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Rr. SS. Elster Jahr« Erscheint: «Mch st»h 7 Uhr- S»serate «erde» aogenomm«»: »ttLV«»d»6,«on«- Lag» bt, Mittag» 1» Wr: «arienftraße IS« »Lqeig . tu dies. Blatt«, »a, t«tzt i»L»<r«o Exrmplar«» rrschrint, -»de» «iu» erfolgreich« >«rbr«itu»g Somrtag, 4. Februar 1866. Tageblatt für Unterhaltung and Geschäftsverkehr. Mitredacteur: Lheodor Arabisch. Abonnemntt: «erttljiihrlich 20 Ny bei uueutgeldlichrr Lte- srrung in'« Hau». Durch dir «Snigl.Pof »trrlellLhrltch 22 Ny. Biujelll« Nummer» 1 Ngr. Inseratenpreise: Für de» Raum ri«r -«spalten«» Zeile: 1 Ngr. Unter „Li»g«>< seudt" die Zell, 2 Viy. »ruck «d «igeuthum der Herausgeber: Liepsch E Neichardt. — Verantwortlicher Redakteur: IvliN» Neicharbt. Dresden den 4 Februar. — In der letzten Mitglieder-Versammlung des hydro- diätetischen Vereins ward die durch den Fragekasten über fol gende Krankheitsfälle begehrte Auskunft in belehrender und zur hydro-diatetischen Behandlung anleiümder Weise ertheilt: 1. Ueber Gallensteinbildung und angeblich davon herrührende Magcn- chmerzen; 2. über angebliche Magen- und Darm-Geschwüre; 3. über Fingergeschwür (^snsrieium); 4. über Bandwurm und Wurmkrankheiten der Kinder; 5. über Hautausschlag bei Kin dern; 6. über nächtlichen Anfall von Schleimhusten mit Brust schmerzen. — Wiederum wurden 10 neue Mitglieder ausge nommen. — Wegen fortwährender Ausdehnung des Bereichs und anderweiter Disposition über sein bisheriges Versamm lungslocal muß sich der Vorstand nach anderen und größeren Räumlichkeiten für den Verein umsehen. — In den letzten Tagen ist das Conccssionsdecret für die Leipzig-Dresdner Eisenbahn-Lompagnie „zum Bau und Betriebe einer Eisenbahn von Borsdorf über Grimma, Leisnig, Döbeln, Noßwein und Nossen nach Meißen zum Anschluß an die Cos- rviger Zweigbahn einschließlich einer festen Elbbülicke bei Meißen" ertheilt. Ferner mittelst Decrets der vierte Nachtrag zu den Statuten der genannten Gesellschaft bestätigt und endlich das erforderliche Ministerialdecret ,u der Anleihe, welche die Com pagnie behufs thrilweiser Deckung des Bau- und Betriebsauf- wandes für die neue Bahn, sowie zu der Erweiterung der Bahnhofsanlagen zu Leipzig und Dresden eröffnen will, ertheilt worden. Von besonderer Wichtigkeit ist, daß die Compagnie den Anschluß anderer Eisenbahnen an alten dazu geeigneten Punkten ihrer beiden Linien unweigerlich zu gestalten, und für solche Fülle, die durch Herstellung eines geregelten und zusam menhängenden Verkehrs von einer Bahnlinie auf die andere bedingten Einrichtungen zu treffen, und auf der Linie über Döbeln einen directen und zusammenhängenden Betrieb zwischen Leipzig und Dresden in der Art einzurichten hat, daß jeden falls zwei Personenzüge täglich in jeder Richtung direct und uuabhängig von den Zügen auf der alten Linie durchgehen. (L.A.) — Als in Leipzig am I. d. Nvchmittags der Student Richter, welcher sich am 29. v. Mts. im Carcer erhängt hatte, vom Jacobshospitale aus beerdigt werden sollte, hatte sich dort eine größere Anzahl seiner Eommilitonen, zum Theil mit Waffen und Schärpen, eingefunden, um dem Leichenwagen in geordnetem Zuge nach dem Friedhofe zu folgen. Der Gestat tung eines solchen ceremoniellen Geleites stehen jedoch ausdrück liche gesetzliche Bestimmungen entgegen und es mußte dasselbe daher auf Anordnung der Polizeibehörde unterbleiben. Hier über wurden nun Seiten der Herren Studirenden vielfache mißfällige Aeußerungen laut, namentlich wurde behauptet, daß das Verbot sich nicht auf die Landesgesetze, sondern lediglich auf Willkühr, auf „einen alten Zopf", wie man sich ausdrückte, fundirte. Diese gegen die Polizeibehörde erhobene Beschuldi gung > ist jedoch als durchaus unbegründet zurückgewiesen, in dem die erster« lediglich auf Grund der noch heute in voll kommener Giltigkeit bestehenden Vorschriften des hier cinschla- genden Mandats vom 20. November 1779 gehandelt hat. Nach diesem