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Nr. 321. Zehnter Jahrg ' Erscheint: ««glich früh 7 Uhr- Suserate Berdeu «mgeuommeu: ««Abends 6,Sonn tags bi« Mittag» 1« Uhr: Marirnstraste 18« A»z«ig. tu dies Blatt«, da« jetzt iee lLvoo Exemplaren rrscheiot» Anden «im erfolgreich« Verbreitullg. Freitag. 17. Novbr. 18^. Tageblatt für Unterhaltung und Geschästsverkehr. Mitredacteur: Theodor Drodisch. »ruck und «tgeMhmo der Herausgeber: kikpsch är Nelchardt. - «erautwortltcher Redacteur: I«1k«S Nktchardt. » "-il — -SS» ^-1- Abonnement.' vierteljährlich 20 bet unentgeltlicher Lir-. srrung in'« Han». Durch di« König! Pol dierteljährlich 22 Ng, Einzekie Nummer» 1 Ngr. Inseratenpreise: Für den Raum elnat gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Ging»! faudt" die Zeile 2 Ngr. - de» 17. Rovelnbrr« — 6a. O)«ffentlicheSitzung der Stadtverordneten mn >b. Novbr. — Di« heutige Stzumg war sehr zahlreich besucht, so zahlreich, daß, um dies gleich anfangs zu er wähnen, bei Vornahme der Wahl eines StadtratheS, nach Auszählung der Stimmzettel, das curiose Resultat sich er gab, daß mehr Stimmzettel eingegangen waren als es wirk lich« Stadtverordnete giebt. Einschließlich der ständig einbe- rufenen Ersatzmänner waren 61 Gemeindevertreter anwesend, welche alle ihre Stimmzettel abgaben. Da nun aber das «igenrlik'-e Collegium nur 60 Mitglieder zählt, erklärte der Vorsitzende, Hofrath Ackermann, unter allseitiger Zustimmung alle «i igegangenen Stimmzettel cassiren, die Wahl als ungil- tig be,Ächzen zu müsst». Die Stadtrathswahl wird daher in nächster Sitzung vorgenommcn werden Die Ursache des so zo hlreichen Besuchs der heutigen Sitzung war ohnstreitig die ^Lchlachthoffrage, über welche heute tebattirt und Bes chluß gefaßt werden soll e. Die Debatte dauerte über 24 Stunde. Heute handelte es sich um Beantwortung der Fragen: 1. Ist es nothwendig. ein einziges Schlachthaus zu «c'eauen? 3 Soll in diesem Schlachthause dann alles Schlacht vieh (auch das Kleinvieh) zwangsweise geschlachtet werden > «nd 3. Soll d>r Sladtrath ersucht werden, erst Pläne auS- arbrit n zu lassen, ehe man die Frage: ob die Commun oder *ine Privatgesillschaft das Schlachthaus erbauen sollen, ent sscheidet? Dis D-balte eröffnet« Herr Stellvertreter vr. 'Slübel, indem er zunächst die Nothwendigkeit der Erbauung «inrS Schlachthauses nachweißt und hieran als unglaublich, aber faktisch wahr, die Bemerkung anknüpft, daß derselbe Stadtrath der sitzt diese Angelegenheit als äußerst nethwen- dig bezrichne, vsr nicht zu langer Znt an die Kreisdirection berichtet: sie sei gar nicht so dringlich, wie es die Oberbehörden machen! Bezüglich deS zweiten Punkte» de» Deputation-- Votums, welche» anempfiehlt da- Schlachten alles Schlacht' Viehes auch de- Kleinviehes, im Schlachthause obligatorisch zu machen, bemerkte Redner ohngesähr Folgende-: die Pri- vatschlächtereien, deren jetzt an 100 in unserer Stadt existi- ren, seien höchst bedenklich. Sie gäben Grund zur Bssürch- lung für die ganze Stadt, weil thierische Abgänge aus den selben in das allgemeine Echleußrnnetz geführt werden, das bekanntlich sehr mangelhaft sei. WaS für Gefahren lägen da beim Ausbrechen epidemischer Krankheiten nahe! Er (Redner) müsse sich wundern, daß sich in der letzten Sitzung einer seiner College« besonders für die Schivrme intersssirt habe. *) Eine medicinische Gesellschaft zu Berlin, welche Ca paeitäten zu ihren Mitgliedern (u A. Prof Virchow) zähle, sowie nicht minder unser Medicinal-Nalh I)r. Küchen meister, haben sich hingegen gerade dahin ausgesprochen, daß vor allen Dingen die Erbauung eines Schlachthofes für die Schweine nothwendig sei. Nur in wenigen Städten, wo überhaupt noch veraltete Einrichtungen bez der Schlacht häuser txistiren, wie in Wien, Prag, Berlin, München, Augs burg und einigen and ren, sei die Schweineschlächterei noch