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Me. W». Lehnt« Jahr«. Montag, 16. Oktober 1865. c-rscheivt: rr»iuh MH 7 Uhr. Inserate Werden angenommen: »t»Sbend»S,E»nn- t»S» bi, Mittag» 1L vhrr Marirnstraße 1». No »«ig. in dies Blatt,, ha, letzt tn is««,v Erunplarru erscheint, ßnd«» rin, erfolgreich» Berbreitung. Tageblatt für Unterhaltung uud Geschäftsverkehr. Abonnement: «terreljährlich 20 N/.r bet nuentgeldlicherLi«- srrung iu'« Hau». Durch die KSnigl Pof dieneljährlich 22 Ngr Einzelne Nummerv 1 Ngr. Mitredacteur: Theodor Drodisch. Inseratenpreise: Für den Raum ein« gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Tingae laadt" dir Zeil« 2 -rgr. Druck und Uigruthum brr HrranSgrber: Llepslh 6l Vlelthardt. — Leraniworiltcher Redacteur: IllllUS Neilhardt. D»e«d««» den 16. Oktober« — Der AniontPlatz, auf welchen der Grün- und Ge- «üsemarkt verlegt werden soll, bükt jetzt ein Bild der Zer störung. Die Bäume und Stiäucher, die Bänke, die Geländer, Alle» wird ausgerissen und Schutt angesahren, den Boden zu erhöhen Eingrschlagene Stangen und Pflöck« lasten vermuthen, daß Bäume dorthin gepflanzt werden, vielleicht zur Einrichtung von Marltreihen. — DiaconuS Böttcher in Reichenbach ist als Pfarrer nach Dannenberg im Erzgebirge versetzt worden — Als etwas Nues und Originelles erscheint ein auf dem alten N ustädter Kirchhof errichteter Grabstein, welcher auf der Stirnseite die ziemlich große Photographie des unter den Ste n Gebetteten zeigt. Der Entwurf und die Zeichnung dieses Denkmal» ist vom Mechaniker Gärtner, die Ausführung geschah in Stein durch den Bildhauer Geißler. — In der hüsizen Koch L-Hranstalt deS Herrn Wels find bis j<tzt bereits 1000 Koch^chülerinnen angcmeldet und in diesem zur Erhaltung de- Leibes so wichtigen Fache auS- gebildtt worden, ohne diejenigen Elevinnen, welche Unterricht in Privatcursen erhielten. — Der Herr Gardestabstrompeter Fr. Wagner unter nimmt eine Kunftreise nach Süddeurschland. — DeS Oesterreichers Antwort. In der bekann ten Restauraüon von Atzing zu L-ipzig, wo besonders viel Ofsiciere verkehren, saß neulich auch ein preußischer Major an dem Tisch, an welchem später ein mit mehrern Orden ge schmückter österreichischer Hauptmann Platz ergriff. Im Laufe de» Gespräches blickt der preußische Major nach den OrdenS- decorationen der Hauptmannes, erblickt auf der Brust die Düppel-Medaille und sagt: H rr Hauptmann, da haben Sie ja auch den , Omnibus." (Kür Alle.) Der joviale Oester- reicher sagt: Das nennen Sie Omnibus? Bei uns in Ocher- reich heißt diese Medaille das „Mesalliance-Blech." <Mißheira>h, Mißvnbindung zwischen Personen.) — Zum Achen der Abgebrannten in Gottleuba, welche der Hilfe so s.hr bedürfen, beabsichtigt der hiesige allgemeine Eängerverein (welchem l0 Gesangvereine: Liedertafel, Or pheus rc. angehö en) und der Chorgesangverein nächsten Sonn tag Abends 7 Uhr in der festlich erleuchteten Frauenkirche «ine geistliche Mvsikaufsührung, wobei musikalische Cclebriiäten hiesigen Orts die Conzertgeber zu unterstützen freundlichst zugesagt haben. — Auf dem Kohltnweike Klätzer und Compagnie in Bockwa wurde am 12. d. Mts. früh d« 32 Jahre alte Berg arbeiter und Soldat Wutzler ous Niederkrinitz von einer un- vonnuthet hereingebrochenrn Kohünmaste getroffen und sofort «schlagen — Der tolle Hund, der die strengen Polizeimaßregeln veranlaßt hat, war «>n Thier klein rer Nace, Pmtsch Bastard Leider soll taff ibe auch Menschen geb ffen haben. Es wurde in die Thürarzne'schule abgelie ert, wo man eS, natürlich sorgsam verwahrt, fortleben ließ, um es zu beobachten. Man vermuthet, daß das nunmehr verendite Thier wohl von einem jener Hunde verletzt s in mag, die vor einigen Wochen in Meißen von einem tollgewordenen Kameraden ged ist n sein mögen. — Heut Abend