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Gonntsg » Leptember 1888 Erscheint: «glich früh 7 Uhr. Inserate «oerde» angenommen: ««LbendSV.Tonn- tagt bi« Mittags 1L Uhr: Marienstraße IS. Anzeig, in dies. Blatt« ßaden eine erfolgreich« Verbreitung. Auflage: 18,000 Exemplare. Avonunumt: BterteltHrltchrvNgr. bei nnrntgeldliche^ Lie ferung in'» Hau«. Durch die LLnigl. Post vietteljLhrlich 22 «,r. Einzelne Numuier» 1 Ngr. TagMM für Unterhaltung und Geslhästsmkchr. Mitredacteur: Theodor Drobisch. Für den Raum j gespaltenen Zeit«: 1 Ngr. Unter „Einge sandt" die Zetl« 2 Ngr. Druck rwd EtgaHmn der Hrrau«ged«r: Litpsch Ntichardt. — Verantwortlicher Redacteur: Julius Reichardt. Dresden, den 9 September. — Die königliche Landekcommission erläßt ein-, die Auf hebung des Pferde- und GetreideausfuhroerbotS vom 10. April d. I. betreffende Verordnung. — Wie man vernimm!,' hat der Stadtrath einstimmig beschlossen, an die erledigte Stelle des verstorbenen Superinten denten und Stadtpredigers Steinert den Superintendenten 1)r. Meier aus Lößnitz zu berufen. — Se. K. H. der Prinz Albrecht Sohn hatte während der Dauer seines hiesigen Aufenthalts bei dem königl. sächs. Hammerherrn und Oberstleutnant v. d. A. Herrn v. Boxberg, ÄLaisenhausstraße 33, Wohnung genommen. — Der k. sächsische Kammerherr von Zehmen-Stauchitz, Mitglied der Ersten Kammer, hat sich dem Vernehmen nach zu Sr. Majestät dem König nach Wien begeben. — — Die nächtlichen Durchzüge der preußischen Truppen V auf der Eismbahn liefern auf dem Centralgüterbahnhofe jetzt die buntesten Nachtbilder. Um dem Andrange des Publikums -u steuern, werden gedruckte Einlaßkarten ausgegeben, der Glück lichere aber erhält noch eine besondere runde Marke mit einem Wappm, das die Devise trägt: „krovickvotiso memor"; denn nicht blos die militärischen Posten sind auf die strengste Con trols aufmerksam gemacht, sondern auch die Verpflegungscom- mission selbst, die durch rothe Mützen sich auszeichnet, controlirt jeden Eindringling. Vom fl. d. M. ab passiren jede Nacht acht Eisenbahnzüge den Bahnhof. Die ganze Nacht herrscht die regste Thätigkeit. Militär und Cioilistm durchstreifen die mit Gassonnen erleuchteten Räume und gegen 60 Soldaten sind beauftragt zur Ueberwachung der Ordnung in den sogmannten Speisesälm und auf dem Perron, sowie auf den Schienenlagern selbst. Zug drängt sich auf Zug und sowie nur der Pfeifm ion der eben abgegangenen Locomotive in der dunklen Nacht verschnitt ist, da kündigt sich schon eine neue aus den böhmi schen Wäldern an. In der Nacht vom 7. zum 8. September langte um 10 Uhr eine Munitionscolonne an, um halb 12 Uhr eine Eöcadron Cavallerie (das 3. Garde-Uhlanenregimmt), um 1 Uhr eine Dreiviertelmuni tionscolonne, um halb 3 Uhr Stab und eine Eöcadron Gardecaoallerie, um halb 5 Uhr eine Dreiviertelmunitionscolonne, um 6 Uhr eine Escadron Garde- «avallerie, um 7 Uhr wieder eine Dreiviertelmunitionscolonne und um halb 9 Uhr Morgens noch eine EScadron Garde- cavallerie. Der ganze Bahnhof ist ein einziges Feldlager. Be- wundernswerth ist die Riesenlüche, in der eS zu jeder Stunde kocht und siedet. Zehn bis zwölf Köche fahren hin und her durch die Mmge von Aufwäscherinnen und sonstigem Küchen personal. Dabei steht ein Unteroffizier, der die Ausgabe der Speisen überwacht, damit auch nicht das Geringste eScamotirt wird. Die Einrichtung der Küche, wie überhaupt die Anwen dung des ganzen Inventars ist lediglich im Aufträge des Dres dener Stadtrath« dem k. sächsischen Hauptmann a. D. Herrn A. von Schulz überwiesen, der mit bereitwilligster Opferthätig- keit sich dem mühevollen Geschäft gewidmet. Die Verpflegungs commission ist zusammengesetzt aus dem FiScuS, vertreten durch Herrn RegierungSrath Meusel und Herrn Kriegsrath Blume, und dem Stadtrath, vertreten durch die Herren Stadtrath Teucher und Nathssccretär