Volltext Seite (XML)
.IVWch früh 7 vhn I«sn«te »erden angenommen: hi« Abend»«,Eon», tag» bi« Mittag» 1» Uhr: Martenstra»e 1t. M»rig. in dies. Blatt« Wstenrine «rfolgrrtch« Verbreitung. ülnflage: 13,000 Skr«»!««. Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. ' 2,.^ Mitredacteur: Theodor Drobisch. «iertstsithrSch»«! brimlentg«! frruug tu'« Durch dir stönigl.! vierteljährlich SS Ngr. Ei»,«lue Numme» 1 Ngr. D»0 «ld «g«Hm» d«r Herau^rbrr: Likpsch sr Nrichardt. - Verantwortlicher Redactrur: Julius Nrkchardt. Inseratenpreis«: ^ Für deu Raum eh« gespaltenen ZeUer I , 1 Ngr. Unter „Singe- j saudt" dir Zeile r «gr. j ! i. Zur Nachricht. Mit dem 1. Juli beginnt ein neues Quartals-Abonnement auf unser Blatt. Wir ersuchen um rechtzeitige Bestellung des selben in Dresden in unserer Expedition, Marienstraße Nr. 13, in und außerhalb Sachsen bei dm zunächst gelegenen k. Post ämtern. ^ Wmn durch die Zeitverhältnisse namentlich nach aus wärts manche Störung in der Zustellung des Blattes vor kam, so wird düs vorübergehend und die regulären Post verbindungen hoffentlich bald wieder im Gange sein. Wir er warten daher bezüglich der Versendung durch die k. Postanstal ten nachsichtsvolle Beurtheilung und werden, was an uns liegt, nichts versäumen um pünktliche und rasche Beförderung des Blattes zu vermitteln. Expedition dir Dresdner Nachrichten. Dresden, om 2t Juni — Laut allerhöchster Cabinetsordre Sr. Maj. des Königs von Preußen vom 2t. Juni 1866 ist Se. Excel!, der General v. GlyczinSki zum Commandanten von Leipzig ernannt und den 22. Abends j6 Uhr aus Berlin dort eingetroffen. — Am 20. Juni Nachmittags und am 21. früh fand sich ein preußi scher Officier in Begleitung eine» höheren preußischen Post beamten im königlich sächsischen Oberpostamt Leipzig ein und nahm in den betreffenden Bureaux dis Bestände der Postkassen auf. Der Militär-, sowie der Cwilbeamte traten dabei mit der größtm Humanität und Delikatesse auf. Als ihnen der Stand der verschiedenen Kaffen vorgelegt war — in manchen sollen sich nur ganz geringe Summen, in anderen größere Beträge vorgefundm haben — und sich herausgestellt hatte, daß die Baarvorräthe kaum entbehrlich sein dürften, wmn anders die Post fortfahren sollte, ihre Thätigkeit auszuüben, wurde dem Oberpostdirector v. Zahn und dem Oberpostmeister Röntsch von dm preußischen Beamtm eröffnet, daß es keineswegs beabsichtigt werde, dm Postbetrieb zu unterbrechen oder zu stürm, und daß auch jene Gelder unter der Bedingung der betreffenden Behörde unverkürzt verbleiben sollten, daß dieselben nur zu eigentlichen Dimstzwecken verwmdet, nicht aber ohne Erlaubniß des königl. preußischen Commandos an irgend eine andere Finanzstelle ab geführt würdm. Jener preußische Officier war, wie verlautet, der Lmtnant Wesenmeyer, der Postbeamte aber der Oberpost- commiffar Wagener aus Westphalm. Beide erhielten ihre Weisungen von dem mit größter Humanität auftretenden der zeitigen Stadtcommandantm Oberstleutnant Ritter von Conta (bekannt aus dem deutsch-däuischm Feldzuge von 1864). — Vor dem Palais Ihrer Majestät der Königin Wittwe sind zwei preußische Landwehrmänner als Ehrmwachtpostm aufgestellt. Die städtische Sicherheitswache ist seit gestern Mittag allerwärts abgelöst. — Unter den hier anwesenden Persönlichkeiten von Be achtung befindet sich auch der ehemalige sächsische, nachherige preußische Abgeordnete und Industrielle, weimarsche Kammer- Herr und sächsische Offizier a. D. Anton von Gablenz, der Sohn des in sächsischen Militär- und Bürgerkreisen unvergeßlichen Generalleutnants dieses Namens, und Bruder des k. k. öster reichischen Feldmarschall-LeutnantS von Gablenz. — Wie wir nachträglich vernehmen, ist der Kgl. Preuß. General Herwarth von Bittenfeld vor seinem Weggange von I. M. der Königin Maria in besonderer Audienz empfangen wordm. — Die militärischen Bilder sind bald ganz