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Nr. 302. Zehnter Jahrg. Tonntap, LS. Vetobee 186.'. Erscheint: «glich früh 7 Uhr. Inserate ndui angenommru» ,«beadSÜ,Lo>m- b>» Mittag» 12 Uhr: nenstraße 13« ^Ln»eil1 in dies Blatt,, stza, jetzt 'Exemplar«« erschein», ' -»den eine erfolgreich« Verbreitung. Tageblatt für Unterhaltung und GeschWmIckir. Mitrrdacteur: Theodor Drodisch. F.kannewmk: Bierieljührlich 2': Ns» bei uncntgcldlichcrL'!.- fernng in » Hau?. Durch die Köuigl. Pos vierteljährlich 2? Ngr Einzelne Nummer» 1 Nur. Inseratenpreise: 8Nr den Raum einer gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Ein^»» landr" die Zeil, 7 V>gr. Druck und Ligenthum d« Heraurgebrr: L'lkpsch 6k Nkichardt. — Verantwortlicher Redactenr: Juli»» Relchardt. de» 39. Octtbrr. — S«. königl. Hoheit der Kronprinz hat sich vorgestern Morgen mit dem 4j Uhr von hier abgegangenen Schnellzuge »ach Leipzig und von dort zur Jagd nach Ehrenberg begeben, und ist Abends nach 10 Uhr hierher wieder zurückgikehrt. — — Der wackere und wrrrmtdiiche Vertheidiger der hohen, heiligen Jnteress:» der Volk« bi'düng durch die Volke schule, der chrmalige S-mmardirector vr. Diesterw;g in Berlin, voll endet heute sein 75 Eidenjahr Zur Feier dieses Festtage» hat dir Redaktion der hier erscheinenden „Sächsischen Schul- Heitung" die erste Seite der das heutige Datum tragenden Nummer 44 mit folgender schönen und sinnvollen Widmung geschmückt: „Hrrn Srminardirector a. D. Ilr. Adolph Wil helm Diestrrwez in Lerlin, dem Manne deS Lichtes und des Fortschrittes, dem treuen Bildner und bewährten F.eunde der Lehrer, dem unerschrock-nrn Kämpfer für die Interessen der deutsche« Volksschule und des deutschen Lehrerstai.deS, dem geistvollen Schriftsteller auf dem Gebiete der Pädagogik, dem liebreichen Schützer und Vnsorgrr der Waisen int Sinne Vater Pestalozzi'S, bringt zur Feier Seiner 75jährigen geseg neten E> den wallfahrt am 29. Oktober 1665 in dankender Anerkenn««!, S-iner Verdienste die herzinnigsten Glückwünsche die Redaktion der Sächsischen Schulzeitung." — lieber eine eigenthümliche Benutzung der Expreß- Packelpost deS ersten Dienst mann-Instituts cursirt folgende drollige Geschichte, die besonder,- im Kreise der Jahrmarkts- sieranten große Heiterkeit erregte. Ein Chemnitzer Handels mann, zum Markt hier feil hallend, hat dahenn ein Weibchen. Die gute Frau, besorgt darum, daß das Männchen sich bei dem schlechten, naßkalten JahrmarktSwetler erkälten oder gar di; Cholera bekommen könne, denkt an die dem Gatten bei Achen Gelegenheiten wohlthätige Wirkung eines kräftigen Warmbiere- und hat nicht» Eiligeres zu thun, als den Trank meisterlich zu bereiten, eine weirbauchige irdene Flasche damit zu Men und diese der Expreßpost in Chemnitz zur schleuni gen Spedirung nach Dresden zu übergeben. Len Hals der Flasche ziert ein Streifen Papier, worauf der Name und Standplatz deS geliebten Männchens, ein schöner Gruß an ihn und die Bitte an das Dresdner Institut, die Flasche vor der Abgabe noch recht tüchtig zu erwärmen. Das geschah und der Mann trark mit Wohlbehagen las liebend bereitete Expreß- Warmbier. - Am 26: Oktober Abends brannte in Meerane auf der Friedrichflraße das dem Bäcker Leuschner gehörige Wohn Haus mit Zubehör bis auf die Umfassungsmauern nieder. DaS dem Mattrialwaarenhändler Rudolph gehörige Haus wurde ebenfalls vom Feuer angegriffen, ein Weitergreifen des selben ab.r durch Einreißen dcS Dachstuhls glücklicher Weise " verhindert Der Wind war sehr ungünstig. i . — Seit einiger Zeit nimmt das Tollwerden der Hunde auf eine w rklich schreckene:regende Weise zu, und wenn die Ursache dieser gefährlichen Krankheit theilweise auch sowohl in der Vernachlässigung, als auch in der übertriebenen Verzär- telung dieses HauSthierc» zu suchen ist, so kann doch nicht ge leugnet werden, daß