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Nr. S83. Zehnter Jahrg. Mchemt: «glich früh 7 Uhr. Inserate Wnvru angenommen: »i, Abend» V.Eonn- lag« «, Mittag» 1L Uhr: Marienstraße IS. A»»<tg in dies. Blatte, da« jetzt in ILOO« Exemplaren erscheint, Anden «tue ersolgreich« Aerbreituug. Montag, 3st. Vetober 18SZ. Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mtredacteur: Theodor Drodifch. Mannement: vierteljährlich 20 NgL bei nnentgeldlicherLii« serung in'« Hau». Durch dir stönigl. Pos vierteljährlich 22 Rgn Einzelne Nummern 1 Ngr. Inseratenpreise: Fiir den Raum einet gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Stugtz« sandt" die Zeile 2 Ngr Druck und Eigenthum der Herausgeber: Kepsch Hk Netlhardt. — verantwortltcher Redacteur: Julius Nkichardt« D»«sd«A den 30. Octobrr. — Der Bericht über die Wahl dcS ?. ?. Rüling in Bautzen an di: Stelle KäufferS ist so gehalten, daß man an- nebmen muß, ? R. werde sofort als erster Hofprrdiger ein- treten, wogegen aber die Observanz svricht. nach welcher stets der zweite Hofprediger (I)e. Langbein) bei einer Vacanz in die erst« Stelle aufrücke und die zweite Stelle neu besetzt wird. Wahrscheinlich tritt aber vr. R. in das Consistorium rin, während vr. L. als Kirchenrath im Ministerium bleibt. — Am Freitage hielt der Gewerbrverein im Saale de» Linke'schen BadrS seinen ersten Familienabrnd ab. ES sind solche Versammlungen von dem Vorstande des Benins, Herrn Vr. Rentzsch, eingerichtet worden, um auch den Frauen Ge legenheit zu geben, sich beim Vereine zu betheiligen und um die Mitglr-drr bei traulichem Beisammensein enger zu ver binden. Wiewohl das unterhaltende Element das Vorherr schende sein soll, so soll doch auch die Belehrung berücksich tigt werden. Der Ertrag solcher Abende fließt der HauS- baukasse zu. — Herr Photograph Krone eröffnet« die Ver sammlung mit einem Prolog, die Herren vr. Rentzsch und Adv. Kunath trugen auf einem von Herrn Rönisch geliehenen Concrrlflügel eine Symphonie vierhändig vor, Frl. Brink mann erfreute die Versammlung durch eine Arie aus dem Freischütz. H rr vr. Rentzsch hielt einen Vortrag über die Bildung der Steinkohlen mit besonderer Berücksichtigung des Becken- bei Dresden und vier Herren vom Hrstheater sangen rin Quartett. So war der erste Thril des Programms be endet. Der 2 The! umfaßte wieder eine Abwechslung von Gesängen und Deklamationen und schloß mit einer Wieder- hslung der beim letzten Stiftungsfeste zum ersten Male aus getretenen lebenden Photographien des Herrn A. Schütze. Die Vortragenden erfreuten sich j»S lebhaftesten Beifall» und die Versammlung ging 12 Uhr mit dem Wunsche ausein ander, daß der zweite Familienabend dem ersten recht bald folgen möge. — Mit dem am 25. Mittags aus Prag in Bodenbach anlangend, n Wiener Zuge wurde der dasige neue Bahnhof dem öffentlichen Verkehr übergeben. Obgleich von Seiten der Generaldirection der k. I. Staatseisenbahngesellschast von jeder Eröffnungsfeier abgesehen worden war, so hatten doch sowohl die österreichischen, als die k. sächsischen Beamten zu Ehren de» Tages sich zu einem Souper vereinigt, da» in dem Re- paurationSlokale des neuen Bahnhofsgebäudes stattfand und an dem auch die Herren Oberzollrath und Vicesteuerdirrclor Forwe»! und der Be-riebsoberinsp ctor Tauberth aus Dresden, sowie der kaiserl. Rath Stempf aus Prag Theil nahmen. Eine höhere Bedeutung erhielt dieses, das gute Einvernehmen der beiderseitigen Beamten constatirende Festmahl aber noch dadurch, daß während der Tafel dem hiesigen hochverdienten kaiserlichen OberamtSdirector und Grenzinspector Ritter rc. Golitschek durch Herrn Oberzollrath Forwerk das demselben von Sr. Maj. dem Könige von Sachsen verliehene Ritterkreuz de- Albrechtorder.S überreicht wurde, eine Auszeichnung, die hier die allgemeinste Freude hervorgerufen hat. — Die Loca- litäten