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Rr. 339. Zehnter Jahrg. ^rschrint: «,lt» stütz 7 Uhr. Inserate Vordere angenommen i i»l« Abend-V,Sonn tag» b« Mittag» iL Uhr: Murienstrag« L», vlnzeig ia dies Blatt», tza» sttz «»!»««« Lk»mplar«n erscheint, Anden »ln» rrfolgreich« Verbreituug. Dienstag» 5. Deebr. 1865. Tageblatt für Unterhaltung nnd Gcschästsverkchr. Milredacteur: Thkvdor Drobisch. »mck und «igemhmo b«r Herauegebrr: Lirpsch 6k Reichardt. - verantwortlich« Red-cteur: Julius Reichardt. Monnement: Vierl.ljLhrlich 20Nge bei uuentgeldlichrr Lie ferung in'e Haur. Durch die ULnigl Pof vierteljährlich 22 Ngr Skinzeki« Nummer» 1 Ngr Inseratenpreise: Für den Raum »ine» gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Eingeq faodt" die Zetl, r Ngr. Dresden, dm 5. December. — Gestern Nachmittag erschien Se. Majestät der König ln Begleitung seine» Adjutanten ganz unerwartet in der Königlichen Thierarzneischule und unterhielt sich huldvoll mit den anwesenden Lehrer», Herrn Medizinalrath Vr. Haubner und vr. Erler. — — Gestern beehrte euch I. K. Hoheit Prinzeß Amalie da» Spielwaarenlager vor ArraS (Seestraße 2, I.) mit ihrem Besuche. — — Se. K. H. Prinz Georg ist gestern Morgen j 7 Uhr in Begleitung seiner Gemahlin von hier nach Frankfurt a. M. abgereist. Jedenfalls wollen die hohen Herrschaften dort mit dem König von P^tugal zusammentreffen, der aus der Rück reise aus Italien nach Lissabon Frankfurt a. M. berühren wird. — Die Fwischendkputati'on der Ersten Kammer hat zu Referenten M die bürgerliche Prozeßordnung Herrn Bürger meister Miller (Chemnitz), für die ConcurSordnung Herr» Bürgermlster Hennig (Grimma), für die Gerichtsordnung Herrn ^dv. v. Könneritz (Dresden), für den Gesetzentwurf über »urtpische Personen, sowie für die Tsxordnungen Herrn Geb Rath v. König (Dresden) und für die übrigen der Dputation zugewiesenen Gegenstände Herrn Kammerherrn Zohvien (Stauchitz) erwählt. Herr Rittergutsbesitzer Kasten (Kröstau) hat die Protokollführung übernommen. — U- k- Nachdem Herr Vr. Seniler im weiteren Verlauf -seiner arflhetischen Borträge über deutsche Literatur am 25. November die der Jugendperiode Goethe'S angehörenden Dra men: Götz v Berlichingen und Egmont erklärt hatte, sprach er Sonnabend den 2. December über Goethe'S Torquato Taffo. Diese im Jahre 1789 unter den Eindrücken der ita lienischen Reise Goethe'S vollendete Dichtung, ein Seelenge- mälde der zartesten und tiefsinnigsten Empfindungen, wird dem wahrhaft Gebildeten jederzeit durch die hohe Vollendun; des Dichters in der Gedanken- und Sprachform edelsten Genuß bereiten. Herr vr. Semler verstand «S, die Idee im Taffo: „Die sittlich-aesthetische Erziehung eines Dichter-Jüngling», dessen Anschauungen rein subjektiver Art find, durch energi schen Widerspruch sowohl (im Gegensatz zu Taffo: Antonio) als durch die Liebe eines edlen weiblichen Charakters" zur vollstrn Geltung zu bringen, wozu er noch das Schauspiel von Act zu Act und Scene zu Seme erklärte. — „Was gemacht werde« kann, wird gemacht" — und sollte man »S wohl kaum glauben, daß der Dörfler in seiner natürlichen Urwüchsigkeit dennoch Spekulation mit Humor sel tener Art würzen kann? Das beweist folgende interessante Eomödie. In einem Dorfe nahe der Residenz beabsichtigte ein Dorfschänlwirth sein Geschäft zu verkaufen mit allem Mo biliar. Las Geschäft ging flau — der Stammtisch war längst in Vergessenheit gersthen, andere Gäste kehrten beim Nachbar ei» und nur hier und da wagten es rin Paar er frorene HandtverkSburschm einzutreten und sich einen Nordhäuser hinter die nicht vorhanden« Halsbinde lausen zu lassen. Wie aber nun eine Wirtschaft verkaufen, di« abgestorben ist? Der Mann half sich. Ein auswärtiger Käufer, der sich gemeldet hatte, schrieb, er würde an dem und dem Tage zu der und der Stunde «»kommen und Revue halten. D,r alte Wirth versuchte