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R». rvS» Sehnte» Jahr,. Montag. SS Oktober 188!. Mcheirtt: «glich MH 7 Uhr. Inserate „rd«u angenommen: «»bend» 8,Sonn tag» bi« Mittag» 1« Uhr: Martrnstraße 13. Inzrig. in dies. Blatt«. tz»S tetzt iaiL!« «» Uk«mplarr» erscheint, ßndea eine rrsolgrrich« Verbreitung. Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mitrebacteur: Theodor Drobisch. Abonnement: vierteljährlich 20 bei uneiitgeldlicher Lls- serung in'« Han«. Durch die Kbnigl. Pos vierteljährlich 22 Rgr Einzelne Nummer» 1 Ngr. Inseratmpreift: 8ür den Raum eia« gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Siog«4 sankt" dir Zell» e Rgr. Druck und ligeuthum der Herau«gebrr: Likpsch 8k Neichardt. — Verantwortlicher Rrdactrur: Julius Nrichardt. Dnetbe« den 33. Oktober. — Bei den in den Tagen de» 16. bl» mit 18. d M. in Leipzig statigefuntrnen Be>athungm von Bevollmächtigten deutscher Staatsregierungen bezüglich eines gemeinsamen Auf. tretenS bei der Pariser Weltausstellung, an welchen mit Aus nahme Oestn reich- und Preußens fast sämmtliche deutsche Bundesstaaten Theil nahm n, sprach sich allseitig die entschie dene Absicht auS, eine möglichst einheitliche Vertretung der Industrie der deutschen Staaten bei der Pariser Ausstellung herbeizuführen. Zur Erreichung dieses Zw ck s b schloß man die Einsetzung einer mit Leitung der ganzen deutschen Aut- stellung zu beauftragenden Centralcommission, bestehend aus je einem Bevollmächtigten für Süd-, Mittel- und Nord- deutschland, und wählte zu deren Mitgliedern den k sächs. Bevollmächtigten Ministerialdirektor G H Rath llr. Weinlig für die Staat n Mitteldeutschlands, als Vorsitzenden, den Direktor der k. württemberg'sch,n Centralstelle für Industrie, l)r von SteinbeiS, für die Staaten Süddeutschlands und den Prof. Ilr. Ka,marsch, Director der k. polytechnischen Schule zu Hannover, für die Staaten Norddeutschlands zu Mitglie- rern der Centralcommission, zu deren Sitze aber Dresden — Im Brennhause der Z egelei in Kleinlugn, in welcher seit einig,r Zeit schon nicht gebrannt wurde, entstand am 1«. d. M. Abends in der achten Stunde Feuer, das jedoch noch rechtzeit g tvahrgenommen und wieder gelö cht wurde, so daß dem Gibäude ein besonderer Schaden nicht entstand. — Am Rechen der Lerchemühle in Zwickau wurde am 17. d M. Nachmittags der bereits von Fäulniß angegangene Leichnam eines neugeborenen Kindes weiblichen Geschlechtes ausgefundrn und gerichtlich aufgehoben. D m Ve-nehmen nach befindet sich aber auch schon die Mutter dieses Kindes in den Händen , der Justiz. — In der Brauer.i zu Kainsdor fiel am 18. d. M Abends der Kupferschmiedgeselle Schweighosrr au- Donauwörth in eine gegen ^0 Ellen tiefe Orffnunz und starb an den hierbei erhaltenen Verletzungen. — ds. Im naturwissenschaftlichen CycluS eröffnet« vor gestern Herr Prof. llr. Erdmanv die Reihe der physiologischen Vorträge, indem er zunächst sich ganz im Allgemeinen über das Nervensystem der animalischen Körper, sowie über de Func tionen der sogenannten sensiblen und motorischen Nerv n (Empfindung und Bewegung) verbleitrte Der Vortrag nahm das Interesse des zahlre ch versammelten Auditorium-, wel chem auch viele Damen angehörtrn, in hohem Grade in Anspruch. — Heute Abend findet im Lincke'schen Bade zum Stif- tungStag des Ver inS der Dresdner Cigarrenarbeiter zu gegen seitiger Unterstützung in Krankh-rts- und Sterbefällen ein Concert statt. — Concert ,t Sonnabend den 21. Oktober führte Herr vr Gustav Satter in einem Concert im Saal des Hotel de Saxe mehrere seiner Orchestercomposit-onen vor. die ein höchst günstig s Z ugniß von des Componisten Talent und gründlicher musikalücher Bildung gaben Aus seiner Oper: „Olanthe" hörten wir die Ouvertüre, ein im ernsten Styl würdig durchgeführtes Musikwerk, und zwei Arien nebst vor hergehenden Vorspielen und Reeitativen, die tüchtigen Sänge rinnen, besonders dle Arie des 3 Actes, Gelegenheit geben, die Schönheit