. und Ltgukhnm der Herausgeber: Atkpslh st Ntschardl. — Verantwortlicher Redacteur: IllliUS Neklhardt. «s Dresden, den 10 September. — Am Sonnabend früh reiste der von Wien kommende .Herr Generalmajor v. Fabrice hier durch nach Berlin. Man glaubt den Zweck seiner Neisc mit dem nahe bevorstehenden FriedmSschluß zwischen Sachsen und Preußen in Zusammenhang bringen zu können. fl - x. — Es wird sich jetzt vielseitig gewundert, warum Frank reich sich gerade des Königreichs Sachsen so warm annimmt, da doch die Souveräne von Hannover, Cassel und Nassau auch nicht eines Wortes der Fürsprache von Paris her sich zu er freuen halten. Der Anlaß zu dieser Jntercession liegt in früheren Verhältnissen: der gekrönte Träger des Imperialismus hat, wie feine Regierungsgeschichte zeigt, alle Schulden des ersten Kaiser reichs übernommen, manche derselben hat er schon abgetragen, die Lösung mmHer bis zum Eintritt des geeigneten Augenblicks «schoben. Auch gegen Sachsen und insbesondere gegen unsere Dynastie hatte das Kaiserreich eine alte ungetilgte Schuld: um der vielgcschmähten Treue gegen "Napoleon I. willen verlor König Friedrich August der Gerechte die Hälfte seiner Staaten, Frank reich war sich ungeschwächt bewußt, der sächsischen Dynastie und bem sächsischen Staate den Dank für die gebrachten Opfer bis her schuldig geblieben zu sein, die Gelegenheit zur Abentrichtung hatte bisher gemangelt, Sympathie für alles Sächsische hatte inzwischen prompte Zinsen gezahlt, die ruhigen Verhältnisse unseres Landes hatten keine Rückzahlung des Capital« heraus gefordert. Da kam die jetzige Zeit und ihre Noth, da stand die volle große Gefahr dicht um uns herum und mitten unter unS, daß Sachsen seinen König, seine Selbstständigkeit, fast seinen Namen, den attehrwürdigen, aus der heidnischen Zeit, wie kein anderer deutscher, stammenden Namen der Söhne Wittekind's verlieren sollte. In diesen Augenblicken der Gefahr, als andere Kronen von den Häuptern Gesalbter sielen, trat Frankreich für unS auf, das schwache Fürwort Oesterreichs stark zu secundiren, da wurde der französische Souverain sich bewußt, daß die Zeit gekommen sei, die dreiundfünfzigjährige Schuld des Napoleonis mus abzuzahlen, da wurde der ehrenhafte Franzosengeist für die Erinnerung an die jahrelange Vereinigung der sächsischen Armee mit den Franzosen wieder lebendiger denn jemals, da gab Napoleon IU. dem Nationalgefühle, das in allen Ehrenpunktm mit dem seinigm sich in schönem Einklang befindet, Ausdruck, der Kaiser sprach in Berlin für den alten Alliirten, heute wieder ein ehrwürdiger, vertragSgerreuer König, wie damals 1813, die Stimme der Pflicht und der Ehre, die Stimme Frankreichs erklang, und ihr Ertönen segnet ein ganzes großes, schwergeprüftes Volk. Was des Kaisers Fürwort wirken wird da, wo unser Schicksal berathm wird, muß die nächste Zukunst zeigen Man wird zwar so etwas zu äußern, für einen hoff nungsreichen »«deutschen Seitenblick nach französischer Hilfe aus- tlegen, man ist vielleicht in gewissen Regionen geneigt, solche Worte für Liebäugeleien mit Frankreich zu halten, dieser Sinn liegt unseren Zellen fern, wir constatiren nur unseren dank barm Sinn gegen das ehrenhafte Frankreich, das sich der alten Verbindlichkeit erinnert, als eben durch sein mächtiges Wort dem schwergeprüften Alliirten ein Dienst erwiesen werden kann. — Die von dem Herrn Feldprobst Prof. vr. Fricke am 22- Juli d. I. ror der Verthellung von Dekorationen für ausgezeichnetes Verhalten im Kriege gehaltene Feldpredigt ist soeben im Verlage von Julius Klinkhardt in Leipzig erschienen und in allen Buchhandlungen für Lj Ngr. zu haben. Wir glauben die Aufmerksamkeit um so eher darauf hinlenken zu müssen, als der Ertrag zur Unterstützung bedrängter Familim der zur Armee