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Nr. 83V. Zehnter Jahrg. Frelterg 18. Auaust 18SS. Erscheint: «glich früh 7 Uhr. Inserate »erden angenommen: -i« Abends ü,Sonn tags bi» Mittag» 12 Uhr: Marie,istraße IS. »nzelg. In dies. Blatte, da« jetzt in Exemplaren erscheint» finden eine erfolgreich« Verbreitung ALonnemmt: vierteljährlich 2vNgv bei unentgeltlicher Lir< serung in'« Han». Durch di« KSnigl. Pof vierteljährlich 22 Ngr Einzelne Nummerr t Ngr. Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mitredacteur: Theodor Drobisch. Inseratenpreise: Für den Raum ein« gespaltenen Zeile: i Ngr. Unter „Einge^ sandt" die Zeil» 2 Ngr. Druck und Sigrnlhum der Herausgeber: Oiepslh K Neilhav)!. — Berankwortlicher Redacteur: IuUllS Nellhmbt« Dresden, den 18 August. — Dem Fabrikakbeiter Georg Wollmann zu Bautzen ist die zum AlbrrchtSorden gehörige silberne Medaille ver liehen worden. — Der Ministerialdirektor, wirtl. Geh. Nach Kohl schütter, ist von der unternommenen Urlaubsreise zurückgekehrt und in die Geschäfte wied:r eingetreten. — Von Seiten der Vertreter unserer Stadtgcmeinde ist in Sachen des hiesigen Sängerfestes vor einigen Tagen nach stehende Zuschrift an Herrn Staatsanwalt Ritter rc. Held abgegangen: „Zum Zeichen danlkarer Erinnerung an das Zustandekommen des ersten deutschen Sänge,bundesfestes, so wie an den glücklichen und wohlgelungenen Verlauf desselben in den Tagen des 22. bis mit 26. Juli dieses Jahres haben wir beschlossen, den Leitern dieses Festes und insbesondere Ihnen, hochverehrtester Herr Slaatsanwalt, als Vorsitzendem des engern Ausschusses für das Sängcrbundcsfest, den Dank der Gemeinde zu widmen. In Vollziehung dieses Beschlusses beehren wir uns Ihnen solches andurch ganz ergebenst zu er öffnen und versichern unsre aufrichtige Hochachtung Dres den, am 4. August 1865. Der Naih und das Stadtvrrord- netencvllegium. Pfoteyrhaucr, Oberbürgermeister. Ackermann, Vorstand der Stadtverordneten. — Die Nachricht, das überaus schmerzliche Ereigniß aus Oelsaitz r. V. betreffend, bedarf der nolhwendigcn Berichtig ung: daß der allgemein verehrte und um die Siadt hochver diente Bürgermeister wohl an einer schmerzhaften, jedoch nicht unhnlbaren Niercnkrankhcit litt Die schreckliche Katastrophe war vielmehr die Folge eines s-it einigen Tagen ihn ergrei fenden und tägl ch mehr sich steigeinden Irrsinns, der dem unglücklichen Mann durch Ueberanstrengung in seinem Berufe überkommen war. — Während wir gestern noch bezüglich des zu Anfang dieses Monats einem Herrn in hiesiger Sladt zugestoßenen, namhaften Verlustes von Wertpapieren sammt Talons und Coupon-, im Betrag von nahezu an zwei Tausend Thalcrn, unsere Verwunderung darüber auszusprcchen hatten, daß sich der Finder durch die auf Wiedererlangung derselben ausge- setzte Belohnung nicht bewogen zu finden scheine, dem Verlust- träger sein Eigenthum zurückzugebln, können wir heute die er freuliche Mittheilung machen, daß der Verbleib der gesammten Werthpapiere ermittelt worden ist und letztere dem Eigenthü- mer wieder haben zugestellt werden können. Es war nämlich in Erfahrung gebracht worden, daß ein Handarbeiter eine Tasche mit einem höchst werthvollen Inhalt gesunden haben sollte. Die von der Polizei alsbald angestellten Recherchen führten auch sofort zu dem gewünschten Resultat. Die in Verlust ge rathene Tasche wende sammt Inhalt unversehrt dem betreffen den Beamten übergeben und sodann dem Eigenthümcr zu- gestellt. — Ein Gläubiger glaubte sich berechtigt, seinen 50 Thlr.