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Nr. 28V. Zehnter Jahrq. Sonntag, 17. Sevt. 1888. Erscheint: «glich früh 7 Uhr. Anserate »erden angenommen: »t» NbendS S,Sonn tag» bis Mittag» ir Uhr: Marienstraße 18. Uiljrtg in dies Blatt«, »» jetzt ia tl,»«» Exemplaren erscheint, ßudeu »ine erfolgreich« Verbreitung Monnement'. Bleneljährlich 2<»Rgr: bei unentgeldlicher Lr-> ferung in'« Hans. Durch di« Königl. Pos vierteljährlich 22 Rgr Sinzel-n« Nummer» 1 Ngr Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mltredacteur: Theodor Drobisch. Inseratenpreise: giir den Raum ein« gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Einge sandt" dir Zeit, L Ngr. Druck »nd Etgruthum der Herausgeber: Eiepslh 8k Netlhardt. — Verantwortlicher Redacteur: Julius Nelchordt« Dresden, de» 17. September. — I. K H. die Frau Kronprinzessin ist vorgestern Abend 11 Uhr von Baden-Baden hier eingetroffen und hat Sich auf die Villa bei Strehlen begeben. — ES ist ein erfreuliches Zeichen fortschreitender Cultur, nicht allein in großen Städten mit Anlegung von Badean stalten zu GesundheitS- und Heilzwecken vielfach vorzugehen, auch die Provinz strebt dem Beispiele nach und sucht ihren Bewohnern diese wohlthätigen Anstalten näher zu rücken. So wird nächstens in der reiz nd im Muldenthale gelegenen Stadt Leißnig das Bad Mildenstein eröffnet werden. Die Natur schönheit der Lage, welche Se. Maj. den König wiederhol; dort Aufenthalt nehmen lieh, ist ganz für ein derartiges Etablis sement geeignet. Dasselbe vereinigt ein nach den neuesten Er fahrungen gut eingerichtetes irisch römisches Bad mit Kiefer nad.l', Dampf-, warmen Sand- und sonstigen Kurbädern, ein klimatischer Luftsalon ist angeb gt zur Erzeugung südlicher Klima's, auch für Brustkranke die erforderliche Milch- und Molkenkur ermöglicht. Anstaltsarzt ist der dortige Bezirksarzt vr. Klinger. . — Herr Stabstrompeter Böhme wird heute vorm Aus rücken ins Cantonnement mit seinem Chor da« letzte Concert im großen Garten abhalten. Das gewählte Programm, dessen Soli von Hrn. Böhme auf einer silbernen Posaune geblasen werden, enthält auch einige der beliebten Piecen für Dienst trompeten. — Die Wacht am — Bahnhofe. War auch der Haupt, halt dieser kleinen Episode pur ein vierbeiniger, ein Hund, so verdient er doch einige Würdigung in Bezug auf seine seltene Treue. Ein hiesiger Schneidermeist-r mußte vorgestern eine Reise nach Leipzig «»treten, die ihn länger aufhielt, als er glaubte. Trotz alles ZurückwrisenS war sein Hund mit nach dem Bahnhof gelaust n. Er wollte der unnützen Reisespesen wegen das Thier nicht mitnehmen und wies ihn, als er in den Waggon stieg, von Perron fort. Der Hund schlich traurig und langsam fort, legte sich ruhig vor das Portal und als am andern Tage, also noch mehr als 21 Stunden der Meister zurückkehrte, war der Hund der erste» der ihn wieder auf dem Perron mit lustigen Sprüngen begrüßte; denn er hatte die ganze Zeit unter freien Himmel und ohne Futter am Bahn hofe auf seinen H:rrn gewartet und gewiß jeden heranpfeifen den Zug gemustert und darin sein n Herrn erwartet. Zwei Würste waren der sofortige, einstweilige Lohn für die gedul dige Treue — was braucht ein Hundeherz auch mehr ! — Wenn der Berichterstatter über das Leichenbegängniß Käuffer's (in Nr. 213 der ,.C nst. Zig.") dabei einen Ver treter irr katholischen Kirche vermißt.