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»K. HS0. zehnter Jahrz. c-rs«kint: «glich früh 7 Anser«te MeV« «igra»mm«,, »tt<bend»S,S«»«- tag« bi» Mittng» 1« «hr: Martenftrn-e 13« »n^ig. in dies. Blatt», va« jetzt in ,«««« Wx««pla«» rrschrint, ß»d«u ri»t rrs»lgr»ich, U»rbrtituug Moutaq, 87. Rovbr. 18SS. Tageblatt für Unterhaltung nutz Gcschästsverkchr Mttedactrm: Theodor Drobisch. Msnnemnlt: «ltNeljShrlich 2« «zu bei unrmzeldlichrr Ne- ferung in'« Hau» Durch die König! P»s vierteljährlich 22 Ngr Sinzel-ne Nummer» 1 Ngr Ivseratenpreift: 8Nr den Raum rill« gespaltenen Zetlr: 1 7igr. Unter „Eiagr» laudt" die Zetl, e Ngr. Druck und Stgenthmu der Herausgeber: Llkpsch Neichardt. — Verantwortlicher Redactrur: Julius Neilhardt. Dresden, den 37. November- — Die große Ueberhandnahme ausländischer Caffenan- weisungen im Verehr macht eine Erinnerung nothwendig an die Verordnungen vom 3. Juli 1855 und 18. Mai 1857, nach welche die Ausgabe und Annahme von ausländischen Castenanwestungen unter zehn Thalern überhaupt verboten ist. Von ausländischen Castenanwetsungen über zehn Thaler sind nur die von fremden Staaten, so wie die von der Privatbank zu Gotha und den Banke« zu Weimar und Gera ausgegebenen Scheine zugelassen. Zuwiderhandlungen sind mit Geldstrafe bis zu Fünfzig Thalern bedroht. — Der Einlaß zu der am 39 d. M. statifindendm Hauptverhandlung gegen den Mörder Neumann in den Ge-' richtSsaal findet an diesem Tage nur gegen Karten statt, die, wie wir hören-, am Tage vorher vom Direktorium auSgegeben werden. — Innerhalb der letzten vier Wochen sind vom hiesigen Bezirksarzt folgende Bierequantitäten als ungenießbar erklärt und in Folge destrn von der WohlführtSpolizei vernichtet worden: Eimer, 9 Faß Culmbacher, N Eimer, eine nicht lMz frstzustellende Quantität, 1 Eimer Lock, 3 Faß. — Am letztvrrflossenen Donnerstag fand im großen Gar ten ein Privat-Wettrennen statt, was allerdings nach Ver- ficherung einiger Augenzeugen damit endete, daß ein Reit pferd nach dem andern ohne NHer zum Pirnaische» Schlage bereinkam und dort abgefangen wurde. — Herr Emil Devrient wird am 38. d. M. seinen Gastrollen-Cyelus mit „Essex" beginnen, dann in „Englisch", „Urbild des Tartüffe" re. spielen. — Kurzen Prozeß machte am Donnerstag ein Maurer meister in Meißen mit seinem Hunde. Nussel, ein übrigens nicht sehr werthvoller Hund, hatte sich auf kurze Zeit maul korbslos auS dem Hause entfernt, um vielleicht einige College» und Leidensgrftihrben »u treffen und sich mit ihnen über die jetzige MaulkorbScalanntät zu besprechen. Das sah ein Be amter, der den Besitzer denuncirte. Letzterer muhte inclusive der Kosten 4 Thaler bezahlen. Das war ihm zu arg und um den Hund nicht durch etwaige nochmalige ähnliche Fälle gar zu theucr werden zu lasten, kam er nach Erlegung von 4 Thalern zu Hause, lud die Flinte — und das Neblige kann man sich denken. Aber 4 Thaler?! — Da sind wir in Dresden doch billiger dran. l ^ Allgemeine Betrachtung. 4? Der Augenblick, in welchem Sachsen und Baiern das Königreich Italien anerkannten, ist rin bedeutungsvoller. Nicht deshalb, weil di« Mehrzahl der europäischen Mächte, zuletzt sogar Spanien, nicht deshalb weil schon Preußen, Baden und die Hansastädte Italien anerkannten, fühlten sich die Führer der 3. Gruppe in Deutsch!