zum größten Thrile unbefriedigter Ge- schlechtstrieS zu Grunde liegt. — Vielleicht findet höheren Ortes der wohlgemeinte Vorschlag Berücksichtigung, um da abnorme Verhältniß zwischen den Hunden männlichen und verblichen Geschlechts mehr auszugleichen, und dadurch dem Entstehen der Wurhkrankheit mehr vorzubeugrn: „Sowohl in Städten wie auf dem Lande nur die Hunde, nicht aber die Hündinnen za besteuern." Daß der Schutz, dm die Maul körbe gewähren sollen, -nur ein sehr imaginärer ist, hat sich kürzlich in der Gegend von Coswig gezeigt; trotz deS Maul korbes hat der daselbst erschossene tolle Hund, wie von Augen- zeugen gesagt wirb, mehrere Hunde u-d Katzen g bissen. — In Dppold-i-walde hat man eine niederträchtige beabsichtigte Brandstiftung entdeckt. Ein am 25. d. M. Nach- mittags an einer der vor dem hiefigen Niedertbor gelegenen Scheunen angebrachter, weit hinauf reichender Schwefelfaden, her an einem Ende auch bereits gebrannt hatte, hat alle Be wohner dcS Ortes zu g'ößter Vorsicht und Wachsamkeit ge mahnt, denn eS muH leider angenommen werden, daß die» Beginnen ein schändlicher Bubenstreich, eine beabsichtigte Brand legung war, die glücklicher Weise durch rechtzeitige Entdeckung Vweilelt wurde. — Gin geisteskranker Bäcker, Ernst Kleinert, flieg vor einigen Tagen zu Reichenau durch ein Ferster in die dortige Kirche und holte sich die auf dem Altar stehenden Leuchter und da» Cruzifix, mit welchen Gegenständen er gegen I I Uhr -anz entkleidet in seiner Wohnung erschien. Seine Kleider wurden andern Tage» auf der Spitze einer hohm Linde ge funden. — Gestern Abend in der fünften Stunde vernahm man an der Ecke der Prllnitzer- und Maihildrnflraße einen furcht baren Krach. Im Gehöfte de» Handel-gärtner Srhdel, wo eben ein Schuppen eingerissen wird, hatten die Arbeiter eine, wahrscheinlich noch aus dm Kriegszeiten herstammende Gra nate gefunden. Wie sich nun selbige entzündet, ob man der Granate mit einer brennenden Cigarre zu nahe gekommen, ließ sich augenblicklich nicht erörtern. Eine Beschädigung kam nicht vor, nur zwei der Arbeiter waren wir betäubt bei Seite geflogen und eS gab unter dm zusammen gelaufenen Menschen viel Lärm — Zu der heute im Hotel de Saxe stattfindenden thea tralischen Vorstellung von Seiten des dramatischen Vereines, haben die Vorsteher den Pianisten, Herrn l)r. Satter gcwon- n>n. Der bekannt; Virtuos, wird die Ouvertüre zuur Tann- Häuser, sodann ein musikalisches Charakterstück: die Spinnerin und einen Concertwalzrr. sämmtliche Piecen von ihm arran- girt und cowponirt, zu Gehör bringen. — Wir theilten vor einigen Tagen mit, daß sich bei dem Dorfe Mickten ein Soldat erhängt habe. Wie wir hören, war derselbe am 24. Lctober aus der hiesigen Jnfanterie- Caserne desertirr und heißt Schumann. — Die mimisch-physiognomische Soiree des Herrn Ernst Schulz im Hotel de Poiogne. Mehr als je wurden wir am Freitag Abend an Gretchens Worte m Goethes ,Faust" erinnert, welche heißen: „die Physiog nomie versteht er meisterlich! ' Herr und Gebieter über alle seine GesichttmuLkeln kann Ernst Schulz von jedem Qua- dratzoll seires Antlitzes ausrufen: „dieß Alles ist mir unter- thänig!" und sein technisch-optischer Apparat erzielt jetzt noch höhere Wirkungen ols dieß früher der Fall war. Schulz ist der Abeedrl'Epce des taubstummen Fleisches,stein Gesicht gfibt unS eine rhetorische Abhandlung aller Seelenzuflände. Wir haben bereits vor acht Tagen diese humoristischen Stadien ä la Garrik erwähnt und das Auditorium am Freitag Abend wurde nicht müde in Beifallsspenden; eS erkannte dm edlen Kern der hier als Grundgedanke der Physiognomik heraus tritt. Welche Verschiedenheit in der Darstillung menschlicher Physiognomien, vorzüglich die na ben Gesichter; welche Ab wechselung in der Darstellung der vier Temperamente Wir erwähnen hier nur den stolzen, von