frei gegeben. Ja Paris und Hamburg sei aber bereits seit der längsten Zeit alle Privatschlächleni untersagt. Was den dritten Punkt onlangt: ob die Commun oder eine Privatgesellschaft das Schlachthaus erbauen sollen, so müsse er, so hoch auch gerade er die Selbstverwaltung schätze, in diesem Falle ihr «ine Grenze sitzen, da es sich um Durchführung sanilätrpoli- zeilicher Maßregeln handle. Er müsse die Verwaltung ent schieden der Commun zusprechcn. Durch die öffentliche Wohl fahrt gebotene Institute dürften nicht durch Erwerdsgesell- schäften au-g beutet werden. Der VerwaltungSaufwand, der der Commun entstehen würde, sei nicht ein so ungeheurer, wie er an Brüssel Nachweisen könne, wo die Commun das Schlacht haus verwalte und noch 16 bis 20 Procent dabei gut mache. Die Stadt brauche ja aber die Taxen nur so einzurichten, daß sie auf ihre Kosten komme. Auch könne man hoffen, daß durch «in communlich S Schlachthaus, in welchem eine sorgfältige Fleischschau abgehalten wird, den Mittelständen besseres Fleisch geschafft würde, denn nach dem Berichte der schon erwähnten medicinischrn Gesellschaft in Berlin ist diese der Meinung, daß die wohlhabend n Stände viel zu billig Fleisch kauft», die Schlächter aber an dcn mittleren Ständen reich werden, w lche da- schlechtere Fleisch bekommen. Dem All-n würde durch die «»mmuuliche Verwaltung de- Schlachthaus!-, durch die von ihr geführte Fleischschau abgeholfen werden. Deswegen könne aber nicht die hiesige Fleischerinnung drohen: die Füi^chpreise würden steigen, wenn dies geschehe. Nach demselben Berichte der mrdic nisch-n Gesellschaft in Berlin sei da- Fleisch das.lbst durch Errichtung von Schlachthäusern nicht im Mindesten *) St-'.eiv, Walter II hat sieb bekannilich dahin anrgcsprochen, daß wlnt^!i>«i« d>, Gchtretneschlächtecei, welche s« tief tn da- k.e.ne Leien ki>es»1f», frrigegeben werden müsse. theurer geworden. Endlich warne er davor, der Fleischen»» nung durch Gewährung der Verwaltung de- Schlachthauses ein Monopol einzuräumen. Bis jetzt konnte Der, welcher im Kuttilhofe nicht Aufnahme fand, sich wenigstens in die Spe lunke des sogenannten FremdenschlachthofeS, der der Stadt gehöre, flüchten. We,S aber solle geschehen, wenn die Flei scherinnung allein das Monopol auf das Schlachthaus besitze? Mißlich finde er es endlich in einer Sache, welche die öffent liche Wohlfahrt, nicht die Innung betreffe, die Innung über haupt erst zu bören. Also: für Erbauung eines einzigen Schlachthauses für alles Schlachtvieh, gegen die Verwal tung desselben durch «ine andere Corporation als die Commun! Stadtv Walter II. verwahrt sich zunächst gegen den etwaigen Vorwurf: er spreche im Interesse der Fleischrrinnung. Es geschehe vielmehr nur im Interesse der Stadt. Die Idee: das Schlachten alles Schlachtviehes, auch des Kleinviehes, im Schlachthofe obligatorisch zu machen, um dadurch eine sani- tätkpolizeiliche Fleischschau zu ermöglichen, nehme sich in der Theorie recht gut aus, flehe aber mit der Praxis im Wider spruch. In Dresden lvrrdkn jetzt täglich dS5 Stück Vieh geschlachtet Berechne man nun. daß um ein Stück zu be schauen, nur 20 Minuten gehö-en (man müsse eigentlich ^ Stunde annehmen), so müßten, wenn jeder Visitator täg lich ohne Unierbrechung 8 Stunden seinem Geschäfte obläge, nicht weniger als 16 Visitatoren anzustellen sein, um eine Fleischbeschau möglich zu machen. Rechne man nun noch das Vieh hinzu, welches vom Lande hereingebracht im Schlacht haus« geschlachtet wird, so brauche man allein 22 Menschen, die beständig mit der Loupe im Schlachthaus? herumlaufen müßten. Das sei aber nicht durchz>,führen, die sanitätspoli zeiliche Maßregel der Fleischschau also nur eine halbe. Daß die Fleischer abkr, wenn sie in ihrem Hause schlachten, un reinlich zu Werke gehen und dadurch Anlaß zu B-fürchtungen geben, sei nicht anzunehmen, da das gegen