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»'Ws Nr. S3S. gehuter Jahr-. Tonntag 2tt. August 18SL. Erscheint: «glich früh 7 Uhr. Inserate werden angenommens bis AbendS V.Tonn- tag- bis Mittag» 12 Uhr: »karirnstraß« 18. Unzeig. in dies. Blatt«, da« jetzt in 11,MV Exemplaren erscheint, finden eine ersolgreich« Verbreitung. Abonnement: viencljährliib 20 Ngr. bei unentgeltlicher serung in'S HauS. Durch die ktvnigl Pas vieneljährlich 22 Ngr Einzelne Nummerr 1 Ngr. Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mitredactem: Theodor Drobisch. Interatcnpreise: Für den Raum eiurr geipaüenen Zelle: t Nzr. Unter „Eing«^ saut:" die Zell» L Nzr. Druck und Sigrnthum der Herausgeber: Lirpsch Ä Ntilhardt. - Lerantwortlicher Redacteur: ÄUltUS Rtichardt. Dresden, den 20. August. — Se. König!. Hoh. der Kronprinz ist vorgestern Nach mittag, von Possenhofen kommend, auf seiner Billa bei Strehlen eingetroffen. — Dem Pfarrer und Superintendenten zu Waldheim, Vr. Carl Christian Zapff, ist die Stelle de» Kirchen- und Schulraths in der Kreisdirection zu Zwickau übertragen worden. — Ter Actuar Wisand vom hiesigen K. Gerichtsamt ist von der Junstenfacultät der Umversität Leipzig zum Doctor der Rechte ernannt worden. — Man bedauert in den hiesigen literarischen Kreisen die Versitzung des bisherigen interimistischen Geschäftsträger Ruff lands nach Karlsruhe, des wirklichen Staatsraths v Kotzebue. Der genannte Vertreter Rußlands, der jüngste Sohn des Dich ters v Kotz-bue, interessirte sich sehr für alle Gegenstände der Kunst uns Literatur, er hat sich unter dem Pseudonym August- sohn als Verfasser des geistlichen Lustspiels „Ein gefährlicher Freund", welches vor Kurzem über unsere Bühne ging, auch als dramatischer Schriftsteller bewährt. _ — Nicht überall hat das erste deutsche Sängerbundessest Dencils zu Wege gebracht, die Albertsbahn wenigstens hat dabei recht gute Geschäfte gemacht, denn nach der veröffent lichten Einnahme des vergangenen Monats ist die ber der Kürze ter Bahn enorme Zahl von 87,700 Personen, also fast 3000 pro Tag im Durchschnitt, befördert und sind im Gan zen 26,2)5 Thlr, 5600 oder über ein Viertel mehr als vo riges Fahr, eingenommen. Die Gesammt-Mehreinnahme stellt sich für die 7 abgelaufenen Monate d. I. auf 16,200 Thlr , fast 2 Prozent des ganzen Actien Capitals, was mit Sicher- heit auf einen guten Jahresertrag rechnen läßt. Auch die Brauereien werden mit dem Consum der durstigen Sänger und Gäste nicht unzufrieden sein, und je mehr sie das kühle Naß aus den Kellern entsendet, je sicherer sie ihr Schäfchen ins Trockne gebracht haben. Verhältnißmäßig am meisten scheint man dem Feldschlößchenbier zu Leibe gegang-n zu sein, was für uns aber wieder den Nachtheil hat, daß die Vor- räthe des alten erprobten Stoffs schneller zusammenrücken und wir die übliche Bier-Calamität statt im November schon im Oktober zu erwarten haben. Von dein böhmischen Bier, so entschiedene einzelne Liebhaber eS auch hat, scheint doch die große Menge der Consumenten wenig wissen zu wollen: es schmeckt ihnen zu „einfach". Wie unbegründet die Furcht vor dieser Concurrenz gewesen ist, zeigt auch der Coursstand un serer Brauerei-Actien, von denen namentlich die des Feld schlößchens einen ungewöhnlich hohen Stand einnehmen und selbst zu diesem sich wenig Abgeber zeigen. — Schaufenster. Zwei neue höchst elegante Läden mit Schaufenster sind jetzt auf der Wilsdrufferstraße Nr. 39 entstanden, denen sich die Räume der ersten Etage würdig an schließen. Der Besitzendes Hauser, Hr. Klempnermstr. Regner, har das ganze Aussehen des Hauses höchst vortheilhaft ver ändern lassen und im Parterre sein stattliches Lager von Be leuchtungsgegenständen eröffnet, während nebenan Herrn Mü'- lers Nähmaschinen-Etablissement die Blicke der Vorübergehen den fesselt - Die Wilsdrufferstraße wetteifert