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Nr. 244. Zehnter Jahrq. «Erscheint: «Igltch früh 7 llhr. Inserate angenommen: ««Abends 8,Lonn- t»g« di« Mittag» 12 Uhr: Marienstraße L». Unzeig. ill dies Blatte» da» jetzt in LI,SU» Exemplaren erscheint, stpp.« «in« ersolgrrich« Verbreitung. Freitag, 1. September 1885. Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mitredacteur: Theodor Drodisch. Druck uud Etgeuthum der Herausgeber: Tiepslh stk Netlhardt. — Verantwortlicher Redacteur: JuliUS Netchardt« Abonnement: vierteljährlich LONg?. bei nncntgeldlichcr Lt> serung in'« HauS. Durch dir Köuigl. Pos dierteljährlich -L Ngr Einzelne Nrunmerr 1 Rgr. Inseratenpreise: Für den Raum einer gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Tinges sandt" dir Zeile L Ngr. Dresden, dm 1 September. — Dem Vorstände des Gerichtsamts Johanngeorgenstadt» GerichtSamtmann Karl Gustav Abt, ist die wegen überkom menen Dienstunvermögens nachgesuchte Versetzung in Ruhestand mit Pension und Belastung seines Titels und Ranges be willigt worden. —». OeffentlicheSttzung der Stadtverordneten am 30. August. Der Stadtrath schlägt dem Collegium vor: das Trottoir vor dem Nachhause mit Asphalt Herstellen zu lasten Früher war beschlosten worden, es mit Granit pfla stern zu lasten, und hatte man hierzu ein Berechnungsgeld von 1200 Thlrn bewilligt. — Den Beschlüssen der Stadt verordneten bez. der Verminderung der Jahrmärkte und der veränderten Einrichtung der Grostomärkte hat die Kreisdirec- tion ihre Genehmigung ertheilt. Dasselbe ist von Seiten des Ministeriums des Innern geschehen, welches nur bez. der Grosse» Märkte die Bestimmung getroffen wissen will, daß sie an dem inliegenden Sonntage erst Nachmittags 4 Uhr, nicht, wie die Stadtverordneten vorgeschlagen, nach dem Vormittagsgottes dienste ihren Anfang nehmen sollen. — Der stellvertretende Vorsteher des 3 Stadtbezirks, Herr Stellmachermeister Vogel, ist mit Tode abgrgangen. Den Stadtverordneten lag es daher ob, dem Stadtrath drei Candidaten für diese Stelle vorzu schlagen. Dies geschieht heute nach dem Vorschlag der Wahl deputation, welche die Herren Klempnermeister Blind, Schirm fabrikant Teucher und Kaufmann Grahl als Candidaten auf stellt. — Schon seit langer Zeit sind zwischen dem Staats- Fiscus und dem ^tadtrath Verhandlungen über Abtretung der Königsbrücker-Straße an die Stadtgemeinde gepflogen worden. Diese haben endlich zu einem Resultate geführt, in dem die AmtShauptmannschast in Stellvertretung des FiscuS mit dem Stadtrathe einen Receß abgeschloffen hat, der heute den Stadtverordneten zur Mitvöllziehung vorliegt. Der Receß Lt'Mt 7 Paragraphen, deren wesentlicher Inhalt folgender »ft: Die Königsbrückerstraße, und zwar vom Bautzner Rund- theile an bi» zur nördlichen Kante am Bischofswege, ist vom 1. Juli d. I an Eigrnthum der Stadtgemeinde Dresden, welche als Entschädigung für die fernere Unterhaltung vom FiScus 5725 Thlr. erhält. Auf Vorschlag der B-rfaffungs- deputation beschließt da» Collegium die Mitvollziehung des RecrsteS. — Bezüglich der schon lange währenden Streitfrage, ob die Nathstöchlerschule Eigrnthum der Stadtgemeinde oder Stiftungseigenthum sei, hat die Kreisdireetion auch in zweiter Instanz der Stadt das EigenthumSrecht auf dieselbe abge sprochen Das Collegium faßt hierbei Beruhigung. — Wir haben bereits mitgetheilt, daß der Stadtrath zur Errichtung von 13 Gasentwickelungriffen in der 2. Gasanstalt eine Summe von 14,717 Thlrn. poflulirt. Die Stadtverordneten sprechen heute, die Berechtigung des Postulats anerkennend, die Bewilligung aus, glauben jedoch hierbei eS dem Stadtrath anheim geben zu müssen, ob die Oesen nicht zweckentsprechen der zum Gebrauche mit sächsischen Kohlen einzurichten seien, wie e» bei einem schon mit Erfolg geschehen, ferner, ob nicht unter Beibehaltung der einheitlichen Verwaltung die Gaslei tungen so gesondert werden, daß zur