verschwunden, nur hier und da taucht in den Straßen noch eine kleine Reiter- schaar oder ein Piquet Infanterie auf, das aber bald wieder zum Thore hinausmarschict. Es ist eine wirklich wohlthumde, behagliche Ruhe eingetreten nach dem plötzlichen Wirrwarr und Schrecken, dm der erste blaue Husar bei seinem Erscheinen am Blockhause dm Gemüthern einflößte. Der Geschäftsverkehr ist zwar nicht ganz wieder hergestellt, aber alle Läden sind offen, selbst vor den sehr eingeschüchterten Bäckerläoen h lten wieder die Lastwagen mit unzähligen Mehlsäcken, deren Inhalt bald verknetet werden soll. Im unbefangensten Negligee, könnte man sagen, spazieren die Soldaten durch die Straßen, Husaren, Artillerie, Landwehr und Linieninfanterie, meist ohne Seiten gewehr, theils am Arm eines bereits hier gewonnenen Bekann ten, theils allein, theils mit einem Kriegskameraden Wir fin den unter ihnen Leute, die drei bis vier Orden tragen, das bekundet die badensche Medaille, das Düppel- und Alsmkreuz u. a. m. Ost erinnern sie an die guten alten Zeiten, wenn man sie mit ihren Tabakspfeifen an den Häusern stehen sieht, wie sie den Feuerschwamm, nach der bekannten gravitätischen Sitte unserer Maurer, mit Stahl und Stein bearbeiten. Ueberhaupt ist die Tabakspfeife wieder an's Licht getreten und zu Ehren gekommen; selbst Civilisten benützen sie jetzt auf der Straße, schon der Billigkeit des VergnügmS wegm. Die i Rheinländer haben sich in Dresden namentlich sehr beliebt ge- ' macht durch ihre Treuherzigkeit, Offenheit und Gmügsamkeit. Sie waren zumeist begüterte Leute, und die Leute aus dm Dörfern erzählten dem Referenten, daß manche mehrere hundert Thaler in Gold bei sich hatten. So z. B. ein Trompeter in Blasewitz; der sagte zum Gasthofskellner: „Wenn's losgeht, gebe ich Jhnm meine lappigen 100 Thaler zum Aufheben. Fall' ich in der Schlacht, da mögm Sie's behalten." Meist sind sie fröhlich und guten MutheS, doch auch traurige Bilder zogen vor unserm Augm vorüber. Bei Bülau oben starb in diesm Tagm ein rheinländischer Soldat, wahrscheinlich in Folge des langen Marsches; er hat Frau und vier Kinder, die da heim nicht ahnen, daß ihr Vater bereits in Sachsens kühler Erde ruht. Viel Kranke giebt's außerdem, theils haben sie wunde Füße, theils haben sie sich selbst geschadet durch schnelles Trinken kalten Wassers während des Marsches, obgleich die Offtciere strenge Ordre dagegen gegebm. Doch kommen wir vorläufig wieder nach Dresden selbst zurück. Interessante Bil der liefert die Elbe, wenn in ihrm kühlen Fluthm sich die preußischen Rosse erquicken. Die Photographen habm meist vollauf zu thun. Vater und Mutter daheim, wohl auch das ferne Soldatenlieb wollen ein Dresdner Conterfei des Kriegers, um zu sehen, ob ihm die Strapazen bis jetzt gut oder schlecht bekommm sind. Dresdm mit seinen schönen Umgebungen hat auf die Soldatm meist einen herrlichen Eindruck gemacht; hier und da sagte einer oder der andere: „So schön ist's bei uns nicht, hier ist's herrlich, hier möcht ich bleiben!" Aber der Mann muß hinaus in'S Feld und „heute roth, morgm todt!" das ist des Kriegers LooS! Glücklicherweise hat die Vorsehung unser Sachsen noch mit epidemischen Krankheiten verschont — wir wissen nichts von Cholera und Typhus, selbst dis Trichinose ist verschwunden; möge es so bleibm! In dem Geräusch und Gewirbel der Straßen wird viel verloren, wir Hören von ver schiedenen herrenlosen Sonnenschirmen, Taschentüchern, Porte monnaies rc. Ein Restaurateur auf der Hauptstraße fand, als zwei Soldatm sich entfernt hattm, zwei funkelnagelneue Thaler, die er natürlich ablieferte. Eine andere interessante Episode aus dem Geschäftsleben finde hier noch Platz. Ein hiesiger Gewerb- treibender wird schon seit sechs Wochen auf Wechsel gesucht, er ist nicht zu finden; jetzt, da es ihm traurig geht und kein Verdienst in Aussicht steht, meldete er