förmlich mit der Schloßstraße in der Herstellung von Verkaufsgewölben nach Pariser und Brüsseler Mustern. — Dresdens Backwerk ist um einen neuen Artikel berei chert worden durch die von Herrn Schaufuß in der Waisen Hausstraße 5 a produrirten Mailänder Pattoni's, ein ferner, vorzüglich Damen zu empfehlender Gaumenkitzel. — Ein Abend in Riesa. Nach Besichtigung des Schloffes in Rudolstadt fuhren wir, drei Amerikaner und ein Deutscher, in einer netten Equipage des dasigen empfehlens- werthen Gasthofs „zum goldenen Löwen" nach Weimar, von hier auf der Eisenbahn über Leipzig nach Riesa, um daselbst zu übernachten und folgenden Tages eine Partie in das Erz. gebirge zu beginnen. Abends Punkt 9 Uhr kamen wir er müdet in Riesa an. Wir trugen einfache Reisekleidung und waren mit unseren Reisetaschen belastet, also von nicht eben für alle Gastwirthe erfreulichem Aeußeren. In dem zunächst der Bahn gelegenen Hotel „zum sächsischen Hof", in welches wir eintraten, wurden wir von einem Herrn Kell ner von oben bis unten besichtigt und wahrscheinlich taxirt, und erhielten den Bescheid; es sei kein Platz mehr für uns im Hot-l. Wir wandelten in die Stadt und hofften im „Wet tiner Hof" ein Unterkommen zu find-n, doch wir wurden nicht ausgenommen, weil alle Zimmer besetzt seien. Es war hier allerdings die Gaststube von Gästen gefüllt und wir wurdm doch mit Bedauern von dem Wirthe verabschiedet. Aber bei unserem Austritt aus dem Hause mußten wir es uns ge fallen lassen, daß fünf vor der Thür befindliche Individuen mit langem Halse und kurzem Verstand uns einen höhnischen Abschied nachschnatterten. Nun versuchten wir im Hotel „zum Kronprinzen" ein Obdach zu finden. Aber, im Widerspruche mit dem Stubenmädchen, erklärte uns die Frau Wirthin von ihrem bequemen Lehnstuhle aus, cs sei len, Platz für unS in ihrem Hause. So waren wir zmn dritten Male abgewiesen. Im Gastzimmer erzählte ich einen» Herrn von unserer unan genehmen Situation. Wir traten nun unseren Rückzug an und wollten in der Bahnhofsrestauration bis zur Abfahrt des nächsten Zuges warten, und diesen, wohin er auch gehe, be nutzen. Die Amerikaner bemerkten, daß die Begegnung, welche uns hier zu Theil geworden, wesentlich von der Art und Weise verschieden ser, wie man in andern großen Städten, Wie St. Franzisko Merco, New-?)o:k, Paris u. s. w, von den Gastwirthen behandelt! werde. Sie waren nämlich der irrigen Meinung, die Gastwinhe seien überall verpflichtet, auch den zu Fuß ankommenden und bestäubten Reisenden höflich zu begegnen und ihnen auch de! Sonntags in später Abendstunde Aufnahme zu gewähren; sie hegten den Wahn, die Hotels seien wegen der Reisenden vorhanden, während doch in der That die Reisenden wegen der Hotels cxistiren! Ehe wir r och den Bahnhof erreicht, hatte uns der Herr, mit w lchem ich ge sprochen (es war ein Eisenbahnbcamtetertz, eingchvlt, um uns in zuvorkommender Weise eine Wohnung zu verschaffen. Er führte uns in den uns vorher unbekannten Gasthof „zur Stadt Leipzig", wo wir denn nun auch, nach seiner Bevorwortung, um 11 Uhr, also nach zweistündigem Suchen, ein Obdach fan den^ und recht gut bewrrthet wurden. Moral: Seid (V-r der Minner m.hr als drei, So fahrt l'.i Riesa flugs rorbci; Temr seid Ihr nur der Männer wer, So findet schwer Ihr Rarhtquarficr. — Wir gedachten in der gestrigen Nummer dieses Blattes eines Soldaten, der sich von einem Bahnzug auf der Meißen- Dresdner Bahnlinie habe überfahren lassen und aus der Stelle todt geblieben sei. Dazu haben wir heute zu erwähnen, daß derselbe nachträglich wieder in das Leben zurückgerufen worden ist. Er befindet sich dermalen im Militärhospital und siand bei der Artillerie. Seit einigen Tagen hatte man ihn in dem Verdacht, daß er desertirt sei. Den betreffenden Bahnzug, der ihn nach seiner Absicht tödten sollte, hatte er in einem an der