-, so ist derselbe nicht recht aufmerksam gewesen, denn im Traucrzuge befand sich Herr Hospr.di er und Domherr ?. Heine, der vom königl. Hoflager in Pillnitz zur Stadt gekommen war, um dem Ver ewigten die letzten Ehren zu erweisen. —8. Eine seltene Festlichkeit wird nächsten Dienstag auf Nesmüller'S Theater stattfinden; an diesem Tage feiert nämlich der Schwiegervater des Direktor NeSmüller, der greise Herr von Leuchert, einer der wenigen noch lebenden Lützow'- schen Jäger, als welcher er 3 Jahre für Deutschlands Ehre und Freiheit gekämpft, sein üOjähriges Jubiläum. Derselbe hat sich in diesem langen Zeitraum als ebenso wackerer Schau spieler als tüchtiger Thraterdirector bewährt, und wird ihm an diesem seinem Ehrentage das hiesige Publikum beweisen, daß, wenn auch „die Nachwelt dem Mimen keine Kränze sticht", doch die Gegenwart da« Verdienst zu würdigen weiß. Wir wünschen dem Jubilar, der an diesem Tage auftreten wird, ein volles Haus. — In dem gestrigen Referate über die letzte Stadtver ordneten-Sitzung ist rin Jrrthum zu berichtigen. Stadtv. Walther hat nicht gesagt, daß das neue Justizgebäudr, „wie er authentisch wisse", auf dem Platze des früheren Klinikums erbaut werden solle. Er äußerte vielmehr, es sei gewiß, daß wegen diese» Neubaues ein Postulat an die nächste Stände- vrrsammlung gebracht werden solle; weniger gewiß, aber nicht unwahrscheinlich sei es, daß man für die neue polytechnische Schule einen anderen Bauplatz, als den früher ins Auge ge faßten Raum de» Klinikums wähle, und auf diesem hierzu ganz geeigneten Areale das neue Justizgebäude errichte In diesem Falle würde, selbst wenn die erforderliche Geldbewillig, ung noch vor dem Schluffe der Kammersesfion von 1867 er- folge, der Neubau immer nicht eher begonnen werden können, als bi- das Sntbindungsinstitut in dir für dasselbe in Friedrich, stadt zu errichtenden Gebäme übersiedeln könne. Ein mit dem k. Bezirksgericht auf nur sechs Jahre abzuschlirhender Con- iract sei daher in jedem Falle zu kurz u s. w. — Die Liedrrhalle des Echillrrschlößchen» war in den letzten Abenden sehr zahlreich besucht, so daß namentlich im Parten» kein Platz mehr zu haben war. Fräulein Mainone ist nicht blos eine reizende persönliche Erscheinung, sondern auch eine Sängerin, die ihre Schule genoffen Fräulein Merry giebt sich viel Mühe, nur ist ihre Stimme nicht durchgreifend genug, auch wählt sie nicht sehr anziehende Piecen zum Vor trage, findet aber ein ebenfalls dankbares Publikum Den Komikern Klemann und Weigelt ist deutlichere Aussprache und eine bessere Auswahl komischer Einlagen anzurathen. Die Herren Boldt und Carlen gefallen mit ihren sonoren Stim- men immer mehr. Auch ein Zitherspieler producirte sich neu- lich. Es stehen neue Engagements bevor und giebt sich Herr Keil alle Mühe, dem Publikum nur Gediegenes und Ange. nehme» zu bieten. — Wie die schützende Haud der Vorsehung oft über Kinder wacht, davon wird uns folgender Beweis mitgetheilt. Am Sonn ag Nachmittag findet ein dreijähriges Kind auf der Hauptstraße Gelegenheit, sich von seiner Wärterin zu trennen und läuft direct in die Pferde eines ihm entgegen kommenden Omni'us. Von den Pferden umgerissen, gehen dieselben über das Kind weg und nächst Gotte» Hülfe war es noch der Geschicklichkeit des betreffenden Omnibuskutschers, dcr die Pferde sofort zum Stehen brachte, zu danken, daß der Wagen nicht über daS Kind hinwegrollte. Nur 3-1 Zoll noch waren die Wagenräder vom Kopfe stes dcm Ted un fehlbar verfallen gewesenen Kindes entfernt. — In der Nacht vom Freitag zum Sonnabend ist auf dcm Königsbrückerplatz von drei Buben die Bude einer Obst frau auö Muthwillen demolirt werden. Glücklicherweise sind sie unmittelb«r nach der That verhaftet worden. — Man erzählt sich eine lustige Geschichte mit dem Tiiel „Ein Stündchen vor der Hochzeit" — die aber nicht in China passirt ist. Ein Pärchen auf der —straße wollte mit einander auf ewig durch'S Leben gehen Er liebte sie — sie liebte ihn, und das ist ja vorläufig genug. - Hur aber war's anders. Der Vater der Braut ist ein reicher Mann und hat offen er klärt: „So lange ich lebe, gebe ich nicht einen Pfennig her. Seht zu, wie ihr fortkommt. Ich hab's mit meiner Alten auch versuchen müssen, und nun gehet hin, wachset und mehret Euchl Pascholl!" Das war zwar derb und herb — aber kurz und