beginnen die Borträge im „natur wissenschaftlichen EhcluS", welche, wie in den vorher gehenden Wintersemestern, Montag- und Freitags Abends im Hörsaale des Zwingers gehalten werden. Das diesmalige Programm ist wieder sehr reichhaltig; «S umfaßt Belehrungen über die Thärigkeit der Sinne deS Menschen (Fühlen, Sehen, Hören), über dir Krankenpflege in dir Familie, über die Stel lung deS Menschen zu de-. Ansprüchen der N«tur und den Forderungrn der R-chtS-Gesetze, über Astronomie, Botanik, Chemie, Geologie und Zoologie, über Naturphilosophie und Literaturgeschichte. — Der heurige Vortrag betrifft den „Aa lender", der sich in jeder Familie als treuer Rathgeber be- findet, an dem die Astronomen mehr al« 2000 Jahre mit Mühe und Anstrengung gearbeitet haben, ehe derselbe zu der Vollkommenheit gelangte, in welcher wir ihn j.tzt besitzen. ES dürste wohl dieser Gegenstand von allgemeinem Interesse sein, da er tief in das bürgerliche und kirchliche Leben eingreift, und wir machen daher auf diesen Vortrag aufmerksam und die- um so mehr, da der Voltragende kukanntlich mit beson der« Klarheit astronomische Gegenstände mitzuthriün versteht. — Ueb« den Mord, welcher am 13. d. M. Abends in HinlergerSdorf bei Tharand verübt worden ist, erfahren wir Folgend«-: Die Ermordete ist die noch nicht 30 Jahre alle Ehefrau de- HolzhändlerS Mangelsdorf daselbst. Während Letzterer an dem bezeichnet«», Abend geg<n 9 Uhr in ein be nachbartes, eine halbe Stunde von Hinlergcrstors entferntes Dorf gegangen, um sich bezüglich einer in den nächsten Togen abzuhaltenden Holzauktion de- Näheren zu unterrichten, hat „Kch seine Ehefrau mü ihrem 7 Jahre alten Knaben in die eine Tr-ppe hoch befindliche Schlaskammer zur Ruhe gelegt Gegen 11 Uhr kehrt d« Ehemann in seine Behausung zurück und findet, wie nie vorher, die Schlaskammer von innen ver riegelt. Trotz wiederholtem Klopsen an die Thüre v »mag er dir Frau nicht zu wecken, nur die Stimme des inzwischen wach gewordenen Kinde- k ört er, wie dasselbe: „Mutter, Mutte,!" ruft. Aber vrg.benS, die Mutier hört dir Stimme ihres Kmdes nicht mehr. — das Kind hatte keine Mutter m hr. Da, von lösen Ahnungen erfüllt, holt der Ehemann einen in dem Hause mitwohnenden Handarbeit« herauf und in Grmeinscha't mit diesem wird die verriegelte Schlasstubenthür-- unter Anwen düng einer Hacke aufgesprengt. Welcher AnbUckl Die junge Frau liegt mit zerschmettertem Kopf und halbduichhaurnem Hals in dem Beit, die Eommode ist gewaltsam «brechen und aus derselben die Vaarschast von ciica 800 Thlrn. gestohlen. Das in ders lbea Kamm« schlafende 7jährige Kind hat zu siinem Glücke nicht Zeu?e der grauenvollen That s<in s llen; ein gut« Engel hat ihm seinen Schlummer wählend der Ausführung derselben bewehrt; wäre es nlrachr, der Ver brecher würde sich nicht gescheut haben, um jede Zeuger schaft seiner blutigen That zu vertilgen, auch diese« junge Leben hinzuopfern. Hoffen wir, daß es der wachsamen Thätigkeit der Behörde gelingen werde, den Schlei«, in den dies.s V r- brecheu sich hüllt, zu lüften und den durch düse neue blutige That beunruhigten Gemüthern die Grnugthuung zu gewähren, die ihnen bei der Großenhain« Mordthat b s jetzt leider ver sagt geblieben ist. Allgemeine Betrachtung. " Die Reise des Grasen Bismarck nach Biarntz, die drei Unterhaltungen die er mit Nopoleon Haie, die „ehrenvolle und herzliche Aufnahme", die rr laut s inen in Berliner Blättern veröffentlichten B richten beim Kaiser gefunden, ver anlaßt einige H ißsporne d e Lösung der schlrswig-holsteinschen Flage und die Annectirung d.r deutschen Mittelstaaten in bester Form schon abgemacht zu erblicken. Uns b,weist sie vor der Hand weiter nicht», als daß das Serfpflast r, das lie bekannten D peschen Frankreichs und Englands enthielten, Blasen