«»» bewogen, da«, was jenseits der Alpen geschah, künftig nicht mehr zu bekämpfen, sondern weil, wie die Depesche des Hrn. V. Brust an unser» Gesandten in Berlin näher ausführt, die Eingaben der Handelskammern in ebenso gründlicher, als objektiver Weise die Dringlichkeit eines Handelsvertrags der Regierung vorstellten. Der Entschluß BaiernS und Sachsens ist deshalb nicht eine bloße Nachah mung von bereits Geschehenem, sondern die Frucht reiflicher Erwägung, ^luch ist dieser Schritt nicht ein geschickter Schach zug gegen Oesterreich, gleichsam eine Revange für besten treu lose Polilik in der schle-wig-holsteinschen Frage, wiewohl diese Demüthigung Oestrrreich gar nicht« schadet, sondern da« Re sultat der Erkenntniß, daß die Regierung die materiellen Ju teresten des Landes schädigen würde, wenn es Oesterreich zu Liebe dem Zollverein, und damit der sächsischen Industrie, welche bekanntlich die bedeutendste im Zollverein ist, das weit« HandkSgebiet auf der apenninischen Halbinsel verschlösse, zumal va ' ' ' " Zollverein reitS genießt Vertrags Diese Anerkennung Italiens hat bei besten König Victor Emanuel offenbar rin« gute Wirkung geäußert. In der Thronrede, womit er das italienische Parlament in Florenz eröffnet«, sagte er, daß hierdurch die Italiener „mit den edlen germanischen Bevölkerungen ihre Inten sse» uad Be- strebungrn inniger verknüpfen können und sich so alle Vor- urtheile und Groll verwischen werde". Die Annexion Schleswig Holsteins scheint doch nicht so glatt vor sich geh«, zu wollen, als e« in de» Wünsche« man- cher Heißsporne liegt. Zwar machen di« officiellen Laubfrösche de- Grafen Bismarck in d«n Regierungsblättern jnmier »och die lustigsten Sprünge, um aller Welt glauben zu machnr, jetzt sei da« für die Unnexinn günstigste Wetter; indeß drehen fich schon anderwärts die Wetterfahnen, um anzuzeigen, daß jetzt von Frankreich her rin schwerer Westwind weht, welcher am politischen Horizonte doch einige Wolken aufjage» kann, die dem voreiligen Annex,ouSjubel etwa» i»s Hau« regnu, dürften. Man fängt jetzt i» Berlin alkgemach an, die Politik Napoleon«, die Stimmung der schleSwig-holsteinischen Bevöl kerung, daS ganze Verhallen Oesterreichs, sogar den' Bundes tag etwas in Berechnung zu ziehen. Während bisher das Exempel lautete: Preußen umsonst in den Krieg gezogen — geht nicht — folglich borg' ich mir eins d. h. ich annectire SchleSwig.Holstein, findet man auf einmal, daß sich hierbei eine Differenz heraui stellt, bei der Preußen schließlich in die Brüche käme. Graf Bismarck hat offenbar aus Paris die Ueberzeugung v-.itgebracht, daß wenn Preußen die Landkarte än der Nähe der Königsau bei Jütland .berichtigte", Frank reich auch ein Lüftchen hätte, die Landkarte am linken Rhein- ''user etwas zu „berichtigen". Man fängt an, eS für einen zweifelhaften Gewinn zu Hallen, eine gehorsame preußische und bielleicht auch eine bairische und hessische Provinz, mit einem Wort, das linke Nhrinaser abMrrten, um dafür eine widerwillige Provinz im Norken zu erobern, sich gleichsam cin „Venedig" an der Nordsee zu schaffen, das nur mit Bajo- net, Säb«l und Kanone niederzuhalten wäre. Denn das lehrt grade die Schärfe, mit welcher Herr v. Manteuffcl in Schles wig einschreitet, indem «r erprobte Landeskindcr von ihren Posten vertreibt und dafür Creaturrn, die in Preußen nichts taugten, anstellt, um gefügige Beamte zu haben, indem er die unabhängige Presse verfolgt, mißliebige Vereine auflöst u. s. w., daß der Geist des schleswigcholfieinschrn Volkes noch unge- beugt ist. Dieses vielgeprüfte Land hat nicht a-, seinem Gott und seinem Recht verzweifelt, als i. I. 1850 die 5 euro päischen Großmächte eS durch das Londoner Protokoll ge knebelt, seinem dänischen Todfeind überliefe'.ten -- sollt; es jetzt, wo es vom Dänenjoche frei ist und nur die kleinste der Großmächte, Preußen, zum Gegner hat, verzagen? Dieser zähe Kampf eines Volkes um seine Unabhä«gi«keit, für Zlccht und Freiheit, beweist, wie der R«chtSfinn im Volke, wie das Band der Liebe, das Fürst und Volk verknüpft, nicht sich so ohne Weiteres zerreißen läßt, als wäre es eine preußische Verfassung; und daß die Herren in Berlin es dort im Nor de» mit einem ganz andern Schlag Menschen zu thun haben, als mit dem eignen Volke, das nun solange ohne Verfassung besteht, dieses Gefühl scheint auch a.llmählig durchzubrechen. In welcher Weise freilich sich die Frage lösen werde, darüber herrscht