des neuen Bahnhofs sind überaus geräumig und be sonders die Warte säle wahrhaft prachtvoll auSgrstattet; zu bedauern ist nur, daß der mit Ruhebänken versehene schöne Perron dem reisendrn Publikum sowie den Einheimischen nicht zur Benutzung freigelaffen ist, sondern nur bei dem jedes maligen Abgänge der Züge , zum Einsteigrn" geöffnet wird. — In Zwickau und Krimmitzschau läßt man wegen der immer noch in Werdau grassirenden Cholera die bevorstehen den Viehmärkte ausfallen. In Werdau sind einzelne Fami lien hart betroffen. Ein klemes Haus umfaßt 1l Cholera- kranke wovon 5 schon gestorben. Die Diaconiffenanstalt hat freiwillig unenlqeldliche Verpflegung angeboren, was um so dankenswert her ist als die Furcht vor Ansteckung die Pfle ger rar werden laßt. — In Ermangelung des immer seltner werdenden harten Holzes ist die Industrie neuerdings darauf bedacht, als Ma, terial zur Anfertigung von Särgen sich des Metalls zu be dienen. So sahen wir dieser Tage in dem Sargmagazm von Herrn Nobe am See höchst elegante' Sä'ge von Zink mit Vergoldung und Zinkgußdecoration, welche noch einen zweiten Metall-Einsatz haben, besten Decke eine hermetisch zu verlö- thende Spiegelscheibe bildet. Hebt man die Decke des äußeren Sarges empor, so erblickt man die Leiche ohne durch etwaigen Geruch belästigt zu werden. — Der CuiSbefitzer und Gemeindeälteste Held aus Hirsch filde besuchte am 25. mit noch 2 Bekannten K. und P. von daher das Lchießfest zu König-Hain mit seinem Geschirr. Nachts gegen 2 Uhr fahren dirftlben über Nohnau nach Hirschfelde zurtick. Kaum sind sie aus dem Dorfe, als da» Pferd scheu wird und nicht mehr ,u halren ist. K. springt au» dem Wagen und kommt glücklich zom Stehe», Held springt rasch «ach, fällt »brr so unglücklich auf den Kopf, daß sein Tod auf der Stelle erfolgt ist. P. dagegen, welcher nachher herausgesprungen, ist ebenfalls glücklich davongekommen. — Unter großer Theilnahme wurde am 23. Oktober in Leipzig der Steintrucker Kirsten begraben. Der junge, kräf tige Mann, noch in den Zwanziger Jahren stehend, war vor einer Woche von einer Fliege in die Nase gestochen worden, in Folge dessen eine Blutvergiftung eintrat und er unter schweren Leiden verstarb. Da er Turner und Feuerwehrmann gewesen war, hatte sich dem L-ichenbegängniß ein langer Zug von Turnern mit der Fahne und von Feuer wehr lewen ange- schloflen. — In Bezug auf daS Referat in Nr 298 über die Wolf'sche Hauptverhandlung theilt uns der Vertheidiger, Herr Adv. Schanz, zur Beseitigung von Mißverständnissen mit, daß der hiesige Sprr- und Vorschußverein nicht neuerlich, son dern bereits im Jahre l859 2000 Thaler auf Lugau-Erl bacher Aktien grliehen habe und daß dieser Vorschuß längst gegen Rückgabe der Aktien zurückgezahlt sei. — Wie unS mitgetheilt wird, findet die Expreß-Packet- post der Dienstviann-Jnstitute Dresden, Leipzig und Chemnitz eine sehr beifällige Ausnahme. Ohne Zweifel bietet auch die Einrichtung bei dem billigen Tarif und dem Vortheil daß in den meisten Fällen jede Verpackung entbehrlich ist, eine große Bequemlichkeit. Der Anschluß anderer sächsischer Städte an da» zeitgemäße Unternehmen ist bereits in Vorbereitung ; eben so ist eine demnächstige Verbindung mit Wien und Hamburg (letzteres auch für überseeische Sendungen) in Aussicht genom men. So düifte denn bald eine Packetpost unter sämmtlichen Instituten der Expreß-Compagnie hergestellt sein und sich dem größeren Verkehr zugänglich machen. — Ja den letzten Tagen ist hier mit großer Bestimmt- heit und vielen Einzelheiten erzählt worden, daß die Behörde in HintergerSdorf zur Verhaftung einer Persönlichkeit geschrit ten sei. die sich der Ermordung der verehelichten Mangelsdorf dringend verdächtig gemacht habe. Wir können aus zuver lässiger Quelle versichern, daß dieses Gerücht völlig aus der Luft gegriffen und in der fraglichen Angelegenheit bis heute noch zu keiner Verhaftung verschritten worden ist — — Königliches Hoftheatrr. 