Böschung der Bahn gelegenen Weidenbusche erwartet. Unge fähr zwanzig Schritt, che der Zug an diese Stelle herange- kommen, war er aus d-m Busch hervorgesprungen und hatte sich auf das Schienengleis geworfen; der an der Locomclive befindliche sogenannte Reimer halte ihn aber vcm Gleise weg gekehrt, so daß ihn die Lokomotive gar nicht ersaßt. Erne tiefe Kopfwunde, die ihm der Reimer zugesügt, war die Ver anlassung zu der irrtümlichen Vsrmuthrmg, daß er wirklich überfahren worden sei. — — Einem unS gütigst mitgethcutcn Briefe eines Wiener Theilnehmcrs am Dresdner Sängerfeste an seinen hiesiger: Quartierwirth entnehmen wir folgende Stellen. „Vor Allem den innigsten Dank für die liebevolle und herzlich: Aufnahme in Ihrem Hause; in ganz Dresden hätten wir es nicht brü derlicher und heimischer finden können als bei Ihnen. U t dennoch spricht so fast jeder unsere: VereinLkollegen, jetur will am besten und herzlichsten aufgehoben gewesen fern, jeder erzählt Neues und stets Schönes von der unverglerchlrchen Gastfreundschaft und Herzlichkeit der Dresdener und unsere nicht mit in Dresden gewesenen Sanier schwärmen gleich uns von Euch liebe Sachsen, und sehnen sich nach ber Gelegenheit, Euch in Wien zu sehen, um nur einen schwachen Therl ihrer Schuld abtragcn zu können. Nun. Gelegenheit ist da: das nächste Schützenfest soll in Wien sein... Ihr Hr. Staatsini- nister v. Neust hatte bei seiner jüngsten Anwefinheit in Wien die außerordenlliche Freundlichkeit, seinen Wiener Gast, wel chen er mit andern Sangcsbrüdern (unter denen sich auch ein Berliner befand) in Dresden beherbc.gr:, hie: mit einem Besuche zu beehren — ein Besuch, der einem Sänger rn Oest- reich wohl noch nicht vorgekommen ist; — auch den Verein beehrte er mit seinem hohen Besuche gelegentlich eines Uebungs- abends und wurde mit stürmischem Applaus empfangen." . . — In der Nacht vom 16. zum 17. August ist in dem Hause des Kaufmann Braune in Olbernhaa, nahe bei dem königl. Kupferhammer Giünthal und an einer sehr frequenten und belehren Straße ein überaus frecher Einbruchsdiebfiahl verübt worden. Tie Diebs haben sich durch ern Fmsler, das mit einem hölzernen, mit Eisenblech beschlagenen Laden und noch außerdem durch ein ziemlich starkes Eisengittcr verschlossen war, Eingang in das Ve.kaufsgewölbe verschafft. Laden und Eisengitter sind mit groß-m Krattauswand, mittelst Anw.n- dung von Hebel zerwürgr und arrsge hoben worden. Haupt sächlich sind es Flanelle, zu Frauenröckeir bestimmt, und Buckskine. die die Tube an sich genommen haben und deren Werth sOO bs 500 Thaler beträgt. Gewisse Wahr nehmungen lassen vermulhcn, daß das geraubte Gur über d e panz nahe Landesgrenze nach Böhmen gebracht worden ist. — Scheinen will es, als ob die sonst in Sachsen so thätige Grnsd'armerie, hier nicht besonders rapid vorginge, da den 17. August Abends 7 Uhr, noch kein Gensdarm zur Bes,ch. lioung des Thatbestades sich eingefunden hatte. Ob das vielleicht an einem zu großem Bezirk, oder an etwas Andern» liegt? — Der Abbruch der Sängcrhalle hat vorgestern ein Opfer gefordert. Gegen Mittag nämlich dieses Tages stürzte der Zimmerzeselle Reinhard aus Lungwitz beim Erncrißen eines Gebälks von demselben herunter und erlitt dadurch außer einem Schenkelbruch so bedeutende innere Verletzungen, daß er noch während seines Trar.rpcrls in die Diaconissenanstalt sei nen Geist aufgab. — — Auf dem Freibergerplatz verursachte ein fremder Bo- tensuhrnramr vorgestern Nachmittag gegen 5 Uhr dadurch einen bedeutenden Menschenauflaus, daß er einen Knaben durchprü- gelte, der während seiner Abwesenheit auf seinen Wagen, der dort hielt, hinaufgeklettert war und aus demselben Platz ge nommen hatte. D.r Knabe schien damit kerne böse Absicht verfolgt zu haben, deshalb nahm auch das Publikum für ihn und gegen den Fuhrmann Partei. Di; Sache wurde