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Nr. LSS. Zehnter Jahr«. Sonnabend, LS. Tevt. 1865. Erscheint: «glich fttth 7 Uhr. Inserate »erden «mgcnommenr ltteAVrnds 8,Soun« rag» bi» Mittags 1L Uhr: Marienstra-e 13. i Mrzetg in dies Blatte, Na» letzt n IS««« Exemplar«» rrschetut» Duden eine rrsolgreich, Lerbreituug. Tageblatt für Unterhaltung nnd Geschaftsverlchr. Mitredacteur: Theodor Drobisch. Abonnement: «tetteljLhrlich 20 N« btt «nentgeldlicherÄ^ firnng in'» Hau». Durch die KSnigl Pos vierteljährlich 22 Rgr Einzelne Nummer» 1 Ngr. Inseratenpreise: Kür den Raum rin«» gespaltenen Zeile: t Ngr. Unter „Eiuge-s sanbt" dir Aetl» 2 dtgr. Dmck und Nigenthum der Herausgeber: Http sch hr Nelchardt. — Berar-worllicher Redacteur: IviiUS ltttlchürdt« Dresden, de» 23. September. — 8e. Majestät der König hat genehmi t, daß der Polizei-Director Schwauß in Dresden das ihm von Er. Majestät dem Kaiser von Oesterreich verliehene Comthur- kreuz vom FranzJoseph-Ordrn und das von Sr. Majestät dem Kaiser von Rußland ihm verliehene Ritterkreuz 2. Classe drS St. Annen ord ns annehme und trage. — Gestern Mittag hatte eine Deputation dK Central- ComitreS der Cigarrenarbeiter, brstehend aus den Herren Fritzsche aus Leipzig. Richter und Weinhold von hier, eine Audienz bei Herrn StaatSministrr von Brust, in welcher dem, selben eine Petition um Aushebung der Cigarrenfabrikation in den Strafanstalten nebst einer Denkschrift des Central-Co- miteeS übergeben wurde. Der Herr Minister nahm die Depu tation sehr freundlich auf und sicherte auf das Bündigste zu, daß diese wichtige Angelegenheit reiflich erörtert werden sollte, wobei er noch erwähnte, daß man die Einführung der Ci garrenfabrikation in den Strafanstalten Anfangs als einen großen Fortschritt gepriesen habe, daß in England, was übri gens nicht in allen Dingen mustergültig sei, in manchen Strafanstalten nichts als Kleidermacherei oder sonst rin ande res Gewerbe getrieien werde und daß man dort die angedeu- teten Mängel und bösen Folgen noch nicht bemerkt habe — Die mit überreichte Denkschrift enthält einen Ausruf an die Cigarrenarbeiter, in welchem Herr R chter seine Vorstandschast dem Central-Comitee in Leipzig übergiebt, und einen zweiten Aufruf, in welchim das Ccntral-Comitre die Einberufung ei nes allgemeinen CigarrrnarbeitrrtageS in Leipzig zum 15. Oktober d. I auSschrribt. — Bezüglich des zum gestrigen Referate über die letzte Stadtverordnetensitzung gehörigen vom Stadtv. Ilr. St übel erstatteten Bortrag» über neue Schulbauten geht un» folgen des Nähere zu: Bereits vor iz Jahren legte der Stadtrath den Plan vor, auf dem der Ehrlichschrn Stiftung geböri Garten an der Stiftsstraße, unmittelbar neben dem Bersorg- <Armen-) Hause eine Schule zu erbauen. Die Stadtverord neten erklärten in der Voraussetzung, daß rin anderer geeig neter Schulbauplatz in der Wilsdruffer Vorstadt nicht zu finden sei, sich geneigt, auf diesen Plan einzugehen, ersuchten aber den Stadtrath, vor allen durch Berichterstattung an die Vorgesetzte Oberaufsichtsbehörde der Stiftung sich zu verge wissern. ob und unter welchen Bedingungen da» Stiftungs grundstück der StLdtgemeinde überlaffen werden solle. Zu- gleich machten die Stadtverordneten darauf aufmerksam, daß rhreS Erachtens zunächst die Erbauung einer Bezirksschule in der Pirnaischen Vorstadt Roth thue und bewilligten nach er. langten, Einverständniß des Stadtraths die hierzu erforder lichen Mittel. Der Stadtrath hat jedoch nunmehr auch seinen früheren Schulbauplan an der Stistsstraße wieder ausgenom men und die Mittheilung revidirter Pläne und Kostenanschläge für den Bau dm Stadtverordneten in Aussicht gepellt, ob wohl Verhandlungen wegen Ueberlafsung drS dazu erforder lichen Stiftungrar eals von ihm noch gar nicht ein-eleitet sind. In Folge dessen soll nach dem Beschlüsse der Stadtverordneten der Stadtrath ersucht werden, zu Vermeidung