ihrer Stimme zu entfalten DaS , symphonische Cöncekt" in v-dur mit dem Motto: „Durch Kampf zum Süg' für Pianoforte und Orchester, vorgetragen von Herrn Jo hannes Weidenbach, war wohl der Glanzpunkt «es Abends, denn dieses We>k zeichnet sich durch schöne musikalische Gedanken, vorzügliche Durchführung, melodischen Reiz und ganz wirksame Instrumentation aus He-r Weidenbach führte die schwierige Piarosorteparthie mrt großer technischer Gewand- heit und tiefem Gefühl aus, wie wir das an dem jungen Künstler bither st«t» bemerkt haben. Den Schluß des Con- c rte- bildete die „Sächsische Nation« Symphonie, auch in 0- dur-mit dem Motto: „Gott segne Sachsen' in 4 Sätzen. Daß dieses Werk, dem tüchtige wenn auch etwas zu breite Durch führung nicht abzusprechen ist, nicht so gewaltigen Eindruck machte, als seine Anlage wohl recdiente, mag wohl in einer gewissen Mo notonie liegen, die besonders im 3. Satz (Adagio) sich bemerkbar macht, als auch in der ungünstigen Zusammenstellung, daß die Zuhörer zwei symphonische Werke aus derselben Tonart kurz hintereinander zu höien bekamen. Das Orchester bildete da» verstärktevChor des Herrn Musikdüectvc Wüting, F äulein Charlotte Krall hatte die Harfenparlhie übernommen und Fränlein Elvira Kleinjung den Gesang der Recitarive und " Arien D-r außerord-ntliche starke und wohltöncnde Concert. flügel, auf welchem H rr Wkidenbach spielte, ist aus der Fab rik bes Herrn Ernst Jrmler in Leipzig. — — Während man in Berlin noch mit d m bereits ge meldeten Einsturz eines HofgebäudeS auf der Wasserthorstraße am Sonnabend Nachmittag beschäftigt war und aus dem 25 Fuß hohen Trümmilhaufen von den im Hause befindlich ge wesenen 60 Menschen bereits 23 Todte und Verwundete her- vorgezogen, durchlief die Stadt die neue Schreckensnachricht, daß m dem Strewe'schen Schw.izergarten vor dem KönigS- thor der daselbst im Bau begriffene neue Saal eingestürzt sei, wobei wieder 6 Todte und Verwundete zum Opfer fielen. Die Berliner Bauzustände scheinen demnach ziemlich lockerer Natur zu sein — Ein merkwürdiger Taubstummer, Herr I. M. Moser, auS Regensburg, verweilt seit einigen Tagen in unserer Stadt. Derselbe erlernte nach seiner Entlastung aus der Schule die Schuhmacherprofcssion, welche er bis zum Jahre 1850 trieb. Von dieser Zeit an legte er sich mit einem wahren Riesenfleiß auf das Studium fremder Sprachen, der Geographie, Kalli graphie und der Rechnenkunst Im Laufe dieser Zeit erlernte er 11 Sprachen (deutsch, lateinisch, fearzösisch, italienisch, spanisch, portugiesisch, englisch, polnisch, holländisch, vlämisch und arabisch), in welchen er ganz richtig schreibt. Im Rech nen legte er in unserer Expedition staunenerregende Proben seines Wissens ab, wo in Bezug auf Zahlen sich ein Gedächt- nih kund gab, das mit Erstaunen und Bewunderung erfüllt. Sodann seine Fertigkeit, w nn Moser schr.ibt: er fängt von hinten an und zwar so, wir möchten sagen überwendlich, daß der Zuschauer das Wort vor sich hat. Dabei eine schöne, feste Handschrift, ein Schreibmeister comme >1 taut. Vor einigen Tagen legte der wunderbare Mann, eine imposante Persön lichleit, vor dem Herrn Generalleutnant v. Treitschke wie vor dem Osficiercorps der Festung Königstein, vielfache Proben seiner Fertigkeit ab und erntete daselbst großen Beifall. Herr Moser will jetzt bei seinem Aufenthalt in Dresden sein außer ordentliches Talent öffentlich und in Privalkreisen geltend machen. Er wird jedenfalls in den größeren Restaurationen erscheinen, und in Anbetracht der außerordentlichen Erscheinung bitten wir, diese Worte vorläufig als «inen Freibrief zu betrachten und ihm geneigtest diejenige Aufmerksamkeit zu schenken, welche dieser taubstumme, mit so hohen Geistesanlagen begabte Mann verdient. Allgemeine Betrachtung. Einen neuen Gewaltstrcich haben Preußen und Oester reich .... pst, Pst! „Bedenke wohl, es ist die erste Zeile, Das; Deine Feder sich nicht übereile!" so möchten wir unS selbst mit