Mandate, welches allerdings vielseitig, und nicht mit Unrecbt, als barbarisch und veraltet bezeichnet wird, und dessen Aufhebung auch kürzlich von einer Mehrzahl von Bür germeistern beantragt worden ist, sollen nämlich Personen, die aus Wahnwitz oder Melancholie und Zerrüttung des Verstan des sich selbst das Leben nehmen, ,,ga nz Hn der Stille und ohne alle Eeremonie" beerdigt werden; diejenigen aber, welche „aus dem Bewußtst n begangener Verbrechen und Furcht vor der zu gewarten habenden Strafe, sich vorsätzlich um das Leben bringen, soll man auf dem Schindkarren oder der Schleife fortschaffen und auf dem dazu angewiesenen Anger einscharren, diejenigen endlich, welche aus Verzweiflung über ihre Umstände oder aus anderen Ursachen, ohne daß sie dabei wegen eines begangenen Verbrechens Strafe zu gewarten haben, sich das Leben nehmen, sollen entweder durch besonders dazu zu vermögende Personen an einen abgesonderten Ort unter die Erde gebracht oder, dm deßhalb ergangenen Verordnungen ge mäß, an die medicinischen Fakultäten rc. (jetzt an das hiesige anatomische Institut) abgeliefert werden." Richter hatte nun keineswegs aus Wahnwitz oder Melancholie seinem Leben ein EndEgemacht, er smußte daher, wie auch geschehen ist, der Anatomie überwiesen werden, und es konnte, nachdem diese den Leichnam rücksichtsvoller Weise refüsirt hatte, eigentlich nicht einmal auf eine nach dem Mandat nur für geisteskranke Selbst mörder gestattete stille Beerdigung Anspruch gemacht werden. Zufolge einer seither geübten mildm Praxis wurde jedoch da« stille Bcgräbniß erlaubt; mehr aber konnte nicht zugestandcn werden, es ist auch von dem Polizeianite (in anderen Orten und namentlich.' auf dem Lande geht man dem Mandate viel rigoröser nach) ;n keinem einzigen früheren Falle ein MehrereS eingeräumt worden, denn dasInculiche Bcgräbniß des Studenten AxeloS, dm man mit feierlichem studentischen Gepränge zu Grabe trug, ist durchaus nicht niit Billigung, im Gegcntheil gegen das ganz bestimmte und ausdrückliche Verbot des Polizei amts erfolgt. iL, A.) — Wir können nicht umhin, auch einmal die „Gouver nante" zu spielen und einer Jnconvcnienz zu gedenken, die sich bei einem Theile des unsere Musikaufführungen besuchenden Publikums cingefunden hat, wir meinen das Erscheinen nach dein Beginn der Aufführung und das Verlassen der Plätze und des Saales während eines Musikstückes oder kurz vor dem Schluffe des Concerts. In diesem Verhalten der Betreffenden liegt eine Nichtachtung der Mitanwcsenden, eine Beeinträchti gung ihres Genusses, es thut sich darin eine Verleugnung des eigenen Tactes und Schönheitssinnes kund. In Leipzig würde das Gewandhausconcertpublikum solche Ucberhebungen nicht dulden, wir unsererseits hoffen, daß mit dieser Andeutung künf tigen Contraventionen gegen die gute Süte Einhalt geschehen wird. — — Eine Folge der ganz ungewöhnlichen Teinperatur des gegenwärtigen Winters ist das bereits beginnende Grünwerden der sogenanntm „wildcn Jelängerjelieber" (I.«ui»-ers rolorw«). Es ist dies überhaupt der Strauch, der bei uns zuerst grün wird. Jedermann kann sich von dem beginnenden Grünen die ses Strauches, der in unseren Promenaden in großer Anzahl steht, überzeugen. — Während einer neunzehnjährigen Beobach tung der Vegetationsperioden fand das Grünwerden dieses Strauches noch nie so zeitig statt. Am frühesten geschah es am 17 Februar (1863) und am spätesten am 9. Ilpril (1865). A. H. — Wir wollen nicht unterlassen, das Publikum davon in Kenntniß zu setzen, daß gegenwärtig von Frankfurt a. Nt. aus durch die Wechsel- und Jncasso-Gesellschaft des Großherzogl. Badischen Staats-Eisenbahn-Anlehens, unterzeichnet Jean Geiger, Activn ä 2 Thlr. oder Fl. hier per Post an verschiedene Adressen gelangen, deren Vertrieb gesetzlich unzulässig ist, über haupt eine solide Garantie auf einen etwaigen Gewinn in kei nerlei Weise bietet. — Die Chromo-Photographic in ihrer vollendetsten Aus führung