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Dresden, den 1. September. — Zu Aufnahme S. K. H. des Prinzen August von Würtemberg, königl. preuß. Generals der Cavallerie und Com- mandirender des Garde-Corps, ist hier im Palais Sr. Durch laucht des Fürsten von Schönburg-Waldenburg auf der Moritz straße Vorbereitung getroffen morden. Die Ankunft des Prinzen, der von Prag nach Carlsbad zum Besuch seiner Schwester, der Großfürstin Helene von Rußland, gereist ist, dürfte von dorther Hierselbst in den ersten Tagen dieses Monats erfolgen. Die Equipagen Sr. K. H. sind bereits angelangt und in den könig lichen Ställen zunächst der Ostra-Allee untergebracht worden. — Se. K. H. der Prinz Friedrich Carl von Preußen ist gestern Abend hier eingetroffen und in dem Palais des Fürsten Schönburg, Bürgerwiese 16, abgestiegen. Demnächst steht in diesen Tagen auch noch die Ankunft von fünf königl. preußi schen Generälen in Aussicht. — Wir erfahren, daß die Reise Sr. Exc. des kaiserlich französischen Gesandten, Baron Forth Rouen, einem Besuche der in Hamburg aufhältlichen Wittwe des hier in gutem An denken stehenden Präses des Hamburger Handelsgerichts, I)r. Halle, gilt. — Die von Sachsen geforderte Kriegsentschädigung be, trägt nicht 20, sondern 10 Millionen. — lieber das Wirken unserer Dresdner Diaconissinnen sind alle Mittheilungen aus den sächsischen Hospitälern in und bei Wien, voll des wärmsten Lobes. In dem Briefe eines hö heren Hospitalbeamten heißt es am Schluffe: „Noch muß ich unserer 14 Diaconissinnen gedenken. Was sie uns gew-sen sind in den Stunden und Tagen der schwersten Sorgen, wissen nur wir. An den Krankenlagern, in den durchgifteten Typhus sälen wo der Tod an jedem Bette stand, da waren sie für die Kranken Engel des Trostes. Ihre stille so wohlthuende Hilfe, ihn trostreicher Zuspruch, ihre sanfte ernste Art machte sie zu dem guten Geiste des Hospitals. Ich kann es niemals genug rühmen was sie leisteten. Und es sind Viele die meiner Mei nung nach ihnen, nur ihnen allein, ihre Rettung verdan ken. Der Himmel lohne es ihnen und Gott segne sie dafür, jeden andern Dank weisen sie in stiller Demuth zurück." — Referent hatte in diesen Tagen Gelegenheit, das Oppel- Lazareth am KönigSbrückerplatz zu besuchen. Obgleich die herr lichen Räume sich schon bedeutend gelichtet haben, so ist doch noch daselbst mancher Schmerzenslaut und Klageton zu ver nehmen ; denn in vielen Zimmern ist noch manches Bett belegt mit verwundeten Preußen, Oesterreichem und Sachsen; die letz teren sind nur schwach vertreten. Wir folgten einem kurzen Krankenbesuch des preußischen Stabsarztes Herrn 1>r. Sachs, und hatten somit Gelegenheit, die Kranken, ihre Verletzungen, ihre Schmerzen und ihr ganzes Verhalten wahrzunehmen. Es sind zumeist recht schwere Verwundungen, gewöhnlich Schußfractu- ren, vorhanden, die aber wohl zu einem glücklichen Endresultate führen dürften. Daß sich allerdings ein großer Schmerz auf den blaffen Gesichtem abmalt, ist natürlich, nur die östreichi- schen Verwundeten schienen heiterer und trostreicher zu sein. In einem Bett lag ein Sachse, der, wenn wir nicht irren, aus Lommatzsch war und einen Schuß in die Brust hatte. Soeben war stine Mutter eingetroffen und stand mit Thränen des Wiedersehens und des Schmerzes, der ja bei solchem Anblick ein liebes, treues Mutterherz ergreifen muß. vor ihrem Sohne, der allerdings das Bett noch nicht verlassen, aber auf seine vollständige Genesung rechnen kann. Mutter und Sohn sahen sich so zärtlich an, daß der Nahestehende tief gerührt werden mußte — sie hatten sich ja lange nicht gesehen — und wie und wo sahen sie sich wieder?s Zu bewundern ist, wie in so kurzer Zeit ein solches Lazareth mit so großem Comfort ge