wohl selbst in maßgebenden Kreisen keine feste Ansicht. Viel wird auf das Verhältwß zu Oesterreich ankommen. Wird Oestnreich sich im Innern kräftigen? Wird es sich dazu verst-hen, nach dem Thalersatze, wie es schon die Lauenburgrr verkaufte, nun auch die EchleSwig'Holsteimr l»L- zuschlagcn? Soll das ruhmgekrönte österreichische KriegSheer wirklich zu mittelallerlich e» Söldnern herabsinken, die nur für Geld in den Krieg ziehen? „Kein Geld, knne Schweizer" soll das in Zukunft lauten: keine Ocsterreicher? Wenn sich nun aber Oesterreich ermannte wenn cs die Herzogtümer nicht verspeisen ließe, was dann? Auch der Bund wird wenig stens negativ mit in Frage kommen. So wenig derselbe eine selbstständige Thätigkeit entfalten wird — aber, wenn die Annexion wirklich geschähe und er sie auch noch gut heißen sollte, glaubt man dann wirklich, daß er von dieser gütigen Erlaubniß zum Selbstmorde Gebrauch Aachen würde? Die Hauptthätigkeit des deutsche» Bundes besieht wesentlich im Protestiren, er würde, w-nn eö i« soweit känk, kaum mehr thun, als auch hier protestiren, aber daß dieser Protest ein mal wen« die Acten von neuem aufgeschlagen werden, seine Geltung behalten wird, ist sicher ai-zuuehmeu. Verzweifele daher Niemand, daß die Elbhrrzogthümer unrettbar verloren sind. Ein solches Aufgebe» für immer enthielt auch nicht die Erklärung der Mittelfiaaten, als ihr Antrag auf die Ein berufung der holsteineschen Stände in Frarkrurr mit 8 gegen 7 Stimmen vom Bundestuge eingcsargt und i>r das Grab des schleSwig-holsteinischen Ausschusses eingeseuk: wurde, von dannen er wohl nimmer wiederkehren wird. Die Mittelstaaten erklärten hinauf, vor der Hand auf die weitere'Entwicklung der ganzen Frage am Bundestage nichts weiter einwirkeu zu wollen. Die Begründung dieser Entsagung ihres Rechtes ent hält eine wahre Leidensgeschichte. Was hat das deutsche Volk, was haben die wenigen bundestreuen Neuerungen nicht alles gethau. versucht, geboten, beantragt, um diese Frage ered lich zu erM ehrenwerthen, allseitig gedeihlich:» Lösung zu bringen! Alle» umsonst gewesen.! Solle» sie «och ferner An träge stellen, die vrreüelt, ArPrengungen mnchc». die bespöt telt werden? Rein, sie wissen, daß die Gerechtigkeit das Fun- dament aller Staaten ist, daß die Gewalt wohl zeitweilig triumphire» kann, aber auf die Dauer unterliegen wird; sie verschießm daher ihr Pülvyr nicht im EiHelgefecht — sie heben cS bis zum ernstlichen Kampfe auf. * Die Erziehung des kaiserlichen Prinzen bon Frankreich. Kaiser Napoleon, der e.ne strenge Lebens schule durchgemacht hat, dessen reiche Erfahrungen unter der schwülen Sonne herber Geschicke aufgelesen wurden, der durch persön liche Energie unv durch unbeugsame Willenskraft an seiner Selbstwandlung selbsttätig sein Lebenlang gearbeitet hat, hat für seinen nun zehnjährigen Sohn ein Memoire geschueben, das besten Erziehung und Unterricht zur Grundlage dient. Der Meister macchiavellistischer Politik, der Mann, der zum Zwecke seiner staatlichen Pläne jedes Mittel für erlaubt hält, wenn eS nur zum Ziele führt, offenbart sich in diesen Blättern nicht nur als einen scharfen Denker und Psychologen, sondern als einen Mann von tiefem Gemuthe und echt christlicher Pietät, und e» wäre zu wünschen, daß des; Blätter ein Katechismus aller Eltern würden, wenn sie auch ihre Kinder nicht für einen Thron, sondern für das Feld der Arbeit er ziehen. Einige der kaiserlichen ErziehungLgrundsätzc wurden in mehreren Rundschreiben des Unterrichtsministers seit Jahren als Leitfaden den Schulmännern Frankreichs eingeschäffr, ihre Durchführung und konsequente Befolgung hat >n Frankreich, dessen Elementarunterricht noch vor wenigen Jahren auf einer niederen Stufe der Entwickelung stand, segensreiche Früchte getragen. — Der kaiserliche Prinz empfängt eine streng reli giöse Erziehung, welche von Freidenkern eben