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Nr. SIS. Zehnter Mcheml: LLgltch früh 7 Uhr. Mserate werden angenommen: dt« AbrndS 0,Eonn- ragt bi« Mittag» 12 Uhr: Mvrienstraßr IL. rzeig in dies Blatte, « jetzt ia UMU 'emplaren erjcheint, ,d«n eine erfolgreich« Verbreitung. Montag. ZI Juli 1885. Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mttredacteur: Theodor Arabisch. Abonr.emen!: vterrcljcihriich 2V Ng" bei unentgeldlichi.il':' srrung i»'ü Hank.. Durch die NLnigl-^ vierteljährlich 22 Ngr Einzelne Stiiurinerie 1 Ngr. Knseralcnpreift: Für den Raum eioer gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Einge- jandt" dir Z»il, L vrgr Druck uud Sigenlhmn der Herausgeber: tDitpslh 4k Nrichtvrdt. — Verantwortlicher Redactrur : JullllS Vlelchlilbt. Dresden, den 31 Juli. — a. Gestern und vorgestern hatten sich im Mittelsalon der Helbig'schen Restauration viele Mitglieder des Verbandes deutscher Dienstmann-Institute zur zweiten großen General- Versammlung allhier eingefunden, um über wichtige Verbands angelegenheiten gemeinsame Entschließungen zu fassen. Am ersten Tage dauerten die Berathungen vier, am zweiten sogar fünf Stunden. Außer den Gegenständen, welche auf der Tages ordnung standen und reiches Material zu interessanten Ver handlungen boten, wurden noch mehrere Specialanträge zur Discussion und Beschlußfassung gebracht. Wenn auch bei dem Interesse, welches viele unserer Leser für die Sach? des Dienst- manntvesenS nehmen, es vielleicht wünschenSwerth wäre, auf diese Berathungen hier näher einzugehen, so müssen wir doch bei dem Mangel an Raum darauf verzichten und können nur aui das allmonatlich erscheinende „Correspondenzblatt" des Verbandes verweisen. Hier sei nur erwähnt, daß auf der diesmaligen Conferenz auch ein spccieller Dienstmannsgruß und zwar das ermunternde » Frisch auf!" gewählt worden ist; daß ferner die Einrichtung von Ehrengerichten zu Schlichtung obwaltender Differenzen, bestehend aus Dienstmännern, welche zum Theil von der Mannschaft selber, zum Theil vom Di rektorium gewählt werden, als praktisch empfohlen wurde. Als Vorort für die nächste General-Versammlung wurde Würzburg gewählt. Feierlich gestaltete sich der Schluß der Berathungen durch verschiedene begeisternde Reden. Zunächst wurde Herrn Geucke eine ehrende Ovatron dargebracht; ein Theilnehmer der Conferenz überreichte ihm unter paffenden Worten als ein Zeichen der Liebe und Anerkennung Aller für feine unermüdkicherr Bestrebungen sü» das Dienst»nnvSM»sxu einen prächtigen Koffer. Ein „Frisch auf!" nach dem andern ertönte; eS galt der Conferenz, den abwesenden Herren, welche zum Theil ihre Theilnahme durch herzliche Telegramme zu er kennen gegeben hatten, der gesammten Verbandsdienstmann schüft u. s. w. Endlich reichten sich zum Schluffe Alle die Hände und gelobten sich feierlichst. Jeder an seiner Stelle un ermüdlich weiter zu wirken für die gute Sache, zum Nutzen des Publikums, zum Heile der Arbeiter. „Frisch auf" denn! es wird schon gelingen, wenn eS mit solchem Eifer erstrebt wird, wie er auch diese jüngste Conferenz kennzeichnete. Aus Anlaß der am 12. August dieses Jahres in Jene stattfindenden Jubiläumsfeier des 50jährigcn Bestehens der deutschen Burschenschaften sind in der Syderolithwaarrn- sabrik von T. L. Thorschmidt u. Comp, in Pirna einige Tausend Festpokake bestellt worden, welche in den nächsten Tagen vollendet und dahin abgesendet werden. Dieselben sind in elegan ter Becherform mit vergoldetem Wappen und Schrift, sowie mit geschmackvollem Deckel versehen. — Hierbei ist zu be merken, daß sich obengenannte Firma durch seine Fabrikate bei der hiesigen landwirthschastbchen Ausstellung ebenfalls eine Prämie erworben hat. — Zur Warnung für Leichtgläubige und als Mahnung zpr Vorsicht