Volltext Seite (XML)
. Dre-d-r». den 15. Januar. — Vorgestern Abend lies; Herr Rudolf Ge neu im Saale deü Hotel de Pologne seinen zweiten Shakespeare-Vor- trag über dm „Kaufmann von Venedig" folgen. Referent dieses gab im Sommer v. I. bei Gelegenheit des Döring'schen Gastspiels aus hiesiger Hosbühne eine kurze Besprechung einzel ner Charactcre und Zergliederung dieses Stückes, das eure Fülle von dramatischen und ästhetischen Fehlern aufzuweisen hat. Die Zahl der Vorleser Shakespeare'scher Sticke ist zwar nicht groß, es glänzten früher die Namen Tieck und Holtey. — Rudolf Genoe reiht sich den Beiden nicht nur würdig an, sondern übertrisft sie da, wo sein sonores Organ Stimmungen und Gefühle durch die Modulationen des Ausdrucks wiedcrzu- geben hat. Dies vermochte Tieck nicht, die Vorführung des Ehylock, wie sie von Herrn Genöe geschah, war von der Art, das; man sich in ein Schauspielhaus versetzt glaubte. Der teuflische Haß, die ganze Tiefe der Rachsucht des Juden Shy- lock in Worten ausgedrückt, waren Lichtblicke in dem herrlichen Vortrag. Nicht minder interessant waren von Seiten des Vorlesers die Erläuterungen, welche von feinem psychologischen Verständnisse Kunde gaben. Wie wir hören, wird er in den nächsten Tagen seine Shakespeare-Vorlesungen mit „Macbeth" fortsetzen, worauf wir Alle hiermit aufmerksam machen, die an der Sache Interesse nehmen und sich eines geistigen Genußes theilhaftig machen wollen. — Heute Abend 7 Uhr hält im naturwissenschaftlichen CycluS Herr Adbocat Judcich einen Vortrag über Eigenthum, Vertrag und Prozeß. Jemehr im Allgemeinen ein Verlangen nach Selbstständigkeit im Volke sich kundgiebt, destomehr ist es aber auch nothwendig, daß man sich eine Einsicht in die Rechts verhältnisse verschaffe. — Dem Vernehmen nach steht mit der Absicht, eines un serer bedeutendsten, mit der vaterländischen Geschichte im ge nauen Zusammenhänge stehenden Museen eine der Erhaltung dieser herrlichen Sammlung mehr als im jetzigen AufstellungS- loeale günstige Localitat einzuräumen, auch eine Personalverän-- dcrung bevor, die mit der Ueberwachung dieser Schätze eng zu sammenhängt. Es dürfte nicht unangemessen- erscheinen, bei Er- wähnung dieser angeblichen Projekte den Wunsch auSzudrücken, daß bei etwaiger dereinstigen Besetzung dieser CustoSstelle die Aufmerksamkeit der hohen Behörde auf Persönlichkeiten sich richten wolle, die, bei vorhandmen übrigen Oualisicationen, durch Geburt und Sympathieen dem Vaterlande angehören. Un sere Museen sind keine Theater, zu deren Gedeihen Talente herzugezogen werden müßten, wo immer sich welche in Süd oder Nord finden ; unsere Museen sind auch keine Universitä ten, »o zum Nutzen und Frommen der Jugend und der Wissenschaft der in seinem Fache Passendste selbst aus dem Aus lande zu rufen ist, unsere Museen sind Monumente des Pa triotismus, der Geschichte, der Eultur, der Kunst, sie sind Be sitztümer des Könighauses und des sächsischen Landes zugleich und verlangen sächsische Gesinnung in ihren Pflegern und Cu- stoden und das Publicum bürste es nur ungern sehen, wenn sich bei Besetzung einer spezifisch vaterländischen Stelle unge- kannte Protectionsnamen Geltung verschaffen sollten. — Wie wir vernehmen, wird das alljährlich zum Besten des hiesigen Vicentius - Vereins veranstaltete Concert in diesem Jahre schon am zweiundzwanzigsten Januar abgehalten werden. — Am II. d. Nt. gegen Mittag wurde der Holzarbeiter Hofmann aus Wolframsdorf in einem in der Nähe des Dorfes gelegenen Holze beim Fällen eines sich auf die entgegengesetzte Seite geneigten Baumes von demselben getroffen und dadurch dergestalt verletzt, daß er auf dem Transport nach seiner Woh nung seinen Geist aufgab. — Das von uns bereits erwähnte Feuer, welches am 11. d. M. Abends von