nun sein Local jo im Augenblick hcrzustellen, d»ß eS auSsah, als prügelte» sich hier die Gäste um ein GlaS Bier. Er pumpte im ganzen Dorfe Ueberzieher, Matze« und Hüte aas und behing damit die vier Kalkwände. Er besetzte ferner alle Tische mit Wein- und Schnaptflaschen, die theil« leer, theil- nur noch mit schlechten Resten »ersten waren. Ebenso paradirten auch diverse Biergläser in allen Ecken. Hier und da setzte er Teller mit Butterbrodresten und Schinken — und Käseüberbleibs'ln hin — so daß dem Einteetendrn, dem Un befangenen sofort der Glaube aufgedrückt wurde: „Ra hier geht'- toll zu! Ei, muß der Man« ein Geschäft machen." So war da- Local auSstaffirt, als der neue Käufer kam. Er schmunzelte gewaltig, als er diese lukullisch gefüllte Tischplatte sah und dachte: „Hier ist gut sein, hier beißt Du an!" Der Kauf wurde abgeschlossen; denn der alt, Wirth hat», ihm ge sagt: „Sehen Sie, mein Guter, so wie Sie'S heute finden, so ist das die Woche dreimal. Da kan« ich mich kau« retten. Die Gesellschaft fährt die Woche dreimal nach Dresden und zurück und kehrt allemal bei mir ein. Die Leut« lassen war drauf gehen!" Der alte Wirth zog aus. der neue ein — ,s war da» alte Lied, wie vorher. Die Gäste kehrten wir früher beim Nachbar rin und so sitzt der Mann und wartet sehn- süchtig auf die lucullische Gesellschaft, dir alle Wochen drei- mal nach Dre»den und zurück fährt und bei ihm einkehren soll. Seine Augen schäum ost- und westwärts zu« Fenster hin««», die Kommrnsollendrn zu erspähe« — aber — „Die Linde am Hause rauscht auf und nieder — in Eeelenruh' streckt der Wirth die Glieder!" — Dir frechen Raubanfälle in unserem Sachsen mehren sich. Borvorigen Sonntag Nachmittag wurde am Helle» Tage ganz in der Nähe von Meißen ein lüjährigrr Lehrling von einem großen, starken Kerl auf offener Straße zu Boden ge worfen und seiner Baarschaft — fünf Pfennige — beraubt. — Auch das ehrwürdige Gotteshaus zu Loschwitz wird sich künftigen Sonnabend Abends 6 Uhr für ein Werk der Wohlthätigkrit öffnen. ES wird an diesem Tage in der fest lich erleuchteten Kirche ein Concert zum Besten Irr Werdauer stattfinden und daran sich nicht bloS Herr Organist Höppner a«S Dresden, Herr Musiklehrer Wieck, sondern auch der wackere Loschwitzer Gesangverein „Die Bagatella" betheiligen. — Das zweite Theater deS Herrn Nesmüller dürste in nächster Zeit und bei Wiederholung des Stückes „Eine leichte Person" zuversichtlich stets gefüllt sein, wie am Sonntag, wo die Räume fast unzulänglich waren Es ist diese» Stück aber auch so vortrefflich in seiner ganzen den Sittenzustand unserer Zeit abspiegelnde» Anlage, mit höchst wahrheitsgetreuen, aus dem vollen Leben gegriffenen ernsten und wieder höchst drolli gen Situationen, gehoben durch liebliche Mufik, daß Referent sich fast noch nie im zweiten Theater so amüsirt hat. Dabei find auch alle Acleur», sowohl Herren ai« Damen, ganz wie für ihre Rollen geschaffen, die Darstellung geht exact von Statten und unwillkürlich wird der strenge Kritiker von dm jugendlich-reizenden Da^tellerinncn der Haupt- und Neben rollen, Frlns. Hoffman», Mech« rr. entzückt und zum Applaus gezwungen. Dem Herrn Direcior NrSmüller besten Dank zu nächst für die treffliche Wahl dieses Stückes und volle Aner kennung seiner bewährten dramatischen Begabung. — Am Namenstage der Kaiserin Eugenie gab der fran zösische Gesandte in Dresden ein diplomatisches Diner, bei welchem Freiherr v. Brust einen begeisterten Toast auf die Kaiserin der Franzosen ausbrachte. Der Minister that na mentlich auch der Verdienste Erwähnung, welche sich die hohe Frau während der Regentschaft um Frankreich und Europa erworben habe. Der Trinkspruch wurde sogleich nach Com- piägne telegraphirt, von wo umgehend berzliche DankeS Worte der Gefeierten an den beim französischen Hose schon lang, sehr beliebte« sächsischen Staatsmann