Lanzlotz. Vor der Küche steht eine Wafferversorgungsanstalt, welche das nöthige Material zur Küche selbst und zum Tränken der Pferde schafft. Das Wasser selbst liefert die Dresdner Papierfabrik. Neben der Küche befindet sich ein großes Reflaurationözelt, unter dessen Leiuwandschutz die nöthige Necreation für Alle, die deren bedürfen, stattsinden kann. Jede Nacht halten neun Mann der Dresdner Turner feuerwehr Wache und ist somit auch für diese Sicherheit bestens gesorgt. Im ersten Stock des Bahnhofsgebäudes selbst liegt das Speisezimmer der Offiziere und ist mir allem Comfort auS- gestattet. Nebenan befinden sich die Zimmer der Verpflegungs- Kommission, die namentlich für den Nachtdienst hergerichtet sind. In den Speiselocalitäten der Soldaten stehen lange Tafeln in Mmge, freilich nicht mit Tischtuch und Serviette und silber nem Besteck ausgcstattet da, auf deren Bänke die ankommenden Truppen massenhaft und in fliegender Eile hinschwärmen. Noch bevor der Zug ankommt, sind die Speisen servirt und geben wir hier folgendes Menü: einige Züge erhalten Nudeln mit Rindfleisch, Brod und Bier; zwei Züge Speck mit Brod und eine Viertelkanne Nothwein pro Mann; drei Züge jed.smal Kaffee und Brod; Cigarren werden ebenfalls verabfolgt. Die Bedienung bei Tische besorgen besonders dazu commandirte Soldaten der Garde. Das Bier ist aus dem Waldschlößchen. Für jedm Wagen sind ganz neue Treppenstufen zum Ausfteigen angefertigt, und die Truppen marschiren in Reih und Glied in die Speisesäle. sie von der langen Fahrt sehr ermüdet sind, versteht sich von selbst, und Referent, der namentlich bei den Cavaleriezügen an die Pferdewagen heranging und einzelne -wischen den Pferden daliegcnde Soldaten fragte, ob sie nicht auch essen und trinken wollten, hörte von ihnen, daß sie vor Müdigkeit und Schlaf nichts genießen könnten. Interessant ist ein Blick in einen solchen fahrenden Pferdestall. Zu beiden Seiten im Innern des Wagens stehen je drei Pferde, durch Stangen vom mittleren Raum getrennt, in welchem die Sol datm, zusammengedrängt durch Armaturstücke, auf Stroh und Decken ohne Kopfkissen liegen. Die eine Wagenseite ist meist offen, um den Insassen frische Luft zu lassen. Theils sind Krippm in dm Wagen angebracht, theils nicht Die Pferde erwarten in Ungeduld ihre Erlösung aus dem mgen Raum; sie beißen an den Stangen herum und gucken neugierig durch die Thür, die Gaslichter und die fremden Gestaltm anstaunmd. Ein Trompetensignal fordert auf zum Aussteigen, ein zweites zum Einsteigen; gewöhnlich fahren die Truppen mit einem Hurrah und mit Gesang ab. Die um 10 Uhr abgehende MunitionL- colonne nahm von Dresden mit dem Liede Abschied: „In des Waldes tiefsten Gründm rc." und die Locomotive secundirte schrill mit ihrer Pfeife dazu. Zu bemerken ist noch, daß beim ersten Donnerstagezuge ein Wagen mit 35 Cholerakranken und 6 Reconvalescenten ankam; sie wurdm sofort nach dem Leip ziger Bahnhof und dann weiter dirigirt. — Am gestrigen Morgen brachte das k. preuß. Elisabeth- Regiments-MusikcorpS vor dem Hotel Bellevue eine Morgen musik. — — Am gestrigen Marientage war der Militär-Gottesdienst in der katholischen Hofkirche von der Mannschaft des k. preuß. Negimmts Königin Elisabeth außerordentlich zahlreich besucht. Dieselben marschirten compagnieweise bis vor die Kirche. — — Das vorgestrige Gastspiel des Herrn Echten am hie sigen zweiten Theater bot in der Rolle des „Tanne" in dem höchst ergötzlichen Lustspiele „Vater Tanne", welches außerdem auch unter dem Namen „Der Vater der Debütantin" bekannt ist, einen erheiternden Abend. „Vater Tanne" ist eine jener komischen Figuren, die daS Zwerchfell reizen und die drastischen Seiten der anziehungsrcichen Couliffenwelt naturgetreu dar stellen. Herr Echten gab dm Künstlerpapa, der sich selbst als Menschendarsteller fühlt, mit einer Kraft der