g'zogrn hat und daß da- Berliner Cabinet vor der Hand das dringende Betürfniß ha«, sich in ein besseres Vcr- hälrniß ,u Frankreich zu setzen Wir wollen auch nicht gleich er! ärtrn Vaterlandkverrath wittern, eingedenk der preußischen Königswortes, daß kein Fuß breit drut cher Erde an F,a> k erch abgetreten werden soll, wir nehmen nur davon Act. ratz jeder Staat, der drp omatische Vertreier b t, sich einem Verkehr mit Frankreich gar nicht entziehen kann. Wir wissen zwar, wenn e n Mittelstaatlicher M nister, Herr v d. Pfoidten od« He« v B ust so eine ungewöhnl che Reise nach PrriS unternehm n, daß und wo man sich bekreuzigen würde vor so schwarrrn Gedanken an Hochverrath, während j tzt, wo d« Mm ster Preußens gehe-mn'ßvolle Unterredungen mit dem sran ösischen SraatsoberHaupt hat, Wie lautrt da der Ausspruch AnnexanderS? Ja Bauer, das ist ganz waS anders Aber wie gesagt, rhe nicht bündigere Beweise vorliegen, fürchten wir noch nicht, was so vielfach behauptet wi d, daß Preußen, um Schleswig Holstein zu schlucken, in eine Theilung Belgiens oder eine Abtretung seines linken RheinuferS willig n werde. Vollends abgeschmackt ist eS aber, wenn man Frank reich zutraut, daß es Preußen erlauben werde, die deutschen Mittelstaaten zu annectiren. Haben möchte man uns wohl gern, das glauben wir, aber, ob wir wollen, fragt sich. Zwar versichern offiziöse Blätter, wie der Berliner Publrcrst, Sachsen wäre reif, es harrte nur noch d« Schnitter. Ja Wohl, so weit sind wir in unsrer politischen Entwicklung g>- reist, um uns nicht unsrer Selbstständigkeit zu begeben. Eine solche Gesinnung ist freilich in den Augen des Pablicisten der reine Undank. Haben nicht preuß sche Bajonnete, fragt e, 1819 dem König Anton den Weg vom Kö igstein nach Dres den frei gemacht? Dem König Anton? So viel wir wissen, starb Anton der Gütige bereits 1836 Und wo waren denn damals die sächsischen Truppen? Die hatten in Schleswig die Dänen zu schlagen. Nein, deshalb werden wir nicht j.tzt zu Allem Ja und Amen sagen, was gegen das Recht geschieht. Darin sind. Golt sei Dank, in Deutschland alle Patrioten ri'.na. daß jetzt erst recht, der Rechtsstandpunkt gewahrt werden w.r.^ :. '?"N-Ntl ch bietet unser Sachsen das erfreuliche B ld einer Rc^i «mr. die sich in dies« Frage völlig eins mit ihrem Volke w,-^. Diese Eintracht ist allein unsere Stärke. Wo wäre sonst Hilfe? Bei den auswärtigen Mächten? Vielleicht bei Rußland, wie man unserem Minist« nachsogi.? ES war ja schon eine bodenlose Jntriguenpolitik der Mittelstark;!, als sich zufällig fand, daß England und Frankreich gerad. so urtbeilten, wie wir. Bei Ocherreich? Allerdings ist u-ser Kronprinz jetzt in Ischl beim Kais« und er gilt, wie man sich gemeinhin aus- drückt, etwas bei ihm, aber wir fürchten, daß Oesterreich uns zwar vor dem Schlimmsten bewahren, aber doch nicht so en«. gisch helfen wird, wie eS zu wünschen wäre. Od« sollen wie Hilfe erwarten vom preußischen Volke? Ha, ha ha — wer lacht da? — UnS selbst müssen wir vertrauen, müssen uns unserer historischen Sendpng bewußt werden, dem 9!echte Vertreter, den Verfassungen Bewahrer, dn Freiheit Beschir mer zu sein. Es kann unmöglich die Bestimmung der deut schen Volksstämme sein, in einem Lande aufzugehen, dem sie an Macht, Kraft, Begabung und Intelligenz nicht nachstehen, dem sie an PatrioiismuS mindestens gleichkommen, das sie ab« an R.ch ssinn und Freiheitsliebe weit überflügeln. Die Deutschen in Oesterreich können unS nur wenig hel fen, sie sind bei dem Solo. daS die Ungarn j tzt spielen, in den Scat gelegt. Ohne Schuld sind sie nicht, daß jetzt der magyarische Volksstamm auf die Entwicklung Oesterreich« einen vül mächtiger» Einfluß auSübt, als sie. Der Wien« RrichS- rath. in welchem die Deutschen die erste Rolle spielten, hat im Ganzen