8.6. Der milde Zweck, zu welchem am 28. Oct. Räder» „Wellumsegler wider Willen" neu rinstudirt in Scene ging, läßt eine an:ere, al» eine milde Kritik unthunlich erscheinen und wir begegnen uns da in glei cher Anschauungsweise mit der Stimmung des PublicumS, welches da» Theater bis aus den letzten Platz gefüllt hatte. Ist so dem PensionSfond kür den Sinzechor des H>:ftheaters «ine erkleckliche Summe zugeflvssen. so wellen wir einfach con- statiren, daß die Posse nicht so einschluz, wie man nach dem Renommee, das se seit 1843 besitzt, erwarten durfte. DaS Publicum zollte dim Fleiße, Gesang und Spiel des Herrn Räder alle Anerkennung, sein Tanz als Sultanin brachte ihm auch einen Hervmuf — aber man fühlte deutlich heraus, daß die Posse eine verblühte Schönheit war. <LS läuft viel Veraltetes unter uns die Berührungspunkte mit den Gedan kenkreisen der Gegenwart fehlen gänzlich. Aus einer amü santen Posse ist unmerklich ein breites Ausstattungsstück ge worden. Dieses Gefühl wurde durch dis ungebührende Länge der Zwischenakte wesentlich gesteigert, auch die Maschinerie war nichr immer ,xact. Die Dekorationen hingegen waren recht geschmackvoll. Unter den Tänzen ging der Chinesische am flottesten, Fräul. Boär und Finster errangen gleichfalls im Matrosrntanz Erfolg Das Sololied des Herrn Tempesta wurde von ihm mit vieler Laune vorgetragen. Unter den sonst Beiheiligtcn nennen wir Herrn Weiß, den seine Stu dien im Orpheus, wie Flick und Flock vorzusSwns. zum N?p- tun qualificirln, Fräul. Weber, als Neffe Purzels, Herrn Kramer als Seeräuber, Heese als Sultan und Herrn Meister als Eunuchen-OSerhaupt, endlich Fiäul. Wolfs atS Prinzessin Eiulpe. Allgemeine Betrachtung. ^ Die Drohnoien der Großmächte an den Frankfurter Serat habkn von diesem eine scharfe Abweisung erfahren, über deren Wortlaut man sehr betroffen sein soll Da aber Oesterreich und Preußen zwee verschieden sihlistrte Noten in Frankfurt ebgegeken, so verlangt das Wiener Caünet nicht eine gleichlautende Antwort, wie die nach Berlin gerichtete, sondern wünscht von Frankfurt aus eine dctaillirtere, auf die Sach« eingehende Abweisung; denn daß der Senat nunmehr nicht auch eine zweite Lektion an Oesterreich crthrilen sollte, ist ebenso stchrr, wie, daß sich Preußen nicht mit der formel len Zurückweisung seiner unberechtigten Ernmi chung in die HohheitSrechte eine» unabhävgioin Staates bescheiden sollte. Ob aber die Großmächte dev Noten eine rhatsächlichr Macht- äußrrung frlgen lasten werden, möchte doch, trotzdem daß die Preußische Note die übermithigen Süllen enthält: „Wir können eS nicht ferner gestatten," und „wir hoff.», daß man unS nichtzin die Lage bringen wird, durch eignes Eingreifen weiteren Folgen unzulässiger Nachsicht vorzubeugen", vor der Hand noch bezweifelt werden; denn das hieße ohne Weitere» den Bürgerkrieg heeaufbeschwören und dessen halten wir die großmächtlichen Cabinete zur Zeit noch nicht für fähig. Im Uebrigen erfahren die Noten von Seiten der ofst. ziösen Pressen in Wien und Berlin die Wohlwollen: sie Er klärung, oder vielmehr, man giebt sich nicht einmal mehr die Mühe, sie zu erklären, sondern betrachtet sie al» ganz natür lich und selbstverständlich. Arm in Arm mit dieser ministe riellen Anschauung fordern die sogenannten liberalen Zeitun gen Preußens den Zorn und die Entrüstung der unabhängi gen Presse dieses Jahrhunderts in die Schranken. Mit we nig Ausnahmen! Denn leider stehen die reindeutschen Zeitun gen fast nur noch mit sämmtlichen Organen de» Auslandes auf einem Boden, welche die Noten ebenfalls als einen uner hörten Eingriff in die Rechte dritter Staaten kennzeichnen. Die angeblich freisinnigen Blätter Preußens, wie die National- Kölnische- oder Börsenzeitung u. s w. stellen sich