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Rr. L55. Zehnter Jahrq. Dienstaa, IS. Sept. 1885. cFrscheml: «glich früh 7 «Hk. Inserate Werde» «mgtnommenr HW Abend-Ü,Sonn tag» HW Mittag» 1L Uhr: Marienstra-e 1». HWpig. in dies «latle. da, jetzt i»U,»«W Exemplar«» rrschriat, Kode» «tu« rrsolgreich« " Verbreitung. Moimemenl: vletteljShrlich Sv Nge bei »nkntgrldlicher Lie ferung in', Han». Durch die König!. Pos vierteljährlich 22 Rgr Einzelne Nummer» 1 Ngr. Tageblatt für Unterhaltung «nd Geschästsverlchr. Mttredactrur: Sheodar Drodisch. ' Inseratenpreise: tzür den Rau« «in« gespaltenen Z«U«: i Ngr. Unter „Eingh- sandt" die Ae«, t Ngr- Druck »ad Utgruthm» der Herausgeber: tkiepslh 8k Neltharbl. — Verantwortlicher Redactrur: IllllllS Nelchardt. Dresden, de» 12. September. — Se. Majestät der König hat de« hiesigen Königlich Niederländischen außerordentlichen Gesandten und bevollmäch tigten Minister Grafen van Zuhlen von Nhvelt in einer Par> tidnlar-Audienz empfangen und dessen ZurückberusungSschrei- brn entgegen genommen, dem Einnehmer bei dem Untersteuer amte in Auerbach. Jacob Bräutigam, die zum Verdienstorden gehörige Mrdaille in Gold und dem Geheimen Legationßrathe, dermaligen Gesandten am König!. Bayer. Hofe, Han» von Kvnneritz, da» Comthurkreuz II. Elaffe de» königl. Verdienst orden» verliehen. — Im Conferrnzsaale des Gebäude» der sächsisch böhmi schen Staatsbahn allhier wird gegenwärtig rin Congreß deut scher Eisenbahntechniker abgrhalten. Die Versammlung wurde gestern Vormittag 10 Uhr eröffnet, von Sr. Exc dem Herrn Finanzminister Frhrn. von Friesen im Namen der königl. sächs. StaatSregierung feierlich begrüßt und verschritt sodann, nachdem zum Leiter der Verhandlungen der Direktor der k. k. Ferdinands-Nordbahn, Herr Prof. Stummer au» Wien, per Acclamation erwählt worden war, sofort zum Beginn ihrer Arbeiten. — Von sachverständiger Hand erhalten wir folgenden Nachtrag über dm Besuch des GcwerbevereinS in Mulden hütten. Staunen lag in allen Blicken bei der Mannichfaltig- keit der Anlagen, die nothwendig sind, um au» den von den Gruben gelieferten Erzen Silber darzustrllen; besonders auch bei Besichtigung der neueren Anlagen, durch welche nicht allein sehr arme Erze noch zu Gute gemacht werden können, sondern auch durch Gewinnung von sehr gesuchten Nebenprodukten dir Schädlichkeit drS Hüttenrauches vermindert wird. Der Besuch ««nächst der Röststättrn zum Entschwesrln der Erze fuhr gar Manchem in die Nase, und da das der Zehnte nicht vertragen kan«, so eilte man hinweg, um bei 30" R. die angenehme Wärme de- Schachtofens noch mit in den Kauf zu nehmen Großer Jubel herrschte, als an mehreren Orfen der hell- glühende Schlackenstrom die Trift hinabfloß, oder gar aus dem Stichloch eines OfenS ein mächtiger Strahl von Werkblei hervorsprang und sich im Stichhrerd zum glühenden Bleibad sammelte. Von großem Interesse war, nachdem man da» Flammofenschmelzen gesehen hatte, besonders der Pattinson apparat, in welchem 2 Arbeiter mit großen KeystalUfirkrllen aus Kesseln von 200 Ctr. Fassungsraum die filbrrarmen Blei krhstalle herausschöpften. Endlich gelangte man zum Abtrei ben der direkten Trennung des Bleies vom Silber. Wenn «an auch den Silberblick, d. h. den Augenblick, wo die letzte Glätthaut vom Silber verschwindet, nicht abwarten konnte, so gewährte doch schon der Glättfluß große Freude, welche be greiflicher Weise bis zur Begeisterung gesteigert wurde, als man darauf einen Silberkuchen zu sehen bekam, wie er sich nach der letzten Raffination darstellt. Die Fabrikation rer Schwefelsäure in den Bleikammern, die Production Ks rothen und weißen Arsenglases, der Fällungsapparat für Arsen fan den bei Allen wegen Großartigkeit der Anlage und der gün stigen Resultate, die sie liefern, die gerechte Bewunderung. Nachdem man hierauf beim