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Sonntag, LS. August 1865. Mitredactrur: Theodor Drobisch. Abonnement: LterwljLhrlich LV Ng?. bet umntgeldlichrrLie« scrung in'« HauS. Durch die KSntgl. Pos vierteljährlich 22 Rgr Einzelne Nummcr» I Ngr. Druck u»d Eigeuthum der Herausgeber: Iliepfch st Neichardt. — Verantwortlicher Redactrur: Julius Neichardt. Anseratenpreise: Für den Raum riu« gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Einge sandt" dir Zeile L g»gr. Dresden, den 13 August. — Das von Sr. Maj. dem Könige auf die Dauer der dermaligen Abwesenheit mit Besorgung der Ncgierungsange- legenheiten beauftragte Gesammtministerium hat dem Geheimen Regierungsrath Häpe bas Annehmcn und Tragen des ihm von Sr Maj. dem Könige von Hannover verliehenen Com- rnandemkreuzes zweiter Klasse des Guelphenordens gestattet. — Se. Maj. der König hat dem Rendanten an den vereinigten Landesanstalten zu Hubertueburg, Hausverwalter Friedrich August Schönbach. das Ehrenkrcuz vom Verdienst orden verliehen. — Vom Köni,l Justizministerium geht uns folgendes Schreiben zu: Im gestrigen Blatte der Dresdener Nachrichten Nr. 223 ist auf der ersten Seite in der 3 Spalte gleich im ersten, den Mangel an Staatsgebäud.n in Dresden betref fenden Artikel die Bemerkung entha ten: es hätte schon längst für das Bedürfniß eines neuen Gerichtshauscs gesorgt wer den können. — Schon längst aber schwebt die Frage über Trennung der Justiz von der Verwaltung. Sie ist noch un entschieden; ihre Entscheidung kann keinen Falls vor dem nächsten Landtage erfolgen. Vor ihrer Entscheidung kann das Justizministerium nicht übersehen, ob bei neuen Gerichtsgebäu- bäuden auch noch ferner das Bedürfniß der Verwaltung mit zu berücksichtigen oder nicht; es würde entweder zu viel oder zu wenig gebaut, in beiden Fällen für die Staatskasse sehr leicht ein vermeidlicher Mehraufwand veranlaßt werden Hier nach dürfte sich beurtheilen lassen, ob der im Eingänge erwähnte Vorwurf ein gerechter ist oder nicht. Dresden, den 12. August 1865 Hochachtungsvoll Ilr. v. Behr, Justizminister. — Die Herren Musikdirektoren Puffholdt und Laade haben sich heute zu einem großen Doppelconcert im Belvedere Vereinigt. — Die bei der Sängerhalle verwend.t gewesenen Draht seile rc. sollen veräußert werden. — rt. Die Sängerhalle wird jetzt immer noch viel be sehen und bewundert, und was uns am me stcn auffällt, jetzt wo sie eingerifsen wird, und die Photographien derselben täg lich billiger werden, wird sie täglich mehr von fremden Tou risten abgezeichnet. Am Freitag Abend zählten wir zu gleicher Zit am rechten Elbufer sechs und, wenn uns unser Glas n cht täuschte, am linken Elbufer zwri Zeichner, die die Sänger halle mit der reizenden Umgebung in ihr Album aufnahmrn. — In einem Garten auf dem Bischofsweg hat sich in der Nacht von vorgestern auf gestern eine Handarbeiterswittwe an einer Schlafrockschnuc erhängt. Die Frau war in der letz Irren Zeit tiefsinnig, und soll ihr gestörter Seelenzustand darin seinen Grund haben, daß sich erst vor Kurzem ihr Mann ent leibt hat. Sie war nahe an 60 Jahre alt. -L — In Friedrichstadt fand vorgestern ein militärisches Begräbniß eines verabschiedeten Soldat statt. Vor dem Schlage angekomnien, wurden die dem Leichenwagen vorgespannten Pferde scheu, litten den auf dem einen Pferde sitzenden Füh rer, einen Trainsoldat nicht mehr, und gingen mit dem Lei chenwagen querfeld rin, so daß die die Leiche Begleitenden zu Hilfe springen mußten, um die Pferde und den Leichenwagen aufzuhalten. Tie Pferde wurden darauf bis in d n Kirchhof hineingeführt. Nach der beendeten Begräbnißfeierlichkeit hatte der Trainsoldat doch wieder Courage gehabt, sein Pferd