Erlangung einer genü genden Controls jede Gasanstalt nur für ihren Stadttheil arbeite. — Dem stadträthlichcn Vorschläge, ein Stück commun- lichen Areals am Rosenwege dem Herrn Bauunternehmer Mai die Quadratelle zu 2 Thlr. zu überlassen, giebt das Collegium seine Zustimmung — Stadtv Steher hat in einer der frühe ren Sitzungen einen Antrag gestellt auf Revision der Brunnen in Friedrichstadt durch eine hierzu zu erwählende Deputation Heber diesen erstattete heute Namens der vereinigten Finanz und VeifassungSdeputalion, der er damals zur Prüfung über geben worden war, Herr Stadtv. Walter II. Bericht. Dis Deputationen sind der Meinung, daß eine derartige Bevor mundung der Grundstücksbesitzer in Friedrichstadt, wie sie der Steyer'sche Antrag verlange, doch bedenklich sein würde; man könne sie nicht zwingen, ihre Brunnen auf eine bestimmte Weise einzurichtcn. Uebrigens habe der Stadtrath, als er früher einmal bez. der Wasserbeschaffung in Friedrichstadt die Initiative ergriffen, bei den Grundstücksbesitzern selber nur eine äußerst geringe Theilnahme dafür gefunden. Deshalb schlagen die Deputationen vor: über den Steher'schen Antrag zur Tagesordnung überzugehen, jedoch beim Stadtrath bei dieser Gelegenheit 1. anzufragen, ob die im Jahre 1861 beschlossene Herstellung von 10 Wass«rschrot-n von der mittrlplauen'schen Wasserleitung in Friedrichs««'.! erfolgt sei, 2. wenn dies noch »icht der Fall, zu beantragen, daß die- schleunigst geschehen und der Stadtrath die Gründe angeben möge, warum er ti se Angelegenheit so lange verzögert, 3. endlich zu beantragen, daß in jedem Falle den Bezirks-Feuerbeamten in Friedrich stadt die Schlüss.l zu den Schroten ausgehändigt werden Diese- Votum der Deputationen wurde nach einer kleinen De- hatte genehmigt, in welcher Stadtv. Steher noch einmal seinen Antrag eingehender motivirte, Stadtv Gregor aber in bittrer Weise über die Beschaffenheit der Dresdner Brunnen über haupt sich ausließ. Die Beschaffenheit der öffentlichen Brun nen in Dresden, sagte Redner, sei ein beständiges Klagelied der Bevö kerung. und das liege an der mangelhaften Beauf sichtigung. Die Vrunnenmeister säh.n sich die Brunnen nur oberflächlich an, während die Polizei sich gar nicht um die selben kümmerte, wie z. B. auf der Breiteftraße, wo, obgleich t ie Polizeiwache gegenüber liegt, die Straßenjungen den Brun nen beständig umlagerten und verunreinigten. Der Stadtrath sei auch nicht in der gehörigen Weise für Beschaffung guten Wassers besorgt. Er lNedner) selber habe einmal den Brun nen auf der Breitcstraße chemisch untersuchen lassen, nicht der Stadtrath, obgleich er ihm Anzeige von der schlechten Be schaffenheit desselben gemacht. Nach diesen Bemerkungen wurde, wie erwähnt, das Deputationsvotum einstimmig an genommen. — Außer einigen NechnungSangelegenhciten wurde in der heutigen Sitzung noch eine große Reihe von Petitionen .erledigt, von denen wir nur ein G.such um Dispensation von der Gewerbsmündigkeit hervorheben, welches — ein sel tener Fall — auf Vorschlag der PeLitionsdeputation geneh migt wurde. — Die Cancan-Tänzerin Finette aus Paris auf Nesmüllers Bühne im großen Garten. Als vor länger denn 20 Jahren die Fanny Elster nach Berlin kam, die „Fee des Jahrhunderts" wie sie eine Karikatur nannte, da schrieb Nell- stab, dem sonst das Ballet ein Dorn im Auge war: „die Elsler wäre eine große Tänzerin geworden, auch wenn sie ohne Füße geboren wäre". — Heute könnten wir im Gegen satz zu dieser Phrase sagen: Mademoiselle Finette ist eine berühmte Persönlichkeit durch ihren Skandalproceh mit einem preußischen Kammerherrn in Be lin geworden Wir haben sie gesehen nebst den Vielen die am Dienstag nach dem großen Garten hinauSgewallfahrtet in NrsmüllerK überfüllten Musen tempel, trotzdem daß die Preise der Plätze erhöht. Viele schlichen erst um acht Uhr, ganz in der Strlle, gedrückt wie ein böses Gewissen, in ihre Loge