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Dresden, den .'Z, Januar. — Der Pastor Müller in Bad Elster ist als Vieedirector für daS Flctcher'sche Schullehrerscminar ernannt worden. — Nach einer Bekanntmachung der Ober Post-Tirection können nach denjenigen Theilen der nvrdamerikanischcn Union, nach denen aus Veranlassung des Aufstandes zeitweise eine Packetsorderung nicht stattsinden konnte, nunmehr Packete wieder zur Versendung gebracht werden. — Aus Leipzig berichtet das F. I.: Es war ausgefallen, daß der freisinnige Diakonus I»r. Peter zu Chemnitz daselbst kürzlich in einem Bortrage die Möglichkeit der Wunder bewiesen und sich damit augenscheinlich den Weg zur Anstellung hier selbst versperrt hatte; man erfährt nun, daß er wegen seiner Predigt zu Gunsten der Verkürzung der Arbeitszeit von der königl. Kreisdirection zu Zwickau zur Verantwortung gezogen Warden und in Folge dessen eine förmliche Abbitte geleistet und, uni seine Bekehrung zu beweisen, jenen Vortrag gehalten hat. — Herr Advoeat Zudeich hält heute Abend um 7 Uhr im Cyklus einen Vortrag über „Verbrechen, Strafe und Straf Prozeß." Die Grenzen zwischen den Wirkungskreisen des Ei- vilgerichtS, der Polizei und der Eriminalbehörde sind sogar manchem Juristen von Fach nicht aller Orten deutlich sichtbar, und es ist daher um so dankcnSwerther, daß Herr Advoeat Judeich die Zuhörerschaft des Eyclus auch in dieses düstere Ge biet der Rechtswissenschaft einen Blick thuen läßt. — Gestern Morgen 8 Uhr sammelte sich eine Menschen menge vor dem Hause Nr. 58 der Pillnitzerstraße, weil sich in der Behausung eines Leistenschneiders ein Feuer bemerkbar machte, das durch schnelle Hilfe, besonders durch die Leute des Bewoh ners selbst gelöscht wurde. Es mußten von außen die Fenster laden aufgebrochen werd n. — Die Verwandten des gestern erwähnten, vor einigen Tagen als Leiche im großen Gehege angeschwommcncn Tuch- scheerergehilfeu bestreiten auf das Bestimmteste, daß ein Selbst mürd vorliegc und behaupten vielmehr, daß der junge Mann, da er an epileptischen Zufällen litt, durch einen im Zusammen hänge mit dem erwähnten Zustande stehenden Unglücksfall sein Leben verloren habe. — Am Freitag, den 19. Jan. konnte man im Saale der Eonversation ein recht lustiges Völkchen beobachten, da die Herren Schilling u. Walter ihrem gesammten Personal einen solennen Ball gaben. Durch gelungene Uebcrraschungen, Auf führung luftiger Stücke nahm die Gesellschaft alsbald eine ge hobene Stimmung an, die namentlich durch einige gediegene Tafellieder erhöht wurde. In der Mitte ihrer Arbeiter und Zahlreicher Gäste verbrachten die Herren Prinzipale einen sehr fröhlichen Abend und möge hier nochmals der ausgespro chene Wunsch folgen, daß die Fabrik der Herren Schilling und Walter sich immer noch mehr vergrößern und sie stets blühen möge. — Als vorgestern Abend der letzte Zug von Potschappcl nach Tharand abging, flogen aus einem Eoupce 2. Elasse, in welchem 9 Mann adelige Studenten aus Tharand saßen, zwei Biergläser vor die Füße des auf dem Perron stehenden Publi kums und zerschmetterten selbstverständlich so, daß die Stük- ken Glas nach allen Seiten flogen. Der oder die Thäter waren deshalb nicht zu ermitteln, weil diese noblen Herren Einer für Alle und umgekehrt stehen wollten. Es dürfte da her am Platzte sein, dergleichen Rohheiten, wie sie fast täglich Vorkommen, öffentlich zur Sprache zu bringen. Geldstrafen für dergleichen Vergehen auf der Bahn helfen nicht viel, diese be zahlt ja der Herr Papa. — In einer hiesigen Gesellschaft ward uns das Ver gnügen das Klavierspiel von Frau