- Schuldner zur Bezahlung zwingen zu können, indem er ihm gestern Nachmittag m seiner Wohnung auf der Alauustraße mit einem Stocke tüchtig zu Leibe rückte und sich an ihm sein Mülhchen kühlte. Zuletzt schloß er den Schuldner ohne Wci- eres in seine Stube ein und brachte ihn auf diese Weise in unfreiwilligen Schuldarrest. Dies kam jedoch zu Ohren der Polizei und diese schritt nunmehr gegen den Gläubiger ein und brachte ihn nach Nummer Sicher. — Vorigen Freitag saß die Gattin dcS Herrn Salzver- waltcr Voigt, welche sich ohnweit Bautz n auf sommerlogis befand, in der Stube, als ein heftig gekcnder Schrei ihr Ohr berührte. Voll mütterlicher Bcsorgniß um ihren Kleinen, der draußen spielte, eilte sie hinaus, doch kaum war sie um die Ecke gebogen, als ihr der Sohn, der noch vor Kurzem von ihr geherzt und geküßt worden war, triefend von Wasser als — Leiche entgegen gebracht wurde. Dieser Mo ment war herzzerreißend! — Der Kleine war beim Spie- len in den offnen Ziehbrunnen gefallen und sofort ertrun ken. — Wieder eine Mahnung an Eltern, betrachtet nicht blos die Person, sondern auch den Ort, dem ihr euer Li bstcS an vertraut I — In der vorvergangenen Nacht stand auf einer Straße der innern Stadt ein Fremder und rief laut: „Hilfe, Spitz buben!" Der Nachtwächter, der darauf an Ort und Stelle eilte, sah in einiger Enifernung auch einen Mann Reißaus nehmen. Er sowohl, wie der Fremde, machten sich eiligst auf die Beine und setzten dem Flüchtigen nach. Derselbe nahm seinen Weg bi» unterhalb der Münzgasse, dort entschwand er den Blicken seiner Verfolger. Später und nachdem der Fremde nunmehr ang-geben, daß jener Mann ihm eine Uhr auf der Straße aus der Tasche geraubt, ist cs doch noch gelungen, ihn in der Person emeS orangen Dienstmannes zu ermitteln und zu verhaften. — — Wre wir nachträglich erfahren, befand sich beim großen SLvgrrsest zu Dresden auch noch der Fürst Souwarrow . als Deputirter des Petersburger Gesangvereines anwesend. Der Fürst ist General-Gouverneur zu St. Petersburg und Erzieher des Großfürsten. — Schon wieder liegt uns eine Mittheilung über einen in hiesiger Stadt borgekommenen Einbruchdiebstahl vor. Ver übt wurde derselbe diesmal aus der Stiflsstraße. Der bisher unbekannte Dieb hatte dort sein Augenmerk auf zwei Boden kammern gerichtet, dieselben gewaltsam erbrochen und daraus einige Röcke gestohlen. Ueberrascht durch unvorhergesehene Um stände hat er cs aber für gerathen gefunden, schleunigst Reiß aus zu nehmen und sich zuvor noch seiner Bürde zu ent ledigen — — Die Leipzig-Magdeburger Eisenbahn-Gesellschaft weist von ihrer Einnahme im Jahre 1861 dem Erneuerungsfond 172,000 Thlr. zu, zahlt 122.500 Thlr. Eisenbahnsteuer und giebt doch noch 18j Proz. Dividende. — Am 9. d Mis. ist in Kuncwaldc ein fremder toller Hund herumgelaufen, w.lcher eine ziemliche Anzahl gesunder Hunde gebissen hat, so daß bis gestern 19 Hunde getödtet worden sind. — In Leipzig bezahlte vor Kurzem ein Markthelfer in einem größeren Geschäft im Aufträge seines Herrn eine nicht unbedeutende Rechnung, erhielt auf die Noten, mit denen er bezahlte, eine namhafte Summe zurück, stellte sich jedoch bald mrt dem Bemerken wieder in dem Ge chäst ein, er habe 10 Thalcr zu wenig zurückerhalten. „Zehn Thaler zu wenig! — Ist nicht möglich!" entgegnete ihm barsch der Cassirer. „Zähle Ec sein Geld bester, che Ers übernimmt!" „Ich habe es leider mcht gezählt es sind aber ganz gewiß 10 Tha- ler zu wenig", entgegnete niedergedonncrt der Markthelfer. „Ich armer Mann muß eS ersetzen." „Thut mir le.d, kann Ihnen aber nicht helfen", war die kurze Antwort. So ging das eine Weile fort, der Cassirer wurde immer unangenehmer, der Markthelfer bat immer flehentlicher, man möchte doch einmal nach:echnen, er habe Frau und Kinder zu ernährcn und könne die 10 Thaler nicht missen. „Da geh'n Sie doch endlich mit Ihrem ewigen Lamento," mischte sich der Prin zipal in den Handel; „Sic haben sicher die richtige Summe erhalten, Sie sind kein Kind mehr! Zählen Sie ein ander mal gleich nach, jetzt können Sie nichts beanspruchen und kommt ein Fehler zu unfern Ungunsten vor, so