so weit entfernt ist als von Bigotterie, in einfacher schlichter Weise wird ihm die Geschichte Jesu und das Evangelium vorg« tragen, und es ist seine Aufgabe, die Schlußfolgerungen aus dem Erlernten durch logische Combinationen selbst zu machen; die religiösen Hebungen arten nie in leeres Formwerk auS, er wird zum Besuche der Kirche und Viichte rucht dr<sirt er hat dem Zuge seines Herzens und dem religiösen Bedürfnisse von selbst zu gehorchen. Nichtsdestoweniger ist er das, was man ein from mes Kind nennen kann, er beobachtet mit Strenge die Gebote ünd Gebräuche der Kirche, und die fromme Mutter hat eine Freude an ihm auch in diesem Stücks Unter allen Geschenken, die ihm je gemacht wurden, hält er keines so hoch als ein Legendenbuch der Heiligen, welches Papst Pius IX. ihm zum Geschenke gemacht. „Wie wirst Du Sr. Heiligkeit dankbar Dich bezeigen?" fragte die Kaiserin ihren Sohn. „Ich werde," lautete die Antwort, „das Sr. Hci igkeit selbst sagen, wenn eS mir gestattet sein wird " Mit echt kindlicher Einfalt und Naivetät entwarf er dann einige Zeilen an den Papst, bat ihn darin, zu dem Allmächtigen für das Wohl seiner kaiser lichen Eltern zu beten, den Schutz Gottes auch auf ihn herab zurufen und gelobte, seiner Dankbarkeit dadurch Ausdruck zu geben, indem er, dem VorLilde der Märtyrer gemäß, durch alle Tage seines Lebens ein treuer Diener Gottes zu sein trachte» werde. „Wie wirst Du es dereinst mit dem heiligen Vater halten?" trug die Mutter. „Er wird mit mir stets zufrieden sein, ich werde ein Diener Gottes sein, und wenn er es ist, soll er an mir nichts zu tadeln finden." Inwiefern die Kaiserin mit dieser Replik ihres Sohnes zufrieden gewesen, wurde mir nicht gesagt. Al« zweiter Haupigegenstand deS Ihnterrichtes gilt die Geschichte Frankreichs im Allgemeine« und zwar des Hauses Bonaparte insbesondere. Während die Tagesgeschichte in anderen Untrrrichttmechoden, als ein noch nicht abgeschlossenes, unfertiges, in kein besonderes System zü bringendes Misten, gänzlich fehlt, lernt der Prinz frühzeitig die Maschen der Geschichte auflösen und sich rin Urcheil zu bilden. So sonderbar Ließ klingen mgg, ist. es doch feststehende Thatsache, daß in den höheren Schulen Frankreichs die Ge schichte deS zweiten Kaiserreiches mit einer Strenge gelehrt und giprüst wird, als ob sic dis Basis des höchsten mensch lichen Wissens bildete. Der Kaiser, dem dicsir Gedanke ge hört, will das ganze hcranrcifende G schlecht auf diese Weise geistig napoleonisiren. Pädagogen mögen dies radcln, aber Napoleon III. hält an dem Geoauke.i s.st, daß sein Thron erst daun für alle Zeiten feststeh?, wenn die letzte Scheidemünze mir dem Wappen der allen Bourbonen aus der Circulatiou verschwunden und das erste Lallrn dcs Kind s dem Namen Napoleon gilt. „Die Thaten eines Mgenten müssen stets der Art sem, daß sie sich dem jungen Geiste von selbst einprägen, sie wach zu halten, ist die Aufgabe des Lehrers." Mathematik, Sprachwissenschaften werden succesfive in kleinen Dosen gelehrt, „man hüre sich. den Geist mit Stoffen, die er nicht verarbeiten kann, zu überladen, das Ersitz der Natur macht zu Gunsten eines Prinzen keine Ausnahme. Man muthet dem Magen eines Fürsten keine energischere Verdauungikraft zu, weßhalb sollte gerade sein Geist au» diesem feststehenden Geleise Weichen muffen?" Der kleine Prinz zeigt sehr viel Vorffebe für Musik und Porste. Zu dem jüngsten Geburtlfrste des Kaisers schrieb ,r cin sehr artiges Gedichtchcn. D»r Kaiser nahm eö selbst verständlich freundlich auf, doch fragte er seinen SohnHdrr von sich als Poet eine Meinung gewann, ob er einen großen Regenten in der Geschichte kenne, der Dichter gewesen. „Aller dings," lautete die Antwort, „von Alexander dem Große« er zählt Curtiu», daß er in seiner Jugenv gedichtet - " „und," siel der Kaiser cin, „die Gedichte in's Feuer geworfen, da er