Hutten im Siurm auch die leib lichen Bedürfnisse befriedigt und in dessen Vorräthen weirl ch aufgeräumt hatte, eilte man mit frischem Math und fiohen Sinn nach dem Grubengeläude ,Himm'lfahrr", der Zurve KS Bergbaues. Auf dem Wege dahin beehrte man die Schaar der Wolgerjungen auf Grube „Morgenstern' mit kurz.m Be suche, deren munteres „Glück auf!" manche Hand in di: Tasche gleiten ließ, um irgend «inen kleinen Silberblick unter die hei tere Schaar der Gnomen des Bergbaues zu werfen, deren kehmgesärbte Gesichter ob solchem ungewohnten Anblick in solche Verzückung geriethen, daß die gütigen Spender sich reichlich belohnt sahen. Das nächste Ziel war die Grube „Thurmhos", zu Himmelfahrt gehörig. Hier angelangt; wurde der Gewerk» verein durch Hrn. Schichtmeister Wengler und zwei Obersteiger begrüßt und ihm in freundlichster Weise der Zutritt in sämmt« liehe Maschinen- und Arbeitsräume gestaltet. Hr. Schicht meister W. leite!« persönlich eine Abtheilung und versah die andere mit Führern. So gelangte man zuerst in den Göpel, dessen 2 Dampfmaschinen man in Augenschein nahm, deren «ine von 80 Pferdekrast die Grundwasser bis auf den Stollen hebt, während die andere von 40 Pferdekraft zur Förderung der Erze aus der Grube dient. In ungefähr einer Minute wurde die gefüllte Tonne aus einer Tiefe von 320 Ellen ge trieben und entleerte sich dann von selbst in einen darunter stehenden Gisenbahnhund Da es gerade an der Zeit war, besuchte man di« Bergleute bei ihrem Gebet und sah später ihrer Einfabit in die gesäyrliche Teufe zu, wobei manches herzliche „Glück auf!" hin- und wiedertönte. Darauf'besuchte man die Strinbrechmaschine, welche getrieben durch «ine 10 pserdekräftige Dampfmaschine, mit ungeheurer Schnelligkeit Stücke von I Cubilfuß Größe und darüber in solche von I Eubikzoll zerkleinte. I« der Scheidebank zogen die von den Scheidtjungen ausgehaltene« Bleiglanzfiücke die Aufmerksamkeit Aller auf sich; auch waren Hierselbst die Proben, welche ge macht werden, in übersichtlicher Reihe ausgestellt. Erwähnt muß zuletzt noch werden der Besuch deS durch Wasserrad be> trirbenen Walzwerks, sowie der daran hängenden Setz- und Stoßheerdwäsche mit Naßpochwerk. Der B such dieser Auf- bereitungStverkstättm zeigte deutlich, wie selbst arme Erze durch die richtige Wahl des ProeeffeS noch mit ziemlichem Gewinn lieferbar gemacht werden können. Wie viele Hände müssen sich regen, ehe das aus der Grube geförderte Erz an die Hütte geliefert werden kann, welch« Proceffe muß es dort durchlau fen, ehe daraus das für die Münze brauchbare Silber wird! Einige der Mitglieder de- Gewerbevereins benutzten die knapp gemessene Zeit, um auf der Grube Himmelfahrt noch einzu- fahren und sich so einen Begriff von dem Innern der Grube zu machen. - „Wie unsere junge Mädchrnwelt sich ein Taschengeld verdienen kann", ist der Titel einer kleinen Schrift, die im Laufe dieser Tage Hierselbst erschienen und von Frl. Amely Bölte aukgegangen. Die Verfasserin lenkt darin die Auf merksamkeit besonders auf unbemittelte Beamtentöchter hin und will eine Idee verwirklichen, die, wenn sie ins Leben tritt, sich nur segensreich erweisen kann. Es heißt in dem Schrift- chen: „Eine große Zahl unserer Beamtentöchter gehört schon, während der Vater lebt, zu den sogenannten verschämten Ar men. Bei dem äußeren Scheine herrschte die Armuth im elter lichen Hause, die Töchter lernten das Peinliche deS Verzich ten« auf Freuden u-d Genüsse, für welche ihre Stellung und Erziehung sie empfänglich gemacht hatte, kennen, und heimlich, das heißt verschämt, verfertigen sie Cannavasflickereirn und Häkelarbeit für diesen und jenen Laden, um damit ihr bischen Toilette zu bestreiten. Diese Art der Arbeit macht den Ar beitgeber reich, nicht Den, welcher sie leistet. Wenn diese Mädchen später allein in der Welt