Eisenbahnpaffagiercn nach der Großen-- hainer Gegend zu bemerkt wurde, ist in Göltzscha in einem an das Wohnhaus des Arbeiters Zimmermann angebauten Schup pen ausgebrochen und hat das Wohnhaus und Seitengebäude in Asche gelegt. Die Gebäude waren mit Stroh gedeckt, daher ergriff das Feuer mit solcher Schnelligkeit dieselben, daß die Bewohner kaum ihre Kinder zu retten vermochten. Fast das ganze Mobiliar nebst zwei geschlachteten Schweinen wurde ein Raub der Flammen, auch eine Ziege kam in denselben um. Versichert hatte Niemand. — Vorgestern Abend stürzte in Folge ,on Kolik auf der Königsbrückerstraße ein vor einen Leiterwagen gespanntes Pferd. Es wurde todt vom Platze sortgeschasit und gehört einem Fuhr- iverksbesitzer auf der großen Ziegclgasse. — Gestern sah man gelbe Dienstmänner schaarenweise nach der Tonhalle strömen und mit freudigen Gesichtern zu- rückkehrcn; wie man erfuhr, war den Mannschaften die Jah re srechnung vvrgelegt worden und soll sich dabei ein hübsches Sümmchen angespaart in (.affe befinden, welches zinsbar an gelegt und zur Deckung von entstehenden Schäden bestimmt ist. Der Verein leistet für jeden seiner D'enstmänner Garantie bis zu 50 Thalcr und werden etwa entstehende Schäden beim Vorstande sofort gedeckt. Möge cS dem strebsamen Vorstand Herrn Leincrt gelingen, das Verträum im Publicum immer mehr und mehr zu erwecken und gute Früchte davon tragen. Der Verein zählt stark ins dritte Hundert Mann. — Vergangenen Mittwoch, Abends gegen IO Uhr brach in Ebersbach (bei Löbau) im Wohngebäude der Lohnmeberin Bladeck Feuer aus, in Folge dessen nicht allein dieses Ge bäude total eingeäschert wurde, sondern auch der Dachstuhl des dem Handelsweber Christoph gehörigen Wohnhauses herunter brannte. Die aus zwölf bis dreizehn herbeigeeilten Spritzen entsen dete Waffermenge dämpfte zwar bald das Feuer, durchweichte aber natürlich auch das Haus gründlich. Beide Häuser waren mit Stroh gedeckt, daher griff das Feuer mit solcher Schnelligkeit um sich, das; die Bladeck und deren Miethbewohner, Zimmermann Biclig, von dem unversicherten; Mobiliar nur ein Geringes zu retten vermochten. Ul.ygemL-.'Ni- P: Spanien war von jeher die Heimath der Pallast- und Militarrevoltcn, auch die jüngste Revolte des General Prim wird nicht die letzte sein. Allerdings tritt sie nicht so unbedeu tend aus, als sie anfangs in Folge der lügenhaften Berichte spanischer Staatstelcgraphen und der liebedienerischen Verschwiegen heit französischer Nachrichten erschien, vielmehr nimmt sie immer größere Dimensionen an und klopft vielleicht jetzt schon mit starken Schlägen an dm letzten Bourbonen-Thron in Europa, nur die iberische Halbinsel unter dem trefflichen Scepler deö glücklichregierenden Königs von Portugal zu vereinigen. Jir- deffen wäre cS müsfig, sich behufs der Weissagungen auf dm pythischm Dreifuß zu setzen; die letzten Ziele eines solchen Militär. Aufstandes sind unklar und eben so schwer zu berechnen, wie im Allgemeinen die Triebfedern der spanischen Revolutionen leicht zu erkennen sind. Das Kriegsglück, die Einmischung des Auslandes, die größere oder geringere Sympathie, welche die Sache des Aufstandes bei der Bevölkerung findet, sind Factoren, die, zur Zeit noch nicht berechenbar, wesentlich auf dm Gang der Dinge einwirken werden, lieber die Motive der Führer läßt sich Niemand dagegen täuschen. Es fehlt auch hier- nicht an der liberalen Maske für persönliche Zwecke. Um sich der Progresfisten, auf deutsch der Fortschrittspartei, zu versichern, welche die spanische Königin stürzen und das konstitutionelle Regiment des jugendlichen Königs von Portugal über ein ver einigtes Königreich Jberien auödehnm will, putzt General Prim, ein im Bürgerkrieg ergrauter Führer, seine kleinlichen Motive des persönlichen