Magnus-Heintze wiederum zu hören. Die Dame, welche früher als Sarah Magnus mehrere Kunstreisen unternommen halte und überall mit Bei fall aufgetreten war, ist jetzt in Leipzig an den Buchhändler Heintze verheirathet und führte sich hier vor einem gewählten kunstsinni gen Eirccl als talentvolle Künstlerin durch ihr ebenso sinniges als gewandtes Spiel ein. WMge'nrme Gsetrachtung. P: Der König von Preußen liebt es, gegen Privatper sonen und Deputationen seine Gedanken über den Co»flick zwischen seiner Negierung und seinem Volke offen und derb auszusprechen; weniger Geschmack findet er daran, seinen Volks vertretern persönlich entgegen zu treten. Graf Bismarck, der bereits den letzten Landtag schloß, mußte daher auch den dies maligen eröffnen. Der Thron selbst blieb — bezeichnend genug! — verhüllt. Die von dem Ministerpräsidenten ver lesene Thronrede athmet, wenn sie überhaupt Geist athmct, ganz den sprüchwörtlich gewordenen Geist preußischer Nüchtern heit oder Trockenheit. Die Noth an guten Federn, der Man gel an geistreichen Arbeitern im Eabinct guckt auL jeder Zeile, jeder stylistische Axfwand ist vermieden, eS ist eine dürftige Aneinanderreihung einzelner Notizen. Jeder Minister hat über etliche Vorgänge in seinem Departement ein Paar Zeilen ge liefert, die Verbindung und Verschmelzung der einzelnen Par- tieen, die Uebergünge fehlen gänzlich, von einer umfassenden Ueberarbeitung ist nicht die Rede. Doch diese Mängel der Form verschwinden gegen den bittern Ernst des Inhalts. Man kann sagen, daß eine solche Thronrede noch keiner deutschen Volksvertretung geboten wurde. Alle die Punkte, um deren willen seit Jahren in Preußen der Streit entbrannt ist, wer den als Bagatellen auf die Seite geworfen. Die Thronrede sagt einfach: Ein Budget hatten wir nicht, so haben wir die Nachweise der Staatseinnahmen und -Ausgaben veröffentlicht. Punktum. Davon, daß das Budget nachträglich zur Geneh migung vorzulegen sei, ist leine Rede. Ebenso fegt die Thron rede mit dem Flederwisch über die streitige Militärreorganisa tion hinweg. Auch darüber hätte man sich nicht vereinigt, folglich bleibe eS bei den jetzigen gesetzlichen Bestimmungen. Punktum. Diese Methode, die Angelpunkte des Eonflilts aus der Welt zu schaffen, ist zwar etwas naiv, indessen die Ne gierung macht eben mit den Volksver tretern wenig Federlesens. Die Abgeordneten sind höchstens da, Geld zu bewilligen; daher verlangt sie von ihnen die Mittel, eine Kriegsmarine Preußens herzuslellen, Kiel zu befestigen, einen Eanal zu bauen, der die Nord- und Ostsee verbindet. Kurz wird ferner der blühenden Finanzen, des Volkswohlstandes, der abgeschlossenen Handels- Verträge und der Jubelfeste gedacht, der Gasteiner Vertrag er wähnt und schließlich versprochen, das Pfand in Schleswig- Holstein unter allen Umständen festzuhalten. Die Antwort hierauf gab in scharfer und doch würdiger Weise Grabow, der mit großer Majorität wiedcrgewählte Prä sident des Abgeordnetenhauses. Er beleuchtete die T Helligkeit der reactionüren Presse, der konservativen Geistlichen, die Ver folgung der Beamten, Presse und Vereine und wahrte kräftigst das Recht des Abgeordnetenhauses. Er erklärte, liberale In stitutionen in Preußen seien für dessen Stellung in Deutsch land unumgänglich. Diese beiden Eröffnungsreden sind die Signale, womit die Herolde der beiden um die Herrschaft strei tenden Parteien das Tournier eröffnen. Soweit cs sich um die Wahrung der Volksrechte in Preußen handelt, steht sicher die öffentliche Meinung in Deutschland auf Seite der Abgeord neten; wir sind auch überzeugt, daß es denselben