bündig und sehr wahr. Der Bräutigam aber, bei dem Geld ein Hauptwort ist, das groß geschrieben wird, dachte anders Er ließ Alles ruhig seinen Gang gehen, weil er seines Sieges sich sicher glaubte. Der Tag der Hochz-it, ja die Stunde kam. Der Altar ist geschmückt, die Galawagcn stehen vor des Bräutchens Thür, die Braut selbst ist bereit, sich den „schönen, grünen Jungfernkranz" um das Haarpolster drücken zu lassen, und Ochsen aus Mastrich sind geschlachtet. Die Käsekäulchen schwitzten im Fett, die Gänse ächzien unter der Privatguillotine der zahnlückigen Köchin. Es schlug 2 Uhr — der Bräutigam kam nicht; — noch einmal griff der Thürmer an den Glockenstrang, es schlug 3 Uhr — der zweite Acteur im Hochzeitsdrama kam immer noch nicht. Da machte sich der Schwiegerpapa auf, stieg in einen der Hochzeitswagen und fuhr zum zukünftigen Schwiegersohn. Er trat ein und glaubte ihn gerade dabei zu treffen, den letzten Rest der Hochzeitstoilette zu vollenden. Gleich als er eintrat, sah er zwei Herren in Hemdärmeln am Tische sitzen und hörte, wie der Eine rief: „Vierzig in Schellen! Ich decke!" DaS war der Bräutigam, dcr ruhig mit einem Freunde „Sechsundsechzig" spielte. Wie ein Aar stürzte sich der Alte auf den Jungen und forderte ihn auf, sofort seine wartende Braut zum Altar zu führen. Der Bräutigam aber blieb kalt — wie ein Fisch, erinnerte aber den Alten daran, daß er nur dann den Frack anziehe, wenn er sofort 10,000 Thaler auszahlte. Dcr Alte schwitzte nun filbst wie ein Käiekäulchen, theils vor Wuth, theils aus Verlegenheit und mußte, nach einigen stillen Verwünschungen, den Wechsel, zahlbar schon am nächsten Tage, ausstellen Beide stiegen rin in den Wagen, die Hochzeit ging vor sich, die 10,000 Thaler wurden ausgezahlt und — es existirt ein nach moderner Art verheirathetes Ehepärchen mehr auf der Welt. — Ein fremder, bereits wegen Diebstahls, Unterschla. gung und leichtsinnigen Schuldenmachcns wiederholt bestraf ter, von hier ausgewiesener Bäckergeselle schuldete einem hie- sigen herrschaftlichen Kutscher ein Darlehn von 250 Thalern, ohne daß Letzterer bisher einen Pfennig wieder zu sehen be kommen hätte. Vor einigen Tagen kommt der Bäckergeselle mit der freudigen Eröffnung zu dem Kutscher, daß er in der Umgegend eine hübsche Erbschaft gemacht habe, die seine An. Wesenheit an Ort und Stelle nothwendig mache, bemerkt aber gleichzeitig, daß er zu dieser unvermeidlichen Reise noch einige Thaler Geld brauche. Um den Kutscher, Angesichts dieser hoffnungsvollen Aussichten zur Wiedererlangung des gefähr deten DarlehnS willfähriger zu machen, fügte der Bäcker die Versicherung hinzu, daß. falls er ihm die Mittel zur Reise vorstrecke, sich seine an einem reichen Schwager vcrheiratbete Schwester für seine Gesammtschuld verbürgen würde. Da e» dem Kutscher bekannt war, daß die Schwester des Bäckers an einen wohlhabenden Mann verheirathet sei, so erklärte er sich bereit, die erforderlichen Neisemittel vorflrecken zu wollen, wenn die ihm unbekannte Schwester des Bäcker- von einer dritten Person recoznoScirt würde. Bald darauf er scheint der Bäcker mit seiner angeblichen Schwester und einer dritten, dem Kutscher jedoch unbekannten Person, die die Schwester recognosciren soll. Der immer noch mißtrauische Kutscher gab dem Bäcker nur einen Theil des Reisegeldes und bestellte ibn nach einigen Stunden wieder zu sich, um den Nest in Empfang zu nehmen. Inzwischen hatte der Kutscher von dem verdächtigen Treiben des Bäckers der Polizei Anzeige semacht und es erschienen 2 Gendarmen. Der Bäcker aber hatte deren Ankunft von einem nahen Felde aus beobachtet und hütete sich natürlich unter oiesen Umständen, die Wohnung des Kut schas zu betreten. Nach seiner dennoch später erfolgten Ver haftung stellte es sich heraus, daß die Vorstellung dcr Schwe ster und ebenso die angebliche Erbschaft