Komik, die alle Anwesenden zu lautem Beifall hinriß. So Manchem, der den unvergeßlichen Leipziger Komiker Ballmann in dieser Rolle ge sehen, war die Leistung des Herrn Echten, wenn e auch die Partie in anderer Weise auffaßte, eine ergötzliche Erinnerung an dm berühmten Philosophen aus dem Thaliakunstkreise von Leipzig. — — Am Freitag Abmd concertirte zum ersten Male auf dem Königl. Belvedere der Brühlschen Terrasse der Harfen- Virtuos Herr I. Schubert aus Wien, Mitglied der dasigen Strauß'schen Kapelle, und zwar am Schluß jeder Abtheilung des von der ehemals Laade'schen Kapelle cxecutirten Programms. Der Künstler erntete stürmischen Applaus, namentlich nach der Fantasie und dm Variationen über verschiedene Themata's. Er entlockt dem Prachtinstrumente die reizendsten Töne. — Am Freitag Abend drohte für das Trompeterschlößchen Feuersgefahr, die aber durch schnelles Einschreiten der Turner- feuerwehr bald beseitigt war. Es war Abends nach 7 Uhr ein Sack mit Hm in Brand gerathen. — Das sächsische Reiterregiment, welches in Bösmdorf bei Wien cantonirt, fahndet, der „D. A. Z." zufolge, auf einen Fourier, welcher am 30. August mit 763 Fl. österr. W. Privat geldern, mit 300 Thlrn. königlicher und 100 Thlrn. Schwadrons gelder flüchtig geworden. — Das Lazareth am KönigSbrücker Platze ist von Kranken nun völlig geleert, nachdem dasselbe volle 2 Monate bestandm. Bekanntlich ist dieses Gebäude das Schulhaus für die 7. Be zirks- und 5. Gemeindeschule, und waren die Schüler dieser Anstalten einstwcilm auf der Waldgosse und Louisenstraße noth- dürstig untergebracht. Am 6. September betrug der letzte Krankmbestand 22, welche zumeist dem Cadettenhause überwiesen wordm sind. Im Ganzen sind in diesem Lazareth: 546 Ver wundete (darunter 341 Preußen, 175 Oesteneicher und 30 Sachsen) in Behandlung gewesm, von denen 31 starben, näm lich 13 Preußen, 16 Oesterreicher und 2 Sachsen. — Der Erlös aus dem am 27. v. M. in Loschwitz von Fräulein Marie Wieck und Herrn Concertmcister F. David aus Leipzig gegebenen ConcertS zum Besten der Zwecke des „Central- Militär-Hilssoereins" beträgt, nach Abzug einiger unvermeidlicher Unkosten, 94 Thlr. 17 Ngr. — In Leipzig sind anfangs dieses Monats drei Schul knaben im Aller von 13 Jahren ihren Eltern entlaufen, in der ausgesprochenen Absicht, nach Wien zu gehen. Ein vierter Knabe, der sich in ihrer Begleitung befunden, hat in der Ge gend von Meißen das Heimweh bekommen und hier seinen Reisegefährten Adieu gesagt. Er ist vorgestern, erschöpft von den Strapazen seiner Fußreise, bei seinen Eltern wieder ringe- troffen und hat erzählt, daß seine Begleiter, als er sich von ihnen getrennt, zwar noch viel Muth, aber nur noch wenig Geld, kaum zwei Thaler, zur Fortsetzung der Reise besessen , hätten. — ! — Die weiteren Befestigungsarbeiten sollen Moutaa den 10- September d. I. in Angriff gmommen werden. Es habe» sich daher an gedachtem Tage von den hierzu im Ingenieur- Bureau des schlesischen Bahnhofs angenommenen Arbeitern die sechs Abtheilungen zu Abholzung unweit des Neustädter Kirch hofs ; die sechs Abtheilungen bei der Abholzung an der König»- brücker Straße; die sechs Abtheilungen auf der Jägerstraße nächst der Försterwohnung früh 6 Uhr einzustellen. — Oesterreichische Blätter berichten, daß der Durchzug der Sachsen durch Prag am 7. September erfolgen sollte. (Ist wohl wieder nicht wahr!) — ckt. Es ist gewiß höchst dankens werth, wmn in Zei ten, wo gefährliche Krankheiten zahlreiche Opfer fordern, Män ner der Wissenschaft sich Herbeilaffen, durch veröffentlicht«; Be lehrungen einerseits die Sorglosen zur Vorsicht zu mahnen, andererseits die Allzuängstlichen zu beruhigen und dadurch.Hcher» lich noch größerem Unglücke vorzubeugen. Und noch anerken- nenswerther wird ein solches Unternehmen, wenn es in so un eigennütziger Weise ausgeführt wird, wie es