nicht an Muth gebrechen wird, ein offenes Manneswort zu sprechen, es wird ihnen auch an parlamentarischen Siegcskränzen nicht feh len und hoffentlich sind sie und das Volk nach Schluß der Sitzung nicht so mürbe gemacht, daß sie den Kampf aufgeben; denn an einen schnellen, augenblicklichen Sieg ihrer Bestrebun gen denkt Niemand und auch dieser Landtag wird budgetloö verlaufen. Wahrscheinlich werden die Abgeordneten auch jetzt wieder die Alarme-Vorlage verwerfen und so kein Geld zur Vergrößerung Preußens bewilligen. Auch hat bereits Virchow einen Antrag eingebracht, die Einverleibung Lauenburgs so lange nicht für rechtsgültig zu erklären, als sie nicht der preußi sche Landtag genehmigt. In allen diesen Stücken geht das deutsche Interesse mit dem preußischen Hand in Hand uxd alle freisinnig denkenden Deutschen wünschen göwiß den Sturz des jetzigen Eabinets durch das Abgeordnetenhaus. Aber bei alledem ist es doch eigenthümlich, daß man in Deutschland nicht mehr mit der Spannung auf den Berliner Landtag blickt, wie noch vor zwei, drei Jahren. Seitdem man nämlich Angesehen, daß die Mehrzahl der preußischen Abgeord neten in der schleswig-holstein'schen Frage ganz die Bismarck'sche Politik, nur versteckt, treibt, erkaltete die Sympathie merklich. Der Berliner Landtag hat die Fühlung mit Deutschland selbst aufgegeben, uni großpreußisch zu sein, und offen gestanden, haben wir wenig Hoffnung, daß der jetzige Landtag sich aus der Sackgasse, in welche er sich verrannt hat, finden wird. Die sonst so treffliche Eröffnungsrede Grabow's enthält nicht ein Wort darüber, daß das .Abgeordnetenhaus die Rechte der Schleswig-Holsteiner wahren oder wenigstens achten werde. Die Abgeordneten selbst wollen kein Unrecht von Bismarck leiden und sie thun Recht daran; aber davon haben sie keine Ahnung, daß die Ruthe, die sie schmerzt, auch Anderen nicht gut thut. Geld für die Marine zu bewilligen, werden sie sich hüten, weil das ihren Beutel angrcist, aber zu einer ehrlichen deutschen Politik in der Elbherzvgthümerfrage sich zu erheben, fehlt ihnen der geistige Schwung. Ihr Molto ist: Wir sind, was wir bleiben — ehrliche, verkannte Leute, die allein das Privilegium haben, mit Wahrheit und Recht Schacher zu treiben. Graf Bismarck ist hierin wenigstes conseyucnt, das Halbe liebt er nicht; wer nicht für ihn ist, ist wider ihn. Freilich hat seine etwas burschikose Politik ringö umher Drachenzähne gesät, aus welchen jetzt gewaffnetc Männer gegen Preußen er stehen. Der Gasteiner Vertrag namentlich erweist sich immer mehr als unglückselig, man ist in Berlin so gespannt auf Oester reich, daß man in der Thronrede Oesterreich nicht einmal den bisherige« Titel „getreuer Verbündeter" gab. In Wien spürt man natürlich diese Vernachlässigung ebenso, wie man die Ver leihung des schwarzen Adlerordens an den König Italiens als einen Hieb empfindet. Doch ist niit Oesterreich jetzt nicht zu spaßen, es ist ein anderer Gegner geworden, als es zu Gastein war. Erstarkt durch innere Reformen, durch Handels verträge mit England und Frankreich, gekettet an letzteres durch intime Beziehungen, gckräftigt durch den fast hergestellten Voll werth seines Papiergeldes, die alten Beziehungen der deutschen Mittel- und Kleinstaaten wieder anlnüpfend, erhebt sich Oester reich immer drohender gegen Preußen. Dieses erleidet Nieder lage auf Niederlage seiner Sache in Schleswig, ist ohne Bun desgenossen, umgeben von einem mißtrauischen Auslände und zerrissen vom heftigsten Partcihader im Innern. Die Reserven und Hilfsmittel, die Preußen jetzt noch zu Gebote stehen, kann man an den