Schwindelei gewe sen war. — Gestern Nachmittag verunglückte ein Arbeiter an dem Baue der katho ischen Kirche dergestalt, daß derselbe von dem Gerüste an der Kirche auf das untere Dach herabstürzte und bei diesem Falle bedeutende Verletzungen an Bein und Kopf erlitt. Er wurde von der chirurgischen ^ilfsstation große Kirchgaffe Nr. 2 aus verbunden und durch die Schloß-Chai- seuträger im Siechkorbe nach dem Krankenhause gebracht. Nur durch eigne Unvorsichtigkeit des Arbeiters ist das Unglstck hergefühit wo-den. — Die Leipziger Bäckergesellen haben Antwort der Mei ster auf ihre Forderungen erhalten. Dieselbe lautete, mit Ausnahme des zugestandenen „Sie", ablehnend. Nach langen Verhandlungen entschied sich die Versammlung der Gesellen mit Stimmeneinhelligkeit dafür, auf der Lohnerhöhung von 25 Prorent, sowie auf Gewährung einer Entschädigung für das Mehlabtragen stehen zu bleiben und im Nothfall am nächsten Sonntag den nicht darauf eingehenden Meistern zu kündigen. — Auf eine höchst eigenthümliche, man möchte sagen fast unglaubliche Weise hat sich der ziemlich erblindete und etwas geistig gestörte Weber Eh. in Reichenau bei Zittau das Leben genommen. Derselbe hat nämlich in dem an seiner Wohnung befindlichen Gärtchen mit einer Handsäge sich den Hinter- uud Vorderhals so tief durchschnitten, daß der Kopf nur noch auf beiden Seiten hing. Der Tod erfolgte sofort. — In der Nacht des 14- d. Mts ist die zum Ritter gute Weicha gehörige Marlennahrung welche bisher nicht bewohnt gewesen, nicdergebrannt. — Der Segen des Lichtes wurde vorgestern Abend der verlängerten Ammonstraße zu Theil, welche nach dem Rosen weg von der Tharandterstraße hinsührt. Die Gas-Candelaber waren in Folge dieses erfreulichen Ereignisses von den An wohnern mit Blumen und Fahnen geschmückt worden und 12 Postillone bliesen zeitweilig muntere Weisen nach Herzenslust. Die Arbeiter, welche von dortigen Anwohnern einen Labetrunk empfingen, ließen lebhafte Hochs ertönen und so wäre nur noch zu wünschen: daß diese Straße sich baldigst auch der Pflasterung erfreue. — Oeffentliche Gerichtsverhandlung vom 16. September. In der heutigen Hauptverhandlung erscheint als Angeklagter Friedrich Wilhelm Herrmann Lange au» Großenhain, angeschuldigt des Betrugs und der Unterschlag ung. Der Angeklagte, aus der Haft vorgesührt, ist von klei ner Statur, freundlichem Aeußeren, 31 Jahre alt. An dm Psingstfeiertagen 1863 eröffnet« er einen Kramladen in Frie dersdorf bei Lrusa, den er aber schon am 12. Januar 1864 an seinen Bruder verkaufte. Jetzt zog er nach Dresden, trat im Hessel'schen (orange) Dienstmanninstitut ein, trat wieder aus und fungirte zuletzt als Handarbeiter bei der Sänger halle. Dann erf lztc seine Verhaftung. Am 20- December 1863 entnahm Lange von dem Handelsweber Carl August Michael aus Großschönau auf Credit eine Menge Waaren im Werthe von 86 Thlr. I Nzr. Diese Effecten bestanden zu meist aus Leincnzcua, namentlich Handtüchern, Servietten, Tafeltüchern, Tischdecken, Schürzen und einzelnen Leinwand weben von 72 und 73 Ellen, wovon die Eie 7 und tO Ngr. kostete. Den Handelsweber hatte er einst, als er eben nach Lausa fahren wollte, auf dcm Bahnhofe getroffen und mit ihm alsbald ein Handelsgeschäft abgeschlossen Michael soll ihm filbst die Waaren angeboren haben, weil er erzählt, daß er in FriederSdorf ein neues Hau» besäße, in welchem er einen großen Handel, namentlich mit Schafwollenwaaren treibe, nach welchen dort große Nachfrage sei. Das leugnet er aber weg, er will blo» geäußert haben, er wohne in einem neuen Hause in FriederSdorf, das dem Ortsrichtcr gehöre. Es liegt nun. wie dcr Herr Gerichtsrath Gross erklärt, der Verdacht allerdings vor, daß Lange nicht mit vollem Ernst gekauft oder aufm wollte, sondern nur dabei die Absicht hatte, sich Geld zu machen. Langes Verhältnisse waren stet» schlecht, daher