seiner Kathederweisheit aufgeblasinen Prosess. r, dem sodann das Gesicht eine- harm losen dummen Jungen felgt; sodann den Grldariflokralen und den amen Teufel, der .seine Sache auf Nichts gestellt." — Ueberal Lebendigkeit und überraschende Wrhrh-it Ganz be sonder» Beifall fand wiederum die Naturgeschichte der Bärte, besonders daS NcactionSbärtchen und der Demokratenbart, wie nicht minder das lebende Bilder-Album. Die Vorrichtung zu dieser mimisch-malerischen Darstellung ist höchst einfach. Die darz»stellende Figur ist als Brustbild auf einem Tableau ab gebildet und nur die Stelle, wo sich das Gesicht t«finden soll, ist herausgeschnitten. Diesen Platz füllt nun das wirkliche Gesicht des Herrn Schulz aus Außerordentlich; Wirkung brachte hier die ölte schmollende Schwiegermutter hervor. Neu aber waren dir ethnographischen Darstellungen, Vorführung von Individuen ganzer Völkerschaften in vollständiger Nario- naltracht in prächtigem Slciderschmucke Welche Combinatio- nm von verschiedenen «üancirten dunkleren und helleren Schat- ten; das Rothbraun des Indianer-Häuptlings, das Pechra benschwarz des Einwohners von Dahome und der Buschmän nin. Wie äußerst schnell die Verwandlungen, kaum einige Minuten während. Z. B. der Tyioler, der polnische Jude, der melancholische Pusztenbewohnrr und namentlich der Mann aus dem Riesenreich mit der Zwerzseele, der Chinese. Die Nase, die Stirn, die geschlitzten Augen mit dem herabhängen- den Bart, man glaubt einen wirklichen Einwohner aus Peking vor sich zu sehen. Die Darstellung-», von Schulz sind eine wahre Schule für Schauspieler; was Mim k und Geberde ist, können sie von ihm erlernen. Allen Gebildeten empfehlen wir diese, wir möchten sagen: körperliche Beredtsamkeit, besonders die ethnographischen Darstellungen. Kurz, man sehe Ernst Schulz diesen menschlichen Seelensp egrl. der Jacob Engel s „Ideen zu einer Mimi! ' praktisch in'S Leben ruft, man schenke ihm anderthalb Stund«, die dann eine angenehme Erinnerung für daS g->nzr L.ben bilden werden. — Von den preußischen Ein-Thaler Kassen Anweisungen vom Jahre IS61 sind ziemlich täuschend ve fertigte Nach ahmungen im Umlauf. Dieselben sind, wie das „Fr. Bl." bemerkt, u a. erkenntlich auf der Vorderseite an dem fettern und in der SirafandrofuNg, namentlich am untern Rande, unreinen schwarzen Druck; ebenso ist die in verschiedenen Farben über die ganze Vorderseite in Diamantsch-ift gedruckte Straf androhung undeutlich md verschwommen. Besonders weicht di« mittlere Unterschrift..Günther" sehr von der echten ab. Die Figuren der Rücksäte sind weit roher auSgeführt, wie diejenigen der echten; während letztere vorzüglich zart gestochen und reinlich pedruckt sind, ist die Nachahmung schlecht, wahr scheinlich in Stein gravlrt und unsauber gedruckt. — Heute Bormi'.tcy, nach Beendigung des Gottesdienste», wird der Bazar für weibliche Arbeiten im Doubletten- Saal auf der Terrasse geöffnet sein, wo sich junge Damen aus den angesehensten Familrcn Dresdens als Verkäuferinnen betheiligen werden. Gegen daS Entree von 2^ Ngr. empfängt der Besucher eine Marke, welche bei Einkäufen als baare» Geld angenommen wird. — Die vorgerückte Jahreszeit hat die Dampfsch>sis.< :rs- Direction veranlaßt, einen neuen Fahrplan in Kraft rr-:en zu lassen, wonach — da der Wasserstand sich in etwas ge bessert hat — von Dresden früh 6 Uhr bis Außer, früh 7 j Uhr nach Pirna, Vormittags 10 Uhr nach Pirna, 11^ Uhr nach Pi.na und Nachmittags 3 Uhr nach Meißen und auch nach Pirna Dampfschiffe abfahren. Erwäh-.renSwerth ist noch, daß von heute an auch unterhalb der Marienbrücke zwischen der Neustadt und Neudorf eine Landungsbrücke beim Ele» schlößchen aufgestellt worden ist. — Ein activer Soldat, NamenS Gcitz, aus der Oschatzer Gegend gebürtig, der vorgestern Stadturlaub erhalten und als Arbeiter auf