stehen, so kann der Ertrag davon sie nicht ernähre". Ihre Arbeitskraft, ihre Geschicklich. keit muß überhaupt vielfach sich bewähren können, um ihnen zu einer Quelle zu werden, welche ihren Unterhalt bestreitet." Für diese Arbeiten nun einen stehenden Bazar zu bilden, werden in dem Schriftchen, das für 2j Ngr. zu haben, ver- schiedene und wohl zu beherzigende Vorschläge grthan. — Die B erdigung des verstorbenen geh. Kirchenrathes Ur. Käüffer, geschieht morgen, Mittwoch, früh um 7 Uhr vom Trauerhause, Marienst, aße 1 l aus. und werden die sterblichen Ueberreste des hochverehrten ManneS auf dem weiten Annen- ilirchhof der Erke übergeben werden. - Heute feiert der weit bekannte Direktor des Orpheus, Herr I G. Müller, sein 25jähriges Directionsjubiläum. — Das Hötel de France in der Wilsdruffeistraße ist durch Kauf in die ^ ände des Herrn Baumann, Hofkoch Sr. Kgl. Hoheit des Prinz G.org, übergegangen. - In Hänichen ist am Freitag ein Theil des „Becker- schachtes", Kr sich unmittelbar am Fuße der goldenen Höhe befindet, in sich zuiamrmngislürzt man ksürcheet, daß das Maschinenhaus, welches schon einige Risse erhalten hat, noch nachftürzen we de. — Gestein Nachmittag fuhr der Führer ener Droschke auf der Ha pistrahe Kim Ausbiegen mtt seinem Pferde einer vor ihm fahrenden Droschke in ein Hinterrad, sodaß das eine Bein von dem armen Thiere in den Speigen hängen blieb und dadurch fortgeschleppt wurde bis die Droschke zum Stehen kam und das Bein durch h-rbcigeeilte Personen wieder auS dem Schleiszeug der Druckte. wo es cingcquetich, freigemacht worden war. Zum Glück kamen die Insassen mit einem Schreck und das Pferd mit besetundenem Beine davon — In der Gewerbeschule beginnen die neurn Kurse den 1. Ociover. Besondere Kurse iüc ältere Gewerbtreibende sind zunächst für Buchhaltung und für Rechtschreibung angesetzt; die für kaufmännisches Rechnen und für Geschäftssivl beginnen später. Die Anmeldungen werden nur bis zunr 26. d. M. berücksichtigt — Am Sonnabend Vormittag war jener Theil der Galeri-.straße. welcher in die Badergaffe mündet, stark belebt. Sie bot ein wahrhaftes Fahrmarktsbild; denn nicht blos Alles war mit Möbeln jeglicher Art, vom feinsten Divan bis zur Stiefelbürste, vom feinsten Secretär bis zum Spucknapf besetzt, sondern auch Mann an Mann stand eine große Mensche» menge, die thrils neugierig. theils lächelnd die Köpfe nach dem ersten Stockwerk des Hauses Nr. 17 streckte. Rothe Dienst- Männer holten immer mehr Hausaeräthe, worunter auch ein betender Engel von Ghps, herunter und möblirten die Straße immer ksier aus. Flüchtige Gestalten mit verhängtem Visir, dem schönen Geschlecht angehörig huschten an den verhängten Fenstern vorbei, und der die ganze Manipulation dirigirendc Grrichtsdiener ließ bald erkennen, was hier vergehe. Der Hauswirth ließ die Bewohner seines ersten Stockwerkes so zu sagen an „die frische Lust" setzen, da sie nicht freiwillig gehe« wollten. Diese Bewohner waren jene graziösen, leichtflüchtigen Gestalten, die wir Mittags in weiter Crinoline und der Straußfeder am ungarischen Hut und übernatürlich rochen Wangen die Schloßstraße und dm Altmarkt bevölkern sehen, und die AmoreS von OvidiuS für ihren Katechismus halten. — Am 8. d. MtS. Nachmittags gegen 3 Uhr entstand in der Scheune des Gutsbesitzer Güldner in Pinnewitz Feuer, da- dieses Gebäude mit sämmtlichen Erntevorrächen in Asche legte. — Des Nachts von gegen 12 Uhr an des 9. d. MtS. brannten in Niedergräfenhain die Güter des Mühlenbdsitzer Kilian und des Gutsbesitzer Werner total ni der Das Feuer entstand in einem Seitengebäude des Mühlengutes und griff mit so rapider Schnelligkeit um sich, daß in diesem Gute nicht das Geringste gerettet werden konnte es verbrannten hierbei auch I Pferd, 5 Kühe, 2 Ziegen, 1 Schwein, mehrere Gänse und Hühner, 2 Schweine mußtm