sich vor we nig Tagm endlich freiwillig in höchsteigener Person zur Wechselhaft. Aber diesem frommen Wunsche konnte durchaus nicht stcttgegebm werden, er mußte betrübt wieder fortgehen; denn der Gläubiger hatte, selbst inficirt von den schlechten Ge schäften dieser Jetztzeit, seinen Alimentenvorschuß zurückgezogen, weil er ihn selbst zur „Atzung" braucht. So wechseln die Ge schicke sonderbar — bis eS anders wird! Einiges Aergerniß ist unter die Biertrinker gerathen; es haben sich's einige Restau rateure einfallen lasten, mit den Preisen aufzuschlagen, was um so mehr unrecht ist, als die Güte des edlen Gerstensaftes dabei manchmal eine sehr sonderbare genannt werden kann. Wandern wir hinaus aufs Dorf. Dort siehts allerdings anders aus. Schon an dm Schlägen stehen Wachen, die aber dcn friedlichen Wanderer ruhig gehen lasten. Ein vollständiges Kriegsbild ent faltete sich in den Dörfern vor und hinter Wilsdruff, wo cs in den letzten Tagm von Soldaten strotzte. In Limbach allein lagen einige tausend Mann, die aber dort eine sehr freundliche Aufnahme fandm. Der Gastwirth Scharfe dort, selbst Fleischer, hatte täglich gegen 1500 Mann zu Tisch, während bei ihm allein 130 Mann lagen Er verzapfte in zwei Tagen 72 halbe Eimer Bier und zwar Alles gegen baare Bezahlung. Er hatte sich vom betreffenden Offizier zw.i Wachtposten ausgebeten, die er auch erhielt. Ganze Ochsenvürtel wurden von seinen Ge sellen im Nu zerhackt und kaum waren die Soldaten eine Stunde da, so hieb Jeder schon in sein vor ihm stehendes, schmackhaftes Beafsteak ein. So ging das zwei Tage lang. Auch hier ist eine kleine Episode nicht uninteressant. Ein Soldat hatte eine Zeche von 1 Thlr. 20 Ngr. auf der Kreide stehen und wollte sich mit der Bezahlung drücken. Morgens 2 Uhr marschirte das Militär plötzlich ab. Trotz alles Mahnens zahlte der Sol dat nicht. Endlich wendete sich im letzten Augenblick der Wirth an einen Offizier. Die Trommel erklang und es ging fort. Nach drei Stunden kam im dicksten Schweiße ein Soldat zurück und brachte im Namen des Hauptmanns die 50 Neugroschen baar. Beim Abmarsch hatten übrigens die Truppen der guten Aufnahme Limbachs ein Hurrah gebracht. Leider aber sind auch traurige Geschichten zu erzählen, die ein böses Zeichen der Zeit sind. Die Dörfler hatten Gelegenheit, ebenfalls Lynchjustiz zu üben. Ein gewisser Beyer, ein schon oft bestraftes Subject, der erst vor Kurzem die Anklagebank zierte, wurde von einem Steuer aufseher mit einem Aufträge auf ein Dorf bei Wilsdruff ge schickt. Er ging ab und traf unterwegs auf einem Felde einm Knecht mit einem Pferdejungen und zwei Pferden, die dort ackerten. Mit dem Rufe: „Jetzt ist'« einmal Krieg!" stürzte Beyer auf den Knecht zu, schlug ihn zu Boden und befahl dem Jungen, daß er sich sofort ganz ausziehe. Der Junge that das, als er dm Knecht daliegen sah, in der Angst, zog sich ganz nackt aus und lief dem Dorfe zu. Hierauf zog Beyer noch dm Knecht aus und versuchte, sich auf eine« der Pferde zu schwingen und mit den Sachen ins Weite zu reiten. DaS Pferd aber w« zum Reitm nicht geneigt, sondern es warf dm Hallunken aL> der dann alsbald erwischt, aber von den Dörfern dermaßo» geschlagen wurde, daß sein Kopf kaum mehr herauszuerkemM war. Vox pvpuli, vox vei! Er wurde hierauf gebunden unp 's da er natürlich nach solchem Lynchen nicht auf dm Beiney : stehen konnte, aufs Stroh in einen Wagen gelegt und üb« - Limbach dem Gericht zugefahrm, wo ihm wegm Raubes nun? - mehr, wmn er's überhaupt erlebt, eine schwere, lange St«M erwartet. — Ebm so hören wir aus Kesselsdorf auS dersi sicheren Quelle, daß in der Nähe zwei Fuhrleute von Kerlen angefallm wurden. Die Fuhrleute verstanden aber unrecht, langten ihre „Hebebäumel" aus der Wagenkelle hi und draschen die Schufte ebenfalls so durch, daß sie lange daheim kalte Umschläge machen werden. Es sind dies traurige