zu besteigen. Auf dem Rückweg, in der Nähe der Förstcrwoh- nung, wollten die Pferde über eine Hecke springen. Der Sol dat mußte wieder absitzen, die Pferde ausspannen, zu Fuß mit ihnen nach der Caserne wandern und sich tort ein paar an dere Pferde holen, um den vor dem Schlage zurückgelassenen Leichenwagen nachzuholen. — — In der alten Kreuzschule sind vor einigen Tagen mehrere Kleiderschränke von einem und,kannten Dieb erbrochen und daraus verschiedene Kleider, die die Kreuzschüler dort auf bewahrt, gestohlen worden. — — Wie weit die Vergnü ungssucht führt und Mittel angewendet werden, das dazu nöthige Geld zu erwerben, zeigte sich an einem der Tage der großen Vogelwiesenwoche. Da fragte auf der Prager Straße eine Bauerfrau in Beglei tung ihrer Tochter nach einem Friseur Man wies ihr die Gewölbe von zwei dort befindlichen Coiffeurs und auf die Frage: Sie wollen wohl Ihre Tochter trisirrn lassen? sagte die Alte: Nein! meine Tochter will sich hier ihrn schönen blonden Zopf abschnriden lassen und mit dem Gelde, was wir dafür lösen, wollen wir dann ein bischen auf die Vogelwiese gehen und uns auch rin Plaisir machen. — rt Um den Verbrauch an Bier in den vergangenen Festwochen einigermaßen feststellen zu können, muß man sich leider nur an die unsicheren Angaben der Restaurateure hal ten, weil unsere großen Brauereien sich so weit als möglich in den Schleier de- Geheimnisse- hüllen. Derartige statistische Notizen fehlen uns aus England nie. obgleich dort die Ein- Lommensteuer höher bemessen ist und rigomeuser umgelegt wird, aber man hat dort den Nutzen der Oeffentlichkeit vollständig begriffen. De n Vernehmen nach hat die Actienbrauerei zum Waldschlößchen während des Sängerfestes auf dem Wald- schlößchcn selbst einen Absatz von 600 Eimern und in der Sängerhalle von 500 E.mern gehabt, dagegen sind allf die Vogelwiese nur 200 Eimer Bier verfahren worden. Gewiß wäre der Verbrauch von Bier im Allgemeinen größer gewesen, würden die Biergläser strenger controlirt. In Leipzig geschieht dies jetzt recht fleißig, es sind am letztvergangenen Donners tag allein einige hundert vorschriftswidrig kleine Bierkrügel confiscirt worden. Nun sollten noch die vorschriftswidrigen Biereinschenker confiscirt werden, da würde manche Veran lassung zur Ungemüthlichftit wegfallen. Aber was sollte mit den Letzteren gemacht werden? Aufheben könnte man sie nicht, wegen ter Unterhaltungskosten; einschmelzen wie die Gläser könnte man sie auch nicht, wenigstens taugen sie nicht zum Umgießen, also bliebe freilich blos der Schreck, und „was thut nicht der Schreck?" — Der in Neustadt gelegene „Körnergarten" ist ohne Wirth. Der letzte Restaurateur ist nicht mehr dort zu finden, denn es befinden sich gewisse unangenehme Siegel an gewissen Stellen, die der rechtschaffene Bürger nicht wagen darf, anzu- rllhren. — Einen geraden Gegensatz zum „winkenlassenden Eng länder" gab ein Landsmann von ihm auf einer der äußeren Straßen, welche der Sängerzug passirte. Jener bezeigte seine Theilnahme, wenn man'- so nennen darf, auf eine ori ginelle Art, dieser seine Nichttheilnahme auf eine höchst ver letzende Weise. Der Festtrubel störte ihn in seinem Phlegma zu toll aber ward es ihm am Tage des Festzuges, und wie ein gefangener Löwe lief er in seinen Zimmern auf und ab, weidlich auf die Sänger schimpfend. Zufällig wirst' er seinen wüthenden Blick durch'- Fenster und muß sehen, daß eines seiner dienstbaren Geister den frohen Sängerschaaren von der Mauer herab zuwinkt. Zornentbrannt stürzt er auf die Ve randa und der Befehl: „Nicht winken! Nicht Winken!" ertönt mit Stentorstimme durch den Garten und macht das winkende Jette! erbleichen. Doch in den Adern Zettels