wegen erhaltenen Brandwunden erstochen werden. Um nur da« nackte Leben zu retten, muß ten die Bewohner zu den Fenstern herauSspringm. Da» Wernersche Gut gerieth durch Flugfeuer in Brand und lag bald, nachdem wenigstens das Mobiliar gerettet worden war, sammt der Ernte in Asche. Ueber di« Entstehungsursache hat man etwas Bestimmtes nicht ermittelt. — Aus dem Plauen'schen Grunde. Am verflosse nen Freitag in den Vormittagsstunden brannten in dem Schu- rig'schen Hause in Kleinburgk Schornstein und Küche aus und nur der sofortigen angestrengtesten Hilfe einiger, von dem „Fortunaschachte" herbeigeeilter Bergarbeiter gelang cs, weite ren Schaden zu verhüten. — Die Hunde des Plauen'schen Grundes, insbesondere die im Gerichtsamtibezirk Döhlen find zu 8 Wochen Arrest verurlherlt, weil sich in Weißig ein der Tollheit dringend verdächtiger Hund gezeigt hat, der noch an dere gebissen haben soll. — Zwar soll eS in Potschappel eine öffentliche Gasbeleuchtung der Straße geben, man sieht sie aber nicht, d. h. die vorhandenen Gaslaternen werden auch bei dunkler Nacht nicht angezüudet. Wie wir hören, überläßt man es in den Sommermonaten dem lieben Mond« und den Sternen, die „hohlen Gaffen" Poschappels zu erleuchten. Wollen nicht die geehrten Direktoren der öffentlichen Gasbe leuchtung hier dem Beispiele vieler Bergarbeiter folgen, die bei hellstem Vollmondscheine mit brennenden Grubenlichtern die Straßen passiven! — Wer noch nie eine giößere Berg parade gesehen hat, dem wird in nächster Zeit Gelegenheit hierzu geboten. Sonnabend den 16. d. M hält nämlich die Freiherr!, v. Burgk'sche Berg- und Hüttenknappschaft ihren zemeinschastlichen Kirchgang, und es we kn von Vormittags II Uhr an die ca. 2000 Berg, und Hüitrnleute in Parade uniform in der Nähe des Burgker Schlosses ausgestellt sein und gegen 12 Uhr unter Anführung ihres Bauherrn nach Döhlen hin zur Kirche ziehen. — Aus Pirna schreibt man, daß der seit 6 Wochen begonnene Kirchenbau der dafigen katholischen G> munde unter der Leitung ks Baumeister Scherz rüstig sonschnitet, und dürste das Gebäude, welches in gothischem Styl ausgeführt wird, eine Zierde für die Stadt werden. — Am Sonnabend, den 9 September. Mittags, brachten 4 Mann österreichische Infanterie einen sächsischen Deserteur, welcher vom Regiment Max aus Chemnitz entwichen und in Prag ergriffen worden war, nach Pirna und lieferten ihn an die dasige Garnison wache ab. — Am Sonnabend Abend nahm ein im besten Jünglingsalter stehender Commis ein warmes Bad in den Waschhausräumen seines Prinzipals, mochte dabei eingrschla- fen sein, so daß man den Vermißten erst am Sonntag Mor gen als Leiche in der Badewanne sitzend fand. Jeden falls hat ein Nervenschlag sein frühes Ende herbeiaeführt. — Angekündigte Gerichtsverhandlungen. Heute Vormittag 9 Uhr Wider Ernestine Bertha Fritzlche aus Ernst thal Vorsitzender: Gerichtsrath Leonhardi. Den 13. Vor mittags 9 Uhr: Unter Ausschluß der Ocffentlichkeit: Wider Heinrich Christian Gottlicb Löffler auS Rodau und Franz Emil Adler aus Meißen wegen Nothzucht bez. Äeihül e zu solcher. Vorsitzender: Gerichtsrath Einert. Den 11 Vormit tag» 9 Uhr: wider Johann August Böhme aus Obcrsohland wegen Widersetzlichkeit. Vorsitzender: Ge ichtsrath Jungnickel. Lag-Sgefchtcht«. Oesterreich. Der rumänische Metropolitanbischof Tcha- gu".a und der Graf der Sachsen, Cemes Schmidt, taben Wien unzusneden mit den Regi run. smaßnahmen bezüglich Sieben» l'ürgcrs verlassen. Letzterer hat eine bezügliche Denkschrift dem Kaiser und dem ungarischen Hofkanzler übergeben. — Die Kreisstadt Sambor ist ganz abgebrannt. — Durch kaiserliches Handschreiben vom 4. d. M ist F-M-L. v. Gablcnz zum Statthalter in Holstein ernannt worden. — Preußen. Auf Requisition des Obertribunals wurde der Redakteur der Breslauer Zeitung gerichtlich vernommen,