Ehrgeizes und Grolles niit einigen liberalen Echlagwörtcrn und patriotischen Gesinnungen auf, um, wenn er seinen Nebenbuhler, den Ministerpräsidenten Marschall O'Donell, gestürzt, die Fortschrittspartei wie eine ausgepreßte Citrone weg- zuwerfcn. Denn, wollte er wirklich den EonstitutionaliSmuS, warum sticht er nicht auf dem gesetzlichen Wege der Gewinnung einer Majorität ün Parlamente seiire angeblichen liberalen Zwecke zu erreichen? Ob ihn nicht freilich schließlich die Macht der leitenden Ideen dieses Jahrhunderts überflügeln, ob nicht gar der Geist des spanischen Volkes, rvmngleich durch Jahrhunderte lange Knechtung der Adelöpartei, durch Verdummung der Pfaffen niedergehalten, endlich sich ermannt und den ehrgeizigen Partei führer nur als unfreiwilliges Werkzeug erwählt, um dieses schöne, gesegnete Land, welches in wirthschastlicher Beziehung fast den letzten Rang in Europa einnimmt, zu einem nützlichen Gliede in der eurapäischen Staatenfamilie zu erheben, läßt sich noch nicht sagen. Ter König von Spanien sah einst in seinen Ländern die Sonne nicht untergehen — jetzt ist dort die Sonne des Fortschritts in politischer, wissenschaftlicher und volkswirth- schaftlicher Beziehung längst unlergegangm. Das spanische Volk ist durch die Mißregierung mehrerer Jahrhunderte so herunter gekommen, daß es uns vor der Hand noch nicht reif zu con- stitutioneller Freiheit erscheint. Bei der Zerklüftung und dem Egoismus aller dortigen Parteien, bei dein geringen Verständ- niß, welches der Adel den Aufgaben unserer Zeit entgegenbrinat, der Verdummung des Volkes, der Armuth des Landes, dem Mangel an Verkehrswegen, der Ebbe in den Kaffen, der Un bedeutendheit der Industrie ist daher ein stolzer Aufschwung zu bezweifeln. Völker werden wie Menschen nur langsam erzogen, eine Revolution kann nur fruchtbar wirken, wenn sic von sitt lichem Inhalt'getragen ist und dieser ist in den Parteigängern Spaniens nur wenig zu spüren. Der Eultur und Europa kann es gleich sein, ob sich der Despotismus in Spanien ferner Prim oder O'Donell nennt. Ein friedlicher allmäliger Fortschritt auf der Bahn der Eultur vollzieht sich jetzt in einem Lande, welches volkswirlh schaftlich zum Theil muh lies darnieder liegt. Oesterreich nimmt jetzt Abschied von veralteten RegierungSgrundsäye», von unhal! baren Lehren der Vollsioirlhscha't. Es bat soeben einen frei sinnigen Handelsvertrag mit England abgeschlossen, der nur der Vorläufer ist für einen noch wichtigeren Handelsvertrag mit Frankreich und dem ähnliche Verträge mit der Schweiz, Italien, den Donauländcrn und Rußland folgen werden, ganz zu schweigen von einer Annäherung nie die Zollgrundsätze des Zoll vereins. Oesterreich hat sich damit definitiv von der Theorie des Schutzzolles losgesagt und der eines freien Handels-Verkehrs zugewendet, für Handel und Industrie werden keine künstlichen Schranken mehr geduldet oder gar errichtet, wohl aber neue Märkte gewonnen. Diese großen freisinnigen Handelsprinzipien werden Re Geldklemme in Oesterreich am besten heilen. Die Engländer werden nämlich für die Products, die sie einführen, nicht sich durch Geld bezahlt machen, das in Oesterreich bei einem Zinsfuß von 8 bis 13 Procent so theuer ist, sondern die Rohprodukte Oesterreichs als Tausch- und Zahlmittel an nehmen, welche dort billig sind, also die Erzeugnisse des Bodens, der Forsten, der Bergwerke, sowie die Producte der landwirth- schaftlichen Industrie, welche diese Noherzeugniffe verarbeitet hat. Oesterreich wird hiervon verhältnißmäßig mehr exportirm und die Engländer werden gern diesen Mehrerport mit ihrem billigen Gvlde bezahlen, das ja in England nur 8 bis 5 Procent Zinsen bringt. Auf diese Weise wird viel englisches Geld nach Oester reich fließen. Freilich hat die zum Theil