können wir auch nichts zurück verlangen und beanspruch-n auch Nichts " „Ja, so ist es auch." entgegnete der Markthelfer mit ver schmitzt lächelndem Gesicht — und „ich habe zehre zu viel! Ich empfehle mich Ihnen!" — Schandauer Erinnerungen. Es giebt sicher keinen Badegast und war' er Hypochonder aus dem ff, der beim Abschied von Schandau der Jungfrau von Orleans be kannten Spruch: „Johanna geht und nimmer kehrt st: wie der" zu dem seinen machte; denn wie müßte dessen Herz be schaffen sein, in dem kein freundliches Erinnern an so herr sche Naturrcize, deren Mittelpunkt Schandau mit vollem Recht genannt werden kann, haften bliebe! Gäbe es wirklich ein solches Steinherz, so dürfte dessen Devise Urne andere sein, als'des ersten Kürassiers (Wallcnsteins Laur) Geftändniß: „Ich — ich Hab' kern Gemüth dazu " Welche Morgenpracht im Äirnischgrunde und welch' süßer Friede, wenn die Abend glocke in daS herrliche Elbthal ihre Töne verklingen läßt! Und wie dies wohlthuende Empfinden sich schmeichelnd an die Herzen legt, das bezeigt ja die Anwesenheit so vieler Bade gäste, in diesem Jahre ins elfte Hundert, theils wirklich Ba dende und thei's ein bedeutender Contingcnt Luftschnapper. — Schandau vereint Städtisches und Ländliches in einem. Man hat da den Genuß Kehrdamen zu begegnen, die in großer Toilette Straßenfe^erdienste verrichten und dem Ii:ben Nächst,» oder besser gesagt, Hintermann etwas vornebeln, aber man hat auch das Vergnügen, fröhliche Menschengesichter zu sehen, welche vom Anblick der grünen Thalwände und vom Arom des Waldduftes tiesir.nerst ei freut, in iheem Aeußern die herr liche Natur nicht durch lächerliche Unnatur am denkenden M nschen verunstalten. Die dem Sängcrfest folgenden Tage brachten den Schandaucrn den Anblick einer Völkerwanderung im Kleinen, von der Niemand weniger erquickt sich fühlte, als die Pferde, denen die Aufgabe beschiedcn war, das Gros der lustigen Sangcsbrüdcr nach dem Wasserfall zu befördern. Wagen an Wagen, mitunter höchst antiquirte Kaleschen, deren Geburtsscheine aus der Zeit des siebenjährigen Krieges zu stammen scheinen, rollten durch den waldduftigen Grund dahin, vollgepfropft mit Sängein, die ihre schönen Liedec anstimm ten und den auf den Balconcn stehenden Damen endlose Hochs zusangen. Ja. das waren illusttirte Tage für Hoteliers und Gastwirlhe, für Bäcker und Fleischer und alle Die, welche sämmtlich zur Fahne Neh(r)mias geschworen haben. Und al» diese fröhliche Sänzerwallfahrt nach einigen Togen vorüber war, wurde r» wieder st ller im lieben Schandauer Thale, so recht traulich still, und Mancher, der in Hegebarth's Condito- rei-Garten sich gemüthlich nach all' der Hitze mit Ci? ersri- schen wollte, bedauerte t ef, daß von Eis eben keine Rede hi» konnte, weil .. weil Elbe und Kirnitsch nur im Winter in diesem Artikel „machen" und ohne Eiskeller derselbe sicher in seines Ursprung flüssiges Nichts zerrinnt. So lästig auch die Hitze war, hat sie doch keinen Nachtheil auf die Reiselust geübt, die sächsische Schweiz ist trotzdem überaus zahlreich be» sucht worden. Besonders war das im Hotel Hänsel am Wasser fall zu beobachten, wohin, seit Omnibusse im Gange sind, die Schandauer Badegäste gern Ausflüge unternehmen, denn Alles, was man daselbst genießt, ist gut und preiswürdig. Ein Nachmittag dort unter der von lebendigem Grün gebildeten großen Halle verbracht, führte ein fast immerwährend beweg tes Bild neuen Zuzugs Reisender, die nach dem Kuhstall,' Winterberg und Prebischthor pilgerten, vor Augen. — Die Einwohner von Vadeörtern sind in der Regel leichtlebig; wenn die! auch irr Schandau zum Theil der Fall ist, so muß doch der tiesreligiöse Sinn der Schandauer besonders rühmend an» e krnnt werden, sie sind nicht lässig im Kirchenbesuch. Wer sollte z. B. glauben, daß Steinbrecher und Schiffer sich