jüngst der hiesige Arzt, Herr vr. F. Flemmig, in einem — zum Besten der Hinterlassenen an der Cholera verstorbener deutscher Krieger — herausgegebenen Schriftchen gethan hat, welches den Titel führt: „Erste Hilfe bei der Cholera durch rechtzeitige Anwendung der trockenen Wärme." (Dresden, bei Ernst am Ende, Preis 3,Ngr.). Was der Verfasser darin über Entstehung der Cholera,, über Verhütung derselben und über die bis zur Ankunft des Arztes vorerst anzuwendenden Hilfsmittel sagt, ist so allgemein.;ver ständlich, einleuchtend, praktisch anwendbar, und Vertrauen, er» weckend, daß diese Abhandlung auch aus diesem Grund«,polle Beachtung verdient. — Einer von den höheren in Plauen i. V. einquartiert gewe senen preußischen Offizieren hat mitgetheilt, daß seine Truppen beim Einmarsch in Sachsen dieses mit allgemeinem, endlosen Hurrah begrüßt und ihrer Freude, Böhmen im Rücken zu ha ben, in herzha ten, für das verlassene Land nicht eben schmei chelhaften Ausdrücken Luft gemacht hätten. Von Chemnitz au» wird dasselbe mitgetheilt und noch hinzugefügt, daß dort «in biederer westphälischer Landwehrmann geäußert habe: „Sachsen gefiel mir schon sehr gut beim Einmarsch; aber seitdem ich in Böhmen gewesen bin, gefällt mir'S noch weit besser." — Angekündigte Gerichtsverhandlungen. Mor gen, den 10. September finden folgende Verhandlungstermine statt: Vormittags 9 Uhr Gerichtsamt Radeburg Privatanklag sache des Zeugarbeiters Johann Carl Gottlob Grafe in Boden wider den Zimmergesellen Friedrich Heinrich Trepte in Groß dittmannsdorf; j lO Uhr Privatanklagsache des Restaurateur Johann August Großmann wider Therese Emilie verw. Nbbel und Emma Therese Nöbel hier; j 11 Uhr wider den Schänk wirt h Christian Friedrich Häusil und dessen Ehefrau wegen Hinterziehung der Hilfsvollstreckung; 11 Uhr GerichtsaMt Tha randt wider Christiane Eleonore verehel. Herzog wegen Anstiftung zu wahrheitswidrigen Aussagen; >12 Uhr Privatanilagsache Eleonore verehel. Planitz in Blasewitz wider den Gemeinde vorstand Carl Friedrich Tauscher daselbst. Vorsitzender: Ge richtsrath Ebert. TageSgefchichte. Oesterreich. Die „H. M. Z." bringt ohne Quellenangabe folgende auffällige Nachricht aus Wien, 1. September: Daß da» Gerücht von des Kaisers Absicht, abzudanken, umläuft, wird verschiedentlich bestätigt; auch hört man, er wolle sich für einige Zeit zurückziehen und während dieser Zeit einen Regenten be stellen, als welcher der oh >ehin bald zurückerwaitete Kaiser von Mexico bezeichnet nurd. Der Kaiser Franz Joseph soll über die Unzuverlässigkeit der Generale und darüber klagen, daß der Geist des Heeres sich wesentlich geändert habe. In der Um gebung des Kaisers wird viel von „Vergeltung gegen Preußen" geredet. — lieber die Bedeutung des Rücktritts des französi schen Ministers, Drouyn de Lhuys, kommt die Wiener „Neue freie Presse" zu folgendem Re ultat: Die Entlassung Drouyn'» ist das erste Anzeichen, daß Napoleon lang erwogene Entschließ ungen definitiv gefaßt hat, und daß seine Politik aus der Re» seroe und aufmerksamen Neutralität, die sie seit geraumer Zeit beobachtet hat, herauszutreten auf dem Punkte steht. Die Napoleonische Politik bereitet einen Schlag in Italien uno gegen Preußen vor, darauf deutet Alles hin, denn Frankreich k^nn es nicht verwinden, bei den in beiden Ländern staltgrhabten Veränderungen leer auszugehen. Die orientalischen Angelegen heiten stehen hierbei erst in zweiter Linie; sie sind vorerst nicht Zweck, sondern Mittel. Unverkennbar jedoch sind die Umstände dem Frontwechsel der Napolconischen Politik weniger günstig als je. Preußen wird sie gar nicht und Italien nur sehr wenig imponiren. Aber der kaum wiederhergestellte europäische Friede geht jetzt vielleicht größeren Gefahren entgegen, als der deutsche Krieg ihm jüngst bereitet hat. Preußen. Der commandirendr General des 4. Armee-