schafft werden konnte und mit so augenblicklich geringen Mit teln. Wir sagen, so schnell — da im ganzen Gebäude nichts lazarethmäßig eingerichtet war. Auf den Corridoren stehen jetzt noch die Schulbänke, hier und da zerstreut. Es herrscht hier eine große Reinlichkeit und ist für Alles gesorgt. Die Kran ken haben eine herrliche Aussicht über Fels, Wald und Berg, ihre Lectüre unk Cigarren in Menge. Die grauen und barm herzigen Schwestern sind stets um sie beschäftigt und zwar mit der beseligenden Gottesliebe, die sie zu drm schönen, erhabenen Gotteswerke berufen. Mit Ruhe, Geduld, Sicherheit und Er« gebung pfl-gen sie die Verwundeten und scheuen sich vor keiner Arbeit und Mühe. Denselben Dank verdienen die Herren Aerzte, die ihre Pfleglinge wie die Kinder behandeln, sie strei cheln, sie trösten, ihnen die besten Hoffnungen machend. Ein traurige» Gefühl erweckt allerdings der Operationssaal mit sei ner verhängnißvollen Tischmatratze. An demselben Tage waren zwei Verwundete kurz vorher gebrannt worden, da sich Ge schwüre gezeigt hatten und maßgebend ist hier die Antwort, die der eine auf die Fragr des Arztes, ob e« sehr wehe ge- than, gab. Er erwiderte: „Unaussprechlich, unaussprechlich!" Trösten müssen sie sich, die Aermsten, jedoch mit ihrm Brüdern, die auf bloßem Schlachtfelde gelegen und lange keine Aussicht » auf Verband gehabt haben. Hier sind sie geborgen und sehen I ruhig ihrer Genesung entgegen und so wie das Oppel-Lazareth sind auch alle übrigen höchst praktisch eingerichtet und ein Got tessegen für die Schlachtenkämpfer. v.— Concert-Signale aus Kötzschenbroda. Was krnn aus Nazareth, das heißt, was kann aus Kötzschenbroda Gutes kommen in Betreff der Musik! so ruft vielleicht Mancher, der mehr als gewöhnlich der Tonkunst seine Aufmerksamkeit widmet. — Kötzschenbroda, geschichtlich dadurch bekennt, daß hier 1645 ein Waffenstillstand abgeschloffen wurde, welcher den west phälischcn Friden vorbereitete, versäumte nicht, auch in so man ches verstörte Gemüth einen Frieden zu bringen. Zu Gunsten der Zwecke des Militär-Hilfsoereins fand hier vorgestern Abend ein Concert statt, das nicht nur durch Programm un Ausfüh rung, sondern auch durch ein Auditorium glänzte, wie es bis her nur in reichen Städten, in einer Residenz zu finden. Schon nach fünf Uhr rollten Equipagen nach dem Saal der Eisenbahn. Restauration, aus allen Wegen der Niederlößnitz kamen von den Sommerwohnungen Damen in geschmackvoller Concert- Toilette. Man glaubte sich in den Saal der Gewandhaus- Concerte zu Leipzig oder in den Saal des Hotel de Saxe zu Dresden versetzt, wenn der Blick über die Versammlung schweifte, deren Augen auf zwei Künstlergrößen gerichtet waren, welche heute den Glanzpunkt des Concerts bildeten. Es waren diese Zwei die k. sächs. Kammersängerin Frau Bürde-Ney und der Herr Concertmeister Schubert. Solche Namen sind hinreichend, den höchsten Erwartungen schon im Voraus eine Befriedigung zu geben, und so begann das Concert durch einen vierhändigen Pianofortevortrag der Weberschen „Jubel-Ouvertüre" durchFräu- lein LasiuS und Herrn Siebdrat,*) dem sich Männerquartette von Mitgliedern des Leipziger Pauliner-Sängervereins anschlossen. Künstlerische Leistungen von Dilettanten gehören nicht vor das Forum der Oeffentlichkeit. weil hier meist der gute Wille das Voll bringen überflügelt, und so wenden wir uns in Kürze dem meisterhaften Violinenspiel des Herrn Concertmeffter Schubert zu, der zuerst durch eine „Phantasie aus Lucia" und später durch eine „Phantasie über ungarische Nationallieder" erfreute. Schubert, mit seiner wunderschönen Violine, ein Geschenk des verstorbenen Königs von Sachsen, erinnerte mich, so oft ich ihn hörte, immer an Lafont und Molique. Wenn er