Allgemeine Augenbewaff nung, die Gläser reparirt, denn noch nie soll der Optiker Ferner auf der Ostraallce eine so große Masse Operngucker zur Reparatur gehabt haben, als an jenem Tage. — Finette ranzte zwar nicht — Goethe, wie Theodor Mundt von der Erler schrieb, sie tanzte Don Juan, Clauren, sie tanzte und verkörperte ein Capitel aus Sternau's „braune Märchen", aber, gestehen wir es offen, mit leidlicher Decenz Das ganze Arrange- mrnt war ein Pariser Maskenball und Finette darin ein Neapo litaner mit seiner südlichen Gluth. Es ist hier nicht von plastischer Mimik die Rede, welche ein so wichtiges Element in der Schauspielkunst bildet, Finette ist keine Sylphide, im Gegentheil, sie schlägt den alten ästhetischen Thcaterbetrach- tungen ein Schnippchen, sie ist der Weib iche Kautschukmann im lustigen Reich der Trepsichore und ihre Tänzerphantasie steht 30 Grad Neaumur im Schatten, wenn sie den Cancan tanzt, den Antipoden der Menuett, die in Don Juan-Feucr- regen verwandelte Fluth vom Strand der Seine. Wir sagen und müssen es zur Verständigung nochmals sagen, den Can can, das in Noten gesetzte hitzige Fieber auf den Orchestern der französischen Tanzmusik, ein Tanz, der von Geburt an einen Freibrief für die republikanische Verfassung der Beine erhalten und von dem wir schwerfälligen Deutschen — Dank der guten Sitte — nur schwache Begriffe haben. Möglich, daß bei Etlichen, welche diese Cancantänzerin gesehen und nicht gesehen, das Gewissen mit dem ästhetischen Gcfübl kämpft und ihm somit, wie Hamlet sagt: des „Gedankens Blässe" ange kränkelt wird. Von dem Cancan muß man sagen: „ländlich, sittlich! Alles, was in einem Lande sittlich, verlangt die Bühne auch in sittlicher Darstellung, damit wir durch die Kunst selbst Kunststoff werden. Der Cancan, diese in der Retorte der Tanzkunst dreifach verstärkte Cachucha läßt sich nicht ideali- sircn, sonst schwindet ihr Charakter auf den Bietern, welche doch die Welt bedeuien sollen. — Am Schluß applaudirten Etliche im Schalten kühler Denkungsart; viele aber gingen verblüfft von dannen, welche wahischeinlich eine höhere Schür zung und Lösung des Knotens erwartet halten. Leider ist das ganze deutsche Theaterwesen jetzt „Geschäft" geworden, Spe kulation, zumal Bühnen unte- Privatdircction. Mit der Fi- nette werden aber sicherlich keine Geschäfte gemacht werden, denn Dresden ist kein Hamburg. — Am 20. Morgens in der dritten Stunde hört der Hausknecht im Hotel B in Schwarzenberg ein Pcch.n an sei nem Fenster. In der Meinung, die bestellten Maurer kommen zur Arbeit, öffnet er die Thür. Beim Heraustreten bemerkt er, wie eine männliche Person die Flucht ergreift, hört aber auch zu gleicher Zeit Laute eines kleinen Kindes. In einem Packet, auf seinem Fenster gelegen, findet er auch ein solches und zwar, wie sich später ergfidt, ein neu^edorneö männlichen Geschlechts in einen Frauenrock gewickelt. — Zur Berichtigung des Artikels in Nr. 238 der Dresd ner Nachrichten, betreffend das Aufhiffen der preußischen F.aggen beim Bade Königsbrunn, diene Folgendes: Der uns wohlbe kannte Einsender des angeführten Artikels — ein Berliner — scheint lediglich beabsichtigt zu haben sich damit in seiner Hei- math einen guten Namen zu machen, andernfalls müßte man an seinem guten Gedächtnisse, wie überhaupt an seiner Zurech nungsfähigkeit zweifeln; aus einem oder dem anderen dieser Gründe sind seine Angaben entstellt. Derselbe behauptet, daß mehrere dort anwesende Preußen den Restaurateur energisch veranlaßt hätten, vor dem Hause der Badeanstalt eine Fahne mit den preußischen Farben aufzuhissen. An dem Tage deS Aufhiffens der preußischen Fahne auf dem der Badeanstalt gegenüberliegenden Felsen wehte vor dem Hause der Badean stalt die preußische Flagge, und zwar bereits seit mehreren Monaten. Wer in Königsbrunn gewesen ist, weiß übrigens, daß an dieser Stelle abwechselnd die schwarz-weiße, grün weiße und