gelangten. (Pr.) < — Eine Eiersnppe bildete gestern früh auf dem Alt markte den Gegenstand eines höchst lebhaft geführten Wort wechsels Ein mit Ablader» von Kartoffelsäcken beschäftigter Man» hatte mit einem derselbm einer dort feilhaltenden Bauersfrau den gefüllten Eierkorb umgeworfen, so daß man „wie auf Eiern" ging. Vach langem Hin- und Herredm mußte er doch endlich den Beutel ziehe» und die Suppe mit 13 Neu- groschen bezahle«. — — Srn Eoldarbritergehilfe aus der Gegend von Danzig versucht« sich vorgestern Nbend gegen 8 Uhr in dem Gehöfte eines Hauses auf der Neuogafl« zu erhängen Ein Neben- gesclle von ihm kam aber zum Glück dazu und schnitt ihn zn einer Zeit loS, wo eS noch gelang, ihn in das Leben zurück zurufen. — — In Zwickau find am 2. d. M. an der Cholera er krankt: eine Person; in Marienthal gestorben: eine Person. In den bei Werdau gelegenen Dörfern, Stöcken und Langen- bernsdorf ist je eine Person an der Cholera gestorben. — Aus Elsterberg sind bis 2. December S Todte und 16 Er krankte gemeldet. — In Glauchau sind bi- 2. Dezember 10 Personen erkrankt und 9 gestorben. — In Werdau liegen immer noch 47 leichtere Kranke darnieder, die Zahl der im Ganzen bis 2. Dezember angemeldeten schweren Kranken be trägt 785, die der Gestorbenen 330.— — Gestern trat hier der Landesculturrath für das König- reich Sachsen zu einer Sitzung zusammen, um unter andern Vorlagen namentlich den ihm vom k. Ministerium des Innern zur Begutachtung unterbreiteten Entwurf einer neuen Wege- bauordnung zu berathen. — In der vorvergangenen Nacht gegen 12 Uhr wurde in dem Speisegewvlbe eines renommirten hiesigen Hotels von dem dortigen Koch ein unbekannter Mann getroffen und fest- gehalten, der eben im Begriff stand, den Rest einer Wurst zu verzehren, deren größerer Theil in seinen Magen bereits hinab- spaziert zu sein schien. ES ergab sich bei Visitation der Klei der des Spitzbuben, daß er sich alle Taschen mit Fleisch- und anderen Speisen bereits gefüllt, die er im Gewölbe gestohlen hatte. Man rief Polizei herbei, die den Dieb absührte. Er soll ein Schuhmachergeselle sein, der sich auf schlaue Weis« in da« unverschlossene Speisegewölbe eingeschlichen gehabt hat. — In Gründer- bei Radebrrg ist vorgestern Abend in die dortige Mühle eingebrochen worden. Der unbekannte Dieb hat mehrere sächsische und preußische VtaatSpapiere, aber glück licher Weise ohne Talons und Coupon-, im Betrage von über Eintausend Thaler gestohlen. Das Geld gehört nicht einmal dem MühlengrundstückSbefitzer; derselbe verwahrte es vielmehr «nr für eine Maurersfrau. — Oeffentliche Gerichtsverhandlung vom 4. December. „Sie haben mir heute ohne Wissen und Willen aus meiner Wohnung einen Vogel nebst Gebauer weggenom- men. In einem Kästchen über dem Boden des Gebauer- hatte ich einen Fünfundzwanzi-thalerschein versteckt, wovon meine Frau allerdings nichts wissen sollte, da eS doch immer gut ist, wenn man einen Nothpfenniz hat" u. s. w. So lautet rin Brief, der heute als Fundament der ersten Einspruchs Verhand lung gilt. Diesen Brief schrieb der Bureaudiener Friedrich Erdmann Reichardt in HainSberg am 26. Oktober dsS. Js. an die Näherin Hulda Eidonie Quellmalz zu Tharandt. Sie verklagte ihn deshalb beim Tharandtrr Gerichtsamt wegen Beleidigung, weil er sie ja des Diebstahls de- Vogelbauer- nebst Vogel und dem Kaflenbillet beschuldige. Das Gerichts amt zu Tharandt verurthrilte ihn zu 2 Thaler Geldbuße. Dagegen erhob rr im Allgemeinen Einspruch und will von Strafe und Kosten entledigt sein. Reichardt'S Mutter näm lich war gestorben und die Quellmalz hatte an den Nach laß derselben eine Forderung von 25 Thalern, die sie nun gegen den Sohn gerichtlich geltend machte. ES kam sogar dazu, daß Reichardt auSgepfändet wurde. Am 26. Oktober dss. Js. kam nun auch die Quellmalz in die Wohnung Reichardt'S, wo nur dessen Frau zu Hause war und