ihr eigenes Jn- terksse liefe, indem ihnen Niemand etwas abkaufte. Was dcn Bericht der medicinischen Gesellschaft in Berlin anlange, so sei bekannt, daß die Wissenschaft, was sie in einem Jahr hundert ausgestellt, im anderen oft zmückweisr, wie sich dies z. B bei den Mitteln gegen die Cholera zeige. Daß übrigens der Schlachtzwanz nicht das HinderungSmittel «pidemischer Krankheiten s«i, sehe man jetzt, wo in Paris trotz siiner 9 Schlachthäuser und seines Schlachtzwanges ebenso in Ham burg die Cholera Wut stärker auftrete als in Berlin, das Letzteren nicht hat. Durch den Schlachtzwang würde aber auch das Fleisch insofern theurer werden, als der Fleischer, der immer nach dem Schlachthaus« muß, darüber die für jeden Geschäfismann so wichtige Controls i» seinem eigenen Hause verliere, wodurch er in Schaden gerathe und deshalb mit dem Fleische aufschlagen müsse. Was den dritten Punkt anlangt: wem die Verwaltung zu übertragen sei, so müsse er sich euch hier für die Fleischerinnung aussprechen, deren Weil- stätte ja das Schlachthaus se'. Wenn man dies nicht zuge stehe, dann müßte auch die Commun d!N Seifensiedern, Loh. gerbern, Glockengießern u. s. w. Häuser bauen und sie ver walten. Zu welchen Consequemcn solle das führen, wenn man die Mischer in ihrem eigenen Gewerbe bevormun den wolle. Er (Redner) könne nicht dem beistimmen, was Stellvertreter llr. Siübel gesagt, daß der Preis des Fleisches theurer würde, wenn dis Fleischer selber das Schlachthaus verwalten. Der Preis deS BieheS richte sich bekanntlich nach den Preisen des Futters, nicht aber nach den Schlachthäusern. Wenn also das Fleisch in Berlin nicht theurer geworden wäre, so liege es an den guten Getreidejahren, welche wir sitzt immer gehabt. Nach alledem: für ein einziges Schlachthaus, gegen den Zwang, auch das Kleinvich dort schlachten zu müssen, gegen die Verwaltung desselben durch die Commun. Stadtv. Gregor schließt sich den Auslassungen des Vorredner» an und constalirt, daß in Hamburg, wo die Commun das Schlachthaus verwalte, das Pfund Fleisch ohngesähr 8 Ngr. koste, in Berlin, wo dies nicht der Fall, nur 7 Ngr. Durch communliche Verwaltung des Schlachthauses würde das Fleisch nur thewer. — Vorbehältlich des SchlußberichtcS theilen wir in Nachstehendem da- Resultat der heutigen Abstimmung mit: Di; erste Frage: Soll ein einziger Schlachthof erbaut werden? wirk einstimmig bejaht; die zweite: Soll diesir für alles Schlachtvieh sein? wird gegen 5 Stimmen bejaht; die dritte: ob den Flei chern, welche im Besitze von eigenen oder er- mieth.ten Lokalitäten sich b,finden, eine angemessene lieber- gangsfrist nach dem Anträge deS Stellv rlretees Walther ge stattet werden solle, einstimmig bejaht; d e vierte Frage: ob der Stadtralh ersucht werten solle, Pläne u. s. w ausarbntcn zu lassen, gegen 1 Stimme bejaht; die fünfte Frage endl'ck': ob dabei gesagt werden solle, daß der Sladtrath diele Pläne unberücksichtigt der Arealsrage ausarbuten lassin solle, mit 33 Stimmen verneint. — Vielfach scheint sich noch die Meinung im Publicum aufrecht zu erhalten, daß Hunde ohne Maulkorb, sobald sie an der Leine geführt oder auf dem Arme getragen werden, nicht weggenommen werden dürfen, diese Ansicht ist falsch, denn wir verweisen auf die betreffende behördliche Bekannt machung, in der ganz besonders hervorgrhoben worden ist, daß auch in den obengedachten Fällen die Hunde vom Ca- villerknecht wegzunebmen sind. — — Gestern früh gegen 9 Uhr ging ein Herr nut einem Geldsacke beladen über die alte Elbbrücke. Der Sack ging auf und das edle Metall rollte weithin über das Pflaster. Ob er wohl alle Geldstücke wird wiedererlangt haben ? Einige waren dem Brückengeländer sehr nahe — Heut hält im „naturw ssenschaftlichen CycluS" Herr !)r. Schurig, welcher als Gehör-Arzt rühmlich bekannt ist, einen Vortrag über die Beschaffenheit und Thätizkeit des