Einberufenen bestimmt ist und die Predigt sich als «in Musterwerk kirchlicher Beredsamkeit erweist. — Am Sonnabend hatten die Arbeiter auf dem Schanzen platz link« der KönigSbrücker Straße eine grün-weiße Fahne auf eine hohe Stange gesteckt und zogen damit in langer Co- lonne die Straße entlang. Die commandirenden Offieiere ließen Patrouillen mit geladenem Gewehr aufmarschiren und die Fahne wurde mit Beschlag belegt. Der ganze Vorfall verlief übrigens ohne weitere Exceffe und die Arbeiter gingen friedlich auseinander. — Da» Aufgreifen eine» nach vorgenommener Unter- suchung offenbar tollwuthkranken Pinschers, welcher in unserer Stadt gegen fünfzehn andere Hunde gebissen hrben soll, ver anlaßt dm Stadtrath, von heute an die Anlegung von Maul körben bei den Hundm des hiesigen Stadtbezirks anzuordnen, «nd zwar bis zum 1. December d. I.; auch sollen sämmtliche Hundebesitzer ihre Hunde möglichst in den Gehöften und Be hausungen zurückhalten. — Der „Neuen freien Presse" zu Folge hat der König von Sachsen Preußm das BesatzungSrecht in der Festung Kö- uigflem bereits zugestandm. — Ueber dm Stand der FriedmSverhandlungm mit Sachsen läßt sich eine Berliner Correspondenz im „Lpz. Tzbl." folgendermaßen auö: „Nach Andeutungen, die mir von maß gebender Seite geworden sind, darf ich es heute aussprechen, daß auch die sächsische Frage endlich in Fluß gekommen ist und Grund zu der Hoffnung vorliegt, auch diese schwierigste Verhandlung werde in nicht ferner Zeit zu einer für alle Be theiligten ziemlich befriedigenden Lösung gebracht werden. An gutem Willen, diese, man kann wohl sagm für ganz Deutsch land wichtige Frage zum gedeihlichen Austrage zu bringen, hat es durchaus nicht gefehlt, und wenn auch den Schwierigkeiten, die zu überwinden warm und zum Theil allerdings noch zu überwindm sind, eine weittragende Bedeutung zuerkannt werden muß, so darf man doch von der Ausdauer und der Geschick lichkeit der leitenden Persönlichkeiten eine Lösung vielleicht früher erwarten, als man von mancher Seite gehofft und von anderer gefürchtet hat. Währmd man, um zu drm durchaus nöthigen Ausgleiche zu gelangen, einerseits von der Schroffheit einzelner Forderungen und Ansprüche nachließ, trat man andererseits allmälig entgegenkommender und nachgiebiger auf, so daß also, wenn nicht unerwarteterweise neue Hindernisse und Hemmungm sich finden sollten, an der baldigen schließlich«» Erledigung eines Zustandes nicht mehr gezweifelt werden kann, der nach allen Seiten hin allmälig unerträglich drückend zu werden drohte." — Die „Jndvpendance" berichtet über die sächsische Friedens frage unterm 5. September aus Paris: „Die Beseitigung der Schwierigkeiten, welche zwischen Sachsen und der Regierung König Wilhelms in Beziehung auf dm Abschluß des Friedens bestehen, scheint weiter als jemals in die Ferne gerückt. Man versichert, Kaiser Napoleon hätte Sr. Majestät dem König von Preußen seine Dankbarkeit versichern lassen, daß der sächsischen Monarchie die Integrität ihres Territoriums erhalten wäre, aber König Wilhelm würde ihm, dem Kaiser, einm unendlichen Dienst erweisen mit einigm weiteren Zugeständnissen, die zur vollständigen Erhaltung der Souveränität des König« Johann geeignet wärm." — Nachdem im Laufe des Sonnabends zweimal der Be fehl gekommen war, mit der Abholzung des herrlichen Parkes hinter dem Waldschlößchen auf der Napoleonsschanze zu begin nen und zweimal durch Gegenbefehl die Einstellung der Be festigungsarbeiten angeordnet worden war, gelangte am Abend gegen 7 Uhr die definitive Ordre nach dem Waldschlößchen, mit dem Abholzen anzufangm. Die hierzu bereit gehaltenen Mann- schäften begaben sich sofort an« Werk, und alsbald sah man viele Trupps Arbeiter die Schillerstraße hinaus zum Schlagen der Bäume sich bewegen. Unsere