der voraus, sichtlich schwierigen und jedenfalls zeitraubenden Verhandln», gm mit der OberauffichtSbehörde der Stiftung vor allen zu erörtern, ob nicht die Gemeinde selbst in der Wilsdruffer Dorstadt ein zum Schulbau geeignete» Areal besitze, wozu das an dm Garten des vormaligen Stadrkrankmhause» anstoßende, vor mehreren Jahren schon von der Stadt erkaufte vormal» Schönheit'sche Haus- und Gartengrundstück in Vorschlag ge bracht wurde, eventuell aber wegen Ankaufs de» Stiftung«' areal» an die Oberbrhörde Bericht zu erstatten, bevor die Baupläne festgestellt würdm. — Die am 21. d. dem Ca'vrttencorps überreichte neue gefiick:e Fahne ist in der Fabrik der Herren August Tirtz und Tobias (Tharandtrrstraße) gefertigt worden und sind, wie wir hören, noch zwei neue Militärfahnen daselbst in Arbeit, welche zum bevorstehenden Manöver abgeliefert werden sollen. — Das Modell der Sängrrhalle, welches bekanntlich längere Zeit öffentlich ausgestellt war, ist von der Direktion der königl. polytechnischen Schule angekauft worden und wird in dieser Lehranstalt aufbewahrt werden — Am 18. September erhing sich auf dem Dachboden eine» Hauses in Gruna bei Dresden der 30jährige Hand- «beiter I. E. Mohaupt, genannt Butter, au» Drausch- kotvitz, au» Lebensüberdruß, in Folge diffoluten Lebens wandel». — Mittwoch den 21. Septbr. Abend» 9 Uhr wurde im Saale de» Colosseum eine Hauptversammlung des hiesigen all- gemein« Arbeitervereins abgrhalten, welcher Herr Försterling präfidirte, dem Herr Cigarrmarbeiter Richter al» Etellver- rreler zur Sette stand. Zuerst erhielt Herr Fritzsche, Cigar- renarbeiter au» Leipzig, ein mit außergewöhnlich«, Redner- lalint begabter Mann, da» Wort, und führte au», daß durch die Agitation des allgemeinen Arbeitervereins der National- und der Fortschrittsverein überall geschlagen worden sti, so daß von keiner liberalen Partei mehr das allgemeine und direkte Wahlrecht als Ziel ihrer Agitation verleugnet werde. Zwar habe man in Stuttgart bei der Generalversammlung des ArbeiterbildungSvereins nur das direkte Wahlrecht zur Abstimmung gebracht, es sei aber durch eine Art Escamotage geschehen, daß man das allgemeine Wahlrecht davon ausge schlossen habe. Auch der jetzt einberufene Abgeordnrlentag in Frankfurt sei ein todtgeborcnes Kind, weil die Abgeordneten nicht aus direkten Wahlen herso:gegangen seien, daher das Volk und besonders die Arbeiter nicht hinter sich hätten, und schwerlich würde sich der König von Preußen entschließen, bei diesem Kinde als Kaiser von Deutschland Gevatter zu stehen. Der verstorbene Lassalle würde, körnte er abermals eine Rund reise machen, sagen, daß der allgemeine Arbeiterverein auf dem Wege des Sieges sei, denn der Nationalvrrein sei durch das Gefühl seiner Ohnmacht gesprengt, und die sociale Frage sei zur Anerkennung in der Politik gebracht worden. Diese Anerkennung muffe aber noch weiter und zwar dahin ausge dehnt w.rdrn, daß der Staat sich um die Verhältnisse der Arbeiter kümmere und intervmire. Der Staat müffe die Großproductivvereinr unterstützen, dadurch würde die Steuer kraft erhöht, der Unterricht könme dann so verbessert werden, daß auch der ärmste Knabe einige Rralclassen besuchen und hierdurch seine Leistung«kraft wieder erhöhen könne. Was die Art der Einrichtung solcher Associationen betreffe, so sei eS lächerlich, darnach zu fragen, das würden die Arbeiter schon selbst wissen. Die Frage, ob solche Productivgenofsenschaften Nutzen bringen würden, sei unbedingt zu bejahen, man dürfe nur z. B. die Staatsdomain eu den Arbeitern zur Selbflbr- wirthschaftung übergebin. so würden diese Güter, weil sie mit Liebe bearbeitet würden, einen höheren Ertrag geben, es wür den dadurch billigere Lebenkmittel erzeugt und bald die Mög lichkeit gegeben sein, Maschinen arrzufchäffen, die Arbeitskräfte überflüssig machten, welche dann der Industrie zu Gute kä men, und bald würde sich