seine Geige an das Kinn setzt und mit dem ersten Strich seines Bogens beginnt, so erinnert sein Instrument an eine Pariser Salondame, elegant, insinuant durch und durch, ohne die Herzinnigkeit zu vermissen, die mit des Künstlers edlem Sinn und seinem schönen Talent Hand in Hand gehen. Nicht das körperliche, sondern das gei stige Auge faßt seine Töne, vorzüglich da, wo sie sich ruhig, gleich dem Anschwellen und Wogen eines Orgelchorals, entfal ten. Sodann die „Phantasie über ungarische Nationallieder", diese tiefpoetischen Klänge, welche uns recht deutlich an die ungarische Wandergesellschaft, an die Kapelle von Locz erinner ten, deren Mitglieder meist Zigeuner aus der gebildeten Classe der Rumänier waren. Meister Schubert gab uns in seiner Phantasie die irren, oft bacchantischen, oft aber auch in Weh- muth versinkenden Melodieen trefflich wieder. Es war eine Versenkung in das Reich der Empfindung, zu deren Schilderung das Wort nicht ausreicht. Ein Gleiches dürfte sich auf den Vortrag der Schlummer- A^r i e aus der Afrikanerin anwenden lassen. Frau Bürde-Ney entzückte damit die Versammlung, sie gab die Perle auS dem reichen Melodienschranke Meyerbeer's, sie gab die Schlummer-Arie der braunen Tochter aus Afrika's Steppen mit der ganzen, dieser Sängerin eigrnthümlichen Virtuosität. In dem ferner» Verlauf des ConcerteS brachte die gefeierte Sängerin noch drei Lieder zu Gehör: Frühlingslied von Mendelssohn, drei Worte von Preyer und das Sternlein von Kücken. Das sind ländliche Concerte, wie sie in Deutschland wohl nicht zum zweiten Male aufzufinden. Loschwitz ging voran und Kötzschenbroda folgte dem schönen Beispiel. Erhalte der Himmel dem Sachsenlande diesen regen Sinn für die Kunst, wie auch immer die Zeit den Tact sch agen und sich in den bestandenen Verhältnissen so manches Auflösungszeichen künden möge. Gedenke derHülf- losen sind „drei Worte", welche als Sternlein hernie derblicken in trostlose Nacht und nach Empfang des Opfers als Dank dem Herzen ein Frühlingölied und Jubelouverture auf jauchzend darbringen. — Auf dem Böhmischen Bahnhof erkrankte gestern Vor mittag, wie man sagt an der Cholera, ein dort beschäftigter Fuhrknecht von hier so plötzlich, daß man sich veranlaßt sah, ihn sofort in das Krankenhaus zu schaffen. — Die neueste Bezeichnung eines guten Mundwerkes, das nie ruht und immer schlagfertig ist, bezeichnet man jetzt mit — Zündnadelschnautze. *) Der treffliche Flügel war aus der Fabrik von Rudolph und ! Hagspichl. I — In den spätem Abendstunden des vorgestrigen TageS war die Pragerstraße der Schauplatz einer blutigen That. Herr Prof. I. Schanz, der vor Kurzem von Italien zum Besuche seiner Familie nach Dresden zurückkehrte, passirte in der Dunkel heit allein die gedachte Straße, nachdem ihm bei LässigS Con- ditorei sein bisheriger Begleiter, ein hiesiger Arzt, verlassen hatte. Plötzlich schritt hinter Herrn Schanz ein Mann einher, der ihn beim Namen nannte, wie man einen alten Bekannten anredet, den man lange nicht gesehen, ihn beim Arme faßte und ihm nach dm ersten Worten mit einem sogenannten Todtschläger von ziemlicher Schwere drei Schläge aus den Kopf versetzte. Der so plötzlich und wieder alles Erwarten auf offner, menschen leerer Straße Angegriffene trug in der einen Hand ein Basrelief von Gyps, das er kurz vorher von einem Italiener in der Restauration zur Feldschlößchenhalle gekauft, in der andern Hand einen leichten Spazierstock, den er fahren ließ, um dem Mörder das Mordinstrument zu entwinden. Nach kurzem Kampfe gelang ihm dies auch, worauf der Angreifer zur Flucht ver- schritt. Der Verwundete erstattete, nachdem er von dem Polizei arzt 0r. Hermann verbunden war, sofort Anzeige, und steht zu hoffen, daß der Vorüber