Einwohner schauten ihnen wehmüthig nach, und in das Knarren der niederstürzmden Baumriesm mischte sich mancher Seufzer über das diese Zierde unserer Stadt vernichtende Geschick. Unerklärlich bleibt Vielen die Eile, mit der man ncch in der Feierabendstunde des Sonn abends sich an diese« Werk machte. — Bei der jüngst erfolgten Wahl der Wahlmänner für einen Landtagsabgeordneten der Stadt Dresden zeigte sich im Ganzen eine gute Parteidisciplin. Eine große Anzahl der Wahlzettel hatte sich eng an die in hiesigen Blättern veröffent lichten Candidatenlisten angeschloffen; es gab natürlich aber auch viele sogmannte „Wilde", welche, sich von jeder Leitung lossagend, auf eigene Wahl hin die Namen ihrer Candidaten ausgeschrieben halten. Wmn hierbei auf solche Männer Bedacht genommen wird, welche in einem anderen Wahlkreis aufgestellt find, als in welchem der Abstimmende sich befindet, so ist da gegen nichts zu sagen; die Stimmen gehen dann, wenn sie sich auch nicht dem Schema unterordnen, doch nicht spurlos ver loren. Wohl aber dürste die Mahnung nicht am Unrechten Orte sein, bei künftigen Wahlen nicht den Krieg auf eigene Hand zu betreiben. Was hilft es, wenn z. B. ein Wahlmann, der Tischler ist, 36 Handwerksgenossen aufstellt? wenn ein Adeliger 36 hochwohlgeborme und hochgeborene Herren vom niederm und höheren Adel aus den 4092 Namen sich mühsam aussucht. Bei noch anderen Zetteln konnte man ziemlich sicher auf den Beruf des Urwählers schließen. Da prangten hier die Namen aller Kirchen- und Consistorialräthe, wahrscheinlich von einem Hauslehrer stammend, dort die Namen nur von Katho liken, oder diejenigen israelitischer Banquiers, vermuthlich von zwei betreffenden Glaubensgenossen herrührend; auf dem einen Zettel las man nichts wie Namen von Finanzbeamten, auf dem anderen nichts wie diejenigen von Actionären eines in dustriellen Uniernehmens rc. Eine derartige Zersplitterung ist nicht Klos eine individuelle Eigensinnigkeit, die nicht gerade einm Ueberfluß an politischer Schu e und Reife verräth, sondern führt auch dm Uebelstand mit sich, daß nach erfolgter Aus zählung der Rückschluß auf die wahre Meinung der Abstim menden gmau um soviel unsicherer wird, als den siegreichen oder unterlegmen Wahlmännern durch eine derartige Jndivi- dualisirung Stimmen entzogm werden. — Die weitbekannte, stets lustige Nütursänger-Familie Spatz concertirt jetzt tagtäglich des Nachmittags bei günstigem Wetter im Zeughofe und singt auf dem dort befindlichen Ka- stanimbaume ihre munteren Weisen vom Blatte weg. i«! jetzt i die meiste Zeit auf dem Zeughofe herrschende Stille > dadurch eine angenehme Unterbrechung, un) wenn auch diese Concerte vorher öffentlich nicht angekündigt werden, so finden sie doch in den An wohnenden und den zufällig Vorübergehenden, sowie in der in der Nähe befindlichen Wachpost aufmerksame und dankbare Zuhörer. — Aus Leipzig, 2. September berichtet der Publ.: Die gestern Abend im Saale des Colosseums von Seiten der hiesi gen Mitglieder des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins ver anstaltete Todtenfeier zum Andenken an Ferdinand Lassallttz dm Stifter des Vereins, war nur von etwa 70 bis 80 Per sonen besucht, trotzdem der Zutritt, der Bekanntmachung zu» folge, Jedermann freistand. An der Tribüne war das den hiesigen Vereinsmitgliedern gehörige lebensgroße photographisch« Brustbild Laffalle's angebracht und mit Flor und Blumen v.rziert. Der Bevollmächtigte der hiesigen Vereinsmitglieder, Herr I. Röthing, übernahm es zunächst, in einer Rede die LebmSschicksale und das Wirken Laffalle's für den Arbeiterstand hervorzuheben, in deren Einleitung jedoch nicht unterlassend, den schwachen Besuch einer solchen Feier und den dadurch an den Tag gelegten Jndifferentismus der Arbeiter