Faust warnen, ja nichts nie- derzuschreiben, was den Zorn unserer lieben Nachbarn im Süden und Norden regen könnte. Schwirrte nicht soeben auch an un- jene Drahtschlinge vorbei, die, wie die Jndiamr ihren Lasso, jetzt Preußen und Oesterreich nach dem edlen Ross« der Preßfreiheit in Frankfurt geschleudert haben, um e» zu bändigen? Sollten nunmehr nicht auch wir, da wir nun einmal schwarz-weiß nicht für die glücklichste Zusammenstellung von Farb.n in Deutschland zu halten rermögen, die in den Augen der Mächten abscheuliche Gewohnheit aulgcben, dem Unrecht und der Gewalt entgegen zu treten und für die Wahr heit zu zeugen? Nein! gerade jetzt, wo die letzte Freiheit noch mundtodt gemacht werden soll, wo Graf Bismarck die Ruhe des Kirchhofs, die in d r preußischen Pr fse herrscht, auch auf die außerprrußische ausdehnen möchte, um die in der Nähe unterdrückte Stimme der Wahrheit auch nicht von weitem zu vernehmen, gerade jetzt ist es doppelte Ehrenpflicht der deut< schon Presse, uneingeschüchtert das Banner des Rechtes hoch zu halten. Ueberdies »st Dresden noch kein Altona, und Rö- derau oder Jüterbogk sind zwar eben so schöne Gegenden wie Perleberg, aber in unserer Regierung sitzen keine Halbhubers. Daß aber auf die Energie der deutschen Negierungen Alle- jetzt mit ankommt liegt auf der Hand. Beugen sich dieselben, so werden die Zeitungen höchstens noch über Rinderpest und Kabeltau leitarukeln oder dis Frage erörtern dürfen, ob das Impfen heilsam oder schädlich see? Die Gasteiner Mächte haben also 2 Noten — die öster reichische soll ctwaS müder gehalten sein — dem Senat zu Frankfurt überreicht, worin st- diese S adt als den Biutheerd der politischen Hetzereien gegen sich bezeichnen, die Einstellung solchen Treibens v.rlangen und drohm, sich nötigenfalls selbst Helsen zu wollen. Der Senat hat noch nicht geantwortet, die Vertretung der Bürgerschaft, der ges.tzz.bends Körper, hat aber bereits einen energischen Beschluß ge aßt, diese Noün entschiedet» zurückzuweiscn, und es wäre auch in der Thal eine cu»iose>Frelhe>t einer freien Stadt, wenn dieselbe innerhalb ihre- Gebiete- nicht selbst Herrin wäre. Anßerdrm sind särnmt- lrchen BundeStagsgesandtrn, also auch drm sächsischen, Ab schriften dieser Drohnoten zvgrstrllt worden zu gleicher Nach- achtung Zu gleicher Zeit plänkelt die von der Berliner R>- gierung angekauste Kölnische Zeitung gegen da» Dresdner Journal, indem sie r» des Preußen Haffe- beschuldigt. Der Angriff d r Großmächte geht a'so offenbar auf die ganze Linie der rrind.-utschen Staaten los, obwohl er sich zunächst schlauer Weise auf einen schwachen Punkt der Linie wirft, auf Frankfurt, woselbst die Großmächte Truppen zur Befrie digung ihrer Gelüste haben. Trotzdem wird wohl auch unsere Negierung die Antwort nicht schuldig bleiben. Wie soll, wie kann sie aber lauten? Nach unserem Ermessen würde eine ruhige Abweisung der Forderung dasjenige sein, wa> d»r Würde eines selbstständigen Staat- am meisten enl pricht. Preußln u,.d Oesterreich haben in unsere inneren Verhältnisse nichts hineinzu» eben, jedir Versuch hierzu ist unberechtigt, jede Einmischung ist schüchterdings unstatthaft. Schon aus diesem formellen Grunde müßte jede Regier ung kurzweg und bündig die Noten der Großmächte abweisen. Verdient denn aber, fragen wir weiter, wirklich die Haltung der deutschen, insbesondere der sächsischen Presse, erne Be schwerde? Du lieber Gott! Wir sollen uns doch nicht etwa gehorsamst darüber freuen, wenn die Großmächte das Aus land dadurch zur Einmischung in die deutsche Frage Heren » ziehen, daß sie zu Gasüin übrr göttliches und menschliche» Recht hinwegschreiten! Ob r sollen wir Jub'lhymnen fingen, daß unsere Truppen aus Holstein hinaurbugsnt und jeder, auch der bestgemeinte Vmschlaz unserer, wie der baierischrn und hessischen Regierung ohne Weiteres ignorirt wird? Schlägt denn nicht auch unser H rz opfersteutig für das Heil Ge- sammtdrutschlandS und wollen nicht