vor Allen darin auSzeichr.cn? Und doch ist es so und nicht an ders Nicht selten ist während der Ba'eesaiscn die Kirche so gefüllt von Fremden, daß später Kommende nicht mehr Platz finden. Woher das? Dies Räthsel löst sich sogleich, wenn man weiß, daß des dasigen Herrn Pastor Schultcis Predigten von jener wohlthucndcn Art sind, die Aller Herzen berührt, wober ihn ein girier Vortrag, ein sonores Organ und eine männliche k ästige Erscheinung unterstützen. — Der Schan dauer Hamlet, der etwas Faules im Staate Dänemark gewit tert hatte, ist seitdem in ein stoisches Schweigen versunken, so daß man fast muthmaßcn möchte, er sei „angekränkelt durch des (eignen) Gedankens Blässe." Viel Lärm um Nichts ist wie bekannt ein Shakespeare'sches Lustspiel und zuletzt lechen, ist immer besser als gleich zu Anfang, wenn der Eierkuchen erst über's Feuer gesetzt wird. — Zu den Lieblings-Ausflügen der Badegäste gehört jetzt der Wolfs berg, I Stunde fern, auf dem linken Elbufer. Man durchgeht den schönen Krippncr Grund, wendet sich links auf guter breiter Straße nach Rrin- hardsdorf, in dessen Mitte der Weg nach dem Wolfsberg ab- zweigt. Angelangt auf diesem 1050 Fuß hohen Berge, ge nießt man eins wahrhaft schöne Aussicht, von hier sieht man mit unbewaffneten Augen in die Wölbung des Prebischthores hinein. Aus dem vor dem Wolstbcrge ausgcbreitctcn Platcau erheben sich Kaiserkrone und Zirkelstein, ringsum gleich riesigen Wächtern, denen die Obhut eines Juwels anvertraut ist, stehen die nahen und fernen Berghäupter vor unserm Blicke. Eine belohnende Umschau entschädigt reich für die kleine Mühe, diese Bergkuppe erstiegen zu haben. Der Besitzer derselben, der Rein- hardsdorsir Cantor Herr Engelmann, ein Naturfreund, hat seit Frühjahr ein kleines hübsches Haus auf dem Berge bauen lassen zur Bcquemlichk.it der Besucher, wo man sich nach Wunsch mit Kaffee. Vier u. s. w. restauriren kann. Findet man sich schon angcheimelt durch das freundliche und doch zu gleich großartige Landschaftsbild, so vervollständigt die Be kanntschaft mit Herrn Engclmann selbst diesen angenehmen Ein druck noch mehr; wir haben einen Mann vor uns. der schlicht und offen das ausspricht, was er denkt und fühlt, der nicht um schnöden Gewinnes willen seinen Wolfsbcrz nach Kräften so hergerichtet hat, sondern damit auch seine Nebenmenschen Freude an Gottes schöner Natur empfinden sollen, denn in dieser Freude wrr zelt ja die Veredlung des McnschengemüthS. Und so schließt der Verfasser seine Erinnerungen an das schöne Schandau im lieblichen Kirnitschgrunde, überzeugt, daß Manche, wie er, jeden schönen Rückblick hoch und lheuer halten und fühlen, mit wie großem Rechte unler Hcldendichter Körner vcn der Erinnerung sagte: DaS klingt und l dl. wenn aller Schein verglühte, Im stillen Herzen eine cw'ge Blüthc. FL. — Oeffcntliche Gerichtsverhandlung vom 17. August. Die heuti e Hauptverhandlung nahm einen trau rig n Anfang und ein ebenso trauriges Ende. Der Herr Ge heim: Justizrath Neidhardt er öffnete um 9 Uhr die Sitzung. Ein zahlreiches Publikum hatte sich eingefunden. Es waren drei Zeugen erschienen, der vierte hatte sich mit triftigen Grün den entschuldigt; trotzdem sollte die Verhandlung ihren Fort gang finden. Auf dem Eerichtstisch lagen eine Menge gestoh lene Sachen, namentlich Wäsche und Leinwand. Die Ange klagte wurde eingesührt, ein hübsches, frisches, junges Mädchen von blühendem Aussehen. Sie he ßt Johanne Christiane Au guste Rücke,t, ist erst 2l Jahre alt und zu Ludwigsdoif bei Görlitz beimathSangehörig. Weiter konnten leider rhre Perso nalien nicht ausgenommen werden; denn die Angeklagte fiel um und bekam heftige Krämpfe, so daß sie aus dem GerichtS- aal in das Zevgenzimmer gebracht werden muhte. Es eilte >er Herr GcrichtSarzt Ur. L-Hmann herbei, welcher sofort die NI i I ! 'ü