dem Leipzig-Dresdner Bahnhof; beschäftigt wurde, hatte das Unglück, beim Wagenschiebcn auszurutschen und auf die Schienen zu fallen, in Folge dessen ihm ein Wagenrad über das rechte Bein hinweggrgangrn und die rechte Wade abgeschnitten hat. Zeitz wurde in das MiliA Hospital gebracht. — — Das zweite Theater unter Direktion des Herrn Nesmüller nimmt fitzt einen sehr erfreulichen Aufschwung, in dem der Personalbestand sowohl unter Herren wie Damm neue beachtungswerlhe Kräfte gewonnen hat. Glatt und ab gerundet gehen vorzüglich die kleineren Lustspiel; in Scene, wie denn auch die Posse immer noch dominirt, welche aus diesen Bietern ein besonderes Recht Hot. H:rrte giebt man Doctor Faust's HauSkäppchen, wo dem Humor ein weites Feld offen sieht und J der einmal so recht aus vollem Herzen lochen kann. — Ein unbekannter Mann, der gestern Vormittag am einem Kleidergeschäft an der Kreuzkirche vorüberging, ent wendete bei dieser Gelegenheit einen Rock, der an der dor- tigen Gewölbthüre auShing. Der Diebstahl wurde aber so fort wahrgenommrn und der Dieb festgehalten. Die herber- grholte Polizei erkannte in ihm einen alten Bekannten und wegen Di-bstahls wiederholt bestraf.en Handa. beiter von hier, der seit zwei Tagen aus der städtischen Zwangsarbeiisanstalt, in de; er zuletzt untergebcochl war, entwichen war. - ' — Vorgestern Abend und jedenfalls in der Zeit zwi schen 9 und 10 Uhr hat ein unbekannter Dieb das GeschäftS- local eines Mechanikers auf der Wellstrahe mittelst Nach schlüssels geöffnet und daraus zwölf Operngucker, zw i F:rn- roere und sechs Lorgnetten gestohlen. DaS im Geschästslocal vorhandene baare Geld hat der Spitzbube zum Glück nickt gefunden immerhin ist der Schaden, den der Bestohlene dure, den Diebstahl erlitten, b-deutend. Wir lommen auch le > Mitteilung dieses Diebstahls wieder auf unsere frühere V - merkunz zurück, daß die Schlösser virl-.r Thürcn, di; inS> - sondere von der Hausflur aus in die kaufmännischen C - schäftSlecale führen, überaus mangelhast find und des Ersätze» durch andere dringend bedürft», wrnn anders sich die Ge» wölbinhaber nicht in der ununterbrochrnen Gefahr befinden wollen, daß ihie Laden cims schönen Abends einmal von Dieben, drc mit dem ersten besten Nachschlüssel die Gewölb- thüren öffnen können, recht ordentlich ausgcplündert werden. — — Bautzen, 28. October. Heute fand die Hinrichtung des Mörders Friedrich Auzust Bötzme aus Ohorn durch die Guillotine statt. Bö,me ist 38 Jahre alt, von sehr kleiner Slatur. Das schwarze, lange Haar hing über einem blaf!- gclben Kopfe, den früheren »lauen Nock hatte er mit einem hellbraunen vertauscht, dessen schwarzer Sammetkragen mit dem schwarzer» Haar verschwamm. Es schlug 7 Uhr. Zwei GerichtSdiener führten ihn aus der Gefängnißzelle durch den Garten des Inspektors nach dem Platze im Schloßhofe, wo die schon vor 2 Tagen von Dresden nach Bautzen spedirte Guil lotine aufgestellt war. Böhme ging ruhig mit und stellte sich vor din güncn Tisch h>n, vor dem der Gerichtehof unter Vorsitz deS H-rrn Bezüksgrrichts-Directors Heufel saß. Mehr als dreihundert Personen hatten sich um die Guillotine ein gesunken, worunter leider wieder viele Frauen der niederen Stände, die sich sogar in ungestüm:r Weise der Männerwelt vordränglen. Di; Glocke de» FraueiuhmmeS ließ ihre dumpfen Töne über die theilweise noch schlummernde Stadt erschallen und di-ser Glockenschlag rief noch mehr Publikum vor das alle Thor des Schlißbofr», in dessen großen, mit Blumen beeten und Va Umpflanzungen geschmückten Räumen die Guillotine stand. Schon am Tage vorher umstand das Thor «ine große M.nschenmenge» die sich von Stunde zu Stunde bis zum Abend vergrößerte. Der Act der Hinrichtung war ein schrecklicher, der Delinquent wollte nicht sterben. Nachdem Herr BezirksgeeichtSbirector Heusel gesagt, daß die Gnade