wenig politische Weisheit, Fernsicht und Takt be wiesen. Mit aller Energie hat er alle Acste abgesägt, auf denen er saß. er half flinen natürlichen Vertreter, das Mi nisterium Schmerling, stürzen. Jetzt können die Deputaten sagen: Den Bösen find wir loS, die Bösen find geb sieben Sie sühen ohne Programm, ohne Führer, ohne Mittel da, sie wissen nicht WaS sie wollen. Das einzige, was sie Alle thun, ist, daß sie gleich dem Lombardierkäfer, der, sonst ein gutartiges Thicrchen, nur dann, wenn « gespießt wird, mit lärm'nden Tönen auf seinen Feind eine übelriechende ätzende Flüssigkeit spritzt, die ganze Lauge ihre» Spotles auf die Be- sirebun en der Ungarn gießen und hohle Phrasen üb« die heillose Verwirrung, welche in Oesterreich herrscht, loslaffrn. Und doch stellt sichs immer klar« heraus, daß die, Sistirung" der Februar-Verfassung das einzige Mittel war, um Oester reich zu ein« etwas besseren Finanzvnwaltung und Macht stellung zu verhelfen. Von dem politischen Scharfblick d« Ungarn hängt jetzt die Zukunft Oesterreichs ab; verweigern sie t»e Mittel zu e>n« gemeinsamen Reichsvertretung, so hat der Kais« umsonst die Reichsverfassung ststirt. Opfern sie aber von ihren Recht n und treten sie dieselben ab zum B.stcn eine- gemeinsamen Oesterreichs, rücht blos eine- großen Ungarns, so kann sich Oestnrrich bei seinen großen Hilfsmitteln wunder bar kräftigen. Einen guten Anfang macht es, daß der neue Handelsminister v. Wüllnstorf-UrbaiS das Prinzip deS Schutz zolls mit dlm trs Freihandels vertauschen will. Doch ist mit der Handelsfreiheit noch lange nicht Alles gethan, der Krebs schaden Oesterreichs wird nicht gehoben, solange das Coneor- dat in Kraft bleibt. Zwar ist sein Schöps«, Freiherr v. Bach aus Rom abberufen Worten, doch soll damit noch kein Syst mwechscl ausgesprochen sein. Und doch zeigt die neueste Mocuiion deS Papstes gegen die Freimaurer, wie dringend nothwendig es ist, daß in Rom auch die gesunde Vernunft rtwas vertreten s-.i. Die Jesuiten haben den Papst veranlaßt, gegrn ihre Erzfeinde, die Freimaurer, einen Blitz zu schleud«n. Leider zünden derartige Bannflüche nicht mehr, es sind Thea» te blitze. Man sieht aber bieraus, daß Rom nichts gelernt und nichts vergessen hat. Die Jesuiten, die den Papst be herrschen, haben eS den Freimaurern nicht vergessen, daß die milden allgemein menschlichen Grundsätze, die sic predigen, die Unterjochung des menschlichen Geistes verhindern; sie haben es aber auch nicht gelernt, daß gegen Geister nicht mit leib lichen Waffen zu kämpfen ist. Diese Verfluchung des Ordens hat weiter keinen Erfolg, al» den Stein, auf welchem die Kirche Petri erbaut ist, imm«mehr zu untergraben. * Zur VolkSschul-Frage. Wie erhaben dünken sich so manche Klein- und Großstaatcn Deutschlands, wenn von Rußlands Cultur die Rede ist, und wie geringschätzig sehen sie auf alle Zustände dieses Landes herab. „Welche Cultur lönnte aber wichtiger sein, als diejcmae, wäche man unter dem Namen Geistesbildung begreift? Sehen Iwir nun einmal zu, wie Rußland seine Lehrer, die die Geistescultur zu bewerk stellig«, haben, bereits gestellt hat: „Nach dem neuen Schul- ges.tze Rußlands haben die Lehr« die Rechte der Staatsdien« — erhallen eine gründliche Bildung in StaatSanstalten — werden nach zwölfjähriger Dienstzeit zu persönlichen Ehren bürgern erhoben — und find frei von der Rekrutirung und allen öffentlichen Lasten und Abgaben. Sie erhalten nach zwanz aiährigcr Dienstzeit und guten Leistungen das erbliche Ehr.nbürqcrrecht — haben alle auf das Recht brr Pension«» ung re. Anspruch. Sie werden scbr gut besoldet und nur von Fachmännern beaufsichtigt." Wie viel bleibt dagegen in tun erwähnten Staaten Deutschlands zu wünschen übrig, in denen man eine gründliche Volkcbileung ga: nicht haben will?