zwar auch etwas entrüstet über den jüngsten kühnen Griff rhreS Lieb lings, des Grafen Bismarck, aber man sieht ihnen die schlrcht- verhchlte Freude an daß es nun, wie sie hoffen, den Mittel- staaten an den Kragen gehen werde. Sie gleichen der Mut ter, die an ihrem Herzblättchen alles schön findet, und die wenn rr auch des Nachbars Aepfel herunterschlägt oder einen jener Streiche macht, für welche der liebe Gott in Spanien das Nohr und in Deutschlands Wäldern daS Birkenreis wach sen läßt, zwar mit dem Finger schelmisch drohend ruft: „Wart", warte, Otto! Du! Du!" aber im Stillen denkt: „'S ist doch ein Sapperloter!" Jene Klage über eine angeblich zügellose Presse in Sachsen giebt nur di:ser Sorte Zeitungen erst recht das Signal, über diese- Land herzufallen. Man lese, was die Börsenzeitung für einen Artikel bringt. Da geht'S zunächst über die „Dr. Nachrichten" her, welche dis Nichtswürdigkeit begehen, „sächsisch-patriotisch" zu schreiben. Später nennt die Börsenzeitung dieß „unanständig!" „das Preßgesetz stammt aus der Zeit nach den Maitagen." Wir fragen: Was ist besser, ein etwas strengeres Gesetz, welches vcn der Regierung mild und liberal gkhandhabt wird, oder rin in einzelnen Punkten weitere» Gesetz, welches täglich von der Regierung gebrochen wird? Im übrigen wird, wenn wir unS nicht ganz täuschen, rem nächsten Landtage bei uns ein Preßgesetz vorgelegt werden, welches diejenige milde An wendungsart, die da» alte erfährt, zur Gesetzeskraft erhebt. Das ist eben der naturgemäße Gang, wie man Gesetze ver bessert. ohne sie umzustürzea, daß man diejenigen Mißstände, die sie haben, erst in der Praxis vermerket und denn ge- setzeSmäßig abändert Das ist in Sachsen möglich, jcnseirS aber unmöglich. Unser hochverehrter König, heißt rS weiten. Verde zu Gunsten des Kronprinzen abdankcn Nun glau'r. zwar Niemand, euch der Verbreiter dieser Lüge nicht an den; Lüge, was ist aber damit erreicht? Nachdem es der groß- mächtlichcn Neaction in Hannover gelungen, das liberale Ministerium zu stürzen, nachdem in Baden Herrn v. Roggen bachs liberale Flamme au? geblasen, in Stuttgart und München die Stellung der freisinnigen Minister erschüttert wurde, in Sachsen aber ein solcher Versuch gänzlich gescheitert ist, so wirft man, um das Publikum immer im Trabe zu erhalten, das Mährchen von einem Thronwechs:! in die Welt Hilft'» nicht viel, so schadet's doch auch nichts! Dazu wird die Thätigkeit unsres Königs in einer so wegwerfenden Wei'e ge, schildert, daß man sich fragen muß, ob es drüben nicht auch Gerichte giebt, welche befreundete BundeSsürsien gegen solche Insulten schützen? ES heißt, in der nunmehr 11jährigen Regierung des König Johann habe die Gesetzgebung so gut, wie stillgeftandcn. Seit wann haben wir die neue Prozeß ordnung für Militär und Civil? Seit ein paar Jahren? Das Jagd-, das Gewerbegesctz ? u. s w. Seit ein Paar Jahren. Die Medicinalverfassung? Seit diesem Jahre. Im nächsten Monat treten übrigens in Dresden die Zwschendeputationen zusammen, um das Berggesetz, die Fischerei-, dir evangelische Kirchenordnung (welche schon einem Landtags vorlag) die bürgerlich: Prozeß-, die Wcgeordnung u. s w. zu be- rathcn und dem nächsten Landtage vorzubereiten. Wenn solche Thätigkeit nicht eine gesetzgeberische heißt, so wann die Ge setzgeber aller Zetrn wenig mehr als BagatellrActuare. ^.Sachsen ist aber schließlich ein ungetreuer Verbündeter." Wem hat Deutschland den französischen Handelsvertrag zu danken, wenn nicht dem ausharrenden Sachsen? Und in der Schleswig-Holsteinischen Frage? Doch wir sind es müde, Vernunft zu predigen, wo man nicht hören will. Nur wenige Zeitungen und Abgeordnete Preußens haben ein k arcs Verständniß der Lige; fast alle laufen mit dem Schenieder und dem Schellengcklingr. der Phrase auf der breiten Straße des EroßpreußenthumS, die aber sicher nicht