das Capital vermehren, so daß man mehr Boden kaufen und die Affcciationcn vergrößern könne. Es sei also nicht blos lächerlich, nein, es sei eine Schlechtig keit, wenn man den Arbeitern enlgegentret?. Dies werde sich aber von allein rächen. Eine neue Revolution sei vor der Thüre, die mißhandelten Irländer zeigten, was Energie und guter Wille zu Stande bringen könnten, diese hätten 200.000 Mann mit kriegserfahrenen Offirieren schon zur Revolution bereit, die endlich siegen müffe und werde, und zwar schon darum, weil die jetzige Bewegung auf der der- maligen Gesellschaft fortbeuen. und nicht wie Proudhon die Gesellschaft zerstören wolle. Zweck und Mittel des allgemeinen Arbeiter-Vereins sei und bleibe sittlich, er verlange nur allgemeine» und direktes Wahl, echt, das andere werde sich schon finden. Hieraus sprach Herr Nieha such gegen die Fortschrittsparthei, führte auch an, daß die Presse die Ar beiter zurücksetze und erwähnt fpeciell ein . Eingesandt" der Dresdner Nachrichten, in welcher zur Aufstellung von land wirthschastlichen Maschinen ausgefordect werbe, um der Un verschämtheit der Arbeiter zu begegnen, und so ein Landar beiter verdiene außer der Kost täglich nur 3 Ngr. Nachdem Herr Richter den Vorsitz übernommen, ergriff Herr Förster ling das Wort über das fehlerhafte der Arbeitseinstellun gen, die nichts nützt n, nur durch das veränderte Wahl- recht sei möglich Der Staat müffe helfen, die Cultur unterstützen und Credit gewähren, denn mit der soge nannten Selbsthilfe sei nichts zu machen. So wie es kapital- reichgeborrne und armg borene Menschen gebe, gebe eS auch geistig reiche und geistig arme, natürlich-geschickt und natürlich ungeschickt geborene Menschen, und wie käme z. B. so ein natürlich-ungeschickter Mensch, der vielleicht in der Jugend keine Schule habe besuchen können, dazu, sich sein ganzes Leben zu Plagen, und nicht auch des Lebens Freude einmal genießen, und für sein Alter etwas zurücklegen zu können. Nachdem Herr Riha noch einmal gesprochen, ergreift Herr Richter das Wort, um speciell nachzuweisen, daß die Consumvereine nur so lange etwas nützten, als cs noch nicht viele gebe, würden dieselben allgemein, würden sie den Arbeitslohn eher Herab drücken. — Es giebt Menschenkinder, welche sich das Buch: „Die Kunst, das Gedächtniß zu stärken" rechtzeitig anschafftn und die weisen Lehren einprägen sollten. So hatte sich ein hiesiger Handelsmann im Laus der Jahre ein kleines Vermögen er worben und solches theilS in Staatspapieren, theils in Doku menten angelegt, indem er Freunden und Verwandten zeit weilig mit einem Sümmchen au» der Noth geholfen. Vor einigen Lagen wird sein Stübchen geweißt, und weil da ein Maurer mit sein« Leuten im Quartier verkehrt, steckt der sorgsame Mann seine StaatSpapiere sammt Talons und Coupon» nebst Schuldverschreibungen in ein kleines Kästchen. Alles wird I vorsichtig in eine Kommode verschlossen, und als er nach Her» stellung des Stübchens seine Schätze sucht, find solche ver schwunden. Schrick in allen Gliedern, rennt er zur Polizei und setzt alle Hebel in Bewegung, um dem Dieb auf dir Spur zu komme». Nach einigen schlaflosen Nächten kramt er noch mals in der Kommode herum und findet Ken vermißten Schatz^ den er aus Vorsicht in ein ganz besonderes Kästchen gesteckt — Am 20. Abends in der 6 Stunde entsprangen «rü dem Zuchthause zu Waldheim mittelst Uebersteigens der Mauer die Züchtlinge Thomas aus Prösdorf und Höfer aus Hohen stein. Durch schnelle Nacheile gelang es dem dasigen Gen darm in Gemeinschaft mit einer Militärpatrouille, Elfteren « egen 7 Uhr und Letzteren gegen 9 Uhr (auf einem Baume sitzend) im Walde bei Gebersbach wieder festzunehmen. Tho mas führte bereits einen Säbel und ein seingeschliffen«- Dolchmeffer und Höfer eine große Scheere und einen Hammer bei sich. — Vorgestern in der siebenten Morgenstunde wurde m der Nähe der kleinen Ziegelgasse