später durch dre Polizei geschlichtet und deren Aufforderung an des Publikum, auseinander zu gehen, Folge gegeben. — — Wir befinden uns heute schon wieder in der Lagej einen Einbruch zu referiren, der vorgestern Abend in einem Hinterg.bäu'oe des Hauses Nr 26 auf der Mariensiraße der» übt worden ist. Dort bewohnt ein Mann, der Tags über außerhalb seiner Wohnung beschäftigt ist, in der ersten Erage ein aus Vorhaus, Küche und Wohnstube bestehendes Logis. Derselbe hat zwei Kinderchen im Alter von 9 und 12 Jah ren, die sich außerhalb des Logis vorgestern Abend bis gegen 9 Uhr bei ihrem Vater befanden Letzterer schickte sie um diese Zeit nach Hause. Sie fanden die Vorhausthüre ihrer Wohnung vielfach beschädigt, und als sic darauf Lärm machten, bemerkten sie, daß in diesem Augenblickezwei unbekannte Burschen aus einem Ncbenlocale heraus sprangen und die Treppe hinab stürzten. Es hat sich ergeben, daß die Diebe nichts entwen det hatten. Sie sind also auch in diesem Falle durch die noch rechtzeitige Rückkehr der Kinder gestört und dadurch verhindert worden, Etwas wegzuschaffen. — — Vorgestern Abend bewegte sich unter Vorantritt eines Musikchors ein stattlicher Zug, zur Seite Pech- und Wachs- fackeln, nach der Kreuzkirche zu. Es galt, dem Herrn Con- sistorialralh Sup. I)r. Kohlschütter zu Ehren seiner silbernen Hochzeit eine Ovation Seiten der hiesigen Lehrerschaft zu brin gen und dadurch von der Lieb: und Verehrung Zeugniß zu geben, die Herr Iw. Kohlschütter in seiner nunmehr lüjährigen Wirksamkeit in hiesiger Sladt sich erworben hat. Ter außer- o dentl'.ch gut besetzte Sängerchor, welcher von den Herren C'mwre.- Mülles und Schurig dirigirt ward, brachte in sehr .oller Werke zuerst einen Choral, und dann das Zöle- ner'sch^ Leo: Lobt den Herrn :c. zur Ausführung. Hierauf wurde rn motivirter Weise durch Herrn Schuldirektor Heger ein fiuriges Hoch auf den rheuern Gottesmann und seine Fa. mitie ausgebracht, in das die zahlreiche Versammlung lebhaft einstiinmte Auf das herzliche Tankeewort des Gefeierten ant wortete Seiten der Sänger „das treue deutsche Herz" von Otto und mit dem Abendliede von I G Müller wurde der feier liche Act geschlossen, worauf unlec klingendem Spiele sich der Zug nach dem Gcwandhaueplatzs begab, wo die Fackeln ver löscht wurden. — O öffentliche Gerichtsverhandlung vom 10. August. Es handelt sich heule um Widersetzlichkeit gegen erlaubte Selbsthilfe. Der Angeklagte tritt mit besonderer Energie auf und antwortet auf die Fragen, die an ihn ge richtet werden, mit den Worten: „Es strmmtl" Er h.ißt Jo hann August Powdrack. ist zu Dresden geboren, 2 t Jahre alt und seiner Beschäftigung nach Handarbeiter. Schon 1658 erhielt er sechs Monate Landesgefängniß, 1660 sechs Monate. 1 Woche und 2 Tage Arbeitshaus, 1861 zwei Jahre und drei Monate Arbeitshaus und zuletzt noch wegen Unterschlagung 16 Tage Gefängnis;. Der Angeklagte, stets ein eifriger Besucher der Galerie des Gerichtssaalcs. be nimmt sich frei und leicht aus der Anklagebank und winkt, freundlich grüßend, mit den Augen im Saale nach all.n Sei ten hi». Am 12. Juli in der neunten Morgenstunde kam der 19jährige Handelsgärtncr Johann Gottlieb Preffcher aus Neu- strießen aus dem Wege vor dem Pillnitz.-x Schlage daher und sah, wie auö einem Haferfelde, das dicht an ein Kornfeld grnizie, zwei Menschenköpfe berausragttn. wttche bald ver schwanden, bald wieder auftauchten, bald in den wellenartigen Schwingungen der Aehren dahinsuhren. Das fiel ihm auf. Er ging hin und sah. daß rn dem Felde zwei „Kerle" steckten, die dort qenächtigt und sowohl das Hafer- als das Kornfeld stellenweise sehr cingctrctcn hatten. Sie mußten sich förmlich darin hcrumgewälzt haben. Ter Handclegärtircr wollte nun die Buden arrrtiren, da kam er aber schön an. Powdrack ging gleich mit aufgehobenem Arm auf ihn los und meinte