nahm ohne Weiteres da^Vogelgebauer mit dem piependen Inwoh ner mit, obgleich die Ehefrau sich dagegen sträubte. Die Quellmalz aber will in ihrem Recht sein. Sie sagt, sie habe der Frau bloS den Vogel geborgt, damit sie sich in ihrer Ein samkeit daran ergötzen soll^. Der Vogel und das Gebauer seien ihr Sigenthum. Wenn Reichardt behauptet, in dem Fut terkasten des Gebauers habe ein Fünfundzwanzigthalerschein gelegen, so sei das nicht wahr. Eie habe wohl das Gebauer gereinigt, aber nichts darin gefunden. Reichardt sagt, rin^- Fräulein Agnes aus Pirna habe ihm einmal 25 Thaler ge sendet, dafür habe er sich in der Thode'schrn Papierfabrik beim Kassirer Müller einen ganzen Kassenschein eingewechselt. Daß das Geld im Vozelgebauer gesteckt, habe er seiner Frau mit Willen verheimlicht. Der Gerichtshof läßt von den 2 Thaler« Strafe nichts herunter. — Es war am Ende der Vogelwiese, da hielt sich der Echneidergeselle Dietrich Anton EilerS eine ganz« Nacht dort auf und verlangte zuletzt noch Einlaß in den sehr gefüllten Apollosaal, vor dessen Thür sich Gendar men aufgeflellt hatten, um dem Andrange zu wehren. DaS war gegen Morgen um L Uhr. Mit EilerS zugleich war auch ein Markthelfer Namens Grohmann mit am Eingänge zum Apollosaal. Es heißt nun, Grohmann habe den einen Gen darm mit der Hand schmerzhaft in's Gesicht, EilerS aber ihn mit dem Regenschirm über den Kopf geschlagen. Grohmann und EilerS wurden in Begleitung einer großen Volksmenge nach dem Polizeizelt gebracht, wo diese Menge sogar die Be freiung der Arrestaten verlangte Beide wurden wegen Wi dersetzlichkeit mit Gcfüngnißstrafe belegt EilerS aber sagt, rr sei ganz unschuldig. HrrrEtaatSanwaltHeld hält di« Thatsachen als recht- - lich erwiesen, und es erfolgt die Betätigung des ersten Bescheides. Hierauf kommt wieder eine Privatanklagesache zur Sprache, die von Cossebaude her datirt. Kläger ist d r Handarbeiter Carl Traugott Koch, Beklagter der Gastwirth Carl August Eduard Schulze da'rlbst. Die ganze Sache beruht auf einem Schänkenskandal Wir hören da von Biertöpfchen, die vor den Kopf geschlagen worden sein sollen, von Tischen, deren Platten entzwei geschlagen wurden, von Ohrfeigen. Es ging sehr stark her; denn man hatte viel getrunk-n und namentlich gesteht der Kläger selbst zu, nicht nüchtern ge-iesen zu sein.— Es wurde Streit und zuletzt kam man zu Handgre fl ichkeitm Der ge nannte Koch hat den Gastwirth Schulze wegen rhäckicher Beleidigung und leichterKörpcrverl<tzungvrrklagt Da- Gericht sprach aber dm Beklagt-« frei und verurtheiit den Kläger zur Zahlung der Kosten. Koch ließ sich rin ärztliches Attest in Kötzscher-broda ausstellen, Nach welchem er am linken Stirnbein eine Suggrllation von der Größe eine- Taubeneies und eine Wunde von der Länge eines halben Zolles hatte. Am untern Rande des linken AugeS waren auch bedeutende Flecken in der Größe eine- Neugroschens. Die Wunde am linken Daumen war etwa cinrn^ halben Zoll breit. Das eiste Eikmntmß wird heut bestätigt. — Ei» vierter Einspruch fiel aus. — Zum Schluß lege» die Gerichtsdiener einen alten, eingctriebenrn, niedrigen Hut auf den Gcrichtstisch, dessen Stoff unr> Farbe nicht mehr zu erkennen ist. Als Kläger erscheint der MufikuS Johann Moritz Würker von hier. Beklagter ist der Musikus Carl Christian MattheS aus Dresden. Der Schauplatz der That ist die Söffing'sche Schänkwirthschaft auf der Bader^asse. ES handelt sich um Beleidigung und Körperverletzung. Ei« haben all« Beide Einspruch erhoben, der Kläger, weil die Strafe zu niedrig, der Beklagte, weil die Strafe zu hoch ist. Am 8. Mai d. I Nacht« 13 Uhr hielt Würker in der Sösfing'schen Wirthschaft auf der Badergaffe seine bekannten humoristischen Vorträge mit Musikbegleitung. Matthe« war als Gast da, und soll sich über die Komiter ausgesprochen und gesagt haben: „Ach, was find Komiker, das find Alle nur HanS-