finden wir jetzt in dem Atelier des Herrn Rocksch am Dohnaplatz Nr. 12. Es geht bei diesen auf eine ganz eigenthümlich neue Art hergestellten Portrails die Kunst und Mechanik Hand in Hand, das Bild erscheint im Colorit als feinste Aquarellmalerei und macht den Eindruck eines auf Por zellan oder Elfenbein gemalten Kunstrverkes. Wenn man be denkt, daß ein dergleichen in ansehnlicher Größe ausgeführtes Portrait früher mit Hunderten von Thalecn bezahlt wurde, so muß es als ein Triumph menschlichen StrebcnS und Denkens erscheinen, daß man jetzt ein dergleichen Bild für dm Preis von 6 Thalern in solcher Vollendung herzustellen im Stande ist. Möge man sich von der Wahrheit des eben Gcsagtm im Atelier des Herrn Rocksch selbst überzeugen. — Wie schwer in Dresden alte eingewurzelte Einricht ungen und Angewohnheiten über Bord zu iverfen sind, hatten wir gestern Vormittag wieder Gelegmhcit, in recht ausgezeich neter Weise wahrzunehmcn. Etwa H9 Uhr ertönte das Feuer signal vom Kreuzthucme. Zwei Schläge verkündeten, daß es in dem Rayon zwischen der Seestraße, bez. Pragerstraße und der Elbe brenne. Erwägt man nun zunächst, daß von dem Mittelpunkt der Stadt aus durch diesen ganzen Rayon fünf, bez. sechs Hauptverkehrsadern führen, daß dieser Navon seit Einführung der jetzt noch bestehenden Feuersignalc um das drei fache an räumlicher Ausdehnung zugenommen hat, so kann man sich schon einen Begriff von dem Umherrennen und Umherfahrcn der zur Feuerstelle eilenden Personen und Spritzen vorstellcn, und kennt man die Neugierde der Dresdner, so kann man sich auch leicht denken, wie rasch sich große Hausen Menschen in dm Straßen des als gefährdet bezeichnten Rayons ansamnieln. Wenn nun aber, wie es gestern Vormittag der Fall war, nur eine Esse in Brand gerathen und sofort wieder gelöscht worden ist, so daß der Feuerstrahl kaum länger als eine Minute hat wahrgenommen werden können, so mußte es eben so lächerlich als bedauerlich erscheinen, wenn zu obigem Wirrwarr noch kommt, daß Spritzen in den Straßen umherjagen, die Turner- feucrwehr in Abtheilungen herbeieilt, Militärpatrouillen die Straßen durchlaufen, Gendarmen mit den Helmen auf dem Kopfe von Straße zu Straße eilen, um das Feuer zu erspähen, unv endlich Alles Halt machen muß, weil das Feuer fehlt. Man sollte meinen, daß Dresden doch wohl so weit vorge schritten ist, daß derartige Erscheinungen, die bei den Dimen sionen, die sie heute z. B. angenommen hatten, geradezu lächer lich sind, für die Folge nicht mehr Vorkommen dürfen. Wir haben eine vorzüglich geübte und zweckmäßig organisirtc Turncr- feuerwehr, die zweifellos vollständig auSrcicht, bei einem aus brechenden Feuer die Gefahr, wenn nicht zu beseitigen, so doch > aufzuhalte», desalb bedarf es ja nur der Einrichtrmg, daß der i Thürmer, anstatt deö lärmenden Glockensignals, der Turner feuerwehr auf telegraphischem Wege ein ausbrechendcs Feuer signalisirt. Sollte dann der kaum glaubliche Fall enrtreten, daß das Feuer größere Dimensionen annehme, nun so kann der Thürmer bald davon in Kenntniß gesetzt werden, durch Stürmen größere Hilfe herbeizurufen. — — Am letzten Freitage hielt der Bürger-Verein zu Neu- und Antonstadt seine erste gesellige Zusammenkunft mit Damen im kleinen Saale des Linckeschcn Bades. Heitere musikalische uird declamatorische Vorträge machten diesen ersten Gesellschafts- Abend zu einem recht frohen. Der Verein, welcher sich seit Neujahr constituirt, zählt schon gegen M Mitglieder, welche cs sich zur Aufgabe stellen, durch wöchentliche Zusammenkünfte Gelegenheit zu gemeinschaftlicher Unterhaltung zu geben. Dem jungen Vereine, welcher durch gute Vorstände geleitet wird, ist ein gedeihliches Bestehen zu wünschen. Ais aus Weiteres ver sammeln sich die Mitglieder des Vereins jeden Freitag in Henne's Restauration. — — Vorgestern Nachmittag ist aus der Bautznerstraße beim Holzmachen ein Militürstrafarbeiter dadurch verunglückt, daß er beim Spalten