mö. e die Mittheilung folgenden Betrugs dienen. Zu einer hiesigen Bürgersfrau kommt ein Dienstmann mit einem Briefe, worin diese von einer ihr bekannten Frau, ivelche den Brief unterschrieben, ersucht wird, ihr 10 Thal« zu schicken. In dem Briese schreibt die Bekannte, sic sitze mit ihr« Tochter in Helbig's Restauration und warte schon seit mehreren Stunden vergeblich auf ihren Mann und könne doch nicht fort gehen, ohne ihre Zeche zu bezahlen. Die arg lose Bürgersfrau findet die Sache zwar etwas sonderbar, ab« die Unterschrift deS Briefes scheint ihr zutreffend und sie übergiebt dem Dienstmann das Geld, der es auch an eine Frau in Helbig's Restauration abliefert. Als die Bür gersfrau später mit der ihr befreundeten Dame zusammen» kommt, stellt es sich heraus, daß es derselben gar nie c »ge fallen !0 Thaler zu borgen, die Unterschrift erwies sich als gefälscht, und es ward der Betrogenen klar, daß ein. nicht zu ermittelndes Individuum, welchem die freundschaftlichen Be ziehungen der Beiden jedenfalls bekannt waren, diesen un verschämten Betrug auigeübt hat. — Gestern Morgen stürzte aus einem Hause der Heller straße ein zweijährige- Kind au» der zweiten Etage herab aus die Straße und wurde todt vom Platze getragen. — Ursache der großen Hitze. Ein Marseiller Astro nom will als Ursache der großen Hitze des diesjährigen Sommers ein wunderbares Nalurcreigniß entdeckt haben Er behauptet nämlich, daß der bekannte Enke'sche Komet, welch« schon von jeher in «in«, unsere Planetenbahnen durschnri- dendcn Spirale seine Bahn um die Sonne nahm, so daß er derselben mit jedem Umlauf nah« kam, vor einiger Zeit in die Sonne hineingrsallen sei und dadurch die Jnlensivität deS Sonnenseuers vnmehrt habe. Allgemeine Wochenschau. Las Abacordnetcnsest in Köln- — Bergewalligiing ,n Schleswig- Holstein. — Das Regensburger Conseil — Der Schluß des Reichs- i"B»nde — Wahlen in England Der Antrag am" Amcrita. raths in Wien, und Frankreich. " Während an dem grünen Strand der Elbe soeben unter unser» Augen ein VolSfest eefeiert wurde, das den vnsammelten deutschen Stämmen uutcr manchem Andern auch eine glückliche Harmonie zwischen Regierern und Regierten zeigte, spielte sich an den romantischen Ufern des Rheinflroms eine Haupt- und Staalsaction ab, deren Absichten ernster Na tur sind, während ihre Ausführung wesentlich komische Mo mente enthält. Eine Anzahl Kölner Bürger, an der Spitze Classen-Kappelmann, hatte in Absicht den preußischen Abge ordneten ein Fest zu geben, bestehend in einem politischen Zweckeffen und einer solennen Rheinfahrt. Die Regierung duldet aber keine Opposition, sie löste das Festcomite auf, indem sie es als einen politischen Verein erklärte Die Köl ner sagten: nein, wir wollen gar keine Politik treiben, wir wollen uns nur gemüthlich versammeln und essen und trinken und Herr Claffcn erklärte, « lüde nunmehr die preußischen Abgeordneten als Privatmann zu Gaste, begab sich aber, da man ihn verhaften wollte, nach Vervürs Mit diesem Siege, daß die Kölner selbst ihrem Feste jede politische Tragweite nehmen und es für eine gemüthliche Zusammenkunft erklären mußten, hätte sich die Regierung zufrieden geben können. Sic hatte die Köln« ja dahingebracht, ihrem Feste selbst jede Bedeutung abzusprechen; denn daS, was auf Wirthschasten bei einem zwangslosen Zusammenkommen gesprochen wird, nennt man Bierbankpolitik, hat als solche keine große Bedeu- ng Md läßt sich nie verhindern. Doch, die Trophäen, e daS 'Ministerium M Bttäin errungen, lasten die Be hörden am Rheine nicht schlafen. Als nun die 60 Abge ordneten — freilich kaum der 6. Theil des Hause?, welcher den Muth hatte, persönlich für ihre Meinungen einzustehen — in dem dazu bestimmten Gürzcnichsaale nicht tafeln konn ten, retteten sie sich aus