und Käthels rollt deutsches Blut, und in edler Begeisterung beginnt LaS Winken und Sträußchenwerfen auf's Neue. Da naht die Nemesis in Gestalt der Gattin Nulls sich bald mit schnellem Schritte, und verweist sie von der Mauer in des Hauses dunkle Mitte! — Curiosum. Eine sächsische Badeanstalt hatte vor Kurzem große Zettel drucken und auch drei Tage an die Dresd ner Anschlagsäulen assichiren lassen, welche die Preise der Zim mer, der Bäder rc. enthielten. M n las auf denselben: Logis Nr. I, 2, 3 rc. kostet per Woche 2, 4, 5, 6, auch 7 Thlr. rc, Nr. 47 rc. per Woche 1 Thlr., Nr. 54 per Woche 1 Thlr. Nachdem die ca. 60 Logis mit ihrem Preise per Woche ein zeln angrgeben, folgte die Bemerkung: „Im Winterhalbjahre werden alle Zimmerpreise um 1 Thlr. pro Woche herabge setzt" Diesem Wortlaute nach kann man in dem Bade im Winterhalbjahr in Nr. 47 und in Nr. 54 umsonst wohnen, was manchen Obdachlosen interesfiren wird — rt. Der berühmte amerikanische General M. Clellan ist vorgestern hier angekommen und im Kütel cko Lollovuv ab getreten. — Auch die ausländische Presse nimmt an unserem ver klungenen Sängerfeste regen Antheil. So bringt das Pariser Journal „l.v lemp," einen ausführlichen Artikel aus der Feder des Herrn Steinmetz über das Fest, in welchem die nationale Bedeutung desselben vollkommen gewürdigt, die Gastfreund schaft der Dresdner Einwohner, das Entgegenkommen des Stadt- rathes wie der Regierungsbehörden in beredten Worten ge priesen und über dre musikalischen Leistungen ein sehr schmei chelhaftes Urtheil gefällt wird. — In eine hiesige Elbbadeanstalt kam gestern Morgen ein bis jetzt noch unbekannter junger Mann und begab sich in eine Badczclle. Kurze Zeit darauf hörte man aus dieser Zelle Hilferuf, man eilte herbei und zog den wahrscheinlich vom Schlag Getroffenen leblos aus dem Wasser. (Am Schluß des Blattes erfahren wir. daß der Entseelte Kellner in einer hiesigen großen Restauration war.) — Wochen-Repertoir des König!. Hoftheaters. Montag: Die Journalisten, Conrad Bolz: Hr. Emil Devrient. — Dienstag: Dinorah — Mittwoch: Zum ersten Male: Um die Krone. Jntriguenspiel in 5 Akten, von G. zu Putlitz. — Donnerstag: Die Hugenotten, Raoul: Hr. Coloman Schmidt, als Gast. — Freitag: Ein unbarmherziger Freund. Wer ist der Erbe? Dir wie mir. Die gefährliche Nachbarschaft. (Neu einstudirt.) — Angekündigte Gerichtsverhandlung den 15. d. M Vormittag» 9 Uhr. Verhandlungstermin Wider Julian v. Bukowintkh au» Polen, wegen Widersetzlichkeit und Belei digung. Vorsitz.: Gerichtsrath Ebert. Lage-geschicht« Dresden, am 10. August. Die Preußen, welche immer so geneigt wie beflissen sind, sich über unsere hiesigen Eirwch-- jungen, insonderheit über den langsamen Gang unserer Justiz- Pflege spöttelnd und tadelnd zu ergehen, bleiben auch ihrerseits nicht immer ohne Veranlassung und Gelegenheit, sich an ihrer eigenen Nase zupfen zu können. So lesen wir jetzt, daß am 3. August 1?65 früh 6 Uhr im Hose les Crimmal» gerichts-Gebäudes zu Graudenz der Arbeiter Franz F guck auS Neudorf durch den Scharfrichter Fischer aus Schwetz mit siche» rer Hand hingerichtet worden sei, nachdem er am 2 Juli 1864 durch Schwurgerichtö-Urtheil wegen Mordes, den er an seiner Ehefrau durch Ertränkung vollbracht, zum Tode ver- urtheilt worden war. Also dort, in dem vielgelobten und vielgepriesenen Preußen, ebenfalls ein zwischen der Vrrurthei- lung und der Urthelsvollstreckung inneliegender Zeitraum von gerade einem Jahre und einem Monate! Es soll sich übrigens der Hingerichtete Figuck der irrigen Ueberzeuzung hin» gegeben gehabt haben, daß das wider ihn gesprochene Todek- urtheil so lange nicht an ihm vollsireckt werden könne, als rr nicht zu dem