des Holzes mit der Axt einen seiner Füße ge troffen und denselben dadurch so schwer vrrletzt hat, daß er mittelst Siechkorbes in das Militärhospital gebracht werden mußte. — — Gestern Vormittag sollte in der Cavallerieschmiede an der Wiesenthorstraße ein Pferd beschlagen werden. Plötzlich nahm dasselbe Reißaus, durchrannte mehrere Straßen der Neu stadt, ohne zum Glück einen Schaden herbeizuführen und kam endlich selbst wieder bis in die Wiesenthorstraße, wo es gelang, cs einzufangen. — — Die beiden Annenrealschüler, die, wie wir neulich be merkten, durch aufregende Lectüre zu dem Entschlüsse bestimmt worden waren, ihren Eltern zu entlaufen und womöglich bis nach Amerika zu entkommen, um dort ein recht abenteuerliches Leben zu führen, sind gestern hier wieder eingetroffen. Nach dem sie nämlich verschiedene Städte, wie Bamberg und Magde burg, passirt und sich überall nach Kräften amüsirt gehabt, sind sie endlich in Stendal, wo das Geld alle geworden, auf gegriffen und von dort nach Dresden zurückgewiesen worden. Was wohl für die Burschen das geeignetste Mittel wäre, um sie von der Sucht und Neigung zu Abenteuern zu kuriren? Diese Frage beantwortet sich wohl Jeder von selbst. — — Oeffentliche Gerichtsverhandlung vom 3. Februar. Der erste Angeklagte, ein alter Mann, der die «fstn- sten Geständnisse macht, heißt Friedrich Wilhelm Gottlieb Fischer und ist aus Lichtenberg. Zuletzt wohnte er in Niederhäslich, wo er in der Kalkbrennerei eines gewissen Wolf als Kalkmesser fungirte. Die Anklage ist auf Unterschlagung gerichtet und wir finden hier wieder einen jener oft vorkommenden Fälle, welche schon Manchen auf die Anklagebank gefiHrt, der für seinen Dienstherrn Außenstände cinzuzichen hatte und dieselben nicht ablieserte. Wir heben unter den einzelnen, einander sehr ähnlichen Fällen nur einen hervor. Anfang Februar vorigen Jahres hatte Fischer für Wolf 39 Thaler für Kalk einzuziehen und zwar theils in Deuben, theils in Coschütz oder Rabenau. Fischer blieb drei Tage weg. Es waren Posten von 2 bis 9 Thaler einzuziehen. Er zog sie auch ein, lieferte sie aber nicht ab, sondern erzählte, er hätte das Geld mit dem „Schiefer dach", in dem cs als Papiergeld gesteckt, verloren. Er will sofort den Weg noch einmal zurückgelegt, das Geld gesucht; aber nicht gefunden haben. Jndeß die Sache wird von der Frau des Fischer anders beleuchtet. Cie kam zu dem bei Wolf beschäftigten Kalkschreiber Kretzschmar und erzählte ihm, daß sie das von ihrem Manne vermeintlich verlorene „Schieferbuch" in seinem Bette gefunden. Sic sagt, sie hätte cs ihm vorgehal ten und gesagt: „Nun siehst Du, Du hast das Geld doch ver braucht!" Ta erwiderte er: „Na, laß es nur gut sein, daS Geld ist ivcg, ich hab's gebraucht!" Als dem Fischer das heute vorgehalten wird, erklärt er, das sei von seiner Frau aus „Neid" gesagt worden. Im klebrigen hat Wolf einigermaßen Ersatz erhalten, er hat den Fischer nach und nach vom Lohn den Verlust abgezogen und zwar bis jetzt in der Höhe von etwa 16 bis >7 Thalem. Daß Fischer die 39 Thaler nicht verloren, beweist schon der Umstand, daß er auch gar nichts gcthan zu deren Wiedererlangung, und daS hebt namentlich Herr Staatsanwalt Held hervor. Zu bemerken ist noch, daß die Ehefrau des Angeklagten, die erst drcivicrtcl Jahr mit ihm verheirathct, viel auf ihren Mann gehalten und daß sie, von dem Recht Gebrauch machend, ihr Zeugniß als nahe Ver wandte zu verweigern, sich über die ganze Geschichte nicht ab hören ließ. Erst als ihr Ehemann vcrschwunvcn und in ihr der Gedanke aufgesticgen war, er sei vielleicht nach Amerika gegangen, ging sic zu dem Kalkschreiber Kretzschmar und theilte ihm ihre Ansichten darüber mit, um wegen der 39 Thaler ihr Gewissen zu beruhigen. Herr Staatsanwalt Held beantragte die Bestrafung des Fischer. Friedrich Wilhelm Gottlieb Fischer erhielt wegen Unterschlagung 1 Jahr und 2 Monate Arbeits haus. — Komme» wir zur zweiten Hauptverhandlung. Es