Ge hörorgans im Menschen. Ta über diesen Gegenstand sebr selten Vorträge von Fachmännern gehalten werden, so verab säumen wir nicht, darauf aufmerksam zu machen. — In einer der vergangenen Nächte -st auf einem Neu bau am Ferdinandsplatz ein Einbruchdiebstahl verübt wordene Der bisher unbekannte Dieb hat die duich «in Vorlegeschlo. verwahrte Thüre zu einer dortigen Räumlichkeit erbrochen, und die darin gelegenen Arbeitersachen und Handwerkszeug ent wendet. — Concert. Dcr Pianist Herr Carl Taussig trug Mittwoch den 15- Novbr. in seinem Conceit im Saale deS Hotel de Eaxe die „Paraphrase" über den Hochzeitsmarsch und El'cnrergen aus dem Sommernachtstraum von F Lißt, Nocturne (Op. 55, Nr. 2) von F Chopin, Vslsv tlaprirs 6ei" I^ooveiles Loirees 60 Vienna eigene Composition, a»^ vielfaches Verlangen den Carnaval von R. Schumann, dann das Präludium (Op. 29 Nr. 2) von A. Rubinstein und die Rhapsodie von F. Lißt vor, und würde sein Talent, seine Kraft und seine bedeutende Technik noch mehr zu be. wundern gewesen sein, hätte der beliebte Künstler nicht manche Stellen durch seinen Vortrag etwas verwischt. Der Gesammteindruck seines Spi-ls war ein höchst angenehmer und anregender, namentlich der Vortrag der „Rhapsodie" von Lißt. In demselben Concert sang zum ersten Male Frl. Antonie Linke mit schöner bollönender Stemme «ne Arie aus „FigaroS Hochzeit" von Mozart und die Lieder „Trockne Blumen" von F. Schubert und „Gute Nacht, fahre wohl" von F. Kücken. Leider nahm die Sängerin das T:mpo zu langsam, so daß ihr merr» voce zu einem ganz undeutlichen Pianissimo wurde, obgleich ihre Stimme an Fülle, Kraft und wohlklingendem Umfang so sehr r:ich ist. Ganz ritzend in Bezug auf Ver- fländniß, Zusammenspiel und technische Fertigke t wurde da» Rondo für zwei Flügel von F. Chopin durch Frau Taussig- Vrabely und Frl. Vrabely vorgetragen, was auch allgemeinen Beifall fand. — Künftigen Montag beg'nnt Herr Professor L. Hcrrmann aus Braunschweig als Improvisator im Hotel de Pologne seine Vorträge. Aus allen Hauptstädten Deutser- lands liegen die besten Necensionen vor und dürfte sinnt auch das hiesige Publikum sich an der jetzt so selten gewor denen JmprovisationSkunst ergötzen — Curios Ein Windmüller (in der Nähe Dresdens) ließ sich vom Schisser eine Wetterfahne ««fertigen, an wel cher auch die Buchstaben der Himmelsgegenden mit angebracht werden mußten, damit ja der Müller immer sieht, au- welchem Loche der W nd bläst Als dir Fahne fertig war, holte man einen Compaß und nun begann die feierliche Befestigung auf dem Dache der holländischen Mühle. Rach kurzer Zeit dreht sich der Wind, der Windmüller fährt zur Thüre heraus und sieht mit Verwunderung, daß dcr Wind wie zuvor aus Osten kommt und so viele Mal sich der Wmd auch dreht, imnnr kommt er aus Osim. Der gute Müller hat:e nehalich die Fahne auf dem Dache dcr Mühle b-festigt; dar Dach wird aber b-kanntlich nach dem Wind; gedreht, und auf diese Weise auch die Buchstaben mit, welche die Himmelsgegenden ««zeige» sollen. — Weil wieder drei wuthkcanke Hunde in den letzien Tagen in die hiesige Thierarzneifchule g«l>esirt wurden, ist d'.e durch derbe Maulkörbe repräscntirte Contumoz der Hunde bis zum 4 Februar 1866 verlängert — Mit großer Befriedigung hat das Theater besuchende Publ kum die Verordnung d^r königl. Polizei-Direction ent gegen genommen, nach welcher das Fahren über den Theater- plotz verlöten ist Fast unlezreiflich ist cs aber, daß die Du chsührung dieser Maßregel trotz aller Nothwendigkeit und Nützl chsiit drrsilben, rüt großen Schw erigkeiten zu kämpfen hat, denn, wir sehen allabendlich dcn ^.treffenden Theil de» Thcaterplatzes mit GenSd'armen umstellt, welche nicht wenig Mühe darauf verwenden muffen, die Wagen auf der Fahr bahn zu erhol en und vom Fahren über dm Theaterplatz abzuhalten. Man sollte doch eigentlich meinen, daß die wie-