Wider ihn vorliegenden Schuldbeweise auch noch sein eigenes Geständniß hinzusüze — daher Figuck bis zum letzten Augenblicke seine verbrecherische That beharrlich geleug» net hat! — Wien, Freitag, 11. August, Abends. Dis „Const. Oesterr. Ztg." enthält ein Telegramm aus Salzburg vom heutigen Tage, welches meldet, daß Se. Majestät der Kaiser morgen daselbst erwartet und am Sonntag sich nach Gastein begeben werde. — Die „N. Fr. Pr." dagegen meldet: Der Kaiser reist morgen nach Ischl ; wegen eines Besuches Sr. Majestät in Gastrin ist bis zur Stunde nichts beschlossen. — Nach dem „N. Frdbl." wäre das österreichisch-preußische Zer« würfniß als geschlichtet anzus.hen, ind m in den Principien eine vollständige Einigung erzielt worden sei. Graf Blome sei in der Lage gewesen, in der schleswig-holsteinischen Mili tärfrage an Preußen befriedigende Zugeständnisse zu machen. (Dr. I.) Paris, 9. August. Es wird bestätigt daß dieser Tage theils aus Algier, theils aus Frankreich 8000 Mann Ver stärkungen nach Mexico gehen sollen. —Der ,Monteur' hat nunmehr auch das außerordentlich- Budget Frankreichs für 1866 veröffentlicht. Dasselbe schließt ab mit einer Einnahme von 151,805,011 Francs und einer Ausgabe von 149 718,800 Francs. — Im Dordognedepartement wird ein Maire ge richtlich verfolgt, weil er sich bei den Wahlen einer Urne mit doppeltem Boden bediente. Er hatte unten hinein falsche Wahlzettel gelegt, wodurch er sich alle Stimmen verschaffte. — Die Fälscherbande, aus deren Fabrik die in Zürich und schon früher an andern Orlen angehattenen falschen Russischen Bank noten hervorgegangen sind, ist Ende v M. in Paris entdeckt, und zahlreiche Mitglieder und Helfershelfer derselben sind in Paris und Aisne verhaftet worden. In der aufgehobenen Werkstätte wurde außer den Modellen, Pressen und anderen zur Fälschung nölhigen Werkzeugen ein fertiger Vorrach von nahe an 8 Millionen falscher Russischer Banknoten vorgefun den und in Beschlag genommen. Die verhafteten Falscher sind größtentheils polni che Emigranten und ihre Verhaftung hat in der Emigration große Bestürzung hervorgerufen Viele Emigranten, welche der Theilnahme an der Fälschung ver dächtig sind, haben die Flucht ergriffen und werten von der französisch n Polizei verfolgt. Wie ein Warschauer Blatt wissen will, bestand die aufgehobene Fälscherbande schon seit dem Jahre 1862 und hatte früher ihren Sitz in London, von wo aus sie während des polnischen Aufstandes Massen von falschen Russischen Werthpapieren über ganz Europa verbreitete. Der Mittelpunkt für den Umsatz der Falsifikate war Brüssel, später Paris, wohin die Bande erst nach Unterdrückung des Ausstandes übersiedelt sein soll. Die massenhafte Fälschung russischer Werthpapiere soll außer dem materiellen Gewinn zugleich den polnisch patriotischen Zweck gehabt haben. Ruß land finanziell zu ruiniren. — Der „Abend-Moniteur" zählt die großen öffentlichen Arbeiten auf, welche in diesem Augen blicke im Nordosten von Paris im Werke sind. Es sind dies 1) die großen Reservoirs auf Menilmontant und Belleville; 2) die Hügel von St. Chaurnont, r ie in eine wahre Schveizer- landschaft verwandelt werden sollen; 3) der Bau des allge meinen Schlachtviehmarktes im äußersten 'Norden der Petit» Billette, und endlich 4) d r Bau der allgemeinen Schlacht häuser im äußersten Norden der Grande-Vrllette. Es sind bei diesen Arbeiten beschäftigt: 50,000 A>beiter, 6000 Pferde, 20 Locomoliven und 500 Wagen Auf den Hügeln von St. Chaurnont sollen nicht weniger als 1,500,000 Bäume und Sträuche gepflanzt werden. London. 9 August. Nur von der Ankunft des Great Eastern oder «ines seiner BeoleitungSschiffe darf man jetzt eine Erlösung au» der ung zen Sr