zu beklagen, welcher allemal da, wo sie etwas für sich selbst thun sollten, heroorträte. Herr Seiffert führte dann in einer sehr langen Rede dm Gedanken aus, daß die Arbeiter, obschm Lasialle nicht mehr unter dm Lebenden sei, doch sein Werk, das er für sie begonnen, fortsctzen müssen, und daß Laffalle's Bestreben nicht, wie ihm dies mehrfach vorgewcrsm worden sei, der Re aktion gedimt, sondern dies Streben erst die echte und reihte Volksfteiheit, die einm jeden Einzel,»m zugute gehe, habe schaf fen wollen. Noch ein paar Redner sprachen in ähnlichem Sinne und mahnten zum Festhalten am Princip, woraus d-r Bevoll» mächtigte nach einigm Mittheilungm geschäftlicher Natur di« Feier gegen 10^ Uhr schloß. In anderen Städten haben gleiche Feiern stattfinden sollen. — In der Nacht vom 8. zum 9. September ging es quf dem Centralgüterbahnhofe abermals sehr lebhaft zu. Punkt 10 Uhr langte der erste Eismbahnzug an mit Stab und ekler DreioiertelmunitionScolonne. Es war ein langer Zug mit wohl über 90 Axm. Sowohl die Thürm der Güterwagen, in denen die Pferde standm, als auch die Lowry'S, auf welchen die Munitionskarren festgeschnallt warm, prangten in frischem Birkmgrün. Es entwickelte sich sofort eine rege Thätigkeit unter den Beamtm der VerpflegungScommisfion, aus denen wir noch besonders heut den K. S. Amtsverwalter und Frie densrichter, Herrn Woldemar Aster heroorheben müssen. Die Nudeln mit Rindfleisch mundeten den ermüdeten und hungri gen Mannschaften vortrefflich und es war für so viel Späse- vorrath gesorgt, daß noch große Reste in den Schüsseln, au« denen immer je 4 Mann essen, blieben. Willkommen ist den Truppen das Bier nach so langer Fahrt und der eine Train soldat stieg mit dem Stoßseufzer aus dem fahrenden Pferde stall: „Dunnerwetter, Hab' ich einm Durst!" Gewöhnlich halten die Züge 1 ^ Stunden, bis der Trompeter wieder zum Einsteigen bläst. Die Pferde des ersten Zuges standm bereits über 24 Stundm im Wagen und hatten noch die Aussicht auf 12 Stunden, ehe sie in ihre Garnison Magdeburg kom men. Der zweite Zug brachte eine Escadron Gardecavallerie (Uhlanen) um halb 12 Uhr und so wechselte um 1, 2 Vs, 4, 5*/z. 7 und halb 9 Uhr immer eine DreiviertelmunitionSeo- lonne mit einer ELcadron Gardecavallerie. Interessant ist die Benmnung der einzelnen Züge je nach der Beköstigung der Sol daten, so heißen die beidm crstm die Nudelzüge, dann kommm Speckzüge, Kaffeezüge und zum Schluß noch ein Gemüsezug. Der am Abend starke Sturm hätte bald Alles mit in die Lüfte geführt. In der Küche, in dem Nestauralionszelt erlo schen mit einem Male die Lampen, nur aus den Küchmheerden guckte und zuckte manchmal ein Lichtschein heraus. Der Wind riß einige Bretter heraus und verhüllte Alles mit einer Rie- smstaubwolke, bis endlich der Regen für den gehörigen Nieder schlag sorgte Rühmenswerth ist die Thätigkeit der Feuerwehr, die auch für das Tränken der Pferde sorgt und stets bei An kunft jedes Zuges mit dm gefüllten Eimern bereit steht. * In London macht gegenwärtig ein blinde« musikalische« Wunderkind, der Negerknabe Tom, außerordentliches Aufsehen. Englische Blätter theilm über diese allerdings merkwürdige Er scheinung folgende Einzelnheitm mit: Der Knabe besitzt da» specielle Gedächtniß für Tön«, und dazu noch ein ganz phäno menales. Der blinde Tom ist blödsinnig, ganz unempfänglich für jeden anderen Eindruck als dm der Tonschwingung; aber diesen Eindruck bekundet er auf eine unerklärliche Weise, die zugleich beweist, daß er unmusikalisch ist. Er spielt mit der rechten Hand eine Melodie, mit der linken die Begleitung einer anderen Melodie und zur selbm Zeit singt er eine dritte Me lodie, und zwar in einer dritten Tonart; es ist ohrzerreißend, aber es ist unalaublich. auf's Höchste wunderbar. Auch bat