ein Jndustr irritier aufgesan- gen, welcher in dem am E bberge gelegenen Gasthvfe zum „Bär" übernachtet, in aller Morgenfrühe sich aber ohne Zech» zahlung gedrückt und auch noch einem Stubennachbar meh rere Wrrthgegrnstände entwendet hatte, die er in einem Päck chen unterm Arme trug. Um sich leise von dannen zu schlei chen, hatte er die Schuhe ausgezogen und sich buchstäblich auf die Socken gemacht. Der Dieb soll dem Vernehmen nach dm seltenen Namen Müller führen. — Oeffentlichr Gerichtsverhandlung vom 22. September Eigentlich fanden heut fünf Einspruchsver handlungen statt, von denen aber eine vom schwarzen Brett schon früh verschwunden war In der ersten Sache handelt es sich bloS um Ehebruch, dessen die CH istophine Bertha Voigt beschuldigt ist. Der Prozeß kam auch heut noch nicht zu Ende, eS trat wegen noch vorzunehmender polizeilicher Re cherchen eine Vertagung rin. — Der Semmisfionär Carl Ro bert Hermann Puff und der Masermeifier Friedrich Eduard Damm zu Dresden sind der vollendeten, beziehendlich der ver» suchten Bestechung angrklagt. Puff hat sich mit seinem Urtel zufrieden gegeben und keine Berufung eingelegt, wchl aber der Glasermeister, denn er war zu 3 Thlr. Geldstrafe ver- urtheilt. ES dreht sich hier um eine W chselhast, die Damm antreten sollte. Als der Wechseldiener kam, bat ihn Damm, er möge ihn doch noch ein Paar Stunden im Geschäft lasten, und dabei soll er ihm Geld arigebotei» haben D. S sah der Diener deS Gerichts pflichtmähigst als Bestechung an und denuncirte len Glaser deshalb, worauf obige Bestrafung er folgte, gegen welche Letzterer heute Einspruch erhebt. Damm widerstreitet die Anklage. Er sagt, es sei möglich, daß er die Hand dem Diener gereicht, ja eS sei möglich, daß zufällig Geld darin gewesen sei, denn er habe sie eben erst au» der Tasche gezogen. Am Urtel wurde heute nicht» geändert. — Der Schloflermeiper Carl Wilhelm August Schimpf iu Zschie- ren hat die verwittwete Frau Schlossermeister Wilhelmine Ernestine Haag, früher in Blasrwitz, jetzt in Dresden wohn haft, wegen Beleidigung verklagt Der Richter erste Instanz sprach die Beklagte straffrei, wogegen der Kläger Einspruch erhob, er will durchaus die Haag bestraft wissen Die Haag wohnte, als ihr Mann noch lebte, in Loscht« tz in der Nähe deS Burgberge-. Eie wurde, kaum 25 Jahr alt, Wittwe, und bald fanden sich Wüter Freier rin. Der Sch osser Carl Wilhelm August Schimpf wellte zuerst als Werk^ührrr bei ihr eintreten und dann sehm, „wie sich die Sache mache, vielleicht würde eine Heirath daraus" u. s w. Auf die Werkführerei ging die junge Wittwe vorläufig ein. war aber dochIschr vorsichtig dabei. Sie fuhr eines Tag«S nach Pirna» um Erkundigungen nach ihrem zukünftigen Werkführer und vielleicht einstigen Gatten einzuziehen; denn er wollte schoa in acht Tagen anrücken. In einer dortigen Restauraüou saß an einem Biertische ein ihr unbekannter Mann. Den fragte sie, ob er „Herrn Schimpf, den Schloffermeister" kenne? — „Na" — meinte der Unbekannte — „ja, den kenne ich. Seine Frau ist aus Hamburg, von der lieh er sich aber scheiden und dann verstarb sie. Als er einmal nicht zu Hause war, ver kaufte die Frau Alles und ging mit ihrem Kinde zu ihrer Mutter!" u s. w. Sie fuhr nun heim und schrieb einen Brief an den Schloffermeist«r Schimpf, worin sie demselben erklärte, daß sie über fern Betragen Erkundigungen eingezogen und nichrS LobenswrrtheS gehört. Sie habe daher nicht Lust, ich um das W nige, was sie noch besitze, bringcn zu lassen. Das war die Beleidigung, die sich der Schlosser in Zschirrrn nicht «»fallen lassen wollte Später richttte die Haag noch zwei Briefe an den Schimpf, in welchen sie ihn um Ver» eihung bat der geschehenen schriftlichen Beleidigung weg« und erklärt, eS wäre ihr weit lieber gewesen, wenn sie nur Gutes von ihm hätte hör« können. Drr Richter zweiter Instanz konnte aber auch heut keine Bestrafung g«g« di»