roth-weiße Flagge, einzeln oder zu zweien und dreien zusammen wehen, aufgehiht vom dortigen Restaurateur ohne besonderes Drängen, vielmehr nach dessen eigenem Er messen. Der Restaurateur ist also überhaupt nicht veranlaßt worden, die preußische Fahne aufzuhiffen ; ferner waren Oest- reicher zur Zeit des Faclums nicht mehr in der Badeanstalt, um gegen diese Rücksicht zu nehmen, und auf dem dem Bade gegenüberliegenden Felsen war nicht ein großes preußisches Nationalbanner, sondern nur eine kleine preußische Fahne auf gepflanzt worden, ein harmloser, wenn auch unpaffend ange wendeter Scherz Von diesem Felsen wurde die Fahne nun nicht, wie der Einsender angirbt, durch beorderte Soldaten der Festung Königstein entfernt, sondern von Soldaten, die auf einem Spaziergang« dieselbe zufällig gewahrten, aus eig nem Ermessen mitgenommen. Schließlich diene noch zur besse ren Würdigung des angeführten Artikels, daß der darin be- zeichnete Berliner Kaufmann, der die Kosten zur Anschaffung des Banners h^rgegebrn hat, in Person itentisch ist mit dem Einsender jenes Artikels. — Es werden noch diejenigen Blät ter, die denselben den Dresdner Nachrichten nachgedruckt haben,' höslichst ersucht, auch diese Berichtigung gefälligst aufzunehmen. Königsbrunn, den 30. August 1865. Mehrere Bade gäste. — In vorvergangener Nacht war es auf der Badergafle zwischen emer daselbst wohnenden Dame etwas zweitelhasten Rufes und einer Mannsperson zu einem heftigen Exceß ge kommen, in Folge dessen sich bald eine zahlreiche Menschen- Masse daselbst versammelte. Von den herzugekommenen Wäch tern und Gendarmen sollten die Ruhestörer verhaftet werden. Das Publikum nahm jedoch entschieden Partei für dieselben und verlangte, daß dieselben los gelassen werden sollten. Tie Polizeibeamten ließen sich jedoch durch daS Geschrei des großen Haufens in ihrer Pflicht nicht irre machen, sondern vollzogen die Arretur der beiden Excedenten trotz des lauten Wider spruchs der Menge. Der Haufe gab den beiden Attestaten Las Geleite bis nach dem Polizcihaus und verlangte von dem selben nochmals die Freilassung derselben, natürlich ohne Er folg. Es gelang jedoch, einen der Hauptschreier aus der Menge berauszuholen und ihm dasselbe Asyl zu gewähren, um welches er vorher das in Sicherheit gebrachte Paar be mitleidet hatte. Es ist dies ein neuer Beweis, wie wenig die Polizeibcamten bei Ausübung ihrer Pflicht unter Umständen auf die Unterstützung des Publikums rechnen kö.rncn. — Als eigenthümlicheS Natmspiel wird uns unter Ucber- sendung eines Vlüttzenbüschcls mitgetheilt, daß auf einem Rit tergut m der Nähe von Göda in der Oberlausitz ein Kirsch- baum, der vor mehreren Wochen reichliche Früchts trug, jetzt wieder in voller Blüthe steht. — Am Montag beging der hiesige Advoc t und Vorstand der Bogenschützmgefillschaft, Herr Eduard Heinrich Heyden- reich, sein üOjährigcs Advecatenjubiläum. Beglückwünichungen der Negierungs- und Stadtbehördcn, Colle^en und Freunde, sowie ein ihm zu Ehren veranstaltetes Festmahl gaben dem würdigen Veteran die unzweideutigsten Beweise der Achtung und Liebe der geachtetsten Kreise ferner Berufsgerwsscn und Mitbürger. — Das am Dienstag Abend stattgefundcne Feuer hatte noch einige interessante Nachspiele; denn einzelne Köpfe hatten sich ebenfalls illuminirt. So wurde in einer Restauration in der Nähe des AltmarktS ein „Mime" von 10 kräftigen Händen an die Luft gefitzt, die vom Platzregen sehr stark geschwän gert war. Er harte den Oberkellner mit seltenen Titeln beehrt und daiür als Gegengruß eine kräftige Ohrfeige erhalten. Mitten im Rege» erzählte er dem mitleidigen Nachtwächter sine Schmerzen, die aber dieser nicht anders zu heilen ver mochte, ats daß er ihm den guten Rath gab, sich aas daS Ohr niederzulegkn das am meisten gelitten hatte. 1'rcilralun» mal — dir Platzregen als Friedensprocurator! — Mai außergewöhnlich heiß, Juni empfindlich kühl,