auch wir zu seiner Größe beitragen, so viel an uns ist? Soll uns nicht der Zorn die Wangen färben, sollen wir immer stillhalten, wenn wir den Hohn sehen, mit dem unser redlicher Wille von den Groß mächten behandelt wird? Viel eher könnten die Mettel- und Kleinstaaten sich in Berlin beschweren über das, was ihnen in dortigen Blättern geboten Wied. Es girbt» wir man täg- lich lesen kann, kem elenderes Volk, als diese Mittelstaatrn, die sich auf Kosten Preußen- mästen und die man, je eher, je lieber, mit Haut und Haar verschlingen möchte. Kann man einen Staat mehr kränken, als wenn man ihn bei lebendigem Leibe zu d.n Tobten wirft? Dazu noch diese persönlichen Kränkungen! Was müssen sich z B. die Minister Sachsens, BaiernS und Darmstadts Alles gefallen lassen und wie würde man jenseits über die Her.en v. Beust, v. d. Psordten und Dalwigk herfallen, wenn diese ernstliche Abhilfe gegen die viel- fachen Verleumdungen verlangten, mit denen sie von einer Presse überschüttet werden, die sich nicht getraut, die eigne Regierung zu kriüsiren Es ist die alte Geschichte von dem Splitter in dem Auge des Nächsten und dem Balken im eignen Auge! Wir set.en daher der Antwort unserer Regier ung auf die großmächtigin Noten in der Zuve sicht entgegen, daß düse unsre Freiheiten schützen und nach Wün und Berlin erklären werde, sie habe über die Verwaltung ihres Land » nur nach zwei Seiten Rechenschaft zu geben: dem König-, und der sächsischen Landes Vertretung*). Ein solcher Mann, der sich ohne Weiteres die schreiendste Einmischungen in andere Staaten erlaubte, der namentlich gegen Schwächere rücksichtslos vorging, war der vorige Woche verstorbene Lord Prlmeiston. Schon bei Lebzeiten hieß er Lord Feuerbrand, man meinte damit, daß eS ihm nicht da rauf ankam. die halbe W.lt anzuzünden, um seinen Kopf durch zusetzen. Bei so öffentlichen Characterei, we er war, gilt das „De Llortnis", d. h. über tie Tobten nur Gute- zu sprechen, nicht so ausschließlich, wie bei Privatprrsonen. Man erinnert sich also daran, wie er das kleine Griechenland de- müthigte, aber vor Rußland und Napoleon bescheiden zurück- wtch und unvergessen wird es dem deutschen Volke bleiben, daß Palmerston es war, der das London« Protokoll zu Stande brachte, der vor Kurzem auf der 2. Londoner Confe- renz es drm Abgesandten des Bundes, Herrn v. Beust durch diplomatische Unhöflichkeiten entgelten ließ, daß dieser, getra- gen vom Gtsammtwilleir des deutschen Volke-, das Londoner Protokoll für immer zerriß (uosür dieser freilich mit dem Vertrauen der englischen Königin beehrt wurde), unvergessen wird es uns bleiben, daß er dem meineidigen Dänemark den *) Inden, wir bieg nirdcrschrcibcn fällt uns die neueste Nr. der Ä.-Z. in ine Hand, worin wir Folgendes finden: Die Drohnoten sind von beiden Gesandten der Großmächte gleichzeitig am Sonnabend vor acht Tagen an das sächsische Ministerin»« de« Neuster» abgegeben. Staatsminislcr von Beust hat crwicdcrt, dast Beschwerden dieser Art gegen eine Bundesregierung nicht durch drohende Erklärungen der (Ziiizelregicrungcn zum Austrag gebracht werden dürslcn, sondern bei«» Bundestag anzubringen seien. Was die Beschwerde über die sächsische Presse beträfe, so müsse er fragen, ob damit gemeint sei, dast durch die Staalsaiiivaltschaslcn eine Verfolgung g «visser Blätter eintretcn tolle, ein anderer als legaler Weg sei in Sachsen nicht statthaft. Im Uebrigen könne er sein Erstaunen nicht unierdrücken, von dieser Seite gegen die Presse der kleineren Staate», vorzüglich Sachsens, derartige Beschwerden vorgebracht zu sehen, während die österreichische Presse sich täglich den heftigsten Ergüssen über die Ohnmacht und Unzuver lässigkeit der Mitkelstaaten hingebe, und i» Preufun nicht blos die un abhängigen, sonder» auch die ojfiziö cn Blätter die Regierung n der Mttletstaaleii und insbesondere die sächsische »>il jeder Art von Spott und Niigliinps in wahrhaft beispielloser Weise überschütteten. —