dieses Bubenstücks den Händen der Gerechtigkeit nicht entgehen werde. — In der Zeit vom 27. bis 30. August Vormittags ist der Bestand von Cholera-Kranken im Stadtkrankenhause von 30 auf 44 Personen gestiegen. Davon sind 2 als geheilt ent lassen, 1 gestorben, so daß ein augenblicklicher Bestand von 41 Kranken vorhanden ist. — Vorgestern Abmd gegen 9 Uhr wurde durch dm von Dresden nach Freiberg abgegangenen Personenzug in der Nähe von Reisewitzens ein Mädchen von circa 16 Jahren, welche sich daselbst vor die Locomotive geworfen, überfahren und bliäb auf der Stelle todt. Die Aufhebung erfolgte durch da» königl. Gerichtsamt. — Es bestätigt sich, daß die beabsichtigten Befestigungs anlagen auf dem rechten Elbufer zur Ausführung kommm sol len, doch werden die Arbeiten erst in nächste Woche beginnen. Wie wir hören, werden bebaute Grundstücke* von den Anlagen nicht betroffen. Auch wird der Abtrieb des Waldes östlich von der beim Waldschlößchen zu errichtenden Schanze unterbleiben. — Gestern Mittag ist das 9. königl. preuß. Landwehr- Regiment, aus Böhmen kommend, hier eimnarschirt und in der Stadt einquartirt worden; morgen wird dasselbe wieder von hier abrücken. In der Umgegend der Stadt ist Artillerie untergebracht. Stärkere Truppendurchzüge stehen für die Tage vom 1. bis 6. September zu erwarten. — Auf der sächsisch böhmischen Staatseisenbahn tritt von morgen an insoweit eine Erweiterung des Fahrplanes in Kraft, daß von Dresden auch Nachmittags ^1 Uhr (in Neustadt 1/21 Uhr) ein Zug bis Bodenbach und von Bodenbach Nach mittags 12 Uhr 40 Minuten ein solcher nach Dresden abgeht. Wegen bevorstehender Mililärtransporte wird auf dieser Bahn vom 6. bis 17. September aller Localpersonen verkehr und vom 4. bis 17. September aller Frachtverkehr gänzlich sistirt und der Personenverkehr zwischen den Hauptstationen lediglich durch die beiden Züge vermittelt, welche von Dresden (früh 1 Uhr und Nachmittags ^1 Uhr) direct bis Wim abgehen. — Am Donnerstag Abmd fand im Saale zu Braun'S Hotel von den hiesigen Privat Theater-Gesellschaften TheSpis, Concordia, Urania und Thalia eine Gesammt Vorstellung zum Besten de» Central-Militär-Hilfs-Vereins statt. Es kamen drei Stücke zur Aufführung, von denen namentlich das erste: „Ein Stündchen Jncognito" von Töpfer gefiel, und mit vielen Beifall ausgenommen wurde. Die Einnahme muß eine sehr ergiebige gewesen sein; denn der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt und namentlich die Damenwelt stark vertreten. — Mit unaussprechlicher Spannung sind alle Gedanken nach Berlin gerichtet, von woher die Tagesblätter, denen man zutrauen darf, mit zuverlässigen Mittheilungen versehen zu wer den, seit geraumer Zeit auch nicht die mindeste Andeutung über den Stand der sächsischen Friedensoerhandlungen gebracht haben. Unsere Bevölkerung, äußerlich zwar gefaßt erscheinend und dm ihr eigenen Tact auch in dieser bangen Zeit nicht verleugnend, fühlt tief die Ungewißheit der Zustände und verhehlt sich nicht, daß die in der Wimer Zeitung veröffentlichte Entlaffungseor- respondenz des Herrn Freiherrn von Neust nicht unwesentlich auf die Erschwerung der zu lösenden Fragen eingewirkt habe, man erblickt in dieser Publicirung den Schlußact einer Reihe von Thatsachen, die nicht geeignet warm, das Wohl Sachsen» zu bezwecken. Zum Glück liegm heute die Geschicke des Vater landes in Händen, deren bewährte Reinheit eine Garantie für Vermeidung des Rückfalls in unerquickliche frühere Zustände bietet. Die Hoffnung aller Patrioten ruht auf dem Freiherrn von Friesm. — Die Bedingungen, unter welchen zeither die Betrei bung von Pfandleihgeschäftcn im hiesigen Orte gestattet war, sind dem Vernehmen nach, behördlicherseits einer Modifikation « Ä! - 4