Fälle — deren Fortsetzung Gott verhüten mögel -- Der Johanniterordm, der, seinem edlen Zweck n kommmd, bereits bei früherm Gelegenheiten sich der Sorge die Verwundeten und Krankm unterzogen hat, wird, wie m hörm, auch in den jetzigen drangvollen Zeiten wieder hell und unterstützend zur Seite stehm und Hospitäler errichtest,'. Die Gebäude, welche von dem Johanniterordm zu diesem Be hufs eingerichtet werdm, tragen deffen Flagge, ein rothes ^ im weißm Felde. Wenn also Bewohner unserer Stadt solche Flagge wehen sehen, so wissen sie, welche Bedeutung ihr beizulegen ist. (Dr. I.) — Nachdem die Mitglieder unserer Hofbühne in anerkstn- nenüwerther Weise auch vor leerm Bänken mit demselben gespielt und gesungen hatten, wie vor einem vollen Hause, das Hoftheater vorläufig auf vier Wochen geschloffen worden. Unsere Mimen haben nun viel unfreiwillige Muse erhalten, die sie e nem unverbürgtm Gerüchte zufolge Morgens zu dem Eia» studirm und Reprtirm ihrer Rollen verwenden, währmd sie des Abmds ihren Privatneigungen obliegen. Wir wollen nur» keine Namen nmnen, aber ein beliebter Hofschauspieler, sei'« wer eS sei, angelte vorgestem Abend in der Nähe der Helbigschea Restauration, und siehe! Da biß es an! „Seht, diesm Fisch hat er gefangen, wie keiner ihm ins Netz gegangen". Eine sieben»,, pfündige Barbe brachte er unter allgemeinem Hallsh der Stamm- , gäste mit Hilfe eines Mannes auf das Trsckme. § — Wir lasen in Berliner Blättern, in Dresden sähe mÄ» zahlreiche schwarz-weiße Flaggm wehen. Wie schon erwähnH , weht allerdings eine solche beim preußischen Militärkommando,/, im Victoria - Hotel und eine zweite an dem Hause Nr. 1 der i Radebergerstraße bei Herrn von Finckenstein, weiter haben wir, > keine bemerkt. — Hier eingelroffene Reisende versichern, daß das Be finden Sr. Maj. des Königs das Erwünschteste ist. — In Waaswitz wurde am 17. d. M. ein großer Flei scherhund deshalb getödtet, weil derselbe Spuren der Tollwstth zeigte Bei der darauf erfolgten thierärztlichen Section fanp man Symptome der Wuthkrankheit vor und sind daher die er forderlichen Maßregeln angeordnet wordm. — Am 17. Juni ist das 2 Ja^r alte Töchterchm des Gutsbesitzer Kretzschmar in Canitz in das in dem Hofr, befindliche Jauchenloch, von welchem es die darr Breter weggeschoben hatte, gefallen und ertrunken. — In Görlitz ist am 19. eine Bürgerdeputation au« dem benachbarten sächsischen Städtchen Löbau angekommen, «m eine Audienz bei Sr. K. H. dem Prinzm Friedrich Karl zst erbitten, welche auch gewährt worden ist. Die Deputation hat wegen Verminderung der jetzigen Einquartierungslast und Unter stützung zu der ihnen auferlegten Naturalverpflegung nachgesucht/ Dem Vernehmen nach hat Se. K. H. in Aussicht gestellt, daß die Einquartierungslast in Betreff der Zahl der Mannschaften möglichst bald vermindert werden soll, wogegen bei der Natural« ° Verpflegung vorläufig keine Aenderung getroffen w-.rden könnte.— Wie die „N.-Z." mittheilt, sind im dasigen Hauptquartier Hans Wachenhusen und der Maler Scholz eingetroffen. — Die in Dresdm einquartirten Truppen wissm Schönheit unseres Landes, den Character unseres Volkes, se! Sitten, Gesetze und seine ehrmwerthe Haltung nicht genuy rühmen. Vielfach hörten wir von Landwehrmannschaften I Wunsch aussprechen, sie möchten am liebsten friedlich in unserer. ! Mitte wohnen und bleiben, wenn sie auch aus ihrer westphä- ! lischen Heimath mit Weib und Kindern auswandem müßt«. Die Mannschaften haben überhaupt über Sachsen binnen kur ze Zeit eine ganz andere Anschauung gewonnm, als die war, mit der sie unsere Grenze überschritten und sie bekennm gern die irrthümliche Auffassung über Sachsens Volk und Regierung, unfern König und sein Land, in welche sie sich früher hattest) einwiegm lassen. „Hier muß ein glückliches, freies und zu- H friedmrS Volk wohnen" sagten die bärtigen Männe'-der - f I I - !