hoch entwickelte Industrie Oesterreichs einen schweren Kampf mit den neuen Concurrenten zu bestehen; indeß nach der schweren UcbergangSperiode werden sich auch die geistigen Bolkskräfte weniger aus die Industrie, vielmehr aus die Gewinnung der Rohprodukte werfen. Schlimme kann ja ohnehin die Calamität nicht werden; jetzt schon stocken die Geschäfte bereits so, das; in Wien 2500 Commis ohne Be schäftigung sind. Hierin liegt ein Fingerzeig, sich mehr auf die Erzeugung solcher Producte zu werfen, die in den Zolltabellen die höchsten Ziffern in der Ausfuhr erreichen, also Getreide, Vieh, Tabak, Pottasche, Zucker, Seide, Bier, Wein rc. Die Re gierung fördert diese Entwickelung der Roh-Industrie wesentlich durch Herabsetzung der Frachtsätze, und indircct durch Vermin derung des Militärbudgets, Herabsetzung des Briefporto's auf 1 Ngr. im Gesammtumsange der Monarchie u. s. w. Diese einfachen volkswirthschaftlichcn Lehren erscheinen so natürlich, daß mau in Oesterreich ganz erstaunt fragt, warum man das Ei des Eolumbuü nicht schon lange gefunden? Man vergißt hierbei, daß man dort jetzt solchen Grundsätzen Hosiannah ruft, die man noch vor 3 Jahren kreuzigte. Als Frankreich, Preußen und Sachsen den segensreichen französisch-deutschen Handelsvertrag abschlossen, schäumte man in Wien auf über diese verwerfliche Handelspolitik, man sprach von Verrath an den Erbfeind u. s. iv. Ramentlich waren die Wiener Blätter gegen Sachsen erbost, dessen Kammern die erste deutsche Landes vertretung waren, die diesen Handelsvertrag annahmen. Als diese Kammern im Jahre 1^62 ,u einem außerordentlichen Landtage zusammentraten, sagte der Minister v. Beust in seiner Eröffnungsrede, daß die Abneigung, welche Oesterreich gegen diesen Vertrag hege, mit der Zeit schwinden und Oesterreich wohl selbst auch auf die Bahnen des Freihandels cinzulenken grade durch den Abschluß des deutsch-französischen Handelsver trags genöthigt werden würde. Vor 3 Jahren hielt m-n dicS in Wien für unmöglich, heute gratulirt man sich dort dazu, das zu thun, was man kurz vorher an Andern getadelt hatte, — ein neuer Beweis, wie recht ein kleiner Staat daran thut, das auszuführen, was er als dein Wohle seiner Unlerthanen zuträglich erkennt, gleichgiltig, was die Großen dazu sagen. Kö-«eg!rct eS d->oftke^ter. K ll. Zwei neu einstudine Lustspiele mit Hrn. Dcvrient, einmal eine Abwechselung mit seinen bekannten Glanzrollen, war ein Ereigniß, welches das Haus bis auf den letzten Platz füllte. Leider aber müssen wir berichten, daß von beiden aus dem Französischen übersetzten Stücken weder „Doctor Robin" noch „Ein Arzt" aus ihrem Schlafchin dem Theater-Archiv hätte gestört werden sollen. Das ersterc giebt Herrn Dcvrient Gs- legenheit, als der berühmte englische Schauspieler Ganick in einer Verkleiduugsrolle und als scheinbar Betrunkener die Viel seitigkeit seines liebenswürdigen Talents bewundern zu lassen. Er heilt durch letztere Vorstellung ein Mädchen von ihrer theatralischen Schwärmerei zu ihm, eine Parforeeeeur. die, so bald man die geschraubten Voraussetzungen zugiebt, durch das treffliche Spiel annähernd glaublich gemacht wird. Frl. Ulrich stand ihm würdig zur Seite. Ist nun dieser Poetor Robin bloS etwas veraltet und unwahrscbeinlicb. so tritt zu beiden Eigenschaften im ..Arzt" noch die bedenklichere der Leichtfertig keit hinzu. Wir sehen liier Herrn Devrient als Anbur Dl» ivood, als einen jener blasirlen. spleengeplagten Engländer, denen düseS ganze Leben langweilig erscheint und die desyalb sich in jene Well befördern wollen. Ein -Mensch, der ganze Seenen Inndurch mil unglaublicher Frivelilat von seinem Selbstmorde als einer VergnügungSpanie spricht, durch die er scine Neugier befriedigt, wie eS wobl drüben auSsiehl. ist eine von» sittlichen