der Nähe der Pickelhauben und Küraffiersäbel zu den Hyänen, Kropftauben, Schakals, abeffi- nischen Störchen und Eisbären deS Kölner zoologischen Gar tens, wurden jedoch auch hier, da eS nicht blos zoologisch, sondnn logischer Weise überhaupt politisch herging, ganz un politischer Weise von Infanterie und Kürassieren, welche mit Trommelschlag und Hörnerklang, mit Benutzung aller Vor- theile de- Terrain-, mit Zjkhrigcr Dienstzeit und Armeeor- ganisation anrückte, vertrieben, von Deutz vertrieben, von dem Besteigen der Dampferfestflotille durch Pioniere (nicht die Pioniere des Fortschritt-) abgehalten und dampften dann auf der Eisenbahn bis Nassau. Dort sang, toastete, trank und aß man, bis auch hi« wieder naffauischeS Militär die Ver sammlung sprengte. Was uns am meisten mißfällt, ist, daß sich die naffauische Regierung zu Schergendiensten für Preu ßen hergrgeben. Hat denn die Freiheit nirgends eine Stätte und wenn es auch nur die Freiheit des Zusammenschmaußens ist'/ Muß sie mit Kolbenstoßen auS einem geknechteten deut schen Lande verjagt, auf benachbartem Boden wieder mit Kolbrnstößen behandelt werden? Wir sind überzeugt, daß, wenn der Plan zur Ausführung kommt, in Leipzig den preu ßischen Abgeordneten ein Fest zu geben, auch unsre Negierung Festigkeit genug besitzen wird, um ein etwaiges Ansinnen Preußens zurückzuweisen Ueber das Verfahren der preußischen Negierung verlie ren wir kein Wort, die Geschichte wird dasselbe genügend brandmarken. Aber auch mit dem Verhalten der Kölner Bürgerschaft, so oroßes Wesen man auch davon machen maa, können wir uns nicht befreunden. Entwed« mußte man den Muth haben, die Wahrheit zu gestehen, daß man ein poli tischer Fest beabsichtige oder von einer Demonstration, die zu nichts führen kann und die Fcsttheilnehmcr nur als tragiko mische Helden erscheinen läßt, abschen. Es steckt eben lein Princip in diesen Führern der Fortschrittspartei; sie wollten gerne, sie können aber nicht und was sie können: mit ihrer Person für ihre Uebcrzeugung cintreten, daS wollen sie wie der nicht Das weiß auch die Regierung in Preußen zu gut, daß hint« den himmelstürmendcn Phrasen der Opposition keine sittliche Kraft, kein energischer Muth steckt, sonst würde sie nicht die Courage haben dielen Herren auf die ihr eigene rücksichtslose Weise auf die Finger zu klopfen, wenn sie die Hände nach etwas auSstrccken, was nicht für sie taugt. WaS eine gesinnungstüchtigeOpposition ist, mögen die Preu ßen von den vrelgeschmähten Schleswig Holsteinern lernen. Diese laffrn sich mit den Kappelmännern an tum Rhein und der Spree nicht in eine Claflc Wersen. Da steckt doch ein Kern dahinter, da läßt man sich auf keine Gaukeldimonstraiioncn ein, bei denen man das Schauspiel des gehetzten Hasen ab- girbt, da ist ein sittlicher Grund und Boden da, der dem Volke die Weihe eine- Kampfes für die höchsten Ertengüter: Frei heit und Recht, giebt Freilich züchtigt Herr von Bismarck, wenn er seine Preußen met Ruthen schlägt, die Schleswig- Holsteiner mit Scorpionen. Jetzt hat er den Redaeteur der Schleswig-Holsteinischen Zeitung bei Nacht und Nebel auL seinem Bett geholt und in strengen Gewahrsam geschleppt. Wieweit ist es noch zu den Gewaltflreichen Napo leons, der einen deutschem Buchhändler und den sran zösischen Prinzen von Enghien auf deutschen Baden aufhebcn, üb« die Grenze bringen und erschießen ließ? Ist noch der Unterschied mit der russischen Regierung bedeutend, welche ihre polnischen Untcrthanen aus den Armen des Schlafes reißt, um si? jenseits dcä Uralgrbirges auf die Zobeljagd zu schicken? Ein preußischer Abgeordneter. Nr. Frese, wurde aus Schles wig-Holstein ausgcwiesen, weil er dort nicht Annexionspolitik treibt. Der östreichische Commisiar von Ha'.bhubcr hat gegen Beides protestirt — protestire, wer Willi Wer eine Ohrfeige erhalten hat, dem nimmt sie kein Protest von der Backe Merkwürdig genug ist es, daß der Kurfürst von Hessen jetzt Herrn von Bismark den Orden des goldenen Löwen er- theilt hat. Traf denn nicht vor etlichen Jahren ein Berliner Feldjäger in Kassel ein? In -Regensburg hat ein Conseil aller preußischen Minister stattgesunden, worin das immer drohender werdcndc Nerhälr- niß gegen Ocstreich behandelt wurde. Die Luft ist mit Kriegs- gnüchten «füllt, die Stimmung zwischen Preußen und Oest- reich eine äußerst feindselige und es bedarf vielleicht nur eines Funkens, um daS dolle Pulversaß zu entzünden. Der Schluß deS ReichSralhs ist in Wien erfolgt. Dieser trägt hoffentlich dazu bei, die Ministerkrisis zu beendigen und die Situation zu klären. Letzteres ist auch der Zweck des Antrags von Baiern, Sachsen und Großherzogthum Hessen am Bunde. Wenn sich doch Oesireich auf die thatkrästige Hilfe d« deut schen Miite'staaten stützte, die Schleswig-Holsteinische Frage würde gewiß bald befriedigend erledigt werden. In England und Frankreich haben jetzt Wahlen stattgc- funden. In England die für's Parlament. Die Reginung hat circa 22 Sitze mehr gewonnen. Die Torus werden in der Mindnheit sein, doch ist die ministerielle Mehrheit keine geschloffene, sondern eine nur nothdürftig zusammmgehaltene und oft genug wird die Regierung, um sich der zu weitgehen den Forderungen ihrer Freunde zu «wehren, sich an die Oppo sition um Hilfe wenden müssen. Die gesetzlichen Kosten für die Wahlen — die ungesetz lichen entziehen sich jeder Schätzung — belaufe sich auf 2 Mil lionen Pfund. Es kam an 2 Orten zu skandalösen Wahl- cravallen. Man schickte, um die Gegenpartei zu schrecken und zu bedrohen, Raufbolde an die Wahlurne. So ein Kerl be kommt täglich 2 Pfund; in dem einen Orte rückten am Wahl tage 500 dieser Strolche ein, welche die abstimmende Gegen partei mit Faustschlägen, Knitteln und Steinwürfen behandelt, bis sie von den Galgenvögeln dieser Partei in die Flucht ge trieben wurde. Als der Mayor dre Aufruhracte verlas, traf ihn ein Steinwurf mitten in's Gesicht. Die Polizei kam, wie gewöhnlich, als Alles vorbei war. Das ist Wahlrrcihett und der Gewählte ist dann „Volksvertreter." In Frankreich fanden die Gcmeinderathswahlen in 3900 Gemeinden statt. Nur in 1000 hat die Opposition gesiegt. Die Wahl trug einen friedlichen, conservativen Charakter und selbst da, wo, wie in den großen Städten, die Regierung unterlar, wurde der Sieg ohne Erbitterung erfochten und der Triumph war ohne Schadenfreude. Zum ersten Male hatte sich die Reginung eine- Druckes auf die Wahlen enthalt.». In Nordamerika sind die Verschworenen des Mörder Booth, unter ihnen das weibliche Scheußal Surrst, gehängt worden. Ob, wie man angiebt, die Regierung gegen den Expräsidenten Davis neue und dießmal gewichtigere Judicien für seine Miturheberschaft an Lincolns Ermordung aufgclun- den hat, muß noch abgcwartct werden. * Man schreibt der „Bohemia" aus Wien: „In Abgeordnelenkreisen circulirt e-n guter Witz eines b.kannten geistreichen Grafen und Abgeordneten. Bei der Prüfung des Central-Rechnungsabschlussis in einer der letzten Sitzun gen des Finanzauschuffes wurde eine kleine Post von etlichen tausend Gulden beanstandet, welche den Titel führte: „Für Mäntel an das Haus Rothschild." Man verlangte von dem RegierungS-Commiffar Auskunft und diese lautete dahin, daß das Haus Rothschild eine kleine Provision dafür beziehe, daß es drn österreichischen StaatSpapiercn im Auslände einen so genannten Mantci beigebe, d. i. die Bestätigung, daß die Pa pi«? ächt seien. „Da sieht man," bemerkte der Gras, „daß die österreichischen Staattvapiere Blößen haben; Rothschild muß den Mantel jüdische? L eb« darum hängen." H N k V