Fingern herzählen und eS bleiben genug Finger übrig. Cpeculirt es nicht auf unerwartete Glücksfälle, so ist das „Unter allen Umständen Festhalten des Pfandes in Schles wig-Holstein", dessen die Thronrede erwähnt, entweder Ueber- muth oder Verblendung. Ein alte» Sprüchwort sagt: Wen die Götter verderben wollen, den verblenden sie zuvor. So glauben wir auch, merkt Preußen in seinem noch immer wir kenden Düppel Taumel nicht, daß von allen Seiten Gewitter emporziehen. Es ruft selbst daö Ausland in alle Fragen herein. Das Gutachten seiner Kronsyndici, abgesehen einmal von seinem ge ringen juristischen Werthe, beging die Thorheit, den kleinen Augustenburger, der gegen ein gefälliges Preußen dankbar ge wesen wäre, zu beseitigen und dafür den Londoner Vertrag anzuerkenncn, der dem Ausland das Recht zur Einmischung gewährleistet. Neuerdings holt sich sogar das Berliner Cabinet die Einmischung des Papstes, der sich kaum selbst noch halten kann, in innere preußische Fragen. Es konnte sich mit dem Domkapitel zu Eöln nicht einigen, wer den Bischofssitz in Cöln einnehmen solle. Mehrfache Unterhandlungen schlugen fehl, jetzt drängt das preußische Eultusministcrium durch directe Verhand lungen mit dem Papste den ultramontanen Bischof Melchers von Osnabrück als Eölner Bischof dem dortigen Domkapitel auf. Offizielle Federn müssen dies als einen Sieg der preußi schen Regierung ausposaunen; unabhängige Männer beklagen es, daß eine deutsche, eine protestantische Regierung über die Häupter und Rechte ihrer Unterthanen hinweg sich mit einem auswär tigen Fürsten vereinigt und so die Ultramontancn selbst hcrbeirust. Der Naturarzt. Correspondcnzblatt für Freunde naturgemäßer Heilung und Gesundheitspflege. (Organ des hydro-diätetischen Vereins hier.) Die Januar-Lieferung dieser in jährlich 12 Heften er scheinenden Zeitschrift ist soeben erschienen (hierbei Zeh inder Schloßstraße und in allen anderen Buchhandlungen zu haben) und enthält: 1. Das Programm über die jetzige Stellung des Natur arzt zum Publikum und seinen Lcbcnsgcwohnheiten. 2. Vom Stoffwechsel des Menschenkörpers; 1. Vortrag (gehalten im hydro-diätetischen Verein dahier) über die geistig-sittliche Seite desselben. 3. Das Scharlach und seine Folgen von vr. Steinbacher in München 1. Ueber chronischen Magen catarrh und Magengeschwüre l Krankenkorrespondcnz. > 5. Zwei ländliche Asyle für Wahnsinnige. Ü. Gedanken einer Freundin über Naturheilkunde. 7. Physiatrische Briefe über Lungcnblulsturz. 8. Aphorismen ethisch-diätetischer Art. Jedes Heft kostet 5 Ngr. und können Bestellungen auf das Blatt auch bei der Erpedition Kaitzeeslraße Nr. 5, sowie an jedem Versammlungs-Abende im hydro-diätetischen V°rcin an der Kasse abgegeben werden. Im hydro-diätetischen Vereine findet heute Abend 7^ Uhr (StrasserS Saal) die Fortsetzung des Vortrages über den Stoffwechsel des menschlichen Körpers statt. Die beiden ersten dieser Vorträge behandelten die teleologische und somatische Seite des Stoffwechsels, oder mit anderen Worten, sie wiesen theilS die schöpferischen Plane mit dieser Einrichtung bezüglich geistiger Entfaltung des Menschengeschlechts, theils die gesund, jugendlich und schön erhaltende resp. s» gestaltende Seite des Stoffwechsels nach. Der heutige Vortrag wird sich, nach Vorführung der 3 Gruppen, in welche sich alle Körperergane in ihren Dienst für die Stoffwechsel theilen lassen, mit den wichtigsten Beziehungen allgemeiner Art beschäftigen, in denen die verschiedenen Körper organe zu einander stehen, und welche als solche eigentlich die Hauptbasis der sogenannten Naturheillünde bilden.